Protocol of the Session on April 26, 2013

Einbringerin zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE ist die Abgeordnete Frau Dr. Klein. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Seit einigen Wochen bzw. Mo

naten, nämlich seit Januar 2013, spielt das Ministerium für Justiz und Gleichstellung mit dem Parlament „Schraps hat den Hut verloren“ und hofft, dabei zu gewinnen.

So wie es aussieht, wird die Landesregierung letztlich einem Vorschlag zustimmen, den das Parlament heute hoffentlich unterbreiten wird; denn es ist eigentlich eine originäre Aufgabe der Landesregierung, Dienstleistungsverträge abzuschließen, zu verlängern, zu kündigen oder nachzuverhandeln. Aber bei dem Theater in den letzten Wochen und Monaten blieb zumindest aus der Sicht meiner Fraktion eine ganze Menge auf der Strecke.

Auf der Strecke bleibt das letzte bisschen Vertrauen in die uns von der Verwaltung zugearbeiteten Zahlen für die Aufstellung des Haushaltes. Auf der Strecke bleibt auch das Vertrauen in die Seriosität der Aufforderung, Ankündigung, Drohung der Landesregierung, den Haushalt konsolidieren zu wollen.

In diesem Zusammenhang fallen gewaltige Worte; eine Ministerin muss gehen, nur weil sie sich dem Spargelübde nicht ungeprüft anschließen wollte. All das kann eine Landesregierung tun. Doch manchmal muss man offenbar nicht so genau hinschauen, wenn es um das Sparen geht, nämlich dann, wenn es entweder um private Betreiber geht oder wenn es um Personal geht. Und das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, macht eigentlich alles Geschrei und Getöse um die Haushaltskonsolidierung zumindest für meine Fraktion unglaubwürdig.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Wirtschaftlichkeit des PPP-Projektes Justizvollzugsanstalt Burg ist von Anfang an umstritten gewesen. Schon der Wirtschaftlichkeitsnachweis aus dem Jahr 2006 konnte nicht so richtig überzeugen; doch der drohende Anstieg der Gefangenenzahlen überzeugte damals zumindest die Koalitionsfraktionen von der Notwendigkeit des Projektes.

Nun haben wir die Anstalt und müssen dafür auch bis zum Jahr 2034 zahlen. Der Zuschuss an den Betreiber wird weiter wachsen; denn er ist vertraglich festgelegt. Er ist eigentlich an eine vollständige Auslastung der JVA Burg gebunden. Eine Summe von einer halben Milliarde Euro ist dafür bis zum Jahr 2034 zu zahlen. Darin sind andere Kosten, nämlich für Personal, für Nebenkosten, für Strom, für Wasser, noch nicht enthalten.

Der einzige direkte Einsparfaktor in diesem bis zum Jahr 2034 bestehenden Konstrukt sind die am 19. Dezember 2006 mit dem Betreiber abgeschlossenen Dienstleistungsverträge. Diese haben seit Mai 2009 eine Laufzeit von fünf Jahren und können, soweit das gewollt ist, mit der Frist von einem Jahr vor Ablauf der fünf Jahre gekündigt werden. Ansonsten verlängern sie sich erneut um fünf Jahre.

Im Rechnungsprüfungsausschuss kam von der Landesregierung der Vorwurf, das Parlament hätte während der Haushaltsberatungen einen Sperrvermerk aussprechen müssen, wenn es denn Einfluss auf die Verlängerung der Verträge hätte nehmen wollen.

Ja, das hätten wir tun sollen. Ich glaube - ich habe noch einmal nachgeschaut -, dass wir im Finanzausschuss am 4. Dezember 2006 darüber informiert worden sind, dass es diese Verträge geben wird. Aber von Laufzeiten habe ich im Protokoll nichts gefunden.

Auch in den Haushaltsverhandlungen ging es immer nur um den Zuschuss als kompakte Masse. Es gab die klare Ansage: Verringern sich die Gefangenenzahlen in Burg, so bleiben die Kosten bestehen.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere auch noch an die Debatte in der vergangenen Legislaturperiode, Anfang 2010, als es um die Schließung der Justizvollzugsanstalten in Halberstadt und Stendal ging. Diese Justizstrukturreform war übrigens auch damals schon alternativlos. Ausschlaggebend für diese alternativlose Justizstrukturreform waren die Kosten für Burg sowie die fehlenden Gefangenen und das fehlende Personal für Burg.

Gut, ich gebe zu, die Protokolle des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung habe ich nicht noch einmal gelesen. Vielleicht stand dort etwas von den Dienstleistungsverträgen und ihren Laufzeiten. Wenn ich etwas nicht weiß, dann kann ich es auch nicht sperren. Insofern haben wir einen Fehler gemacht. Aber das ist noch lange kein Grund dafür, uns in den Ausschüssen seit Januar mit nichtssagenden Aussagen abzuspeisen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Erst mit dem Jahresbericht 2012 des Landesrechnungshofes war das Thema für uns als Parlamentarier wieder aktuell. Seitdem haben wir versucht, Auskunft zu erhalten, sowohl im Finanzausschuss wie auch im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung und im Rechnungsprüfungsausschuss. Diese bekamen wir aber nicht.

