Protocol of the Session on June 9, 2011

(Herr Striegel, GRÜNE, lacht)

Aber: Unmittelbar nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 9. März 2010 wurde von der damaligen FDP-Landtagsfraktion ein Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger in den Landtag eingebracht. Sachsen-Anhalt hatte also ausreichend Zeit, über diesen Gesetzentwurf zu diskutieren und ihn umzusetzen.

Aber man ließ den Gesetzentwurf in den Ausschüssen schmoren, insbesondere mit der fadenscheinigen Begründung, eine länderübergreifende Lösung finden zu wollen, wohl wissend, dass dafür die Zeitvorgaben nicht reichen würden, und ebenso wohl wissend, dass dieses Vorhaben momentan nicht realisierbar und schon gar nicht gewollt ist.

Nun steht man deutschlandweit unter einem enormen Zeitdruck. Aber nicht nur der wird zum Problem, sondern auch ein Zwangsgeld ist angedroht.

So hat die Europäische Union am 6. April 2011 ein Mahnschreiben im Zwangsgeldverfahren mit zweimonatiger Frist zur Stellungnahme übermittelt. Um die Zahlung eines Zwangsgeldes abzumildern oder vielleicht sogar noch zu verhindern, ist nun Eile geboten.

Im „Frühaufstehergalopp“ muss in Sachsen-Anhalt mal wieder ein Gesetz durchgepeitscht werden - nicht zum ersten Mal, und wir befürchten, auch nicht zum letzten Mal.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Das alles hätte man sich ersparen können, wenn dem FDP-Gesetzentwurf bereits in der fünften Legislaturperiode zugestimmt worden wäre. Aber das wollten die damaligen Koalitionsfraktionen der CDU und der SPD nicht, aus welchen Gründen auch immer. Und so unterlag der Gesetzentwurf der Diskontinuität. Mehr als bedauerlich!

Meine Damen und Herren! Es vergeht leider kaum ein Monat, ohne dass nicht ein neuer Datenschutzskandal aufgedeckt wird. Herr Kolze wies in seiner Einbringungsrede bereits darauf hin. Ich möchte nur einige Beispiele nennen:

• das iPhone von Apple zeichnete die Bewegungsdaten der Benutzer auf,

• bei Sony wurden millionenfach Daten von Playstation-Spielern entwendet und

• es gab ein Datenleck bei Facebook.

Die genannten Beispiele sind aber auch bzw. leider nur die Spitze des Eisberges und es werden sicherlich weitere gravierende Verletzungen des Datenschutzes folgen.

Die Sprecherin des „Chaos-Computerclubs“ Constanze Kurz äußerte dazu in einem Zeitungsinterview Folgendes - ich zitiere -:

„Informationen bedeuten Macht über Menschen. Wie diese Informationen genutzt werden, insbesondere im Arbeitsverhältnis, ist eine Debatte, die wir führen müssen - natürlich auch im Verhältnis Bürger/Staat.“

Diese Debatte hätte allerdings schon viel früher einsetzen müssen. Viel zu lange hat die Politik ta

tenlos zugesehen und den Dingen ihren Lauf gelassen, mit all den Problemen, die es jetzt gibt.

In der damaligen Anhörung zum FDP-Gesetzentwurf wurde insbesondere vom Datenschutzbeauftragten eine Reihe von Änderungsvorschlägen eingebracht, die zum Teil im jetzt vorliegenden Gesetzentwurf richtigerweise Berücksichtung fanden.

Diskussionsbedarf aus unserer Sicht gibt es zu der Frage, ob der § 19 des Landesdatenschutzgesetzes geändert werden muss oder nicht. Aus unserer Sicht müsste zur rechtlichen Klarstellung eine Änderung dahin gehend erfolgen, dass es nunmehr „öffentliche und nicht-öffentliche Stellen“ heißen müsste. Aber ich gehe davon aus, dass wir in den Ausschüssen Gelegenheit haben werden, darüber zu reden.

Eine gänzlich andere Auffassung haben wir hinsichtlich der Frage der haushaltsmäßigen Auswirkungen. Wir glauben eben nicht, dass für die Übertragung der Aufgabe der Datenschutzkontrolle im nicht-öffentlichen Bereich nur in geringer Höhe Haushaltsausgaben notwendig werden.

So wies der Landesdatenschutzbeauftragte Herr von Bose ausdrücklich darauf hin, dass man für den Fall, dass man den Landesbeauftragten zu einer eigenen obersten Landesbehörde machen will, auch Personal für die Personalaktenbearbeitung vorhalten muss. In der bisherigen Behörde des Datenschutzbeauftragten sind derzeit 16 Stellen besetzt, davon 13 im rein operativen Bereich. Im Landesverwaltungsamt wird die Datenschutzkontrolle von 1,5 Mitarbeitern erledigt.

