Protocol of the Session on March 22, 2013

Die Bürgerinnen und Bürger müssen wieder Vertrauen schöpfen, Vertrauen darin, dass sich Europa fängt und aus seinen Fehlern lernt. Dieses Vertrauen basiert darauf, dass die Entscheidungen Europas auch die Lebenswirklichkeit der Menschen widerspiegeln. Genau dort sind auch die Fehler gemacht worden. Deswegen ist es zum einen notwendig, den Finger mahnend in die Richtung der Finanzmärkte oder der Rating-Agenturen zu heben. Zum anderen - das ist viel entscheidender - ist es erforderlich, dass auch die Politik wieder lernt, Maß zu halten.

Auch auf Letzteres haben Sie, Herr Staatsminister, völlig zu Recht hingewiesen; denn die Ursache der Krise liegt letztlich in der übermäßigen Verschuldung aller und der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit einiger EU-Mitgliedstaaten. Weder Standard & Poor’s noch Moody’s oder Fitch Ratings - so ehrlich müssen wir alle sein - sind für die mehr als 20 Milliarden € Schulden in Sachsen-Anhalt verantwortlich.

Dass eine gemeinsame Währung auch eine strenge Haushaltsdisziplin erfordert, war vor der europäischen Währungsreform bekannt. Genau deswegen wurde der Maastricht-Vertrag geschlossen. Er enthielt klare Regeln zur Stabilität des gemeinsamen Währungsraums.

Schaut man sich nun die Entwicklung zehnjähriger Staatsanleihen in dem Zeitraum zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2012 an, so stellt man fest, dass die Zinsen auf Staatsanleihen auch vor der Einführung des Euros zum Teil auf dem Stand lagen, den sie heute aufweisen. Mit dem Euro näherten sie sich dann bis Mitte der 2000er-Jahre auf niedrigem Niveau an. Die Geldgeber vertrauten also zunächst auf eine Verbesserung der Solvenz der Euro-Mitgliedstaaten und vergaben Kredite zu verbesserten Konditionen.

(Zurufe: Was soll das? - Das ist doch Quatsch!)

Dieser Zustrom billigen Geldes wurde von den Staaten aber nicht genutzt, um Verbindlichkeiten abzubauen, sondern für soziale Gefälligkeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zuruf: Ist doch super!)

Denn ein Politiker, der sozialen Wohlgefallen verspricht, ist beim Wähler beliebter als ein Politiker, der die unangenehmen ordnungspolitischen Wahrheiten anspricht und von Gegnern meist als Neoliberaler oder im günstigsten Fall als Kaputtsparer hingestellt werden darf.

(Zuruf: Genau so ist es!)

Für all diejenigen, sie sich nicht mehr erinnern können, möchte ich unseren früheren Ministerpräsidenten Böhmer zitieren, der als Maxime seiner Politik immer dargestellt hat, dass es sinnvoller sei, eine bittere Wahrheit zu verbreiten als eine süße Lüge.

(Zustimmung bei der CDU)

Es muss klar sein, dass sich die Staaten durch Verschuldung in die Abhängigkeit von jenen Finanzmärkten begeben haben, deren Zinsforderungen ihnen jetzt die Gestaltungsspielräume rauben, und dass sie nur durch den Abbau der Verbindlichkeiten wieder mehr Handlungsfähigkeit zurückerobern können.

Dabei müssen alle Länder an einem Strang ziehen. Es könnten sich die Länder der EU auch gegenseitig zusichern, dass der eine dem anderen hilft. Wir müssen aber darauf achten, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass diese Hilfe keine Einbahnstraße wird.

Genauso klar muss auch das sein, was Sie, Herr Staatsminister, gesagt haben, nämlich dass es für Sachsen-Anhalt nur ein gemeinsames Europa, nur eine Chance gibt, wenn wir dort zusammenarbei

ten und damit auch den Wohlstand weiter sichern und ausbauen können.

