Protocol of the Session on June 21, 2013

Die Mittel von Bund und EU gehen zurück. Wir müssen uns also fragen: Wie können wir mit weniger mehr erreichen? Wie machen wir dabei unsere Schulen fit für die Zukunft, sodass mehr Schülerinnen und Schüler die Hochschulreife erlangen und weniger Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen? Wie schaffen wir es, Verwaltungskosten zu senken? Wie können wir auch künftig genügend Mittel für Investitionen zum Beispiel für den Hochwasserschutz und die Straßeninstandsetzung bereitstellen?

Eine andere Frage ist, wie wir es in vielen Bereichen schaffen können, den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus zu lenken und mehr Kooperationen zu organisieren, sei es im Bereich der Kultur oder bei den Hochschulen. Hier kann die Devise nicht lauten: Jeder macht alles. Es muss vielmehr heißen: Wer macht was am besten? Was macht man gemeinsam? Wie unterstützen wir uns gegenseitig?

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Fest steht: Wir dürfen unseren Kindern keine weiteren Hypotheken hinterlassen, sondern müssen ihnen ein Land hinterlassen, in dem es auch für sie noch eine Freude ist zu leben, zu arbeiten und Politik zu gestalten. Das heißt zuallererst eines: Konsolidierung der Finanzen; denn ohne eine solide Haushaltspolitik gerät das ganze Gebäude ins Wanken.

(Beifall bei der CDU und von der Regie- rungsbank - Zustimmung bei der SPD)

Konsolidierung, also eine Anpassung von Haushalten an sich verändernde Rahmenbedingungen, heißt vor allem, überall dort steuernd einzugreifen, wo wir Strukturen bestimmen und Ausgaben direkt beeinflussen können. Dabei dürfen wir freilich nicht vergessen, dass die Länder auf die Bereiche, in denen der Bund steuert, keinen gestaltenden Zugriff haben, zumindest nicht direkt.

Ich halte überhaupt nichts davon, unseren Problemen mit Forderungen an den Bund aus dem Weg zu gehen. Das nützt uns in Sachsen-Anhalt bei der Lösung unserer Haushaltsprobleme gar nichts und provoziert eher die Frage: Warum haben es die anderen Länder in Deutschland eher hinbekommen? Wir müssen unsere Hausaufgaben ohne fremde Hilfe bewältigen und bei uns in SachsenAnhalt ernst machen mit der Sanierung des Haushaltes und der Konsolidierung unserer Strukturen.

Das ist kein Geschäft, mit dem man sich viele Freunde macht - vielleicht noch den Präsidenten des Landesrechnungshofes, aber dann wird es um

einen MP, um einen Finanzminister, um ein Kabinett oder um einen Abgeordneten auch schon sehr einsam.

Erfahrungen aus anderen Ländern, auch aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union lehren: Man kommt nur dann aus der Schuldenfalle heraus, wenn man bei Gegenwind nicht gleich die Segel streicht und Probleme durch neue Ausgaben lösen will.

Mit Sparbeschlüssen kann man keine Jubelstürme auslösen, nirgends auf der Welt. Wer öffentlichen Beifall sucht, wird immer mehr Geld ausgeben und zu wenig konsolidieren. Deshalb gehören zu einer erfolgreichen Haushaltspolitik Stehvermögen und der Wille, sie gegen Widerstände durchzusetzen.

Für einmal als richtig Erkanntes müssen wir beharrlich werben, auch wenn wir nicht jeden überzeugen können. Deshalb müssen wir immer auch argumentieren, dass nur durch die Überwindung alter Strukturen Chancen für bessere Lösungen eröffnet werden können.

Nach den bisherigen Beratungen in der Landesregierung bin ich optimistisch, dass wir in Sachsen-Anhalt trotz des Hochwassers den Wandel zu einer fairen und realistischen Haushaltspolitik schaffen. Angesichts der Hochwasserhilfen besteht mehr denn je Anlass, unseren Haushalt krisenfest zu machen. In vielen Bereichen laufen uns die Kosten davon, ohne dass wir sie direkt beeinflussen können, und immer wieder müssen wir mit nicht planbaren Herausforderungen rechnen, wie jetzt nach der erlebten Flutkatastrophe.

