Protocol of the Session on June 21, 2013

In Artikel 141 des EG-Vertrages wird die Gleichbehandlung von Männern und Frauen besonders bei Arbeits- und Beschäftigungsfragen gefordert. Wie wichtig das für unser Bundesland ist, ist in der Aussprache zur Regierungserklärung eigentlich von allen Rednern ausgeführt worden.

Ein Instrument, um die Gleichstellung chancengerecht umzusetzen, ist Gender-Mainstreaming. Was bedeutet Gender-Mainstreaming? - Diese englische Bezeichnung kann folgendermaßen übersetzt werden: „Gender“ steht für das soziale Geschlecht, also für das Zusammenleben und Arbeiten von Frauen und Männern. „Mainstream“ - übersetzt mit „Hauptstrom“ - beinhaltet die Forderung, die unterschiedlichen Anliegen von Frauen und Männern ausgewogen in die politischen Entscheidungsprozesse aufzunehmen und zu berücksichtigen.

Das Gender-Mainstreaming-Konzept der Chancengleichheit für Frauen und Männer wurde im Jahr 1994 als wesentlicher Bestandteil der Gemeinschaftspolitik für wirtschaftlichen und sozialen Zu

sammenhalt eingeführt und ist seither ein vorrangiges Ziel der Strukturfonds.

Der Europäische Sozialfonds ESF ist das wichtigste Instrument, das spezifische Maßnahmen unterstützt, um den Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt zu verbessern, und das Gender-Mainstreaming-Projekte fördert. Integraler Bestandteil sind dabei zum Beispiel Kinderbetreuungsstrategien und Unternehmensgründungen von Frauen.

(Zustimmung von Herrn Graner, SPD, von Frau Dr. Pähle, SPD, und von Frau Schind- ler, SPD)

Sehr geehrte Abgeordnete! Wie Sie wissen, arbeiten Frauen eher in Teilzeit, gehen eher als Männer geringfügigen Beschäftigungen nach und übernehmen vorwiegend die Elternzeit. Wer sich einmal eingehender mit den Zahlen auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich den Zwischenbericht zum Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt zur Lektüre. Darauf gehen wir sicherlich noch beim nächsten Tagesordnungspunkt ein.

(Herr Borgwardt, CDU: So ist es!)

Diese Rollenverteilung steht jedoch einer gesellschaftlichen Entwicklung, die auf eine Überalterung und einen enormen Geburtenrückgang zusteuert, entgegen. Der künftige Fachkräftemangel ist durch diese Entwicklung vorprogrammiert. Die verstärkte Beteiligung von Frauen ist daher dringend erforderlich, im Übrigen auch, um die Lücken bei der Alterssicherung und bei den Renten der Frauen zu schließen.

Das heißt, dort, wo Frauen benachteiligt sind, etwa im Erwerbsleben, werden auch künftig Förderprogramme im Sinne der chancengerechten Verteilung nötig sein. Das Gleiche gilt umgekehrt auch für defizitäre Bereiche bei Männern. Männer fehlen zum Beispiel in der Grundschulpädagogik als Lehrer, in den Kindertagesstätten und bei der häuslichen Pflege, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

(Zustimmung von Herrn Graner, SPD)

Auch in diesen Bereichen sind in Zukunft die EUFonds hilfreich, um ergänzende Bildungs- und Qualifizierungsangebote für Jungen und Männer vorzuhalten. Spezifische Maßnahmen richten sich aufgrund der diskriminierenden Strukturen auf dem Arbeitsmarkt, in Beschäftigung und in Berufsausbildung in der Regel an Frauen. Es können jedoch auch gezielt Maßnahmen für Männer erfolgen, wenn sie im Sinne der Gleichstellung wirken.

Gender-Mainstreaming bedeutet zudem, auch zu berücksichtigen, dass spezifisch auf Frauen ausgerichtete Maßnahmen nicht per se gleichstellungsfördernd sind. Auch Maßnahmen der Frauenförderung sollten hinsichtlich ihres jeweiligen Bei

trages zu den definierten Gleichstellungszielen überprüft werden. Sinnvoll wäre es daher, in allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen zeitgemäße chancen- und familiengerechte Bedingungen zu schaffen.

(Zustimmung von Herrn Graner, SPD, und von Frau Dr. Pähle, SPD)

Das sind Maßnahmen, die Frauen und Männern beides ermöglicht: Familie und Berufstätigkeit. Nur wenn Frauen und Männer in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt diese chancengerechten Strukturen vorfinden, kann sich unsere Gesellschaft wiederum zeitgemäß entwickeln.

Auf spezifische Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung im Rahmen des ESF entfielen im Zeitraum von 2000 bis 2006 knapp 4 Milliarden €. Es handelt sich also um eine erhebliche Größenordnung.

Die EU-Ebene hat mit der Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern in den Jahren von 2010 bis 2015 eine Orientierung dahin gehend auf den Weg gebracht, wie das Ziel der Gleichstellung von der EU-Kommission inhaltlich gefüllt wird.