Bestehende Verträge müssten erst evaluiert werden - das war im Dezember 2012. Ursprünglich war aber eine Evaluierung schon für das Jahr 2011 vorgesehen. Sie war dringend notwendig, da zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge niemand wissen konnte, wie sie umgesetzt werden können. Es gab keine Kennzahlen, es gab keine Erfahrungen damit, ob und wie solche Verträge in einer Einrichtung wie der JVA Burg funktionieren.

Am 3. April 2013 sollte die Frage nach den Verträgen im Ausschuss für Finanzen eigentlich abschließend behandelt werden. Doch es gab nur die

Auskunft, dass nichts vorliege, worauf das Justizministerium aufbauen könne. Wir verabredeten als letztmöglichen Termin die Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses am 10. April 2013.

Zu dieser Sitzung kamen zwar viele Beamte des MJ - wir waren nur vier Abgeordnete in dem Ausschuss und es waren mehr Beamte -, aber sie sagten eigentlich nichts. Das Gutachten wäre ein erster Entwurf und man könne und man wolle … - aber na ja. Der schließlich noch herbeizitierte Staatssekretär rettete das Ganze dann auch nicht mehr.

Es wurde dann schließlich vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE unverzügliche Akteneinsicht gefordert und beschlossen. Die Akten sollten uns bis Mittwoch, den 17. April 2013 vorliegen, damit wir noch einen Blick hineinwerfen konnten, um notfalls am Donnerstag, dem 18. April 2013 noch einen Antrag abgeben zu können. Antragschluss war am Donnerstag um 12 Uhr.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Die Akten kamen am Donnerstag, dem 18. April 2013 um 15.20 Uhr. Also mussten wir quasi einen Antrag ins Blaue stellen. Die Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben dasselbe getan.

Der Umgang mit Beschlüssen des Landtages - das haben wir in der letzten Zeit des Öfteren gemerkt - ist für die Landesregierung anscheinend nur dann wichtig, wenn diese Beschlüsse von ihr selbst initiiert worden sind.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es gab keinen Grund, die Akten auch nur einen Tag später zu schicken; denn zumindest irgendetwas Aktenähnliches wurde den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen zu ihrer Klausur vorgelegt, wie ich der Presse entnommen habe. Die Endfassung des Gutachtens trägt das Datum 28. Februar 2013 - wohlgemerkt die Endfassung, nicht irgendein erster Entwurf.

Frau Ministerin, für uns ist das ganze Geeiere um das Gutachten zu den Dienstleistungsverträgen absolut nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Es gab und gibt hierbei nichts, aber auch gar nichts in diesem Gutachten, das man verbergen müsste. Die Aussagen sind überschaubar: Danach sollte ein Vertrag, und zwar der über die Verpflegungsdienstleistungen, auf jeden Fall gekündigt werden; der Vertrag über die EDV-Betreuung sollte grundsätzlich weitergeführt werden. Die anderen könnte man ebenfalls grundsätzlich weiterführen, es seien hierzu lediglich Nachverhandlun

gen notwendig. Für diese Vorschläge haben Sie, Frau Ministerin, nun nur noch sehr wenig Zeit. Der 30. April 2013 ist in der nächsten Woche.

Interessanter sind jedoch die Berechnungen, die Ihr Haus vorgenommen hat. Bei einer rein monetären Betrachtung würden die Kosten für die PPP-Verträge rund 8,7 Millionen € betragen. Würden die Dienstleistungen in eigener Regie durchgeführt, betrügen die Kosten nur 5,4 Millionen €. Es gäbe also eine Einsparung in Höhe von 3,2 Millionen €. Das wusste das Justizministerium übrigens schon bei der Sitzung des Finanzausschusses am 3. April 2013. Das stand auf dem Sprechzettel; doch dieser Teil des Sprechzettels ist weggefallen, aus welchen Gründen auch immer.

Das Land könnte also 3,2 Millionen € sparen. Aber - und das ist der Knackpunkt - bei diesen 5,4 Millionen €, die ich dann ausgeben müsste, wäre wieder Personal dabei, das benötigt würde. Man brauchte also ein paar Köche, man brauchte vielleicht einen Gärtner, der das betreuen müsste. Also gebe ich lieber 3,2 Millionen € mehr aus, wenn ich nur kein Personal einstellen muss. Das ist der eigentliche Punkt. Denn dadurch könnte die Statistik wieder ins Flattern kommen und wir könnten gegen das heiß geliebte Personalentwicklungskonzept verstoßen.

Wir hätten volles Verständnis dafür - das werden wir auch bei dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zeigen -, wenn Sie gesagt hätten, dass zumindest die Verträge zur Gesundheits- und Sozialfürsorge weiterlaufen müssen, weil das Land für diesen Bereich nur sehr schwer entsprechendes Fachpersonal findet. Das verstehen wir. Sozial- und Psychotherapeuten findet man nicht en masse, und wenn welche gefunden sind, dann sollte man diese halten. Aber nein, dieser Passus im Sprechzettel ist, wie gesagt, einfach unter den Tisch gefallen.