Eine gute Haushaltspolitik lässt sich nicht von Wunschdenken leiten, sondern sie ist ebenso verantwortungsbewusst wie zukunftsorientiert, damit sie nicht von der erstbesten Wirtschaftskrise umgehauen wird.

Deshalb passen die Strukturen an unser langfristiges Leistungsvermögen an, etwa bei den Theatern und den Hochschulen. Deshalb stärken wir auch die Vorsorgeelemente, mit deren Hilfe wir Einnahmeschwankungen besser ausgleichen können. Deshalb müssen wir auch die Schulden nach und nach tilgen, damit uns die Zinsen nicht auffressen bzw. damit die Pro-Kopf-Verschuldung nicht ständig weiter steigt.

Gerade jetzt besteht aller Anlass, deutlich zu machen, dass die Gefahrenabwehr eine der Kernaufgaben des Staats schlechthin ist. Wir können das nicht an die Gesellschaft delegieren. Um Leib und Leben sowie Eigentum unserer Bürgerinnen und Bürger zu schützen, müssen wir kontinuierlich investieren. Da geschieht nichts von selbst.

Letztlich dürfen wir auf Dauer nicht mehr ausgeben als wir einnehmen. Betrachten wir daher kurz die Einnahmesituation unseres Haushaltes. Wir alle kennen die Eckdaten allerdings genau. Doch wir

müssen sie immer wieder in Erinnerung rufen, damit die Öffentlichkeit die ökonomischen Existenzbedingungen unseres Landes nicht vergisst.

Da sind zuerst einmal die Mittel aus dem Solidarpakt II, die kontinuierlich sinken. Hier bekamen wir im Jahr 2009 noch knapp 1,5 Milliarden €. In diesem Jahr sind es gut 1 Milliarde €, also knapp ein Drittel weniger. Ab 2020 müssen wir ohne diese Einnahmequelle auskommen.

Ähnlich ist es bei den EU-Geldern. In der Förderperiode 2014 bis 2020 werden wir rund 1,1 Milliarden € weniger zur Verfügung haben als in den Jahren zuvor. Es ist daher wichtig, dass wir die Strukturfondsmittel in der kommenden Förderperiode so effektiv und zielführend wie möglich einsetzen. Nur dann können wir die schwierige Anpassungsphase bis zum Jahr 2020 erfolgreich gestalten.

Im Jahr 2014 kommen vergleichsweise hohe Erstattungsleistungen für die jetzt endende Förderperiode und erste Vorauszahlungen für die neue Fondsperiode zusammen. Deshalb ist der Haushalt 2014 in diesem Bereich voraussichtlich etwas aufgebläht. Das erweckt den falschen Eindruck, der mittelfristige Spardruck sei gar nicht so ernst.

Da ist schließlich noch der Länderfinanzausgleich. Er ist einwohnerbezogen. Wir verlieren Einwohner, also verlieren wir auch Einnahmen. Dass andere Länder, wie sich jetzt im Zensus gezeigt hat, im Vergleich zu uns noch mehr Einwohner verloren haben, sodass es zu unseren Gunsten einen bescheidenen Mehrausgleich gibt, ist ein kleiner, aber schwacher Trost.

Auch hier gilt: Was nach dem Jahr 2019 kommt, weiß niemand ganz genau. Aber der Trend ist bekannt. Immerhin klagen zwei Länder vor dem Bundesverfassungsgericht. Sie meinen, ihnen werde zu viel Geld weggenommen, weil sich andere nicht ausreichend mit eigenen Kräften um ihren Wohlstand kümmern bzw. mehr ausgeben als die Geberländer selbst. Auch wenn sie auf dem Rechtsweg vielleicht keinen Erfolg haben sollten, wird uns diese Position in den Verhandlungen mit voller Härte wieder begegnen. Wer hier auf das Jahr 2019 vertröstet, statt heute zu handeln, ignoriert die Realitäten.

