Zurück zur Geschichte: Die Weimarer Republik ist ja nicht nur an der mangelnden Unterstützung vieler politischer Akteure zugrunde gegangen. Sie hatte auch strukturelle Defizite, ganz entscheidende strukturelle Defizite, die es denen leichter machten, die sie abschaffen wollten.
Die Weimarer Reichsverfassung ließ es zu, dass Reichskanzler ohne eigene Mehrheit mithilfe von Notverordnungen des Reichspräsidenten regierten. Bereits seit März 1930 hat es keine Regierung mehr gegeben, die eine Parlamentsmehrheit hatte. Die bestimmende Figur war der Reichspräsident. Das, was die Verfassung als Ausnahme vorgesehen hatte, wurde normale politische Praxis. Der Reichstag versank in der Bedeutungslosigkeit. Am Ende nahm ihn kaum einer mehr ernst. Ja, er nahm sich nicht einmal mehr selbst ernst.
Das können wir nach wie vor aus Weimar lernen und das haben wir gelernt. Das Grundgesetz von 1949 ist die Antwort auf die Schwächen der Reichsverfassung von 1919.
Die Demokratie von Bonn und Berlin ist eine wehrhafte Demokratie. Sie rollt ihren Feinden nicht den roten Teppich aus. Sie zeigt ihnen die Zähne. Sie hat die Mittel, ihren Umtrieben ein Ende zu setzen. Deshalb ist die Lehre von Weimar eine Verpflichtung an, aber auch für alle Demokratinnen und Demokraten, sie auch zu nutzen.
Deshalb ist eines ganz klar: Die NPD von heute will keine Demokratie. Sie ist gefährlich und sie ist willens, die Demokratie in unserem Lande zu bekämpfen und zu zerstören. Deshalb gehört sie
Ich hätte an dieser Stelle am liebsten eine Phalanx aller Demokratinnen und Demokraten. Ich weiß, dass die Union und auch die Bundeskanzlerin sich lange haben durchringen müssen, bevor sie das Ziel des NPD-Verbots unterstützt haben. Wichtig ist aber nicht immer die Dauer der Klausur, sondern die Haltung am Ende. Deswegen begrüße ich diesen Sinneswandel ausdrücklich und freue mich, dass es eine wesentlich breitere Phalanx der Demokratinnen und Demokraten gibt als noch vor fünf oder sechs Jahren.
Die Haltung der Liberalen kann ich allerdings nicht begrüßen. Es ist im besten Sinne falsch verstandener Liberalismus, hierbei einen wichtigen Schritt der Bundesregierung zu verhindern.
Freiheit in einer Demokratie? - Ja. Das ist die Freiheit des Andersdenkenden; das ist so. Das ist dann aber auch die Geschäftsgrundlage, und zwar für alle. Deshalb gilt im demokratischen Grundkonsens im Umkehrschluss auch: Die Toleranz endet bei der Intoleranz des anderen.
Vor diesem Hintergrund gebe ich Philipp Rösler zwar Recht, wenn er sagt: „Dummheit kann man nicht verbieten“, denke jedoch, dass man nicht tatenlos zusehen muss, wie sie sich ausbreitet.
Meine Damen und Herren! Historische Ereignisse sind niemals punktuelle Geschehnisse, sondern immer Ergebnis und Teil komplexer gesellschaftlicher Entwicklungen. Das gilt auch für das Ermächtigungsgesetz.
Nach der Machtergreifung hatten die Nazis bereits den Brand des Reichstagsgebäudes am 27. Februar 1933 genutzt, um eine Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat zu erlassen. Darin wurden zahlreiche Verfassungsrechte, wie die Freiheit der Person, die freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit, das Post- und Kommunikationsgeheimnis sowie die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt. Für zahlreiche politisch relevante Vergehen wurde die Todesstrafe eingeführt - ein Vorgeschmack auf das, was nach dem 23. März kommen sollte.
Im Nachhinein, meine Damen und Herren, wäre die Mehrheit der Deutschen wahrscheinlich froh gewesen, wenn damals jemand eingegriffen hätte. Viel Leid wäre den Menschen erspart geblieben, und zwar überall in Europa.
Man kann die Geschichte zwar nicht mehr ändern, man kann jedoch die Zukunft gestalten. Dabei erwächst aus der Geschichte auch die Verantwortung für die Zukunft mit; das gilt auch für uns.
Damit bin ich bei unserer Verantwortung für die Demokratie in Europa und - ich will es ganz offen ansprechen, wenn auch nur ganz kurz - auch bei den Vorgängen in Ungarn. Einschränkung der Rechte des Verfassungsgerichts, Einschränkung der Rechte der Opposition, Einschränkung der Rechte von Minderheiten - das alles haben wir schon einmal gehört.
Die Verfassungsänderungen der nationalistischen Regierung in Ungarn sind einer Demokratie unwürdig; das sehe ich so.
Sie sind aus meiner Sicht auch mit einer Demokratie nicht vereinbar. Deshalb - wir sind in einem Europa - muss man auch in Europa darüber reden, was Demokratie ist und was mit ihren Grundsätzen vereinbar ist.
Ich bin der Auffassung, dass unsere Verantwortung - auch wenn es sich pathetisch anhört: es ist so - für Frieden, Menschenrechte und Demokratie nicht vor der eigenen Haustür endet. Sie endet eigentlich auch nicht an den Grenzen Europas. Die Zeit reicht heute mit Sicherheit nicht dafür, über die Geschehnisse in der ganzen Welt zu reden. Aber die Demokratie endet trotzdem nicht an den Grenzen Europas.
