Protocol of the Session on April 26, 2013

Nun ist in der Regel die Netzkommunikation nicht verschlüsselt, und die Daten sind schon jetzt mitzulesen. Aber an jedem Knoten eines InternetService-Providers alle Pakete direkt, live mitzulesen und auf die Inhalte zu schauen stellt eine nie dagewesene Qualität dar, die aus der Sicht der LINKEN ein nicht zu rechtfertigender und unverhältnismäßiger Eingriff in unser aller Kommunikationsverhalten ist.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Um das zu realisieren, ist ein erheblicher Aufwand notwendig. Es müssen Strukturen geschaffen werden und es muss eine entsprechende Technik flächendeckend implementiert werden. Diese Technik steht zur Verfügung. In China und im Iran wird sie nachweislich erfolgreich eingesetzt, um Inhalte ganz zu sperren, und in Deutschland hat das auch schon funktioniert: So erlaubte es die DT AG im Mobilfunk nicht, den Kommunikationsdienst Skype zu nutzen, zum Beispiel auch bei UMTS-Surfsticks nicht, die teilweise gar nicht zum Telefonieren taugen.

Technik - egal, wie sie heißt oder wie gut sie ist -, die Daten flächendeckend auf ihre Inhalte mitliest und diskriminiert, darf aus der Sicht unserer Fraktion generell nicht eingesetzt werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aktuell reden wir über die Deep Package Inspection. Ja, hier passiert genau das. Diese DPI wird installiert, um „Güteklassen“ erst möglich zu machen. Technik ist jedoch nicht neutral, und die Auswirkungen von Technik müssen mit Weitblick betrachtet werden. Nicht wenigen Sicherheitsbeamten läuft das Wasser im Mund zusammen mit Blick auf die Möglichkeit, Telekommunikationsinhalte flächendeckend abgreifen zu können.

Meine Damen, meine Herren! Nun schauen wir auf die aktuelle Gesetzgebung. Da gibt es den § 41a im Telekommunikationsgesetz, der die Überschrift „Netzneutralität“ erhalten hat. Dieser regelt in Absatz 1 eine Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung - Zitat -:

„… mit Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates gegenüber Unternehmen, die Telekommunikationsnetze betreiben, die grundsätzlichen Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Anwendungen festzulegen, um eine willkürliche Verschlechterung von Diensten und eine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs in den Netzen zu verhindern; sie berücksichtigt hierbei die europäischen Vorgaben sowie die Ziele und Grundsätze des § 2.“

Dieser § 2 wiederum formuliert die Ziele der Telekommunikationsgesetzgebung. Zum Beispiel sind dies die Wahrung der Nutzer-, insbesondere der Verbraucherinteressen auf dem Gebiet der Telekommunikation und die Wahrung des Fernmeldegeheimnisses, die Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs und die Förderung nachhaltiger wettbewerbsorientierter Märkte der Telekommunikation im Bereich der Telekommunikationsnetze sowie der zugehörigen Einrichtungen und Dienste - auch in der Fläche - oder zum Beispiel die Sicherstellung einer effizienten und stö

rungsfreien Nutzung von Frequenzen, auch unter Berücksichtigung der Belange des Rundfunks.

Sowohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk als auch die Landesmedienanstalten betrachten die Bestrebungen von Telekommunikationsdienstleistern durch die Verknüpfung von Netzzugang und Inhaltsangebot so, dass ein rechtsfreies Rundfunkangebot generiert wird.

Die Bundesregierung ist vom Bundesgesetzgeber also bereits ermächtigt worden, mittels einer Rechtsverordnung die Ziele des Telekommunikationsgesetzes auch zur Beibehaltung der Netzneutralität zu wahren. Und was macht unsere Bundesregierung? Das, was sie am besten kann, nämlich nichts.

