In § 19 Abs. 1 Satz 2 des Landesvergabegesetzes steht, dass bei Vergaben über den Schwellenwerten, die ja bei 25 000 € bei Lieferleistungen und bei 50 000 € bei Bauleistungen liegen, den unterlegenen Bietern mitgeteilt werden soll, wer aus welchen Gründen den Auftrag bekommen hat, und zwar mindestens sieben Tage vor dem Vertragsabschluss, damit der unterlegene Bieter dann noch zur Vergabekammer gehen und sagen kann, er möchte gern den Auftrag haben.
Stellen Sie sich nur einmal vor, jemand muss Sandsäcke oder die berühmten Schuten in Fischbeck bestellen. Wenn Sie 50 000 Sandsäcke zu 70 Cent das Stück bestellen, sind Sie bei 35 000 €. Es liegt auf der Hand, dass niemand sagen kann: Ich werde sieben Tage warten, bis ich diesen Vertrag rechtsgültig machen kann. - Bis einem dann die Sandsäcke geliefert werden können, ist das Wasser schon wieder weg. Wir meinen, dass hierfür - in welcher Form auch immer - eine Regelung geschaffen werden muss. Es darf den Entscheidern nicht zugemutet werden, sich auf einen übergesetzlichen Notstand oder was auch immer zu berufen, sondern das muss dann gelten.
Das Gleiche gilt für das Schriftformerfordernis. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 des Landesvergabegesetzes gilt bei den gleichen Schwellenwerten die Bestimmung, dass die Schriftform eingehalten werden muss. Wenn das nicht der Fall ist, muss der Auftragnehmer schriftlich erklären, dass er die ILOKernarbeitsnormen, die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation, einhält.
Das ist im Normalfall auch richtig, dass er diese Erklärung abgeben muss - da geht es um Kinderarbeit und anderes -; wenn man aber in einer solchen Notsituation, in der es nicht nur um Tage, sondern manchmal sogar um Stunden geht, auch noch diese ganzen Nachweise einfordert, die dann von der Verwaltung geprüft werden müssten, wenn man das alles wirklich formgerecht, buchstabengerecht umsetzt, ist sehr viel Zeit verloren.
Das Gleiche gilt für § 13 Abs. 2 und 4. Wenn ein Unternehmer, der zur Hilfe gerufen worden ist, einen Subunternehmer beschäftigt oder einen Lieferanten hat, weil er dieses Material gerade nicht selbst verfügbar hat, dann auch noch den schriftlichen Nachweis führen muss, dass sich auch sein Lieferant genau an die gleichen Bedingungen hält, dann haben wir einen Zeitverlust, der im Katastrophenfall nicht hingenommen werden kann.
Das Gleiche gilt für § 4. Darin geht es um die sozialen Belange der Arbeitnehmer bei Auftragnehmern, die mehr als 25 Arbeitnehmer beschäftigen. Das ist im Normalfall eine kluge Regelung. Aber diese Nachweise abzufordern und zu führen, wenn es wirklich um kurzfristige Entscheidungen geht: Jetzt muss ich jemanden haben, egal wer es ist, der jetzt helfen kann, dauert zu lange.
Wir müssen auch daran denken: Nicht in jedem Fall stehen die Bundeskatastrophenschützer von THW und Bundeswehr zur Verfügung. Deshalb müssen wir auf andere Kräfte zurückgreifen. Schon die Erklärung des Bundesverteidigungsministers, in diesem Fall werde er die Kosten dem Land nicht in Rechnung stellen, bedeutet ja, dass im Normalfall - auch wenn die Bundeswehr kommt - hinterher die Stunden abgerechnet werden können. Auch hierbei haben wir eine Rechtsunsicherheit. Selbst wenn ein Landrat, ein Bürgermeister oder ein Katastrophenschützer die Bundeswehr anfordert, weiß er ja nicht, ob das ein Auftrag über 25 000 € war. Da die Stunde Helikopter etwa 3 500 € kostet, müsste er dann auf dem freien Markt herumfragen, ob einer das günstiger anbietet, und dann noch die Sieben-Tage-Frist einhalten.
Ich glaube, es ist offenkundig, dass Ausnahmetatbestände für solche Situationen wie eine Flut, wie wir sie in den letzten Tagen gehabt haben, einen Sturm wie Kyrill oder andere übergesetzliche, außergesetzliche Notstände vorgesehen werden müssen. Es wäre gut, wenn wir das gemeinsam so regeln würden, dass die Landräte, die Bürgermeister, die Verwaltungen allgemein Rechtssicherheit haben.
