Protocol of the Session on September 12, 2013

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/2391

Änderungsantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/2410

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Hohmann. Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Pünktlich zum Schuljahresbeginn stellt sich sowohl im Kultusministerium als auch an den

Schulen in Sachsen-Anhalt regelmäßig die Frage: Sind wir für das kommende Schuljahr personell gut ausgestattet?

Das Kultusministerium konnte die Unterrichtsversorgung in diesem Jahr nach eigenen Aussagen durch vorgezogene Einstellungen gerade noch absichern. Ich will hier nicht das gesamte leidige Personalproblem aufgreifen. Das ist an anderer Stelle bereits erfolgt, aber ich denke, es gehört auch hierher.

Wenn die Landesregierung nicht endlich zu einem Personalentwicklungskonzept kommt, das seinen Namen verdient, und die rigorosen Personalabbauziele nicht vom Tisch verschwinden, wird die Unterrichtsversorgung künftig nicht mehr stabil zu sichern und bezüglich der Besetzung der Schulleiterstellen die Kuh nicht vom Eis zu führen sein.

Auch in diesem Schuljahr gelang es zum wiederholten Male nicht, die freien Schulleiterstellen zu besetzen. Dies scheint sich auch für die Zukunft zu einem Dauerproblem zu entwickeln, insbesondere wenn man sich die Entwicklung bis 2020 anschaut. Bis dahin sollen, so die Auskunft des Kultusministeriums, weitere 280 Schulleiterinnen und Schulleiter in den Ruhestand gehen.

Laut Angaben des Ministeriums - nachzulesen in der „Volksstimme“ vom 12. August 2013 - sind zu Beginn des Schuljahres 2013/2014 71 Schulleiterstellen und 48 Stellen für stellvertretende Schulleiter vakant.

Gründe, aus denen diese Funktionsstellen unbesetzt bleiben, gibt es viele. Die Gewerkschaften kritisieren zum einen die fehlende Vergütung bei Stellen, die durch Altersteilzeit der bisherigen Leiterinnen und Leiter blockiert werden, oder aber auch eine viel zu geringe Bezahlung für Leitungsfunktionen, zum Beispiel an Grundschulen. Schulstandorte, die nicht attraktiv sind, Probleme im Kollegium oder auch der Streit unter Konkurrentinnen und Konkurrenten sind die vom Ministerium genannten Gründe, in der „MZ“ vom 11. August 2013 nachzulesen.

Schaut man sich dagegen den Aufgabenkatalog einer Schulleiterin an - geregelt im Grunderlass des MK vom 3. März 2010 -, wird schnell klar, dass diese komplexe Aufgabe nicht zusätzlich neben den übrigen Aufgaben als Lehrkraft zu erfüllen ist. Jede Schule braucht für dieses außerordentlich anspruchsvolle Tätigkeitsfeld eine engagierte und kompetente Schulleiterin. Im Kontext von Führung, Management und Moderation soll sie nämlich den Bildungs- und Erziehungsprozess in der Schule konstruktiv und erfolgreich gestalten.

Worin liegt nun unsere parlamentarische Aufgabe? - Die vorhin genannten Gründe der Gewerkschaften und des Ministeriums gilt es zu analysieren. Des Weiteren wollen wir mit unserem Antrag auf

einen Umstand aufmerksam machen, der unserer Auffassung nach genauso wichtig ist. Wer sich einmal mit dem Auswahlverfahren zur Besetzung von Funktionsstellen auseinandergesetzt hat, wird feststellen, dass auf die Bewerberinnen und Bewerber eine komplexe und anspruchsvolle Prozedur zukommt. Wie sieht diese in Sachsen-Anhalt aus?

Erstens. Nach Eingang der Bewerbung leitet das Landesschulamt das Verfahren für eine Anlassbeurteilung ein. Das heißt, die Bewerberinnen werden gemäß Runderlass des MK beurteilt.

Zweitens. Es folgt die Besichtigung. Sie umfasst zwei Unterrichtsstunden in den zu vertretenden Unterrichtsfächern, das heißt also: die schriftliche Planung, Durchführung und Nachbereitung. Wer das als Lehrkraft schon einmal hinter sich gebracht hat, weiß, dass man für eine Stunde ca. 30 bis 40 Seiten schreiben darf.