Die IT-Beauftragte des Bundes, Cornelia RogallGrothe, beklagt die Ansage der DT AG und fordert sie auf, sich das noch mal zu überlegen, wie sie in einem Interview mit MDR-Info verlautbaren ließ. Der Bundeswirtschaftsminister schreibt einen Brief an den Vorstand der DT AG - von der Presse als Brandbrief tituliert. Das kann wohl nur ein schlechter Witz sein. Er, Herr Rösler, hat es in der Hand, die Netzneutralität zu wahren.

Aber das Beispiel zeigt: Eine Verordnungsermächtigung ist eben nicht hinreichend. Die Netzneutralität muss gesetzlich festgeschrieben werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Nur so können wir unseren Anspruch auf ein echtes und freies Netz wahren. Nur so sichern wir die Netzneutralität, und nur so bewahren wir uns unsere Zugänge zu Bildung, Kultur, sozialen Kreisen und wirtschaftlichen Potenzialen im Netz.

Meine Damen, meine Herren! Aus den Reihen der Koalition erhalten wir heute einen Alternativantrag, der auch tatsächlich eine Alternative und nicht nur eine Änderung darstellt. Schließlich geht es um die Frage: Machen wir etwas oder lassen wir es?

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Die Koalitionsfraktionen wollen die Netzneutralität stärken. - Netzneutralität besteht oder sie besteht nicht.

(Herr Lange, DIE LINKE: So ist es!)

Ein bisschen Netzneutralität gibt es nicht. Insofern ist es sachfremd, wenn die Koalition vorschlägt, die Netzneutralität zu stärken.

(Herr Lange, DIE LINKE: Man kann nicht ein bisschen schwanger sein! - Zurufe von der CDU)

Ja, die Netzneutralität reguliert den freien Wettbewerb für Internet-Service-Provider. Zwei Gründe dafür habe ich ausführlich dargelegt. Es geht zum einen um eine kartellrechtlich neu zu bewertende Vermengung von Netzzugangsversorgung und Be

reitstellung von Inhalten. Zum anderen ist es ein eben nicht hinnehmbarer Einschnitt in die Privatsphäre, dass alle Datenpakete auf Inhalte durchleuchtet werden müssen, damit dieser von Ihnen als freier Wettbewerb titulierte Wettbewerb stattfinden kann.

Meine Damen, meine Herren! Ich habe es schon angesprochen: Die Güteklassen rentieren sich nur, wenn man Inhalte mitlesen kann, was nur deswegen flächendeckend funktioniert, weil bislang kaum verschlüsselt wird. Das soll aber zunehmen.

Ich habe Thomas Grob, Senior Expert für Regulierungsfragen bei der DT AG, im letzten Jahr in unserer Landesvertretung in Berlin auf einer netzpolitischen Konferenz persönlich gefragt, wie die DT AG mit dem Durchleiten von verschlüsselten Daten umgehen werde, falls sie die Netzneutralität aufkündigen werde. Antwort: keine Antwort.

Ich möchte daher, bevor wir in die Debatte einsteigen, die Landesregierung und die Fraktionen fragen, wie sie sich die Durchleitung verschlüsselter Daten unter der Aufkündigung der Netzneutralität vorstellen. Wir reden über Authentifizierungssysteme, De-Mail, die die LINKE aus guten Gründen nach wie vor ablehnt, wir reden über E-Government oder über den neuen Personalausweis, der glücklicherweise einen ziemlich bescheidenen Start erlebte, aber gerade zum Beispiel für die Signatur und Verschlüsselung staatlicher Kommunikationsdokumente eingesetzt werden soll. Welche Güteklasse wird hierbei die verschlüsselte Kommunikation erhalten?

Meine Damen, meine Herren! Wir müssen jetzt ganz schnell handeln und die Netzneutralität sichern. Es ist offensichtlich, dass dies nur gesetzlich geht. Die LINKE fordert das echte und freie Internet. Als Partei der Freiheit können wir weitere Einschränkungen hierbei nicht mehr mitmachen,

(Herr Miesterfeldt, SPD: Oi, oi, oi! - Unruhe)

und wir sind guten Mutes, dass auch die anderen drei Fraktionen dies nicht gutheißen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Stimmen Sie für die gesetzliche Sicherstellung der Netzneutralität.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Kollege Wagner. - Für die Landesregierung spricht nunmehr Herr Minister Möllring.