Erfreulich ist, dass die Steuereinnahmen des Landes steigen werden, nominal sowieso - das liegt in der Natur der Sache -, aber auch kaufkraftbereinigt ganz real, weil die Wirtschaftskraft im Lande zunimmt und wir auch in Zukunft von einem realen Wirtschaftswachstum ausgehen können.

(Zustimmung bei der CDU)

Allerdings werden die Einnahmen auch bei größtem Optimismus die Mindereinnahmen an anderer Stelle nicht ausgleichen können. Das wusste schon Herr Professor Seitz aus Dresden. Das sagt

uns Herr Professor Deubel. Das kann sich nach der neusten Steuerschätzung auch jeder selbst ausrechnen. Natürlich schlägt auch die gerade erst überstandene Flutkatastrophe auf den Haushalt durch.

Ob es uns gefällt oder nicht, dies markiert das Spielfeld, auf dem wir uns in den nächsten Jahren bewegen werden. Deshalb steht auch in unserer Koalitionsvereinbarung - ich zitiere -:

„Gerade angesichts in der Vergangenheit aufgelaufener Schulden von mehr als 20 Milliarden € und sukzessive abnehmender Finanztransfers von Bund und EU in den Landeshaushalt ist eine konsequente Haushaltskonsolidierung die verantwortungsvollste und nachhaltigste Politik für gegenwärtige und zukünftige Generationen.“

Darin sind wir uns in der Koalition uneingeschränkt einig. An diese kluge und wahre Aussage sollten wir uns alle auch weiterhin halten.

Wir befinden uns nicht in einer Rezession wie andere Staaten Europas. Wir haben den niedrigsten Stand an Arbeitslosen seit Beginn der 90er-Jahre. Wir haben ein Zinsniveau auf historischem Tiefststand. Wann, wenn nicht jetzt, wollen wir ernsthaft anfangen, unsere Verschuldung in den Griff zu bekommen und Rücklagen für schlechtere Zeiten zu bilden?

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Ich weiß, dass es Stimmen gibt, die die Gefahr einer wachsenden Verschuldung kleinreden. Da ist polemisch von Kaputtsparen die Rede, obwohl sich bisher mehr Staaten kaputt verschuldet als kaputt gespart haben.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Die Politik des lockeren Geldes funktioniert allenfalls eine Weile und mag zur Überwindung tiefgreifender Krisen auch sinnvoll sein, aber nur, wenn in besseren Zeiten ebenfalls antizyklisch reagiert, also gespart wird. Auf keinen Fall darf sich eine Neigung zu ständigen Defiziten verfestigen, zur Dauereinrichtung werden.

Beispiele aus der Geschichte, was geschieht, wenn Staaten zu lange über ihre Verhältnisse leben, gibt es zuhauf. Ich wurde, sehr geehrte Damen und Herren, in solch einem geboren. Er existiert nicht mehr.

Derzeit erleben wir am Beispiel südeuropäischer Staaten, wohin es führt, wenn Fehlentwicklungen im Haushalt nicht rechtzeitig korrigiert werden. Seien wir uns aber nicht zu sicher und zeigen wir nicht mit dem Finger auf diese Länder. Auch in Deutschland haben wir einen Stabilitätsmechanismus, der bei Ländern mit besonderen Haushalts

problemen greift und in letzter Konsequenz zu einer Fremdsteuerung durch den Stabilitätsrat führt.

Wir haben es in Sachsen-Anhalt geschafft, das strukturelle Defizit so weit abzubauen, dass die Nettoneuverschuldung schon jetzt bei Null ist. Daher sind wir bislang von drastischen Eingriffen von Bundesseite verschont geblieben und erhalten derzeit Konsolidierungshilfe. Aber aufgrund der geringer werdenden Drittmittel muss die Ausgabeseite ständig angepasst werden, damit das so bleibt.

Ich war kürzlich auf Einladung des litauischen Außenministers in Vilnius. Auch dieses Land hat, bedingt durch die Finanzkrise und eigene Fehlentwicklungen, einen sehr harten Sparkurs hinter sich gebracht. Es ist bewundernswert, wie zügig und tiefgreifend dort gegengesteuert wurde. Dabei waren die Maßnahmen anspruchsvoll.