Wir sind der festen Überzeugung, dass dieser Personalbestand zukünftig nicht ausreichen wird.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von Minister Herrn Stahl- knecht)

Im Übrigen hat auch Herr Leimbach als damaliger Präsident des Landesverwaltungsamtes diese Auffassung vertreten und sogar eine Wette ausgelobt. Ich weiß nur leider nicht, wohin der Wetteinsatz gehen wird. Darüber können wir uns im Ausschuss vielleicht auch verständigen.

Wenn wir akzeptieren, dass sich die Kontrolle des Datenschutzes in Zukunft weitaus vielschichtiger und komplizierter gestalten wird, werden wir um einen Personalaufwuchs nicht herumkommen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass dem Datenschutzbeauftragten zukünftig viel mehr Aufgaben im vorbeugenden Bereich zukommen müssen und zukommen werden.

Aber vielleicht kann man ja von den 45 Neueinstellungen der Landesregierung, über die heute noch ausführlich geredet wird, einige Stellen zur Verfügung stellen.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN )

Meine Damen und Herren! Trotz aller uns nunmehr aufgezwungenen Eile, die überhaupt nicht notwendig gewesen wäre - ich ging darauf ein -, sollten wir uns die Zeit nehmen, in den Ausschüssen gründlich über den Gesetzentwurf zu debattieren. Das sind wir diesem so wichtigen Thema schuldig.

Wir beantragen aufgrund der aus unserer Sicht notwendigen finanziellen Auswirkungen auch die Überweisung in den Finanzausschuss. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Den nächsten Debattenbeitrag hören wir von dem Kollegen Herrn Dr. Brachmann von der SPD-Fraktion.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag der fünften Wahlperiode hat sich in der letzten Sitzung unter der Überschrift „Effektiver Datenschutz und Informationsfreiheit für Sachsen-Anhalt“ mit dem Thema befasst und folgenden Beschluss gefasst - ich darf zitieren -:

„Der Landtag bekennt sich zu einem konsequenten Datenschutz im öffentlichen wie im nicht-öffentlichen Bereich sowie zur Informationsfreiheit für Sachsen-Anhalt. Damit auch in Zukunft der Datenschutz in Sachsen-Anhalt konsequent umgesetzt werden kann, erachtet der Landtag eine unabhängige Aufsicht über die Einhaltung des Datenschutzes bei öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen unter Beachtung der Kriterien, die vom Europäischen Gerichtshof insbesondere unter Beachtung des Urteils des EuGH vom 9. März 2010 … aufgestellt worden sind, für unerlässlich.“

Also, meine Damen und Herren, wir haben hierzu bereits eine Positionierung. Grundlage für die Befassung in der letzten Plenarsitzung war ein Antrag der FDP. Herr Kosmehl sagte damals, er wolle damit den Staffelstab von der fünften in die sechste Legislaturperiode tragen. Persönlich war ihm das nicht möglich. Aber wir müssen das Thema hier wieder aufgreifen.

Wenn damals schon die Rede vom Datenschutz als „Bürgerrecht Nummer 1“ im Informationszeitalter die Rede war, so gilt das natürlich auch weiterhin. Frau Tiedge hat auf die Probleme hingewiesen, die uns immer wieder begegnen.

Die Begründung zu diesem Gesetzentwurf beginnt mit dem Satz: Das Gesetzesvorhaben ist dringlich.

Dass Handlungsbedarf besteht, wissen wir in der Tat seit März 2010. Das hat auch dazu geführt - Frau Tiedge hat das näher beleuchtet -, dass wir

einen Gesetzentwurf der FDP bereits im Hause hatten. Den Umstand, dass er nicht Gesetz wurde, Frau Tiedge, als fadenscheinig zu bezeichnen, führt, denke ich, an der Sache vorbei. Es gab durchaus ernsthafte Bemühungen. Herr Rothe hat sich auch persönlich dafür stark gemacht, eine mitteldeutsche Lösung in dieser Frage auf den Weg zu bringen.

Wir haben aber zur Kenntnis zu nehmen - Herr Stahlknecht hat das in seiner Rede eben deutlich gemacht -, dass sich die Begehrlichkeiten in den anderen Ländern diesbezüglich in Grenzen halten. Insoweit kommen wir nicht umhin, jetzt eine eigenständige Lösung auf den Weg zu bringen, was nicht ausschließt, dass man dieses Ziel, auch in Mitteldeutschland zu einer Zusammenarbeit zu gelangen - ob nun in diesem oder auch in anderen Bereichen, wird man sehen -, nicht aus dem Auge verliert. Jetzt müssen wir hier im Lande handeln und deshalb gibt es diesen Gesetzentwurf.