Es wäre auch sinnvoll, das rückwirkend zu regeln. Ich meine, dass das möglich ist. Dann würden wir nämlich diese ganzen Formvorschriftsverstöße, die ja stattgefunden haben oder stattfinden mussten, heilen.
Ich weiß, dass der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst da noch Bedenken hat. Aber ich bin der Meinung, dass wir die handelnden Personen von allen Zweifeln freistellen sollten, egal ob sie beim Land, beim Kreis oder bei den Kommunen tätig gewesen sind. Sie haben ihr Bestes getan. Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Dann sollte man als Parlament auch versuchen, ihnen Rechtssicherheit zu geben. - Vielen Dank.
Herr Minister, vielen Dank für Ihre Einbringung. Sie haben die Notwendigkeit des Gesetzes jetzt mit der unmittelbaren Notsituation begründet, in der innerhalb von Stunden gehandelt werden musste. Ich fand das sehr interessant und bin auch daran interessiert, dazu andere juristische Einschätzungen zu hören, ob da alle gegen die Vorschriften verstoßen haben.
Der uns vorliegende Gesetzentwurf spricht aber davon, Ausnahmen zulassen zu können, die bis zu einem Jahr befristet sind. Dieser Regelung entnehme ich, dass es unter Umständen auch in Ihrer Intention liegt, bei den Aufräumarbeiten entsprechende Ausnahmen zulassen zu können. Es interessiert mich, an welcher Stelle Sie da wirklich die Probleme in unserem Landesvergabegesetz sehen.
Ja, das ist richtig. Erst mal muss natürlich geholfen werden in der Stunde der Not, wenn das Wasser oder die Katastrophe da ist. Es muss anschließend natürlich auch aufgeräumt werden. Auch das ist eine Folge der Katastrophe. Es muss an einigen Stellen sehr schnell repariert werden. Gehen Sie von öffentlichen Gebäuden aus. Das muss nicht unbedingt nur das Rathaus sein. Aber das Rathaus ist auch notwendig, weil die Menschen ja auch einen Personalausweis und Ähnliches brauchen. Sie wollen meistens nicht verwaltet werden; aber wenn sie es denn wollen, wollen sie es möglichst schnell. Denken Sie an vollgelaufene Kindergärten. Denken Sie daran, dass Einrichtungen mit - -
(Herr Lange, DIE LINKE: Wir wissen, was das ist! Ist doch gut! - Zuruf: Sie müssen nicht auf jeden Zwischenruf reagieren!)
- Nein. Ich meine nur, es kann ja nicht sein, dass wir, wenn ein Kindergarten gereinigt werden muss, repariert werden muss, ein umständliches europäisches Vergabeverfahren durchführen. Vielmehr soll die Verwaltung vor Ort, der Träger sagen können: Ich bestelle jetzt die Reinigungsfirma. Ich bestelle jetzt den Handwerker, der mir den trocken legt. Ich bestelle den Handwerker, der das möglichst schnell in Ordnung bringt, damit der Kindergarten oder welche andere öffentliche Einrichtung auch immer sofort wieder in Betrieb gehen kann.
Es liegt mir völlig fern, hier das Vergabegesetz außer Kraft zu setzen. Ich denke aber, dass die Leute vor Ort in die Lage versetzt werden müssen, den Erfordernissen entsprechend wieder normale Verhältnisse zu schaffen.
Es stand auch darin: bis zu einem Jahr. - Bei kleineren Reparaturarbeiten ist sicherlich kein Jahr erforderlich.
Aber ich kann mir vorstellen, wenn Sie bei den ganzen Planungsarbeiten zum Beispiel zu einem kaputten Deich oder zu einer abgespülten Straße erst anfangen, selbst die Ingenieurleistungen, also die Planungsleistungen noch auszuschreiben, dann werden wir nicht in ein, zwei Jahren wieder dichte Deiche und reparierte Straßen haben; dann dauert das eben entsprechend. Das ist die Intention dieses Gesetzes.
Ich würde gern noch mal auf die Frage zurückkommen, welche Regelungen, die unser Landesvergabegesetz hat - darin ist ja nicht geregelt, ab wann eine europäische Ausschreibung zu erfolgen hat -,
Sie sehen, die die Aufräumarbeiten oder, sagen wir mal, Wiederaufbauarbeiten - ich glaube, das trifft es ein bisschen besser - behindern könnten. Die Regelung beispielsweise, eine schriftliche Erklärung abzugeben, ist es ja sicherlich nicht.