Es gibt in dieser Strategie sechs Aktionsbereiche: erstens gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit, zweitens gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit, drittens Gleichstellung in Entscheidungsprozessen, viertens Schutz der Würde und der Unversehrtheit, fünftens Gleichstellung in der Außenpolitik und sechstens die Querschnittsfragen zu Geschlechterrollen, Rechtslage usw.

Auch die Vermittlung von Gender-Kompetenz ist in diesem Prozess enorm wichtig. Denn um GenderMainstreaming umzusetzen, muss man zunächst das Wissen über geschlechterspezifische Ungleichheiten haben und deren Ursachen kennen.

Darüber hinaus muss man in der Lage sein, entsprechende Konzepte und Verfahren für diese Umsetzung anzuwenden. Das heißt, die Akteurinnen und Akteure müssen in diesem Bereich für die erfolgreiche Implementierung von Gender-Mainstreaming geschult werden.

Gender-Mainstreaming in den ESF-geförderten Programmen der Ressorts bedeutet, die Gleichstellungsperspektive in allen Abläufen und Verfahrensschritten zu verankern. Das wird auch in unserem Antrag deutlich. Denn wir wollen natürlich eine Evaluation der Wirkung der Programme ab der kommenden Förderperiode vornehmen.

Ich weiß sehr wohl, dass auch die Landesregierung das Interesse der Koalitionsfraktionen, sprich: unseres Antrages teilt, die Gleichstellung der Geschlechter entsprechend den EU-Vorgaben in der Erstellung und der Umsetzung der operationellen Programme zu verankern.

Wir fangen auch nicht bei Null an; denn wir können schon mit einigen guten Erfolgen aufwarten, Stichwort „Kinderbetreuung“. Das ist vorhin schon als vorbildlich für unser Bundesland benannt worden.

Einen Punkt unseres Antrages möchte ich besonders hervorheben. Ich begrüße alle Maßnahmen, die darauf abzielen, Gender-Wissen und GenderKompetenz solchen Personen zu vermitteln, die an der Umsetzung der operationellen Programme in der Landesverwaltung beteiligt sind.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich möchte allerdings auch dazu ermutigen, derartige Fortbildungen aktiv einem größeren Empfängerkreis zukommen zu lassen. Die Verwirklichung der Gleichstellung von Mann und Frau in allen Bereich der Landesverwaltung ist maßgeblich davon abhängig, dass hierfür nicht nur bei den Entscheidungsträgern sensibilisiert wird.

Je mehr ich mich mit dieser Thematik befasse, desto deutlicher wird: Gleichstellung kann nur gelingen, wenn sie nicht nur problembezogen, sondern stetig von allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gelebt wird. Ich erhoffe mir insofern, dass durch die oben genannten Fortbildungen auch mehr und mehr Männer zu Akteuren im Gleichstellungsprozess werden.

(Zustimmung von Herrn Graner, SPD)

Sehr geehrte Abgeordnete! Ich möchte auf den Antragstext zurückkommen und Ihnen ein paar geförderte Projekte in unserem Bundesland benennen, die in den Bereichen Gender-Mainstreaming sowie Frauen und Gleichstellung mit EU-Mitteln bereits gefördert wurden und noch gefördert werden, damit auch einmal sichtbar wird, wofür das Geld überhaupt verwendet wird.

Beispiele sind - das ist nicht vollständig; es gibt eine wirklich umfangreiche Auflistung - erstens die Unterstützung wissenschaftlicher Karrieren von Frauen. Das Förderprojekt läuft an der Otto-vonGuericke-Universität Magdeburg. Den Zeitraum nenne ich jetzt nicht. Beteiligt waren 110 Personen.

Zweitens wurde die Ausbildung Alleinerziehender gefördert gemeinsam mit dem Ausbildungsverbund Braunschweig/Magdeburg, dem Bildungswerk der Wirtschaft, der DAA mit 274 Teilnehmern.

Drittens. Gefördert wurde die Berufsorientierung in zukunftsträchtigen Berufen. Das Projekt wurde von DAA, der Hochschule Merseburg und der Otto-vonGuericke-Universität durchgeführt und hat 556 Teilnehmer.

Viertens. Die Maßnahme „Förderung von Frauen in Beruf und Bildung“ fand an der Otto-vonGuericke-Universität und an der Martin-LutherUniversität statt. Daran haben 180 Frauen teilge

nommen. Daraus resultierten übrigens 33 Unternehmensgründungen.

(Zustimmung von Frau Dr. Pähle, SPD)

Weiterhin gab es das Brafo-Projekt zur Berufsorientierung, Audit Beruf und Familie, das Projekt „Frauenpower für Sachsen-Anhalts Wirtschaft“, Forschungsstipendien für Frauen an Universitäten - diese werden jährlich vergeben - und das Mentoring-Programm für Nachwuchswissenschaftlerinnen in naturwissenschaftlich-technischen Berufen an den Universitäten in Magdeburg und in Halle.