Herr Präsident Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Begriff der Netzneutralität wird die

neutrale - sprich: diskriminierungsfreie - Übermittlung von Daten im Internet bezeichnet, unabhängig von Inhalt, Absender oder Empfänger der Daten, von der Größe der Datei oder von der verwendeten Hard- und Software. Dies ist ein Grundpfeiler des Internetverkehrs.

Mit der steten Verbreitung des Internets und seiner Anwendungen wie Downloads von Musik- und Videodateien, Internetfernsehen, Internettelefonie usw. wachsen die Datenmengen jedoch stetig, sodass insbesondere bei Mobilfunknetzen mit schwankender Breitbandgeschwindigkeit die Gefahr von Engpässen besteht, weil beispielsweise nur bestimmte Datenvolumina pro Monat erlaubt sind.

Letztlich geht es um die Frage, ob der Markt sich selbst reguliert oder ob die Grundlagen dafür geschaffen werden müssen, um nötigenfalls regulierend in den Telekommunikationsmarkt einzugreifen. Die Grundlagen hat die Novelle zum Telekommunikationsgesetz im Jahr 2012 mit dem neuen § 41a - Netzneutralität - geschaffen. Er ist soeben schon vorgelesen worden; das muss ich nicht wiederholen.

Derzeit ist die Netzneutralität ohne konkrete staatliche Eingriffe über den Wettbewerb sichergestellt. Kartellrechtliche Fragen kann man heute auch schon klären. Dazu braucht man kein neues Gesetz. Die gegebenen Instrumente reichen bisher aus. Eine akute Gefährdung der Netzneutralität ist nicht ersichtlich.

Wenn es in vergangenen Zeiten zu gelegentlichen Verletzungen der Netzneutralität gekommen ist, dann hat die Bundesnetzagentur vermittelnd eingegriffen und diese Verletzungen abgestellt. Allerdings steht für den Fall, dass es in Zukunft doch zu einem Marktversagen kommen sollte, das Instrument des § 41a TKG zur Verfügung.

Aber eine weitergehende Gesetzgebung sozusagen auf Vorrat hält die Landesregierung nicht für nötig. Wir alle sagen in Sonntagsreden immer: so wenige Vorschriften wie möglich. Deshalb sollten wir Vorschriften auch nur erlassen, wenn sie wirklich unumgänglich sind. Das ist hierbei noch nicht der Fall. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU - Zustimmung von Herrn Felke, SPD)

Danke schön, Herr Minister. Es gibt zwei Nachfragen. Möchten Sie sie beantworten?

(Minister Herr Möllring unterhält sich mit sei- nen Mitarbeitern - Zurufe von der LINKEN - Heiterkeit)

- Herr Minister Möllring, es gibt zwei Nachfragen. Möchten Sie sie beantworten?

Ja, wenn ich es kann.

Der erste Fragesteller ist der Abgeordnete Herr Lange.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, ich habe eine Frage. Sie haben gesagt, dass die Netzneutralität bis jetzt nicht verletzt wurde. Das mag sein. Sie haben auch gesagt, dort, wo es Verletzungen gegeben hat, hat man regulierend eingegriffen.

Wie würden Sie denn jetzt den Schritt der Telekom und die Ankündigung der Telekom in Bezug auf die Netzneutralität bewerten, nämlich die eigenen HD-Filme nicht auf das Datenvolumen anzurechnen, während die Angebote anderer Anbieter durchaus auf ein solches Datenvolumen angerechnet werden sollen?

Erstens ist das eine Ankündigung. Die muss man sich genau anschauen. Wenn es das Netz der Telekom ist, dann ist es natürlich klar, dass sie vorrangig ihre eigenen Daten darüber leiten kann.

(Herr Striegel, GRÜNE: Das ist das Pro- blem!)