Nach unserer Überzeugung als CDU-Fraktion kann dies nur durch eine langfristige Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und einen konsequenten Schuldenabbau erfolgen. Insofern haben Sie, Herr Robra, in der CDU-Fraktion - ich möchte das noch einmal betonen - einen entschlossenen Mitkämpfer, wenn es darum geht, den Fiskalvertrag innerstaatlich umzusetzen und die strukturellen Defizite in den öffentlichen Haushalten abzubauen.

Wenn es nach uns ginge, würden wir ein strenges Neuverschuldungsverbot in der Landesverfassung lieber heute als morgen verabschieden. Wir wollen dies aber im Konsens aller Fraktionen.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an das Schicksal der Kollegen der sächsischen Fraktion DIE LINKE erinnern, deren mutige Entscheidung pro Schuldenbremse in der sächsischen Landesverfassung vom eigenen Landes- und vom eigenen Bundesverband zurückgepfiffen wurde.

Das zeigt, wie wichtig es ist, gerade für die Zukunft gemeinsame verbindliche Spielregeln zu haben, um in Europa weiterhin auf der Grundlage von Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit und in einem toleranten und weltoffenen Sachsen-Anhalt leben zu können.

Wir teilen deswegen Ihre Auffassung, Herr Staatsminister, dass die Vertiefung der Europäischen Union auf der Grundlage gemeinsamer Regeln vorangebracht werden muss.

Ob eine europäische Wirtschafts- und Finanzregierung der Weisheit letzter Schluss ist, sollte man einmal näher erörtern; denn in einer europäischen Wirtschafts- und Finanzregierung wird die Versuchung - ähnlich wie auf derzeitigen EU-Gipfeln - groß sein, nationale Interessen europäisch geltend zu machen, notfalls auch um den Preis der Nichteinigung. Eine europäische Wirtschaftsverfassung, wie sie der Fiskalpakt vorsieht, scheint uns als CDU-Fraktion vielversprechender zu sein.

Weltoffenheit, Toleranz und die Bereitschaft, sich dem globalen Wettbewerb mit anderen Regionen zu stellen, sind die einzige Option, die SachsenAnhalt hat, um ein zukunftsfähiger und attraktiver Standort zu bleiben oder dort, wo es dies noch nicht ist, zu werden.

Eines ist klar - auch das hat unser Staatsminister gesagt -: Sachsen-Anhalt allein hat keine Chance, die Herausforderungen der Globalisierung zu meistern. Es muss sich seinen Platz, seine besondere Rolle in einem gemeinsamen Europa suchen. Genau deswegen begrüßen wir als CDU-Fraktion, dass es zum Beispiel 250 Schulen in unserem Land gibt, die Partnerschaften zu Schulen in Europa und der Welt unterhalten,

(Zustimmung bei der CDU)

und dass es jährlich rund 1 500 Schüler in unserem Land gibt, die an Schüleraustauschen teilnehmen und frühzeitig Kontakte zu Schülerinnen und Schülern im Ausland entwickeln und ihre Sprachkenntnisse erweitern. Wir begrüßen auch das Eurocamp in Günthersberge, das größte internationale Jugendcamp in Sachsen-Anhalt.

Wir finden es auch gut, dass mehr als 200 Vereine und Gesellschaften im sachsen-anhaltischen Netzwerk für Demokratie und Toleranz zusammenwirken, dass sich die Industrie- und Handelskammern im European Enterprise Network zusammenfinden, um die länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen kleinen und mittelständischen Unternehmen zu stärken und den Technologietransfer zu erleichtern, und dass es 130 Gemeinden im Land gibt, die eine Partnerschaft mit einer ausländischen Partnergemeinde leben.

Besonders zu begrüßen sind natürlich auch unsere partnerschaftlichen Beziehungen zu Masowien in Polen, zu Centre in Frankreich, zu Valencia in Spanien und zu den baltischen Ländern.