Lassen Sie mich deshalb mit einem Zitat aus dem „Spiegel“ enden, das die Folgen des Ermächtigungsgesetzes in Deutschland damals aus meiner Sicht am treffendsten beschreibt. Es lautet sinngemäß: Niemals vorher oder nachher ließ sich eine Demokratie so gefügig zur Schlachtbank führen wie Deutschland vor 80 Jahren.
Deshalb, meine Damen und Herren, lassen Sie uns dafür sorgen, dass das nie wieder passiert, zuvorderst in Deutschland. Lassen Sie uns aber auch ein bisschen in Verantwortung an Europa und an den Rest der Welt denken. - Vielen Dank.
Wir können zu diesem Thema weitere Gäste bei uns im Haus begrüßen: den Direktor der Stiftung Gedenkstätten Dr. Möbius, den amtierenden Leiter der Landeszentrale für politische Bildung Dr. Kai Langer und die Leiterin des Landesprogramms für
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. - Wer sich die Zeit und die Geschehnisse in der damaligen Zeit ein wenig vor Augen führt, den Terror nach dem Reichstagsbrand, den Terror in der Zeit davor, der kann sich ungefähr vorstellen, wie mutig und stolz dieser Satz von Otto Wels war, der zu Recht in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Damit hat der sozialdemokratische Abgeordnete Otto Wels die Ablehnung seiner Fraktion zum sogenannten Ermächtigungsgesetz beschrieben.
Man kann diese Rede übrigens im Original im Internet finden und auch hören und sich noch einmal mitnehmen lassen in diese dramatische Situation am 23. März 1933 im Reichstag.
Wenige Wochen zuvor hatte Reichspräsident Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 dem Drängen der Nationalsozialisten nachgegeben und ihren Führer Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Binnen 24 Stunden setzte dieser die Auflösung des Reichstags und Neuwahlen innerhalb von fünf Wochen durch.
Die NSDAP nutzte den Wahlkampf um ihre Machtposition aggressiv auszubauen. Sie schreckte dabei nicht vor Terror und Gewalt zurück. Das alles wusste Otto Wels, als er zur Rede schritt, seine Ablehnung begründete und sagte:
Die NSDAP nutzte den Brandanschlag auf den Reichstag am 27. Februar 1933 als willkommenen Vorwand zur Verfolgung ihrer politischen Gegner. Mit der am Tag darauf verabschiedeten Reichstagsbrandverordnung setzten die Nationalsozialisten den Großteil der in der Weimarer Reichsverfassung aufgeführten Grundrechte bis auf Weiteres außer Kraft: die Freiheit der Person, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, die Meinungsfreiheit, das Verbot der Zensur sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Das sind die Bausteine für die heraufziehende Diktatur.
Die Verordnung diente keinesfalls nur zur Abwehr kommunistischer und staatsgefährdender Gewaltakte, wie ihr angeblicher Zweck lautete, sondern zur Ausschaltung und Vernichtung von Kommunisten, Sozialdemokraten, Liberalen und aufrechten Christen und Menschen, die aus rassischen oder
Mit der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes fast auf den Tag genau vor 80 Jahren hob der in der Berliner Kroll-Oper tagende Reichstag die Gewaltenteilung als Kernbestand des Rechtsstaates auf.
Mit Ausnahme der noch nicht inhaftierten oder geflüchteten Sozialdemokraten und der von vornherein ausgeschlossenen Kommunisten votierten die Parlamentarier der anderen Fraktionen geschlossen für den Regierungsentwurf.
Was wird sie damals dazu bewogen haben? Wie kann man nach den ersten zaghaften Erfahrungen der Demokratie so daneben liegen? - Vielleicht eingeschüchtert durch das brutale Vorgehen der NSDAP stimmten sie jedenfalls ihrer eigenen Entmachtung zu und ebneten den Weg in die braune Diktatur.
Wie sah es in Sachsen-Anhalt aus? - In den ersten Monaten des Jahres 1933 formierte sich auch auf dem Territorium unseres heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt das nationalsozialistische Unrechtssystem basierend auf Terror, Unterdrückung, Verfolgung und Vernichtung und auf der Verhöhnung elementarer Menschenrechte.
Bereits im Mai 1932 hatte sich im Freistaat Anhalt die deutschlandweit erste Koalitionsregierung unter Führung der NSDAP etablieren können. Eine ihrer ersten Maßnahmen war übrigens die Schließung des Bauhauses in Dessau.
Am 11. März 1933 hatten SA-Angehörige in Magdeburg, damals noch Hauptstadt der preußischen Provinz Sachsen, das Rathaus besetzt und Oberbürgermeister Ernst Reuter, der sein Reichstagsmandat immerhin am 5. März 1933 hatte verteidigen können, und seinen Stellvertreter Herbert Goldschmidt misshandelt. Zwei Tage darauf erfolgte die scheinbar legale Suspendierung des Stadtoberhaupts.
Nach der Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes wurde Ernst Reuter am 8. Juni 1933 verhaftet und am 12. August aus dem Polizeigefängnis in das neuerrichtete Konzentrationslager Lichtenburg überführt. Neben Reuter wurden dort mindestens 39 weitere Reichstagsabgeordnete, überwiegend Kommunisten und Sozialdemokraten, gefangen gehalten und gequält. Die Brutalität der SS und die schlechten Haftbedingungen forderten bereits 1933 erste Todesopfer.
Als zentrales Schutzhaftlager für Preußen sowie als Muster- und Ausbildungs-KZ spielte die Lichtenburg bei der Entwicklung des Systems der Konzentrationslager eine herausgehobene Rolle.
uns nehmen, die Ehre nicht“, dann weiß man, wie mutig, stolz und wichtig dieses demokratische Bekenntnis war.