An dieser Stelle ist es eben keine Frage des Stils mehr, sondern eine inhaltliche. Dann gibt es die Debatte, sie hätte doch dem Kabinettsbeschluss zugestimmt, dann hätte sie sich hinterher nicht mehr dagegen wenden können.
Ich will mich jetzt nicht an der Debatte beteiligten, war es nun ein Prüfauftrag oder ein Beschluss. Das sind interne Kabinettsfragen; das ist egal. Aber interessant ist schon einmal, wie die Dinge zustande gekommen sind.
Der Ministerpräsident und sein Stellvertreter machen, bevor es diesen Kabinettsbeschluss gibt, eben mit diesem Kabinettsbeschluss ein Pressefrühstück, stellen all diese Dinge der Öffentlichkeit vor und gehen danach ins Kabinett, um es von den Kollegen beschließen zu lassen.
Jeder, der länger als drei Tage in der Politik ist, weiß, was das bedeutet: Ich verkünde schon einmal in der Öffentlichkeit das Ergebnis, dann traut sich ohnehin keiner mehr dagegen zu sprechen, weil das die klare Demontage der Spitze wäre. Das ist doch logisch.
Herr Haseloff, unter uns, ich habe das auch schon gemacht. Aber dann habe ich wenigstens im Nachhinein dazu gestanden und wurde von meinen Leuten substanziell dafür kritisiert - völlig zu Recht.
Kern unserer Debatte ist aber etwas anderes. Eine Perspektive kam bisher so gut wie nirgendwo zum Ausdruck, und zwar die Perspektive derjenigen, die von diesen Kürzungsbeschlüssen betroffen sein sollen, nämlich die Perspektive derjenigen Studentinnen und Studenten, denen die Mittel in den nächsten Jahren schon deutlich gekürzt werden sollen.
Wo bleibt die Perspektive der Schülerinnen und Schüler im Land Sachsen-Anhalt, die demnächst offensichtlich keine guten Chancen mehr bekommen sollen, hier einen Studienplatz zu bekommen?
Wo bleibt die Perspektive der Lehrer, deren Wochenstundenzahl erhöht werden soll, und der Schüler, deren Stundenzahlen auf der Stundentafel verringert werden sollen, weil der Einstellungskorridor wieder einmal halbiert werden soll
Wo bleibt die Perspektive des Gemeindevertreters, der darum kämpft, dass Polizei in seiner Gemeinde vor Ort bleiben soll, dessen Kampf aber mit hoher Wahrscheinlichkeit aussichtslos sein wird, weil das Personalkonzept vorsieht, dass eben in seiner Gemeinde demnächst keine Polizei mehr sein wird?
Das ist die Perspektive, die wir in dieser Debatte brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist die Perspektive der Bürgerinnen und Bürger. Die müssen wir hier diskutieren.
Dazu sagt die Kabinettsvorlage - sie spricht eine eindeutige Sprache -, diese Perspektive interessiert uns nicht. Und die Entlassung von Frau Wolff spricht wiederum eine deutliche Sprache: Widerspruch wird nicht geduldet! In dieser Koalition wird kein Widerspruch geduldet!
Das Signal an die Gesellschaft: Ihr könnt euch darüber aufregen, aber es ist sinnlos, es passiert sowieso nichts mehr, die Dinge sind beschlossen, ihr könnt nach Hause gehen.
Weil dieses Signal das Engagement der Menschen in diesem Land abschnürt und weil dieses Signal die Akzeptanz des politischen Systems und der Landespolitik massiv verschlechtern wird, dürfen wir es so nicht stehen lassen.
Wir brauchen eine öffentliche kontroverse Debatte über die Dinge, die hier vorgeschlagen werden und wir brauchen Widerspruch und Widerstand. Wir brauchen Widerstand, wenn es um Weichenstellungen geht, bei denen wir uns verschulden gegenüber den Kindern und Jugendlichen in diesem Land, gegenüber den nachwachsenden Generationen, bei der Kinderbetreuung, bei der Schule, bei der Infrastruktur, bei der öffentlichen Daseinsvorsorge. Hierbei brauchen wir Widerstand. Wenn dieser Widerstand in der Koalition nicht mehr möglich ist, dann muss er gegen diese Koalition möglich sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Kommen wir nun zu dieser Vorlage im Einzelnen. Die Grundthese ist, wir müssen radikale Einsparungen vornehmen. Diese sind unumgänglich, weil - Begründung -: Wir sind die Schlechtesten im Sparen.
mit der SPD, jetzt konstatiert man, wir sind von allen die Schlechtesten bei der Konsolidierung. Gemeint ist wohl erst einmal die Selbstkritik oder der Kollege Böhmer ist schuld, ich weiß es jetzt nicht so richtig. Auf der anderen Seite hat man immer die entsprechenden Auswertungen des Stabilitätsrates hergenommen und hat sich für seine hervorragende Finanzpolitik gefeiert.
Scheint mir ein eigenartiger Zusammenhang zu sein. Nun frage ich mich, was war denn nun richtig? Alles nur Versagen in den letzten Jahren, oder war man so erfolgreich, wie man es hier jahrelang von diesem Pult aus verkündet hat? - Also, dazu tun sich schon einige Fragen auf.
- Wissen Sie, Herr Bullerjahn, wenn Sie Ihre Positionierung in diesen zehn Jahren nun als Ursache für das Problem ansehen, was Sie jetzt seit zehn Jahren mit der CDU haben, sprechen Sie diese von allen Problemen frei.
Dann sprechen Sie die von allen Problemen frei und Sie haben offensichtlich in den letzten zehn Jahren keine Weichenstellungen vorgenommen. Ganz sicher, Kollege Bullerjahn, schwer zu ertragen.
