Protocol of the Session on March 21, 2013

rer Seite. Deshalb müssen wir hierbei intensiv die Kommunen einbeziehen; denn die Möglichkeiten der Justiz sind begrenzt. Ich stelle - leider - einmal wieder fest, dass die Justiz immer dann gefordert ist, wenn es eigentlich schon zu spät und das Kind in den Brunnen gefallen ist.

(Frau Niestädt, SPD: Richtig!)

Deshalb ist mein Anliegen nach wie vor, noch stärker im präventiven Bereich zu wirken,

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

sodass es uns vielleicht irgendwann einmal gelingt, den Jugendarrest gar nicht mehr zu brauchen;

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

denn er hat eine Art Zwischenstellung: Er ist nicht mehr zeitgemäß, und deshalb ist das Beste an der Diskussion, dass wir anstreben, die Prävention so ausgestalten zu können, dass man irgendwann den Jugendarrest vielleicht nicht mehr braucht. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Danke schön, Frau Ministerin. - Es gibt Anfragen. Möchten Sie diese beantworten? - Als Erste hat Frau Kollegin von Angern das Wort. Ihr folgt Frau Abgeordnete Hohmann.

Wir begrüßen - ich will nicht sagen „passend zum Thema“, aber sicherlich wird es da besonders interessieren - auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler des Werner-von-Siemens-Gymnasiums aus Magdeburg. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau von Angern, bitte.

Frau Ministerin, Sie sagten, dass Sie am Vollzugsplan für die Jugendarrestvollzugsanstalt in den letzten Jahren nachgebessert haben. Meine Frage ist: Welche fachlichen Gründe existieren dafür, dass am Wochenende in den Schichten aufgrund des Erlasses aus dem Jahr 1997 nach wie vor nur eine Beamtin eingesetzt werden kann? Womit wird das begründet? Können Sie mir sagen, was mit dieser einen Beamtin im Jugendarrestvollzug am Wochenende geschieht, also was sie Sinnvolles an erzieherischen und pädagogischen Maßnahmen anbieten kann?

Ich gestehe: Die Wochenendversorgung im Jugendarrest ist in der Tat problematisch. Das liegt daran, dass wir eine kleine Anstalt haben und

14 Personalstellen relativ wenig sind und die Stunden im Prinzip die Woche über aufgebraucht werden. Deshalb findet am Wochenende eine Betreuung in der Hinsicht statt, dass man versucht, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, ihre Probleme zu analysieren und, gerade was das Freizeitverhalten betrifft, auf eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung hinzuwirken.

Danke schön. - Frau Abgeordnete Hohmann.

Frau Ministerin, ich habe eine Frage zur Personalunion, die vom Gesetzgeber im § 34 Abs. 2 JGG vorgeschrieben worden ist. Wir haben von den insgesamt 94 Richtern - sowohl Jugend- als auch Familienrichter - gerade einmal vier, die in dieser Personalunion tätig sind. Warum haben wir hier solche großen Abweichungen vom Gesetz?

Ich weiß nicht, welche Personalunion Sie meinen. Das müssten Sie ein wenig näher erläutern.

Die Personalunion zwischen Jugend- und Familienrichter. Das heißt also, ein Jugendrichter kann im Familienrecht tätig sein und umgekehrt. Und wir haben hier in Sachsen-Anhalt - das war ja Ergebnis der Kleinen Anfrage - gerade einmal vier Richter, die in beiden Fällen tätig sind.

Grundsätzlich ist es so, dass wir eine Spezialisierung im richterlichen Bereich haben und die Jugendrichter Aufgaben im Bereich des Jugendstrafrechts wahrnehmen, sich darauf spezialisiert haben, viele auch ein umfassendes Netzwerk gerade mit der Jugendgerichtshilfe aufgebaut haben. Die müssen nicht gleichzeitig Familienrichter sein, weil sich für den Familienrichter im Allgemeinen noch ganz andere Fragen stellen.

Deshalb muss man an dieser Stelle nicht unbedingt eine Personalunion herstellen, sondern hierbei kommt es uns auf die fachliche Arbeit an, auf die Möglichkeit, dass sich die Richter jeweils in ihrem Fachgebiet spezialisieren können und insbesondere ein individuelles Netzwerk haben, um ganz praktisch die Dinge, die umzusetzen sind, mit ihren Kooperationspartnern umzusetzen.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Nachfragen gibt es nicht. Wir fahren in der Debatte fort. Als

Nächster spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Borgwardt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es dürfte Konsens in diesem Hohen Hause sein, dass der Vollzug des Jugendarrests bisher nur unzureichend gesetzlich bestimmt ist. Für den Vollzug des Jugendarrests, das heißt, für die inhaltliche Ausgestaltung des Aufenthalts, kommt derzeit - darauf gingen meine Vorredner schon ein - insbesondere die Jugendarrestvollzugsverordnung zur Anwendung, eine von den Ländern bundeseinheitlich erlassene Verwaltungsvorschrift, die bisher verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden ist.

Wir müssen jedoch zur Kenntnis nehmen, dass das Bundesverfassungsgericht zum Jugendstrafrecht im Jahr 2006 entschieden hat, dass Grundrechtseingriffe gegenüber jungen Gefangenen gesetzlich zu legitimieren sind; da hat Frau von Angern Recht. Das hat natürlich auch für den Vollzug des Jugendarrests zu gelten.

Ich habe in meinem Redebeitrag vor genau einem Jahr gesagt, dass sich die CDU-Fraktion der Schaffung eines Jugendarrestvollzugsgesetzes nicht verschließen wird, zumal durch die Einführung des Warnschussarrests - darauf gingen die Vorredner ebenfalls ein - die Bedeutung des Jugendarrests möglicherweise zukünftig steigen wird.