Seit dem Jahr 2010 wächst die Wirtschaft nun wieder. Das Haushaltsdefizit liegt inzwischen besser als im EU-Durchschnitt. Auch dafür wurden in Litauen neben vielen anderen rigorosen Einschnitten die Gehälter im öffentlichen Dienst um 20 % gekürzt, die Renten um 5 %.

Der litauische Ministerpräsident Butkevicius, ein Sozialdemokrat, mit dem ich zusammentraf, hat gesagt: Ich stimme nicht zu, wenn einige sagen, jetzt reicht es mit dem Sparen; es ist Zeit, wieder Geld auszugeben. Von was denn, wenn es die finanziellen Möglichkeiten nicht erlauben? Wir können nicht einfach sagen, wir machen eine ganz andere Wirtschafts- und Sozialpolitik. Wir nehmen Kredite auf, weil die Gehälter der Lehrer zu niedrig sind, weil die Eltern für Kindergärten Gebühren zahlen müssen. Man müsse erst Werte schaffen, sagt er, damit es etwas gebe, was man verteilen könne. - Recht hat er, der Kollege aus Litauen. Und übrigens: Bei uns steigen die Gehälter weiter.

Noch sind wir in Sachsen-Anhalt selber Herr des Verfahrens. Wir sollten den Ehrgeiz haben, dies auch dann noch zu sein, wenn die Rückgänge bei den Einnahmen voll wirksam werden. Dies setzt aber Einsicht und die Mitwirkung aller voraus und die Bereitschaft zu vorausschauenden Strukturanpassungen in Bereichen, die wir als Land selbst beeinflussen können, sonst wird die eigene Handlungsfähigkeit bald nicht mehr gesichert sein.

Aus heutiger Sicht kann kein Bereich, nach dem Hochwasser noch weniger als zuvor, von vornherein von Anpassungsbemühungen ausgeschlossen werden. Wir sind inzwischen 2,2 Millionen Einwohner und damit ein kleines Land. Nach Einwohnern gibt es mit Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland nur drei kleinere Flächenländer. Wir schrumpfen wegen der geringen Geburtenzahlen weiter, ob uns das passt oder nicht.

Dieser natürliche Rückgang kann auch durch mehr Zuwanderung nicht vollständig ausgeglichen wer

den. Da dürfen wir uns nichts vormachen. Unsere Strukturen aber entsprechen oft noch den Verhältnissen einer Zeit, in der wir fast drei Millionen Einwohner waren.

Die sogenannte demografische Rendite ist praktisch überall im System geblieben, statt sie wenigstens in Teilen zur Ausgabenminderung einzusetzen. Wir müssen uns solchen Realitäten stellen, ohne Larmoyanz, sondern gelassen mit Übersicht und Augenmaß. Auch in Schwerpunktbereichen haben wir immer darauf zu achten, dass das Geld sinnvoll und im besten Sinne sparsam eingesetzt wird. Nicht immer hilft viel auch viel.

In der öffentlichen Diskussion um unsere Konsolidierungsbemühungen entsteht gelegentlich der Eindruck, als würden ohne Not geradezu willkürlich Gelder gekürzt. Welch ein Interesse sollte die Landesregierung daran haben, irgendwo Mittel zu streichen, ohne dass es notwendig wäre? Glaubt jemand ernsthaft, uns wäre daran gelegen, Sachsen-Anhalt bewusst zugrunde zu richten? - Im Gegenteil, unser Land ist finanzpolitisch in Gefahr, wenn wir jetzt nicht umsteuern.

Erfreulich ist, dass wir im vergangenen Jahr nicht nur auf neue Schulden verzichten konnten, sondern erstmals in der Geschichte des Landes sogar Schulden getilgt haben.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Das ist, wenn ich das einschieben darf, auch das Verdienst gerade der guten Zusammenarbeit der Landesregierung mit dem Landtag, vor allem mit den Koalitionsfraktionen