Wie Sie sehen, ist das Geld in unserem Land gut angelegt. Ich wollte damit zeigen und deutlich machen, wie diese EU-Mittel zum Einsatz kommen. Ich denke, das habe ich ausgeführt. Sie werden sich Ihr Urteil dazu bilden.

Jetzt möchte ich etwas zum Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE sagen. Aus fachlicher Sicht entsprechen die Vorschläge im Antrag der Fraktion DIE LINKE den Vorgaben der EU und sind daher zu begrüßen. Deshalb arbeitet die Landesregierung bereits seit Monaten genau in diese Richtung, zusammen mit der Verwaltungsbehörde der EU, die dafür die Federführung hat.

Das Anliegen, das Querschnittsziel der Gleichstellung der Geschlechter kontinuierlich und systematisch bei der Programmierung der neuen EU-Förderperiode für den Zeitraum 2014 bis 2020 im Land Sachsen-Anhalt zu berücksichtigen und einzubeziehen, ist richtig.

Die gleichstellungspolitische Ziele und die Indikatoren der SWOT-Analyse sowie die operationellen Programmen EFRE, ESF und EPLR sind hierbei zu berücksichtigen. Das heißt, die Implementierung dieser Ziele und der Indikatoren in allen Verfahrens- und Maßnahmenebenen - einschließlich Monitoring und Evaluation - ist sicherzustellen.

Eine Expertise des Gisa aus dem Jahr 2011 zeigt auch für Sachsen-Anhalt auf, dass alle drei Fonds bezüglich der Umsetzungen des Querschnittszieles der Gleichstellung der Geschlechter Reserven aufweisen. Darauf sind Sie in Ihrem Antrag eingegangen. Das ist auch so. Deshalb wurden für die neue Förderperiode frühzeitig die Weichen neu gestellt.

Am 11. Oktober 2011 nahm das Kabinett die von der Ministerin für Justiz und Gleichstellung erarbeitete Kabinettsvorlage unter der Überschrift „Unterrichtung der Landesregierung zum gegenwärtigen Stand der Berücksichtigung und Bewertung des Querschnittszieles Chancengleichheit in den EUFonds“ an.

Das Kabinett beschloss, dass das MJ als das für Gleichstellung zuständige Ressort in den gesamten Programmierungs- und Umsetzungsprozess der EU-Fonds für die kommende Periode einzu

beziehen ist und die verantwortlichen Ressorts, Behörden und Gremien zu beteiligen sind. Gleichzeitig wurde eine Berichterstattung im Kabinett festgelegt.

Eine zweite Expertise des Gisa zum derzeitigen Antrags-, Bewilligungs- und Abrechnungsverfahren bestätigte, dass für einen durchgängig gleichstellungsorientierten Förderprozess wichtige Voraussetzung die Gleichstellungsperspektive in den operationellen Programmen ist. In genau diesem Programm schreibt das Land die Ziele der Förderung und ihre Wirkungsindikatoren fest und erklärt diese dann zum Maßstab der Fondsförderung in Sachsen-Anhalt.

Ich empfehle Ihnen, sich diesen Kabinettsbeschluss anzusehen, weil meine Redezeit es jetzt nicht zulässt, alle Handlungsempfehlungen vorzutragen. Darin sind bereits wichtige Punkte, die Sie in Ihrem Antrag benannt haben, enthalten, nämlich die Entwicklung von Gender-Indikatoren für die Verfahrensstufen, die Etablierung eines geschlechterdifferenzierten Monitorings zur Messung der Zielerreichung oder auch die geschlechtersensible Evaluation und Bewertung der erzielten Wirkungen. Das ist in diesem Kabinettsbeschluss bereits erfasst.

Auf der Grundlage dessen wird jetzt an den verschiedensten Vorhaben gearbeitet. Zum Beispiel hat der Evaluator Ramboll exemplarisch für eine ausgewählte EFRE-Aktion Indikatoren entwickelt, um die Gleichstellungsziele für die Fördermaßnahmen zu definieren, überprüfbar und auch steuerbar zu machen.

Hierzu wird es im Sommer einen Leitfaden geben. Dieser wird dann auch in die Programmierung einfließen. Das Gisa arbeitet ebenfalls an einem Leitfaden: Gender-Relevanzprüfung für die Fonds EFRE und ELER. Darüber wird noch im Juli in der AG Chancengleichheit diskutiert und er wird weiter qualifiziert.

Dieser Leitfaden - das finde ich enorm wichtig - steht dann allen Bediensteten der Ressorts, die EFRE- und ELER-Aktionen planen, als Hilfestellung zur gleichstellungsorientierten Ausrichtung zur Verfügung, um auch einmal etwas Praktikables in die Hand zu bekommen.

Darüber hinaus gibt es umfangreiche Einzelprojekte der Ressorts. Ich will nur eines nennen, weil man sich manchmal fragt, wie zum Beispiel im Verkehrsministerium die Gleichstellung stattfindet.