Protocol of the Session on June 21, 2013

Ich glaube, dass das ein Stück weit auch ein hausgemachtes Problem war. Wir hätten schon vor vielen Jahren wissen können, dass China uns irgendwann im Bereich der reinen Produktion überholt. Deshalb war es falsch, da noch die große Förderung hineinzustecken.

In der Glasindustrie ist das übrigens anders gemacht worden. Da ist an verschiedenen regionalen Standorten in die Glasindustrie und dann nur noch

in entsprechende Wertschöpfungsketten investiert worden. Ich finde, da haben wir in der Wirtschaftspolitik eine falsche Schwerpunktsetzung gehabt. Das ist aus meiner Sicht nicht eine Folge der Finanzkrise.

Aber ich komme zu dem, was in der Wirtschaftspolitik entscheidend ist. Mein alter Lehrmeister Klaus Schucht, aus dem Bereich der Wirtschaft und als Wirtschaftsminister hier, glaube ich, hoch anerkannt, hat immer gesagt: Katrin, in der Wirtschaftsentwicklung sind 50 % Psychologie.

Dann gucken wir einmal auf unseren Standort. Was vermitteln wir über Sachsen-Anhalt? Welches Gefühl - -

(Herr Borgwardt, CDU: Woher hat er das?)

- Von wem er das hat, ist doch egal. Es ist wahr. Er hat das gesagt.

(Herr Borgwardt, CDU: Super!)

Welches Gefühl geben wir den ansässigen Firmen? - Wir geben ihnen kein gutes Gefühl, wenn Folgendes passiert. Ich gehe zum Geburtstag eines Professors und treffe einen alten Bekannten, der in Magdeburg Geschäftsführer war und jetzt viel in Russland arbeitet. Der sagt mir: Katrin, da komme ich auf den Putin-Empfang und da sagen die mir: Sag mal, du bist doch der Irre aus Magdeburg, wo die die Wissenschaft plattmachen.

Das ist ungerecht. Natürlich ist das ungerecht, weil wir die Wissenschaft nicht plattmachen. Aber wir kommen gar nicht dazu, dagegen zu argumentieren. Das hat sich festgesetzt. Das ist das Problem. Wir müssen aufpassen, wie wir etwas transportieren und wie wir über unser eigenes Land und auch über die Schwerpunktsetzungen reden. Denn es darf nicht dabei herauskommen, dass von außen draufgeguckt und gesagt wird, das sind die Irren, die machen die Wissenschaft platt. - Das wollen wir ja gar nicht.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Darum sage ich, dass wir auch zu einer anderen Präsentation unseres Landes kommen müssen. Wir haben gute Gründe dafür.

Wir führen heute eigentlich eine halbe Haushaltsdebatte. Mir wäre es lieber gewesen, wenn wir die ganz und dann erst im Herbst geführt hätten, wenn der Haushalt eingebracht ist, weil wir dann die vertitelten Einzelpläne gehabt hätten. Dann hätten wir auch bei den anderen Themen, also nicht nur bei den großen, über die heute debattiert wird, sehr detailliert auf das eingehen können, was wir stützen und was wir nicht stützen und wo wir die Schwerpunkte auch so anerkennen oder wo wir andere Schwerpunktsetzungen sehen.

Aber ich will trotzdem kurz umreißen, was aus der Sicht meiner Fraktion die Schwerpunkte für den

Haushalt 2014 sein werden. Sie liegen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Forschung, wirtschaftliche Entwicklung und Soziales. Das haben wir beschlossen.

Natürlich wissen wir, dass auch andere Bereiche notwendig sind. Die Infrastruktur habe ich schon angesprochen, vor allen Dingen die landeseigene Infrastruktur. Dazu sage ich noch etwas. Aber die vielen anderen Themen können wir erst beurteilen, wenn uns der Haushalt vorliegt.

Deshalb will ich mich auf einige Punkte konzentrieren, die ich für die Entwicklung des Landes als sehr entscheidend ansehe. Ich will das Thema Bildung ansprechen. Wir haben mit der Novelle des Schulgesetzes die Möglichkeiten für längeres gemeinsames Lernen in Sachsen-Anhalt eröffnet.

Ich weiß, den einen ist das zu viel und den anderen ist das zu wenig. Aber die Anträge zeigen, dass die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen offensichtlich einem Bedarf folgt. Ich halte dies auch mit Blick auf die Fläche für eine gute Entwicklung; denn in der Fläche können beide Abschlüsse ortsnah angeboten werden.

