Die fünf typischen Frauenberufe, die es trotz tendenzieller Änderungen leider Gottes noch immer gibt, gehören zu den am niedrigsten bezahlten Berufen in der Bundesrepublik. Alle haben dabei sicherlich eine Verkäuferin oder eine Arzthelferin vor Augen, die das deutlich macht. Es gibt auch nur 17 % Polizistinnen in diesem Land. Das alles sind Zustände, die wir so nicht länger hinnehmen können.
Um hier wirklich nachhaltige Änderungen, die über den Einzelfall hinausgehen, zu bewirken, brauchen wir eine konzertierte Aktion, brauchen wir gemeinsames ressortübergreifendes Handeln. Dabei anerkenne ich durchaus, dass es in den letzten 20 Jahren - in einzelnen Fällen mit durchaus auch zwei bis drei Jahre andauernden Programmen - Anstrengungen gab, die in einzelnen Fällen Disparitäten aufgelöst haben, aber eben nur kurzzeitig. Wenn wir uns die Zahlen jeweils fünf Jahre später ansehen, stellen wir fest: Es gab wieder dieselben Ungerechtigkeiten wie vorher.
Deswegen, meine Damen und Herren, muss ich deutlich sagen: Das reicht so nicht aus. Wer Grundsätzliches ändern will - Frau Ministerin hat es vorhin für die Frauenquote in der Wirtschaft auch so dargestellt -, der muss die Strukturen ändern.
Unser Land hat - das gebe ich offen zu - durchaus viele Probleme, insbesondere durch den demografischen Wandel. Aber - davon bin ich zutiefst überzeugt - hier wird die Lösung der Geschlechterfrage, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern, ein existenzieller Bestandteil der Lösung sein.
Deswegen schlagen wir als Fraktion mit dem Antrag „Landesprogramm“ ein vierstufiges Verfahren vor. Am Anfang steht die Datensammlung. Das ist nicht kompliziert. Wir haben viele gute Statistiken
in diesem Land. Der Gender-Atlas ist bereits erwähnt worden. Und - dieser Schlenker sei erlaubt - vielleicht gibt uns das die Gelegenheit, das, was schon seit 20 Jahren auf der Tagesordnung dieses Hauses steht, endlich einmal anzugehen und dafür zu sorgen, dass alle Statistiken im Land geschlechtergerecht erhoben werden.
Ich finde es nämlich schwierig, beispielsweise über Gewaltopfer zu reden, wenn nicht in Erfahrung zu bringen ist, wie viele weibliche Gewaltopfer es in diesem Land gibt.
Es ist also wichtig, mit der Datensammlung zu beginnen. Als zweite Stufe steht dann der Faktencheck, die Analyse, an. Das heißt, man muss genau schauen, wo es Defizite gibt, die es anzugehen gilt. Danach müssen unterhalb des großen Ziels der Gleichstellung von Männern und Frauen in diesem Land konkrete Ziele für die einzelnen Handlungsfelder, die unser Antrag auch beschreibt, festgelegt werden. Diese müssen mit Maßnahmen untersetzt werden, die einer Zeitschiene folgen.
Ferner ist mir wichtig, dass klare Verantwortlichkeiten festgelegt werden, damit das Landesprogramm überprüfbar, nachvollziehbar und abrechenbar ist. Sie kennen das sicherlich alle: Gruppenverantwortung ist keine Verantwortung. Es reicht also nicht, an die einzelnen Häuser zu verweisen, sondern das muss bis auf die Referate und durchaus auch auf die einzelnen Träger, die die Maßnahmen umsetzen sollen, heruntergebrochen werden.
Denn - das ist unter Punkt 4 ausgeführt; das ist mir persönlich sehr wichtig - das Ganze soll in einem dialogorientierten Verfahren umgesetzt werden. Das heißt, die Träger, die vor Ort die Fachleute in diesen Bereichen sind, sollen aktiv in die Erarbeitung und Umsetzung des Programms einbezogen werden. Das muss parallel zu dem Sach- und Fachverstand geschehen, den wir in den Landesministerien und in den Landeseinrichtungen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns keine Chancen vertun und vor allem keine Versprechungen machen, sondern konkret werden. Ich denke, es gibt in diesem Land genug leere Versprechungen. Die alleinerziehende Mutter, die einen Job nicht annehmen kann oder abbrechen muss, weil sie nach 18 Uhr in den so genannten Randzeiten keine Kinderbetreuung oder keine bezahlbare Kinderbetreuung findet, mag das Gleichstellungsgebot der Verfassung durchaus als leeres Versprechen begreifen. Das steht uns nicht gut an und vor allen Dingen ist das aus wirtschaftlicher Sicht auch verschenktes Potenzial.