Drittens. Danach erfolgt eine Hospitation von einer Unterrichtsstunde bei einer Kollegin mit anschließender Beratung und begründeter Beurteilung. Auch hier muss sich diese Kollegin ausführlich vorbereiten und ebenfalls 15 bis 20 Seiten schreiben.

Viertens. Des Weiteren muss die Bewerberin eine ca. einstündige wenn möglich thematische Dienstberatung oder Konferenz leiten.

Fünftens. Abgerundet wird die Besichtigung durch ein schulfachliches und schulrechtliches Kolloquium.

Abschließend erfolgt die Auswahl der Bewerberin durch das Landesschulamt und Kultusministerium. Die Schulbehörde schlägt der Gesamtkonferenz in der Regel zwei geeignete Bewerberinnen vor. Unterlegene Bewerberinnen haben in Sachsen-Anhalt nun sechs Monate Zeit, sich auf eine andere Stelle zu bewerben, wenn sie nicht noch einmal das Beurteilungsverfahren auf sich nehmen möchten. Denn im § 3 Abs. 2 zur Besetzung von Funktionsstellen im Schulbereich - Runderlass des MK vom 4. September 2006, geändert durch Runderlass des MK vom 15. Juni 2011 - heißt es:

„Eines erneuten Beurteilungsverfahrens bedarf es nicht, wenn eine aktuelle dienstliche Beurteilung aus vergleichbarem Anlass vorliegt, die nicht älter als sechs Monate ist.“

Aus unserer Sicht ist dies nicht gerade motivierend für Kolleginnen und Kollegen, die sich neben ihrer pädagogischen Arbeit für eine weitere Bewerbung entschließen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen dringend engagierte und qualifizierte Schulleiterinnen und Schulleiter. Auch die CDU-Fraktion hat es mehrfach in den Medien kommuniziert. Die Fraktion DIE LINKE schlägt daher vor, sich im Aus

schuss für Bildung und Kultur mit diesem Thema zu befassen. Es sollte abgeklärt werden, inwieweit das Verfahren zur Besetzung von Schulleiterstellen vereinfacht werden kann. Ein Blick über die Ländergrenzen wäre hier sehr hilfreich.

So hat beispielsweise die dienstliche Beurteilung der Bewerberinnen und Bewerber in MecklenburgVorpommern 24 Monate Gültigkeit. In NordrheinWestfalen gibt es ein Eignungsfeststellungsverfahren. Nur wer dieses bestanden hat, kann sich bewerben. Die dienstliche Beurteilung gilt hier drei Jahre. In Bayern sind es sogar vier Jahre. In Baden-Württemberg sind zum Beispiel die Bescheide bezüglich der Unterrichtsanalyse mit Beratung drei Jahre gültig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein weiterer Schritt zur Reduzierung unbesetzter Schulleiterstellen wäre die Möglichkeit zu überprüfen, inwieweit die unterlegene Bewerberin aus der Gesamtkonferenz für eine andere Stelle zu motivieren ist. Hier könnten gegebenenfalls regionale Angebote unterbreitet werden. Es gibt sicherlich noch zahlreiche weitere gute Ideen.

Auf alle Fälle sollten wir nach Lösungen suchen. Die im Jahr 2011 angefangene Diskussion gilt es aufzugreifen und fortzusetzen. Die Kolleginnen und Kollegen, die schon länger im Parlament sind und in der letzten Wahlperiode dem Bildungsausschuss angehörten, wissen, dass wir bereits in der fünften Wahlperiode den Prozess mit einem Selbstbefassungsantrag angestoßen haben. Nun sollten wir ihn konsequent weiterführen und dafür Sorge tragen, dass sich die Situation an den Schulen bei der Besetzung von Schulleiterstellen nicht noch mehr zuspitzt, sondern entspannt.

Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern haben ein Recht auf eine qualitativ angemessene personelle und sächliche Ausstattung der Schulen. Tragen wir dazu bei, dass der gesetzlich verankerte Bildungs- und Erziehungsauftrag an allen Schulen in Sachsen-Anhalt in hoher Qualität umgesetzt werden kann. Dazu gehört nun einmal, dass jede Schule durch eine Schulleiterin oder einen Schulleiter vertreten wird.