Deshalb sage ich auch, aus unserer Sicht müssen wir im Haushalt die Gewähr dafür bieten, dass diese Entwicklung vernünftig verläuft. Wir dürfen uns keine Fehlstarts leisten. Natürlich müssen wir an jeder Schule, in jeder Schulform an erster Stelle die zuverlässige Unterrichtsversorgung gewährleisten. Das geschieht durch qualifizierte Lehrkräfte. Das ist eine Aufgabe, die uns unter den Nägeln brennt und die ganz intensiv diskutiert worden ist - die Diskussion ist noch lange nicht am Ende -, bevor wir in die Hochschuldebatte eingestiegen sind.

Wir brauchen eine bedarfsgerechte Nachsteuerung. Eigentlich mag ich das Wort Nachsteuerung nicht.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Feinjustierung!)

- Feinjustierung. - Ich weiß, dies ist ein schreckliches Wording. Aber ich habe es ganz bewusst verwendet, weil ich damit meine, schnell und flexibel auf Bedarfe zu reagieren, wenn beispielsweise an den Schulen über das normale Planen hinaus ein akuter Bedarf auftritt, weil es Langzeitkranke gibt, weil Personal ausfällt oder welche Ursachen auch immer eine Rolle spielen.

Es gibt verschiedene Säulen. Ohne ins Detail zu gehen, möchte ich drei Punkte nennen, die zwingend umgesetzt werden müssen. Wir wollen, dass Einsparungen aus individueller Teilzeit im Verhältnis 1 : 1 für zusätzliche Neueinstellungen genutzt werden. Das ist sicherlich ein vernünftiger Anspruch. Dann muss man überprüfen, wie viele Personen dauerhaft in das Landesverwaltungsamt abgeordnet worden sind und den Schulen somit

nicht mehr zur Verfügung stehen. Diese Stellen müssen den Schulen zurückgegeben werden.

Wir möchten darüber hinaus mit den Gewerkschaften über einen Demografietarifvertrag reden. So wie dies in vielen anderen Branchen auch üblich ist, beispielsweise in der Chemie, wird es sicherlich auch im Bereich der Lehrer möglich sein, über einen vernünftigen Demografietarifvertrag zu reden.

Ich glaube, dass diese drei Säulen ein Stückchen dabei helfen werden, dieses Nachsteuern, das nötig ist, neben dem PEK zu realisieren und für eine bessere Unterrichtsversorgung zu sorgen.

Für die Schulen insgesamt brauchen wir zudem mit Blick auf die Europäische Union und die EUProgrammierung zwei weitere Bereiche. Die EUFörderprogramme sind ein schwieriges Geschäft. Ich möchte mit den Ministern, die das gerade verhandeln müssen, nicht tauschen. Wir wissen, dass das Finanzministerium bei Stark III ganz viel arbeiten muss und ganz viel Überzeugungsarbeit leisten musste, damit wir es bis hierhin umsetzen können und dies auch zukünftig so sein wird.

Es sind zwei Dinge, die ich mit Blick auf die Strukturfonds entscheidend finde: zum einen das Programm Stark III, welches die Infrastruktur auf den neuesten Stand bringt, und zum anderen das Thema Schulsozialarbeit; denn wenn wir in der Philosophie umsteigen wollen auf Ganztagsbetreuung, wenn wir das Projekt Campus Schule im ländlichen Raum verwirklichen wollen oder auch in den Städten, wenn wir Inklusion machen wollen, dann brauchen wir in den Schulen ein anderes Verhältnis von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir brauchen dafür zwingend die Schulsozialarbeit. Deshalb ist dies eines der Schwerpunktthemen, die ich schon einmal für die zukünftige Strukturfondsperiode bewerben und anmahnen möchte.

(Beifall bei der SPD)

Infrastruktur. Dies ist ein Bereich, der nicht nur für die wirtschaftliche Entwicklung von besonderer Bedeutung ist, sondern, wie wir in den letzten Wochen an manchen Stellen auch schmerzhaft gesehen haben, auch für die Sicherheit der Menschen. Ich sage ausdrücklich: landeseigene Infrastruktur, die Landesstraßen, die Brücken, die Deiche.

Wir benötigen an dieser Stelle dringend eine Investitionsplanung. Selbstverständlich kann man das alles nicht gleich umsetzen. Das wissen wir. Jeder, der die Gesamtsumme, beispielsweise für Brücken, für Landesstraßen sieht, wird die Hände hochreißen. Es muss eine verlässliche langfristige Planung geben, wie das abgearbeitet werden kann. Es ist kein erstrebenswerter Dauerzustand, dass man Landesstraßen am Zustand erkennt. Darin wird mir Minister Webel Recht geben.

