Protocol of the Session on June 10, 2011

- Sehr geehrter Herr Striegel, ich habe noch genügend Redezeit; ich brauche es nicht am Ende zu machen. Sie wissen, dass wir uns in dieser Hinsicht bemühen.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der SPD)

Da ich Parteien genannt habe, sehr geehrter Herr Striegel, gehe ich davon aus, dass in Parteien auch Fraktionsmitglieder vertreten sind. Insofern, glaube ich, sind wir als Fraktionen Parteimitglieder.

Ziel ist es, 40 % der Führungspositionen in der Landesverwaltung mit Frauen zu besetzen. Wir kennen das. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein - das ist ebenfalls wichtig, meine Damen und Herren, und zeugt von Realismus -, dass wir dieses Vorhaben nicht von heute auf morgen umsetzen können. Im Koalitionsvertrag haben sich die Koalitionspartner aus ihrem Selbstverständnis heraus verpflichtet, die Geschlechtergerechtigkeit unter Berücksichtigung des Gender-MainstreamingAnsatzes zu fördern, das heißt, die Gleichberechtigung auf allen gesellschaftlichen Ebenen durchzusetzen.

Unser Selbstverständnis beschränkt sich nicht allein auf die Führungsebene, jedoch muss in jedem Fall den unterschiedlichen Realitäten in den Wirtschaftsunternehmen Rechnung getragen werden. Was für eines der 30 DAX-Unternehmen noch zu schultern ist, ist hingegen für ein mittelständisches Unternehmen, zum Beispiel für ein Tiefbauunternehmen mit 20 Angestellten, nicht realistisch.

Durch eine gesetzliche Regelung zur Frauenförderung können im Hinblick auf stärkere Eingriffe in die unternehmerische Freiheit nicht die Mittelständler allein ins Visier genommen werden. Eine Verordnung über die Zusammensetzung des Personals ist für den Mittelstand auch nicht notwendig, da diese Unternehmen das Ziel der Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen oft sehr vorbildlich umgesetzt haben.

Gemäß einer Mitteilung des Statistischen Bundesamtes sind weibliche Führungskräfte mit 35 % in den kleineren Betrieben mit bis zu 49 Beschäftigten präsent. Dieses Bild trübt sich erst bei größeren Unternehmen ab 50 Beschäftigten erheblich ein.

Meine Damen und Herren! Wir vertreten die Auffassung, dass bei einer gesetzlichen Regelung der Frauenquote genaue Vorgaben notwendig sind, ab welcher Unternehmensgröße diese Regelung greifen soll. Eine für alle Unternehmen unabhängig von der Betriebsgröße staatlich verordnete und auf reine Ergebnisgleichheit abzielende Frauenquote lehnen wir als nicht praktikabel ab.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch immer entscheiden sich zu wenige junge Frauen für technische oder naturwissenschaftliche Berufe. So hat sich die Telekom bereits im Jahr 2010 die 30%-Regelung selbst auferlegt und die Frauenquote weltweit auf 22,6 % erhöht. Vom Wunschwert 30 % ist man jedoch noch weit entfernt, da der Telekom schlichtweg passende Kandidatinnen fehlen.

Eine aus unserer Sicht praktikablere Möglichkeit der Erhöhung der Frauenquote in Führungspositionen - darin unterscheiden wir uns sehr, Frau Edler - sind der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgelegte Stufenplan und die gesetzlich geregelte Selbstverpflichtung der Unternehmen.

Ziel ist es, dass börsenorientierte und voll mitbestimmte Unternehmen gesetzlich dazu zu verpflichten, eine selbstbestimmte betriebsspezifische Frauenquote festzulegen und zu veröffentlichen, die innerhalb einer bestimmten Frist erreicht werden soll. Dies gilt sowohl für den Vorstand als auch für den Aufsichtsrat. Verfehlt ein Unternehmen diese gesetzliche Zielvorgabe, greifen Sanktionen, das Flexi-Gesetz. Aus Zeitgründen gehe ich darauf nicht mehr ein.

Herr Kollege Borgwardt, würden Sie eine Zwischenfrage der Kollegin von Angern beantworten?

Wenn ich es am Ende machen dürfte?

Gut.