Meine Damen und Herren! Die Notwendigkeit der Einführung eines Landesjugendarrestvollzugsgesetzes wird auch in anderen Bundesländern gesehen und diskutiert. Bereits im Jahr 2011 plante der damalige schwarz-grüne Senat in Hamburg die Vorlage eines Gesetzentwurfs und beteiligte sich hierzu an einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe. Auch die damals CDU-geführte Landesregierung von Schleswig-Holstein hat Anfang 2012 einen Entwurf für ein Jugendvollzugsgesetz erarbeitet und vorgelegt.

Durch den Regierungswechsel wurden beide Gesetzesvorhaben zunächst zurückgenommen. Die CDU hat nunmehr in Hamburg aus der Opposition heraus erneut einen Gesetzentwurf vorgelegt, den wir von der Zielrichtung her als gelungenes Regelwerk ansehen, insbesondere im Hinblick auf die darin vorgesehene Sozialkompetenz und das Opferempathietraining.

Sachsen-Anhalt hat sich bereits mehrfach Initiativen Hamburgs angeschlossen; ich denke da nur an das Bleiberecht und die Frauenquote. Wir wären gut beraten, uns auch in diesem Fall den aus unserer Sicht ausgewogenen Gesetzentwurf in den Ausschussberatungen näher anzuschauen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Herbst hat vor einem Jahr im Plenum zu Recht darauf hinge

wiesen, dass die nationalsozialistische Diktatur in Deutschland maßgeblich die Idee des Jugendarrestes aufgegriffen hat, um die Arrestanten im Sinne einer menschenverachtenden Ideologie zu erziehen.

Die ursprünglich repräsentative Intention der Ausgestaltung des Arrestvollzuges kann aber nach unserer Auffassung nicht dazu führen, den Jugendarrest gänzlich abzuschaffen. Vielmehr ist eine Neuorientierung notwendig, in der die Inhalte der Jugendarrestvollzugsverordnung neu definiert werden müssen.

Entgegen der heute noch immer verbreiteten Einschätzung sind Jugendarrestanten eben keine Schwerkriminellen. Daher muss es die heutige Zielrichtung des Arrestes sein, die Jugendlichen durch erzieherische Kurse, durch Beratung, durch Sport und durch gemeinsame Freizeitgestaltung sozial zu fördern.

Trotz faktischen Freiheitsentzuges müssen die pädagogischen Bausteine in Form von sozialen Trainingseinheiten den Charakter des Jugendvollzuges prägen. Zur Stärkung der Konfliktfähigkeit und der Sozialkompetenz brauchen wir eine Atmosphäre der Freiwilligkeit und Motivation, die wir in der Jugendarrestanstalt in Halle - das sagen wir deutlich - so nicht vorfinden.

Wir haben mit dem Jugendarrestvollzugsgesetz eine Baustelle, an wir bereits seit mehr als einem Jahr intensiv arbeiten. Kleine erste Erfolge können wir vorweisen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Kolleginnen und Kollegen! Die Akustik ist extrem schlecht. Wenn man dem Redner von der Zuschauertribüne aus lauschen möchte, ist das schwer möglich, wenn wir uns nicht sehr stark disziplinieren.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich mache weiter plus 20 Sekunden. - Wir werden den vorliegenden Gesetzentwurf mit der dafür gebotenen Gründlichkeit beraten, da uns, wie es die Ministerin bereits ausführte, in diesem Fall auch kein höchstrichterliches Urteil ein Zeitmaß vorgibt wie beim Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir abschließend ein paar Worte zur Problematik Schulschwänzer. Die Fraktion DIE LINKE fordert eine ersatzlose Streichung des Schulpflichtverstoßes als Ordnungswidrigkeit.

Die Rechtslage ist derzeit, dass bei Nichtbezahlung der Geldbuße und bei Nichterbringung gemeinnütziger Arbeitsstunden - es sind also zwei

Punkte vorgeschaltet - das Jugendgericht nach nochmaliger Anhörung Beugearrest mit einer Dauer von maximal einer Woche verhängen kann.

Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass die Schulpflicht für uns ein hohes Gut ist. Insbesondere die Leitung der Jugendarrestanstalt hat eindrucksvoll dargelegt, dass Verstöße gegen die Schulpflicht nicht sanktionslos bleiben dürfen. Die CDU-Fraktion will nicht, dass die Schulpflicht nur einen wohlgemeinten Ratschlag darstellt.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist nicht richtig, aufgrund der verfassungswidrigen Zustände in der Arrestanstalt Halle eine bundesweit bewährte Sanktionsmöglichkeit für einen Schulpflichtverstoß zu streichen.

Ich bitte Sie herzlich, meine Damen und Herren - dazu haben wir uns nach langer Diskussion entschlossen -, einer Überweisung des Gesetzentwurfes sowie des Entschließungsantrages zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie zur Mitberatung in den Ausschuss für Bildung und Kultur zuzustimmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Herbst.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau von Angern, der von Ihrer Fraktion vorgelegte Gesetzentwurf ist gut; er ist richtig gut, sofern man denn den Jugendarrest weiterhin will. Er ist nicht nur gut wegen der geschlechtergerechten Formulierungen, sondern er ist auch gut, weil er den sozialpädagogischen Ansatz des Arrestvollzuges in den Vordergrund stellt.

Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass Sie von der Bezeichnung „Arrest“ in diesem Gesetzentwurf abgerückt wären. Der Begriff „Arrest“ stammt aus der NS-Zeit und entspricht der NS-Ideologie. Herr Borgwardt ist bereits darauf eingegangen, dass das ganze Gesetz eine Erfindung aus dieser Zeit ist. Auch deswegen ist es völlig unzeitgemäß.