Lieber Thomas, an dieser Stelle will ich sagen, ich glaube, dass es sinnvoller und ertragreicher ist, unsere Kraft gemeinsam in diese Projekte zu stecken und in die notwendigen Bundesstraßen, als zum x-ten Mal zu versuchen, den Saale-Seitenkanal in den Bundesverkehrswegeplan zu integrieren.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Es gibt auch bei dem Thema Bundesstraßen - wir wissen noch nicht, wann uns der Bund dafür Geld geben wird - ganz viele prioritäre Projekte, bei denen wir einer Meinung sind. Dies hilft der Infrastruktur im Land insgesamt weiter. Ich will an dieser Stelle nur die A 14 nennen. Es gibt aber auch noch andere.

Wir brauchen mit Blick auf Standards vielleicht auch eine Verständigung und müssen diesbezüglich ein Stück weiterkommen. Hierbei muss beispielsweise die Frage, wie breit müssen Straßen in ländlichen Regionen sein, eine Rolle spielen. Andere europäische Länder machen es uns vor. Es muss nicht immer nur unser Standard sein. Darüber reden wir seit Jahren, haben dafür aber noch keine Lösung gefunden. Das muss doch irgendwie möglich sein.

Im Bereich Infrastruktur ist und bleibt eine der vordringlichsten Aufgaben natürlich der Hochwasserschutz. Dazu habe ich gestern viel gesagt, weshalb ich dazu heute nicht noch einmal ausführen möchte und lieber auf den Bereich Arbeit und Soziales einige Minuten verwenden möchte.

Im Bereich Arbeitsmarktförderung geht es zukünftig für das Land ganz stark darum, die ESF-Mittel möglichst nutzbringend einzusetzen. Dazu will ich sagen, dass ein Schwerpunkt die Sicherung des zukünftigen Fachkräftebedarfes ist. Wir wissen, wie es darum bestellt ist und wir wissen auch, dass wir mit Blick auf die Reserven, die im ersten Arbeitsmarkt vielleicht noch nicht als Fachkräfte vermittelt werden können, einen großen Schwerpunkt setzen müssen, um sie wieder für den ersten Arbeitsmarkt arbeitsfähig zu machen, um einen Teil des Fachkräfteproblems zu lösen. Man muss aber auch gemeinsam mit den Unternehmen sehen, wie man diesen ganzen Bereich Arbeitsmarktpolitik dafür verwenden kann.

Wir müssen auf das Thema Familie eingehen. Dies hat der Minister bereits in einer Vorlage angerissen, diese überarbeiten wir gemeinsam und entwickeln sie weiter und werden fertig sein, wenn es um die Neustrukturierung der Fonds geht. Dann werden wir es inhaltlich abbilden. Das ist aber für mich wirklich wichtig.

Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Ministerpräsident: Das KiFöG bleibt. Natürlich bleibt das KiFöG. Es ist eine der zentralen Entscheidungen gewesen

zu sagen, wir wollen für alle Kinder das gleiche Recht, in eine Kindertagesstätte zu gehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich weiß, der eine oder andere sagt, soll man sie nicht auch einmal den Eltern zumuten. Dies werden die Eltern, die das wollen, selbst entscheiden.

(Herr Rosmeisl, CDU: Wenn sie es wollen!)

- Herr Rosmeisl, selbstverständlich; denn genau dort macht es Sinn. Ansonsten macht es Sinn, dass die Kinder - -

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Kinder haben ein Sozialpraktikum absolviert. Ich rede jetzt nicht über den Osten, sondern über den Westen. Sie hören am Frühstücks- oder am Abendsbrotstisch immer die Debatten über das Kinderfördergesetz und Ganztagsbetreuung und so weiter. Sie selbst wollten möglichst immer vor dem Mittagschlaf abgeholt werden, obwohl sie einen Ganztagsplatz hatten.

Meine Tochter hat in Hannover-Herrenhausen in einem AWO-Schwerpunktkindergarten ein dreiwöchiges Praktikum absolviert. Sie hat mich am zweiten Tag angerufen und gesagt, Mama, ich weiß jetzt, warum du für die Ganztagsbetreuung bist. - Mehr muss ich, glaube ich, nicht sagen.

(Herr Rosmeisl, CDU: Doch!)

Sie hatte mit Kindern aus den Familien zu tun, in denen Eltern ihre Verantwortung eben nicht wahrnehmen wollen.

(Unruhe)

Daraufhin hat sie gesagt: Jetzt verstehe ich das. Sie waren lieber bei mir, weil ich mich um sie gekümmert habe, mit ihnen gespielt habe und ihnen etwas erklärt habe. Sie hat die Antwort bekommen: Meine Mama sitzt sowieso nur auf dem Balkon.