Nein. Das habe ich ja gar nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass wir zum Beispiel dann, wenn ein Deich erneuert werden muss, weil er weg ist, oder eine Straße erneuert werden muss, weil sie irreparabel beschädigt ist, Planungsleistungen brauchen. Wenn diese Planungsleistungen erst umständlich ausgeschrieben werden müssen - - An solche Sachen haben wir gedacht. Das halte ich auch für richtig. Sonst würden wir es Ihnen nicht vorlegen. Das hat das ganze Kabinett für richtig gehalten. Aber ich bin völlig offen in der Form, wie man diese Ausnahmen gestaltet.
Das Einfachste - nicht für mich, sondern für die handelnden Personen - wäre es, wenn es eine Verordnungsermächtigung für den jeweils zuständigen Minister gäbe, weil er sich dann auf die Si
tuation einstellen kann. Ich habe aber auch großes Verständnis dafür und beklage das auch gar nicht, dass das Parlament sagt: Nein, wir möchten selbst die Ausnahmen von unserem Gesetz beschließen. Das ist in Ordnung.
Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder dass man eine generelle Ausnahme macht oder dass man für diesen Fall eine Ausnahme macht. Das muss in den Fachausschüssen beraten werden. Wir können nur den Gedanken anstoßen, dass hier ein Problem ist. Wenn das Problem jetzt gelöst wird, sind wir völlig zufrieden.
Frau Dr. Klein hat ihre Frage zurückgezogen. - Wir treten jetzt ein in eine Fünfminutendebatte. Als erster Debattenredner spricht für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Dr. Thiel. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bis vor wenigen Minuten wusste ich eigentlich nicht, warum wir das Landesvergabegesetz außer Kraft setzen sollten. Jetzt hat Minister Möllring ein paar Punkte benannt, die wichtig sind. Es geht um den unmittelbaren Katastrophenfall.
Ich glaube, wir müssen auch hier endlich mal über eine grundsätzliche Entscheidung sprechen. Denn auch die Gespräche mit Bürgermeistern, Verwaltungsleuten vor Ort, dort, wo die Schäden sichtbar sind - das ist im Süden Sachsen-Anhalts der Fall -, zeigen, dass rasches Handeln geboten ist.
Ich will ein Beispiel nennen. Es betrifft Wetterzeube, einen der ersten Orte in Sachsen-Anhalt, den die Flut hart getroffen hat. Am Sonntag, dem 2. Juni war der Ministerpräsident mit anderen besorgt dreinblickenden Politikern dort und hat gesagt: Entscheidend ist, dass wir jetzt dort Hilfe leisten und dort überall Hand anlegen, wo die Menschen auf Hilfe warten.
Am Montag, dem 3. Juni hätte es ihn an dieser Stelle weggespült. Da war das Mühlenwehr bereits überflutet. Am 6. Juni war die Elster wieder in ihrem Bett und die Straßen waren sichtbar. Heute haben wir den 20. Juni, und es ist nichts passiert, um die Schäden zu beseitigen. Das ist der Grund, weshalb die Menschen vor Ort nachfragen: Warum könnt ihr hier nicht schneller reagieren?
Wie kann man sozusagen das Verwaltungshandeln voranbringen? Das ist das, was Bürgermeister Jacob auch so ratlos macht.
Seiten abgeschnitten. Rettungswege sind nicht mehr zu nutzen. Da wird natürlich die drängende Frage gestellt: Bewegen wir uns da?
Da kommen die Fragen: Ist genügend Geld da, um die Schäden zu beseitigen? Welche besonderen Unterstützungsmaßnahmen kann das Land leisten? Wie können Fristsetzungen und Vergaberegelungen effektiviert werden? Wie sollen auch Zweckmäßigkeitsprüfungen stattfinden, ob man zum Beispiel nur bestimmte Bereiche instand setzt, die das Hochwasser in Mitleidenschaft gezogen hat? Welche Informations- und Kommunikationswege sind aufzubauen, um die Schadensbeseitigung sozusagen zu managen und zu koordinieren?
Der geringste Teil dieser Fragestellungen wird im Vergabegesetz geregelt. Das müssen wir uns einfach einmal vor Augen halten.
Es werden durch Bundes- und EU-Regelungen die entsprechenden Rahmenbedingungen definiert. Deswegen hätten wir eigentlich weniger die vorliegende Fehlgeburt eines solchen Gesetzentwurfes erwartet als vielmehr die Weiterführung des Regelwerkes, das schon einmal für das Konjunkturpaket II gegolten hat.