Als CDU freut es uns auch besonders, dass wir gemeinsam mit unserer Landesregierung die deutsch-französische Freundschaft in SachsenAnhalt sichtbar gemacht haben; denn wir waren es, die eine Übereinkunft mit der französischen Botschaft getroffen haben, auf deren Grundlage ein Mitarbeiter der französischen Botschaft die französischen Kontakte aus der Perspektive unseres Landes koordiniert. Das sollte gerade im Jahr des 50-jährigen Bestehens des deutschfranzösischen Freundschaftsvertrages hier und heute in diesem Hohen Hause nicht unerwähnt bleiben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Während diese Debatte läuft, wird Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt sichtbar. Denn heute Mittag informiert sich eine baltische Delegation, die einige Tage in Sachsen-Anhalt verweilt, im FraunhoferInstitut über technische Möglichkeiten in den Bereichen intelligente Stromnetze und Energiespartechnologien.

Wir wollen, dass Sachsen-Anhalt noch attraktiver wird für Menschen aus dem Ausland, die auf unser Land neugierig sind.

Die Zahl der ausländischen Studienanfänger an den Hochschulen des Landes ist beachtlich. Rund 20 % der Studienanfänger an der Otto-von-Guericke-Universität und an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein stammen aus dem Ausland. Wir freuen uns über jeden, der in unser Land kommt, um hier zu lernen.

Auch wenn insgesamt noch zu viele junge Leute nach ihrem Studienabschluss Sachsen-Anhalt wieder verlassen, ist in den letzten Jahren eine Trendwende unverkennbar: Es kommen mehr junge Menschen zu uns, als unser Land verlassen.

(Herr Czeke, DIE LINKE: Es sind keine jun- gen mehr da!)

- Nicht so sarkastisch, Herr Kollege Czeke. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! In SachsenAnhalt soll sich jeder mit seiner besonderen Begabung und Einzigartigkeit zu Hause fühlen - auch hier im Parlament, lieber Kollege.

Dass die Sachsen-Anhalter weltoffen sind, haben die Zahlen des jüngsten Sachsen-Anhalt-Monitors ausdrücklich belegt. Fremdenfeindliche und intolerante Einstellungen sind empirisch eher auf dem absteigenden Ast. Das ist erfreulich. Darauf sind wir als CDU-Fraktion stolz. Wir wollen diesen Weg auch weiter mit Ihnen allen im Parlament gehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass Sachsen-Anhalt Europa und die Welt nötiger hat als umgekehrt. Deswegen werden wir als CDU-Fraktion alles daransetzen, dass unser Land auch in Zukunft Chancen bietet.

Bei der Neuprogrammierung der EU-Strukturfonds für die Förderperiode 2014 bis 2020 haben wir bewusst darauf gedrängt, dass eine Priorisierung der Teilziele Verbesserung der Investitions- und Innovationstätigkeit in der heimischen Wirtschaft und der Wettbewerbsfähigkeit von KMU sowie beim Aufbau einer leistungsfähigen Breitbandinfrastruktur erfolgt.

Wir müssen in unserem Land wieder mehr investive als konsumtive Schwerpunkte setzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Lassen Sie uns diese Aufgabe gemeinsam angehen. Dazu diente heute die breite Debatte in diesem Hohen Hause - hier in Sachsen-Anhalt: europäisch und weltoffen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine Frage von Herrn Weihrich. Wollen Sie die Frage beantworten?

Nein. - Herr Weihrich, wollen Sie intervenieren?

(Herr Weihrich, GRÜNE: Nein!)

- Nein. - Damit sind wir am Ende der Debatte angelangt. Es werden keine Beschlüsse zur Sache gefasst. Bevor wir in die Mittagspause eintreten, möchte ich darauf hinweisen, dass sich die parlamentarischen Geschäftsführer nach meiner Information darauf verständigt haben, den Tagesordnungspunkt 16 mit dem Tagesordnungspunkt 18

zu tauschen und den Tagesordnungspunkt 17 zurückzuziehen und in der nächsten Sitzung zu behandeln.

Was schlagen Sie vor? Setzen wir die Sitzung nach der Mittagspause um 14.15 Uhr fort oder treffen wir uns bereits um 14 Uhr wieder hier?

(Herr Borgwardt, CDU: 14 Uhr! - Weitere Zu- rufe: 14 Uhr!)

- 14 Uhr. Ich bitte darum, dass der Saal um 14 Uhr zumindest etwas gefüllt ist.

Unterbrechung: 13.07 Uhr.