Nach Ihren eigenen Aussagen, Frau Ministerin, sehen Sie, wenn ich mich auf die Kabinettsvorlage beziehe, auch bei dem Vertrag zu den Verwaltungsdienstleistungen einen Optimierungsbedarf hinsichtlich der Vertragsgestaltung. Dieser soll, laut Pressemitteilung, jedoch unverändert weiterlaufen.

Nun kam in der Diskussion in den Ausschüssen noch das Argument der europaweiten Ausschreibung, da kein Vertrag unter 200 000 € liegt; dafür würde die Zeit - ein Jahr - sehr knapp werden. Da aber die eigenen Berechnungen, wie gesagt, durchaus auch von einer Übernahme in Eigenregie ausgingen, in der diese Aufgaben auch noch viel billiger wahrgenommen werden könnten, sollte zumindest in einigen Teilen - das wird mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen deutlich - dieser mutige Schritt gegangen werden.

Es ist aber unbedingt notwendig, dass endlich auch konkrete Kenngrößen festgelegt werden, um eine Vergleichbarkeit zum übrigen Strafvollzug in Sachsen-Anhalt zu erlangen. Es wird ein leistungsfähiges Vertragscontrolling und ein aussagefähiges Berichtswesen gebraucht. Das ist übrigens nicht nur eine Forderung, die der Landesrechnungshof aufgemacht hat, sondern das finden wir bei jeder Vertragsgestaltung in dem Gutachten, das vorliegt.

Außerdem wird für jeden Vertrag auch die Ermittlung der Vergütungsansprüche gefordert, um einen möglichen Nachtrag auf eine prüfbare und transparente Grundlage zu stellen.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen macht deutlich, dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, in den vergangenen Tagen die Chance hatten, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Wir haben unsere Erkenntnisse nur aus den Akten, für die wir nicht allzu viel Zeit hatten, um uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Es sind immerhin 14 Aktenordner. Deshalb auch das unterschiedliche Herangehen.

Wir werden den Änderungsantrag unter der Voraussetzung übernehmen - dieser haben die Koalitionsfraktionen zugestimmt -, dass unter Punkt 1 eine Ergänzung vorgenommen wird. Nach der Passage „über deren qualitätsgerechte Erfüllung vorgenommen wird“ wird eingefügt „sowie ein begleitendes leistungsfähiges Vertragscontrolling und ein aussagefähiges Berichtswesen mit steuerungsrelevanten Kennzahlen einzurichten“.

Unter Punkt 3 ist auch der Ausschuss für Finanzen in die Berichterstattung einzubeziehen.

Da die Koalitionsfraktionen signalisiert haben, dass sie diese Ergänzungen übernehmen würden, könnten wir so verfahren. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr für die Einbringung, Frau Dr. Klein. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält der Abgeordnete Herr Herbst das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Land, das ein neues Gefängnis bauen kann, ist in einer glücklichen Situation. Warum? - Weil dies nicht so oft vorkommt und sich damit für uns die Chance verbindet, alles besser zu machen.

Noch vor wenigen Jahrzehnten war der Strafvollzug grundlegend anders konzipiert, hatten Gefängnisse mit heutigen modernen Justizvollzugsanstalten nur wenig zu tun. Heute ist Resozialisierung als Vollzugsziel die wichtigste Programmvorgabe für alles, was im Strafvollzug geschieht.

Diesem wichtigen Strafzweck haben alle Gegebenheiten von der inhaltlichen Ausgestaltung über die Sozialfürsorge bis hin zur Architektur einer Haftanstalt Rechnung zu tragen. Weil sich die Erkenntnisse auf diesem Gebiet stetig weiterentwickeln, müssen Justiz und Justizvollzug ständig daran arbeiten, neue Entwicklungen aufzunehmen und die eigenen Strukturen kontinuierlich zu verbessern.

Deshalb, meine Damen und Herren, ist es geradezu eine glückliche Situation, wenn einem die Möglichkeit gegeben wird, eine neue JVA zu bauen.

Ich möchte die Leistungen der Beteiligten bei der Konzeption der JVA Burg nicht schmälern, und ich bin mir sicher, dass niemand vorsätzlich etwas nicht berücksichtigt hat, das sich später als wichtig erwiesen hat.

Was man heute aber mit Bestimmtheit sagen kann, ist - das ist bedauerlich -, dass die Geschichte der JVA Burg eine Geschichte voller Pleiten, Pech und Pannen ist, von denen viele bei einer besseren Planung sicherlich vermeidbar gewesen wären.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Von der ersten Machbarkeitsstudie an bis zu den jetzigen Ergebnissen der Evaluation von Ernst & Young ist bei der JVA Burg einfach der Wurm drin. Und dass dort der Wurm drin ist, ist nicht gottgegebenes Schicksal oder schlechtes Karma. Der Grund dafür sind Entscheidungen, die von Menschen getroffen wurden und für die jemand die Verantwortung tragen muss.