Die Verpflichtung soll für einzelne Unternehmen entfallen, solange sie im Aufsichtsrat und im Vorstand einen Frauenanteil von, wie eben erwähnt, 30 % erreichen.

Die Flexi-Quote ist nicht nur eine starre Vorschrift für die Einheitsquote, die jedem Unternehmen ohne Rücksicht auf die tatsächlichen branchen- und unternehmensspezifischen Gegebenheiten den Anteil von Frauen in Führungspositionen vorschreibt. Sie ist aber mehr, meinen wir, als ein Soft Law - Frau Edler ging darauf ein -, da sie über eine reine Selbstverpflichtung weit hinausgeht.

Daneben verfolgt der Stufenplan der Bundesregierung ein Bündel weiterer Maßnahmen, um die Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben und in Führungspositionen zu schaffen. Als Stichpunkte hierfür nenne ich insbesondere die weitere Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie flexiblere Arbeitszeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch ein paar Worte zur Gewährleistung von Entgeltgleichheit. Es ist leider tatsächlich so, dass im bundesweiten Durchschnitt Frauen bei gleicher Arbeit rund 23 % weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen, obwohl Sachsen-Anhalt aufgrund der traditionell höheren Frauenbeschäftigung in dieser Hinsicht wesentlich besser dasteht.

Besonders auffällig ist dieser Lohnunterschied zum Beispiel im produzierenden Gewerbe, also dort, wo traditionell mehr Männer beschäftigt sind. Im Dienstleistungsgewerbe hingegen relativiert sich dieses Bild. Hier verdienen Frauen im Schnitt 95 % des Bruttolohns ihrer männlichen Kollegen.

Die Gründe für die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen liegen unter anderem in der erhöhten Teilzeittätigkeit der Frauen - darauf ist schon eingegangen worden -, in der Erwerbsunterbrechung wegen Kindererziehung und in dem oft schwierigen beruflichen Wiedereinstieg sowie in dem Berufswahlverhalten von Frauen. Technische Berufe, bei denen der Frauendurchschnitt leider traditionell niedrig ist, bieten aber meist weitaus bessere Verdienstmöglichkeiten.

Die CDU-Fraktion setzt grundsätzlich auf die im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie und auf die Verantwortung der Gewerkschaften und der Arbeitgeber. Wir können die Arbeitgeber und die Gewerkschaften nur dazu auffordern, in ihre Tarifkommissionen verstärkt Frauen zu wählen.

Es gibt darüber hinaus - das wissen Sie auch - beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Plattform Logib-D. Wir glauben, dass dieses Analyseinstrument zur Lohnstruktur in Unternehmen die Nutzer schnell und anonym darüber informiert, wie die Entgeltstrukturen sowie betriebliche Lösungen und faire Bezahlung im Einzelnen zu entwickeln wären.

Des Weiteren fordern wir Arbeitgeber und Gewerkschaften dazu auf, tatsächlich auch unter ihren Mitgliedern zu werben, in die von mir angesprochenen Tarifkommissionen entsendet zu werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmen aus den genannten Gründen der Überweisung des Antrages der Fraktion DIE LINKE in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zu. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Kollege Borgwardt.

Herr Kollege Borgwardt, der Ministerpräsident nutzte seine erste Rede im Amt dazu, dem Plenum mitzuteilen, dass er beabsichtige, ein begleitendes

Gremium bzw. einen Beirat zu initiieren, der unter anderem auch die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung hinsichtlich der Einführung der Frauenquote von 40 % in der Landesverwaltung begleiten solle.

Ich gehe davon aus, dass Sie in die Umsetzung dieses Vorhabens einbezogen werden. Können Sie mir etwas zum Stand der Aktivitäten sagen? Können Sie mir insbesondere auch etwas zur geplanten Zusammensetzung dieses Beirates sagen? Welche Professionen sollen darin zusammenkommen? Es würde mich auch interessieren, ob es ein reines Frauengremium wird, was der Sache sicherlich nicht angemessen und sachgerecht wäre, oder wird es ein gemischtes Gremium?

Herr Borgwardt.