Nun noch eine kurze Anmerkung zu dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen. Der Änderungsantrag ist zwar ganz gut gemeint, aber wir würden uns mit diesem Änderungsantrag genau wieder dorthin begeben, wo wir 2011 schon einmal waren: einen Bericht abzuwarten. Die Vorschläge, die in gültigen Gesetzesvorlagen zu überprüfen sind, halte ich für nicht zweckdienlich. Hier sollte vielmehr ein aktives Mitwirken aus dem Ministerium da sein. Deshalb bitte ich darum, unseren Antrag, der viel weitergehend ist, zu unterstützen. Den Änderungsantrag werden wir ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dank sehr für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Minister Dorgerloh.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die personalwirtschaftlichen Planungen des Landesschulamtes als personalführende Stelle und des Kultusministeriums sind darauf gerichtet, dass Vakanzen bei der Besetzung von Schulleiterstellen weitgehend vermieden werden und eine Entscheidung über die Nachbesetzung einer Stelle rechtzeitig vor einer eintretenden Vakanz erreicht wird. Allerdings - wir haben es eben gehört - lässt sich dieses Ziel aufgrund verschiedener Umstände nicht in allen Fällen erreichen. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Die Schuljahrespressekonferenz und die Zahlen, die wir dort veröffentlicht haben, wurden eben schon erwähnt. Insgesamt waren zum Schuljahresbeginn 71 Schulleiterstellen nicht besetzt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass wir 25 Verfahren so weit vorangetrieben haben, dass im Wesentlichen nur noch die Gesamtkonferenz bzw. die Personalräte vor Ort zustimmen müssen. Das heißt, hier sind wir auf der Zielgeraden. Einige sind inzwischen abgeschlossen, sodass ich heute sagen kann: Nur noch 67 Schulleiterstellen sind nicht besetzt.

Die Zeit ist schon etwas fortgeschritten, trotzdem machen wir an diesem Punkt ein wenig Kopfrechnen. Wenn ich Ihnen sage, dass 67 Stellen derzeit nicht besetzt sind und 21 auf der Zielgeraden sind, dann - das können Sie schnell mitrechnen - stellen Sie fest, dass wir bei 46 Vakanzen sind. Darunter sind 20 Verfahren, in denen wir im Augenblick aus personalwirtschaftlichen Erwägungen davon Abstand nehmen, die Stellen zu besetzen, zum Beispiel weil der Standort nicht sicher ist.

Das heißt, an diesen Standorten können wir eine dauerhafte Besetzung einer Leitungsfunktion nicht zulassen. Wir werden die Schulentwicklungspläne der Schulträger, die in den kommenden vier Monaten vorliegen werden, abwarten. Deswegen, so glauben wir, ist es nicht angemessen, die Schulleiterstellen jetzt in dieser kurzen Zeit, in der nicht klar ist, was aus der betreffenden Schule wird, zu besetzen.

46 Schulleiterstellen minus 20 Schulleiterstellen ergeben 26 nicht besetzte Schulleiterstellen. Wenn man sich das im Einzelnen anschaut, dann sieht man, dass beispielsweise Konkurrentenklagen oder Widersprüche im Vollzug die Besetzung schlicht aufschieben oder verhindern.

Es gibt einige wenige Schulen, für die wir keine geeigneten Bewerber gefunden haben und die Stel

len erneut auszuschreiben waren. Das muss man einfach sehen.

Hinzu kommt, dass Vakanzen nicht nur planmäßig durch Alterabgänge entstehen, sondern eben auch durch Erwerbsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit - wir haben sogar Todesfälle zu verzeichnen gehabt - bzw. auch durch den persönlichen Wunsch nach Abberufung, auch das kann man nicht planen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Häufig wird die Vermutung geäußert, es läge an der nicht ausreichenden Bezahlung von Schulleitern. Das haben wir eben auch noch einmal gehört. Dies kann in dieser Absolutheit nicht bestätigt werden. Das muss ganz klar gesagt werden.

Es sind natürlich Fälle bekannt, in denen sich Beschäftigte abwartend verhalten und eine Bewerbung gegebenenfalls erst einreichen, wenn Klarheit darüber herrscht, dass zum Beispiel keine Mitbewerber existieren.