Vielen Dank, Frau Kollegin Lüddemann. - Wir steigen ein in die Debatte. Als Erste hat Frau Ministerin Professor Dr. Kolb das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin froh, dass ich hier stehe, und ich bin auch froh, dass wir über das Thema, wie wir ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt in Zukunft gemeinsam gestalten können, von Anfang an auch unter Beteiligung des Landtages nicht nur diskutieren, sondern dass wir es dann - davon gehe ich aus - auch durch konkrete Vorschläge im Ausschuss weiter verfolgen werden.
Ich glaube, die gerade geführte Diskussion hat gezeigt, dass wir uns darin einig sind, dass wir eine gleiche Teilhabe von Frauen und Männern nicht nur im Arbeitsleben, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen erreichen wollen. Wir sind uns ferner darüber einig, dass wir gute Gesetze haben, dass allerdings die Lebenswirklichkeit noch anders aussieht. Die Vorgaben des Artikels 34 der Landesverfassung im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern sind noch nicht in allen Bereichen so umgesetzt worden, wie wir uns das vorstellen.
Die Diskussion zum Thema „Geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt“ ist nicht neu; denn sie ist bereits in der letzten Legislaturperiode geführt worden, ohne dass es zu einer Landtagsbefassung gekommen ist. Es hat aber auf anderen Ebenen Diskussionen gegeben.
In diesem Zusammenhang möchte ich beispielhaft darauf verweisen, dass am 1. Dezember 2008 ein Frauenfachforum, eine Kooperationsveranstaltung des Ministeriums für Gesundheit und Soziales und des Landesfrauenrates, stattgefunden hat, in dem die Erstellung eines Rahmenprogramms für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt in Anlehnung an ein Programm, wie es in Berlin schon vorliegt, vorgeschlagen wurde.
Es wurde damals eingeschätzt, dass ein solches Programm ein wirksames gleichstellungspolitisches Instrument zur konkreten Umsetzung des Gleichstellungsauftrages sein könnte. Die damalige Sozialministerin Frau Kuppe hat angekündigt, nach einem damals durchaus kontrovers geführten Dialog ein entsprechendes Programm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt zu erarbeiten. Bereits damals wurde eingeschätzt, dass ein
Landtagsbeschluss eine gute Grundlage sein könne, um diesem Ziel bzw. dieser Aufgabe die notwendige politische Priorität zuteil werden zu lassen.
Als weitere Voraussetzungen und notwendig für die Erarbeitung eines solchen Programms wurden schon damals eine aktive Mitarbeit des Landesfrauenrates, der Frauenverbände, der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten der Ministerien sowie die fachliche Einbindung und Unterstützung der anderen Ressorts von Anfang an angesehen. Gleiches gilt für die Einbeziehung der gleichstellungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der jeweiligen Landtagsfraktionen.
Es gab im Februar 2002 im Ministerium für Gesundheit und Soziales eine Strategieklausur. Ferner wurde bereits ein Rahmen für ein stufenweises Vorgehen zur Erarbeitung eines solchen Landesprogramms formuliert. In der Stufe 1 ist die Erarbeitung von Handlungsfeldern und Zielsetzungen vorgesehen.
Aus gleichstellungspolitischer Sicht sollte vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen, auch unter Einbeziehung der von mir genannten externen Experten, herausgearbeitet werden, wo die Schwerpunkte liegen. Dazu sollte entsprechende Arbeitsgruppen gebildet werden. Als wichtige Handlungsfelder sind die Bereiche Bildung, soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und in der Privatwirtschaft, Fachkräftemangel, eigenständige Existenzsicherung und Integration beschrieben worden.
Auf der zweiten Stufe sollte dann ein Masterplan mit konkreten Maßnahmen und Aktionen zur Umsetzung der Zielsetzungen erarbeitet werden. An dieser Stelle ist es leider stehen geblieben, und die zweite Stufe ist noch nicht aktiv in Angriff genommen worden. Es wäre jetzt müßig, darüber zu diskutieren, warum das nicht gelungen ist. Ich denke, wir haben mit der Beschreibung dieses Ablaufplanes und dieses Rahmens zunächst eine Grundlage geschaffen, an der wir ansetzen können, um in die eigentliche Arbeit einzusteigen.
Es hat im Hinblick auf die Frage, wie man GenderMainstreaming praktisch umsetzen kann, im Herbst 2009 Eckpunkte gegeben. Hierin sind die Herausforderungen des tatsächlichen Erreichens einer Gleichstellungspolitik im Sinne eines GenderMainstreamings als Querschnittsaufgaben für alle Bereiche beschrieben worden. Es ist darauf hingewiesen worden, dass es zunächst darum geht, eine soziodemografische Analyse vorzunehmen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, Gender-Budgeting und Lebensphasenoptimierung sollten übergreifende Bereiche sein.