Nur, das, was ich jetzt sagen werde, wird noch schwerer zu ertragen sein: Das zentrale Problem der Verkündung dieses Programms war eine Balkenüberschrift, eindeutig: Das Land Sachsen-Anhalt hat kein Einnahmenproblem. Dieses Land Sachsen-Anhalt hat nur ein Ausgabenproblem. - MP und Stellvertreter.
Dazu sage ich einmal, dass Herr Haseloff diese Position vertritt, das ist völlig klar, das ist CDUPolitik. Wir brauchen die Reduzierung von öffentlicher Daseinsvorsorge, wir brauchen die Reduzierung der Staatsquote.
Nein, wir dürfen an der Stelle nicht weitergehen. Aber die SPD, die sich in diesem Bundestagswahlkampf in einem Verteilungswahlkampf befindet, die sagt, wir wollen mehr Reiche besteuern, wir wollen den Staat dafür fit machen, öffentliche Daseinsvorsorge und mehr soziale Gerechtigkeit zu realisieren, der wird von einem Finanzminister Bullerjahn konterkariert. Da sagt er: Alles Quatsch, was da passiert, nein, wir haben kein Einnahmenproblem, wir haben nur ein Ausgabenproblem.
Damit konterkarieren Sie die Position Ihrer Partei im Bundestagswahlkampf vollständig. Sie übernehmen vollständig die Position der CDU in dieser Frage.
Nun kann man fragen, ob es ehrlich ist, was Herr Steinbrück da macht, das ist eine andere Frage. Aber diejenigen, die es bisher ehrlich genommen haben, was die SPD an Verteilungswahlkampf bei der Bundestagswahl machen will, wissen, dass sie den eigenen Finanzminister nicht überzeugt haben.
Die Botschaft, die dahintersteckt, ist doch folgende: Die Vorschläge, die jetzt unterbreitet werden, hält die Regierung nicht nur für nötig, nein, sie hält sie auch inhaltlich für völlig richtig, weil sie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die dazu führen, dass wir diese Einsparungen realisieren müssen, nicht etwa kritisiert, sondern gut heißt. Nein, es ist richtig, dass wir in den nächsten Jahren weniger Geld bekommen. Das wollen wir überhaupt nicht diskutieren. Das akzeptieren wir. Das finden wir toll. Deswegen müssen wir - völlig richtigerweise - all diese Dinge vornehmen, die dazu eingeplant sind.
Das ist eine eigentliche Bankrotterklärung. Dazu sage ich, dann ist mir das Bundestagswahlprogramm der SPD viel lieber. Dabei sind unsere eigenen Positionen, unsere Steuerkonzepte und unser Vorschlag für einen Solidarpakt III für alle Regionen in Ost und West, die strukturschwach sind in dieser Bundesrepublik Deutschland, die wirkliche Alternative, die hier völlig ausgeblendet wird und die damit für die SPD ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem darstellt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Nun kann man sagen, das ist ja alles gut und schön. Aber man kann sich auch die Frage stellen: Kann man auch innerhalb dieser Rahmenbedingungen, die man vielleicht nicht so schnell ändern kann oder auch gar nicht ändern will, andere Vorschläge setzen? Natürlich kann man das. Es gibt auch andere Leute, die dazu Vorschläge machen, wo man mehr Geld ausgeben kann.
Vor gut 14 Tagen wurde in der „Volksstimme“ berichtet: Die CDU schlägt ein neues Programm vor, 5 000 € Bleibeprämie für jeden, der hier einen unbefristeten Arbeitsvertrag unterschreibt.
Ich meine, die Sache ist absurd. Diejenigen, die einen unbefristeten Arbeitsvertrag unterschreiben, bleiben sowieso. Aber für die können wir auch noch 5 000 € ausgeben. Das ist doch wohl absurd!
Also offensichtlich scheint die Einsparsituation nicht so schlimm zu sein, wie man sie hier aufgeschrieben hat.
Kommen wir nun am Ende zu einem Bereich, den Hochschulen. Jetzt machen wir einmal die Analyse dessen, was dort aufgeschrieben ist. Auf einer Sei
te wird gesagt, pro Student pro Jahr 11 400 €. Damit sind wir natürlich wieder einmal ganz schlecht, sprich: ganz teuer. Drei Absätze vorher heißt es: Die Realkosten für einen Studenten in SachsenAnhalt betragen - gleiche Vorlage - 8 500 €. Im Bundesdurchschnitt sind es 9 200 €. Das heißt, wir geben pro Student schon einmal 8 % weniger aus als im Bundesdurchschnitt. Dann sagt man, ja, aber die Zuschüsse, die wir da geben, die sind höher als im Bundesdurchschnitt: 7 100 € pro Student, die aus der Landeskasse zugeschossen werden müssen.
Rechnet man einmal die Zahlen zusammen, die auch in dem Abschnitt stehen, sind es nicht 7 100 €, sondern nur 6 800 €. - Dabei wäre aber der Bundesdurchschnitt der Zuschüsse aus den Landeskassen niedriger; dieser läge nämlich bei 6 200 €. Das sind Datenerhebungen aus einer Zeit, da sind im Westen noch überall Studiengebühren erhoben worden; die sind aber inzwischen weggefallen.
Also haben wir auch bei den Zuschüssen inzwischen pari, sind aber, weil wir weniger Drittmittel einwerben, trotzdem noch diejenigen, die pro Student viel weniger Geld ausgeben.
Die Zahlen stehen alle nebeneinander. Nichts funktioniert, keine Logik. Es quietscht und kracht an allen Ecken und Enden. Die Dinge sind hanebüchen.