Ebenso haben es einige Schulstandorte aus unterschiedlichen Gründen schwer. Dies kann beispielsweise an der Elternschaft, am Kollegium, am Standort liegen, der bei infrage kommenden Bewerbern als unattraktiv betrachtet wird. Damit haben wir es vor allem bei kleinen Grundschulen in dünn besiedelten Regionen bzw. an Ländergrenzen zu tun. Dies ist eine besondere Herausforderung, der wir uns immer wieder stellen. Konkrete Gründe für Nichtbewerber sind insgesamt jedoch hoch spekulativ.

Bei mehr als 900 Schulen sind personalwirtschaftliche Unwägbarkeiten - das möchte ich an dieser Stelle auch einmal sagen - nicht immer zu verhindern. Ich habe schon gesagt, dass es jetzt 26 ungeklärte Fälle bei mehr als 900 Schulen gibt. Wenn man das mit anderen Bundesländern vergleicht - es wurde uns gemeldet, dass Mecklenburg-Vorpommern mehr als 100 offene Stellen hat, obwohl sie deutlich weniger Schulen haben, und auch in Sachsen sind es völlig andere Dimensionen -, dann haben wir insgesamt keine so schlechte Situation.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich § 31 des Schulgesetzes anschaut, dann sieht man, welche Prämissen zur Besetzung der Stellen von Schulleitern gelten.

Ich will einige nennen: öffentliche Ausschreibung, Vorschläge der Schulbehörde für die Gesamtkonferenz, Anhörung des Schulträgers und Wahl des Schulleiters aus dem Kreis der vorgeschlagenen Bewerber durch die Gesamtkonferenz. Dies sind die äußeren Rahmenbedingungen für die Entscheidungsfindung. Daran sollten wir auch nicht rütteln.

Jetzt ist Frau Hohmann in einem intensiven Gespräch mit dem Geschäftsführer, aber gleich wie

der ganz Ohr. Ich will ihr nämlich auch sagen, dass wir natürlich schauen müssen, dass wir bei den Stellenbesetzungen zu Recht auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung schauen. Deswegen ist das Auswahlverfahren auch so wichtig und ist aus diesem Grunde, wie geschildert, so gründlich zu führen; denn wir haben an dieser Stelle immer wieder die Notwendigkeit einer aktuellen dienstlichen Beurteilung, die hinsichtlich ihres Aussagewertes eben nicht veraltet sein darf. Es wird dann immer wieder eine aktuelle Beurteilung erforderlich. Dies ist natürlich mit einem zeitlichen Aufwand verbunden. Dies kann auch zu Verzögerungen führen, aber genau vor diesem Hintergrund werden wir uns das noch einmal anschauen.

Wir sind gegenwärtig dabei, das Verfahren der dienstlichen Beurteilung auch mit Blick auf die Aufgabenkritik, die wir gegenwärtig im Hause vornehmen, und auch mit der Aufgabenneuausrichtung noch einmal zu überdenken. Wir wollen, genau wie Sie es angeregt haben, den Aufwand minimieren und das Verfahren weiter straffen. Deswegen bin ich gern bereit, im Dezember, wenn der Haushalt beraten worden ist, im Bildungsausschuss vorzustellen, wie wir an dieser Stelle zu einer Straffung des Verfahrens kommen können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Der Minister hat seine Redezeit um eine Minute und 30 Sekunden überzogen. Sie können die Zeit ausnutzen, müssen es aber nicht tun. Als erste Debattenrednerin wird für die CDU-Fraktion Frau Koch-Kupfer sprechen. Bitte sehr, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass es zu dieser fortgeschrittenen Stunde allen hier im Raum entgegenkommen wird, wenn ich die bereits vom zuständigen Minister vorgetragenen Fakten nicht wiederhole, um das bestehende Problem erneut darzustellen.

Gleichwohl, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es - das ist in den Redebeiträgen deutlich geworden - um die Attraktivität eines Berufes. Schulleiter zu sein, erschien mir, als ich selber Schülerin war, zu meiner Zeit als etwas ganz Besonderes. Ich weiß natürlich auch, wenn man über den Tellerrand schaut, dass nicht nur Sachsen-Anhalt Probleme damit hat, Schulleiterstellen zu besetzen und dass dieser Beruf wahrscheinlich an Attraktivität verloren hat.