Im Rahmen dieses Konzepts ist die Bildung von sechs Arbeitsgruppen vorgesehen worden, und zwar zu den Themen Bildung, Erwerbsleben, so
ziale Gerechtigkeit, Partizipation, Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, Gewaltprävention und Operschutz. Dazu sollte es eine Lenkungsgruppe geben, die die Arbeit dieser sechs Arbeitsgruppen koordiniert und die Ergebnisse zusammenfasst. Die Leiterinnen oder Leiter der Arbeitsgruppen sollten auch von der Lenkungsgruppe benannt werden. Es sollen jeweils fünf bis zehn Mitglieder aus den jeweiligen Bereichen in jeder Arbeitsgruppe vertreten sein. Hier sollen in eigener Verantwortung die jeweiligen Themen zu den noch konkreter beschriebenen Handlungsfeldern bearbeitet werden.
Dazu ist es praktisch nicht gekommen. Es hat nur eine Arbeitsgruppe gegeben, die auf Initiative der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sehr schnell ins Leben gerufen worden ist. Das war die Arbeitsgruppe „Erwerbsleben“. Diese hat sich wegen der begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen inhaltlich auf ein Handlungsfeld beschränkt und hat sich mit der Frage der Berufsorientierung befasst, also damit, was im Bereich der Berufsorientierung getan werden muss, um die vorhandenen strukturellen Schwierigkeiten im Hinblick auf Präferenzen von Jungen und Mädchen zu verbessern.
Diese Arbeitsgruppe ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht notwendig ist, völlig neue berufsorientierende Maßnahmen zu entwickeln; vielmehr wurde festgestellt, dass Vorhandenes nachjustiert werden soll und dass es insbesondere um eine gendersensible Ausrichtung dieses Bereiches geht.
Es wurde auch auf den Zusammenhang zu den Leitlinien für einen nachhaltigen Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf verwiesen und auf die vom Landesbeirat für Berufsorientierung entwickelten und von der Regionaldirektion SachsenAnhalt/Thüringen der Bundesagentur für Arbeit und dem Kultusministerium sowie dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit am 1. Februar 2011 im Landtag im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellten Empfehlungen verwiesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! An dieser Stelle werden wir nun weitermachen. Aus meiner Sicht geht es darum, im Rahmen der neuen Ressortzuständigkeit, ausgehend von dem bereits erarbeiteten Rahmenkonzept, zügig mit der Arbeit zu beginnen. Das heißt, wir müssen so schnell wie möglich diese Arbeitsgruppen besetzen. Diese müssen sich mit den Fragen beschäftigen.
Ich denke, das Rahmenkonzept ist eine gute Grundlage für die weitere Arbeit. Wir müssen dann den Zeitplan konkret untersetzen und wir werden die Ergebnisse zügig in ein Gesamtkonzept einfließen lassen.
Ich hatte in der vorangegangenen Debatte schon gesagt, dass es unser Ziel ist, bis Ende 2012 das neue Konzept für ein Gender-Mainstreaming für
Sachsen-Anhalt vorzulegen. Das ist dann quasi das Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt, weil wir das in diese Strategie einbinden müssen. Ich glaube, es hilft uns nicht, wenn wir versuchen, mit vielen verschiedenen Programmen etwas zu erreichen. Vielmehr müssen wir es konzentrieren und Gender-Mainstreaming ist dafür der konkrete Ansatzpunkt.
Auch ich freue mich auf ein dialogorientiertes Verfahren und die Anregungen aus dem Ausschuss. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin Professor Dr. Kolb. Der Kollege Scheurell hat eine Anfrage. Möchten Sie diese beantworten?
Das ist sehr freundlich, sehr geehrte Frau Ministerin. Die Gerichtssprache und auch die Amtssprache ist, wie Sie wissen, Deutsch. Ich bin nun einmal nicht so gebildet wie alle anderen hier im Saal und weiß deshalb nicht, was Sie unter „GenderBudgeting“ verstehen.
Ich könnte noch einige andere Dinge benennen. Bedenken Sie bitte eines: Ihre wichtigen Botschaften gehen unter, wenn Sie das deutsche Publikum nicht versteht.
Diesbezüglich gebe ich Ihnen Recht, Herr Scheurell. Wir haben es im Bereich der Gleichstellungspolitik und mit dem nun einmal von der Europäischen Union vorgegebenen Ansatz des GenderMainstreamings mit einem englischen Begriff zu tun,