Sehr geehrte Frau von Angern, erstens gehe ich selbstverständlich wie Sie davon aus, dass nicht nur die CDU-Fraktion, sondern alle Fraktionen einbezogen werden. Zweitens kann ich Ihnen noch nicht sagen, wie die genaue Zusammensetzung des Gremiums sein wird. Ich gehe natürlich davon aus, dass das Gleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalts, wie es in anderen Bundesländern auch der Fall ist, die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen bei der Aufstellung eines solchen Gremiums berücksichtigt.

(Zustimmung bei der CDU)

Es gibt eine weitere Nachfrage des Kollegen Rothe von der SPD-Fraktion. Möchten Sie die beantworten?

Wenn ich das kann, Herr Rothe.

Herr Kollege Borgwardt, sind wir uns insoweit einig, dass wir die Frauenquote in Führungspositionen in solchen Unternehmen verwirklichen wollen, die zum öffentlichen Dienst gehören, wie zum Beispiel das Finanzministerium?

(Zustimmung bei der CDU - Heiterkeit bei der LINKEN)

Herr Rothe, ich habe mit dem leichten Hinweis an Ihre sehr verehrte Parteifreundin Ministerin Kolb vorhin schon erwähnt - es gibt auch Tageszeitungen, die so etwas gelegentlich kolumnieren -, dass das ausnahmslos alle Ministerien betrifft.

Vielen Dank, Herr Kollege Borgwardt. - Weitere Nachfragen gibt es nicht. Als Nächste spricht von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Lüddemann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Anliegen dieses Antrages ist absolut richtig und zu unterstützen, auch wenn wir als Fraktion - das muss ich offen sagen - mit den Unterpunkten, die in diesem Antrag formuliert sind, unsere Probleme haben.

Ich möchte das ein wenig begründen. Einiges ist zu weitgehend, anderes ist zu kleinteilig. Einiges können wir als GRÜNE so nicht mittragen, wie zum Bespiel die pauschale Verpflichtung für Betriebe, Gleichstellungsprogramme aufzustellen. Das ist nicht die Herangehensweise, die aus unserer Sicht verfolgt werde sollte.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wenn man, wie in dem Antrag geschehen, die Ebenen Kommune, Land, Bund und Europa aufnimmt und zum Teil vermischt, dann sollte auch nach der Eigenverantwortung des Landes gefragt werden. Denn - das ist bereits angesprochen worden - die Landesgremien sind auch nicht gegendert, im Gegenteil. Dort sind in den meisten Fällen deutlich mehr Männer als Frauen vertreten. Das könnte man in diesem Antrag ebenfalls berücksichtigen.

Weiterhin ist es schwierig, bei der Einbeziehung von Betriebsräten und betrieblichen Gleichstellungsbeauftragten derart dirigistisch, wie in dem Antrag geschehen, vorzugehen. Das Betriebsverfassungsgesetz ist ein sehr hohes Gut in diesem Land. Ich finde, das kann man nicht so pauschal angreifen.

Wir haben lange überlegt, wie wir mit diesem Antrag umgehen. Das Thema ist uns sehr wichtig; schließlich ist es ein urgrünes Thema.

(Unruhe bei der SPD)

Wir halten das grundsätzliche Anliegen - das möchte ich noch einmal betonen - für völlig unstrittig. Es ist natürlich auch sinnvoll, die Landesregierung aufzufordern, sich auf der Bundesebene in diesem Bereich zu engagieren. Das ist absolut richtig. Aber - das habe ich eben in einigen Teilen abgesprochen - wir können mit dem Antrag, wie er jetzt formuliert ist, nicht mitgehen. Wir werden uns daher entweder der Stimme enthalten oder eine weitere Bearbeitung in den Ausschüssen mittragen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lüddemann. - Als Nächste spricht die Abgeordnete Frau Hampel für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Lüddemann, Gleichstellungspolitik ist nicht nur ein grünes Thema, aber ich glaube, so haben Sie das auch nicht gemeint.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN)

Es ist ein Thema, das uns alle gleichermaßen angeht. Dass dieser Tagesordnungspunkt gleich zu Beginn der heutigen Sitzung behandelt wird, zeigt mir jedenfalls, dass der Gleichstellungspolitik in diesem Land zukünftig mehr Bedeutung beigemessen werden soll.