Herr Kolze hat hinlänglich begründet, dass es möglich ist, den Datenschutz für den nicht-öffentlichen Bereich mit dem im öffentlichen Bereich zusammenzuführen. Dass das auch verfassungskonform ist, muss ich jetzt nicht wiederholen.

Dass Gefahr im Verzuge ist, ist wiederholt gesagt worden. Deshalb gab es auch keinen Regierungsentwurf, wenngleich ich hier kein Geheimnis verrate, wenn ich sage, dass natürlich das Innenministerium sowohl in der letzten Legislaturperiode als auch jetzt zu Beginn der neuen Legislaturperiode dabei Hilfe geleistet hat.

Meine Damen und Herren! Ihnen liegt ein schlankes Gesetz vor, in dem lediglich jene Regelungen enthalten sind, die für diese Zusammenführung erforderlich sind. Auch die Feststellung, dass weiterer Novellierungsbedarf besteht, können Sie in der Gesetzesbegründung nachlesen. Darauf ist Herr Kolze schon eingegangen.

Wir werden zu gegebener Zeit das Datenschutzgesetz noch einmal umfänglich ändern müssen.

Lassen Sie mich kurz zu zwei Fragen Stellung nehmen; Frau Tiedge ging bereits darauf ein. Über die Frage, ob es denn einer höheren Zahl an Stellen bedarf, als derzeit für diese Aufgabe vorgesehen sind - im Landesverwaltungsamt wird diese Aufgabe derzeit von drei Mitarbeitern wahrgenommen -, wird man im Zusammenhang mit der Aufstellung des Haushaltsplanes und dann, wenn es darum geht, wie die Aufgabe wahrgenommen wird, reden können. Im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens geht es darum, die rechtlichen Voraussetzungen für die Zusammenführung zu schaffen. Die Frage der personellen Besetzung ist hierbei nicht das vordergründige Thema.

Ich will auch nicht verheimlichen, dass es im Vorfeld dieses Gesetzgebungsverfahrens Überlegungen gab, so etwas wie eine Datenschutzkommis

sion einzurichten, eine Kommission, die weit überwiegend aus Parlamentariern bestehen soll, um - das ist ein durchaus berechtigtes Anliegen - dem Datenschutz im Landtag einen höheren Stellenwert einzuräumen. Bei uns in der Fraktion gibt es kritische Stimmen, die sagen, dass der Datenschutz natürlich eine originäre Aufgabe des Innenausschusses sei und es dafür keines zusätzlichen Gremiums bedürfe.

Ich meine, es lassen sich auch Mittel und Wege finden, die Belange des Datenschutzes auch im Innenausschuss intensiver zu behandeln, als das vielleicht in der Vergangenheit der Fall war. Darüber sollten wir zu gegebener Zeit im Innenausschuss reden. Für heute geht es darum, den Gesetzentwurf in den Innenausschuss zu überweisen und zur Mitberatung in den Rechtsauschuss. Namens meiner Fraktion darf auch ich um eine zügige Beratung bitten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brachmann. - Als nächsten Debattenbeitrag erwarten wir den des Kollegen Striegel von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am gestrigen Tag hat ein großes soziales Netzwerk - jeder von Ihnen kennt das markante „f“ dieses Unternehmens - für seine Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland ein neues Werkzeug eingeführt. Seit der Einführung der Funktion der automatischen Gesichtserkennung werden bei Fotos, die ich dort einstelle, Freunde von mir vorgeschlagen, die von der Software des Unternehmens auf meinen Fotos erkannt wurden.

Das ist zweifelsohne sehr praktisch. Es berührt aber auch maßgeblich Belange des privaten Datenschutzes, wenn Freunde und Bekannte in sozialen Netzwerken neben mit mir markierten Fotos aus dem Parlament oder aus dem politischen Alltag auch andere, zum Beispiel private Fotos von mir einstellen können und diese dann mittels Gesichtserkennungssoftware automatisch mit meinem Namen verbunden werden. Denn selbst wenn ich nutzerseitig die ohne Vorankündigung und standardmäßig eingestellte Funktion nach längerem Suchen endlich abstellen kann, ist der Anbieter selbst weiterhin in der Lage, alle meine Bilder mittels Gesichtserkennung auch gegen meinen Willen zusammenzuführen.