Protocol of the Session on June 9, 2011

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe mir die Mühe gemacht, über die Recherchefunktion bei der Dokumentensuche nach dem

Thema Nachhaltigkeit zu suchen und bin dabei auf einzelne Treffer zu Themen wie nachhaltige Holznutzung und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung gestoßen. Aber es gab keinen einzigen Treffer in der gesamten Wahlperiode, der sich auf den Nachhaltigkeitsprozess als Ganzes bezieht. Das muss sich ändern.

Wir alle wissen, dass wir in Sachsen-Anhalt keine Nachhaltigkeitsstrategie haben. Was wahrscheinlich noch viel schlimmer ist: Wir haben auch keinen Zeitplan, wie wir zu einer Nachhaltigkeitsstrategie kommen können.

Gerade jetzt ist ein ganz besonders kritischer Moment, hat doch die Landesregierung noch kurz vor der Wahl einen Bericht zur nachhaltigen Entwicklung vorgelegt, der aber nicht mehr in die parlamentarische Beratung vorgedrungen ist.

Einen ähnlichen Stand - daran möchte ich Sie gern erinnern - hatten wir auch am Anfang der letzten Wahlperiode. Auch damals hatte die Landesregierung ganz kurz vor der Wahl noch hektische Aktivitäten entfaltet und das Thema Nachhaltigkeit in der Verwaltung auf die Agenda gebracht und einen Bericht vorgelegt. Aber schon kurz nach der Wahl war das Thema wieder vergessen.

Wir hoffen, dass die Diskussion um den Nachhaltigkeitsprozess nicht zuletzt mit diesem Antrag befördert oder - ich sollte es wahrscheinlich besser so sagen - überhaupt erst in Gang gebracht wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir sehen aber in Bezug auf einzelne Details des Antrags noch Diskussionsbedarf. So lässt sich der Antrag aus dem Bundestag nicht einfach auf den Landtag übertragen, weil unsere Geschäftsordnung die Einrichtung eines solchen Beirates nicht vorsieht. Dementsprechend blieb in dem Antrag offen, wie der Beirat besetzt wird, ob er nur aus Parlamentariern besteht oder auch Wissenschaftler oder sonstige Personen aus der Öffentlichkeit mitwirken sollen.

Im Unterschied zum Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung beim Bundestag, auf den Herr Lüderitz eingegangen ist, enthält der Antrag, der hier vorliegt, auch keine klare Aufgabenstellung für den einzurichtenden parlamentarischen Beirat.

Eines erscheint mir zusätzlich diskussionswürdig; denn im Hinblick auf die Ausführungen des Kollegen Lüderitz bin ich mir nicht sicher, was hiermit eigentlich gefordert wird. Er hat nämlich mehrfach auf die Nachhaltigkeitsräte anderer Bundesländer verwiesen.

Ich muss noch einmal deutlich sagen: Diese Nachhaltigkeitsräte anderer Bundesländer wie Thüringen oder Baden-Württemberg sind reine Beratungsgremien der Landesregierung und nicht des Landesparlamentes. Insofern halte ich es auch für

absolut notwendig, dass hier noch einmal klargestellt wird, worüber wir eigentlich reden.

Eine Diskussion in den Ausschüssen ist absolut erforderlich. Ich denke, es ist nicht nur erforderlich, um die Aufgabenstellung zu präzisieren; vielmehr brauchen wir auch ein eindeutiges Bekenntnis der Fachausschüsse, dass sie sich diesem Thema stellen.

Denn Sie wissen alle, Nachhaltigkeit ist mehr als nur Umweltschutz, Nachhaltigkeit muss übergreifend betrachtet werden. In Sachsen-Anhalt sind zum Beispiel die Schuldensituation unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit, die demografische Entwicklung und auch Fragen der Sozial- und Gesundheitspolitik wichtige Themen der Nachhaltigkeit. Diese Themen müssen im Nachhaltigkeitsprozess berücksichtigt werden.

Nur wenn sich die Fachausschüsse wirklich bereit erklären, bei dieser inhaltlichen Ausgestaltung des Nachhaltigkeitsprozesses mitzuwirken, macht die Einrichtung eines solchen Beirates tatsächlich Sinn.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Deswegen beantrage ich zusätzlich zur Überweisung in den Ältestenrat die Überweisung des Antrages in die Ausschüsse für Umwelt als federführenden Ausschuss, in die Ausschüsse für Wissenschaft und Wirtschaft, für Arbeit und Soziales und für Finanzen.

Ganz zum Schluss: Die GRÜNE-Fraktion wird sich zum Alternativantrag der Koalition der Stimme enthalten. Einerseits weil wir nicht dagegen sein können, dass über den Nachhaltigkeitsprozess berichtet wird; aber andererseits handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit, dass über solche Themen hier im Parlament berichtet wird und es darf nicht Schule machen, dass wir hier im Plenum mit formellen Anträgen Berichte zu wichtigen landespolitischen Themen abfordern. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Zimmer.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute in der Dezembersitzung wären, dann würde ich folgenden Liedertext anstimmen: Alle Jahre wieder. Denn im Antrag der LINKEN wurde bis auf ein einziges Wort exakt die Formulierung des Antrages vom September 2006 - Herr Lüderitz hat selbst darauf hingewiesen - verwendet. Es wurde übernommen. Lediglich die Begründung wurde neu gefasst.

Wollen wir das jetzt grundsätzlich so handhaben, dass wir alte Anträge wieder aus der Mottenkiste holen?

(Frau Bull, DIE LINKE: Ja! - Herr Borgwardt, CDU: Konserve!)

Ich habe vielleicht vergessen, dass wir heute von der Fraktion DIE LINKE reden und damals von der Linkspartei.PDS. Da kann man durchaus mal durcheinanderkommen.

(Beifall bei der CDU)

Sie, Herr Kollege Lüderitz, haben damals gesagt - ich zitiere aus dem Plenarprotokoll vom 15. September 2006 -: Der Begriff Nachhaltigkeit - Zitat - „wird inzwischen in der aktuellen Politik zunehmend sinnentleert zur Floskel, um einseitig nackten ökonomischen Belangen gegen Erfordernisse des Umweltschutzes oder der sozialen Ausgewogenheit ein kleines grünes Deckmäntelchen umzuhängen.“

Diesbezüglich kann ich Ihnen Recht geben. Es existieren mittlerweile in nahezu allen Bereichen Konzepte und Beispiele zur nachhaltigen Entwicklung, welche dem Begriff der Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft grundsätzlich entsprechen. Für meinen Geschmack wird dieser Begriff in den letzten Jahren schon deutlich überstrapaziert.

(Zustimmung von Herrn Daldrup, CDU)

Ich könnte jetzt beginnend im Jahr 1713 bis hin zum Jahr 1993 und der Helsinki-Resolution über die forstwirtschaftliche Entwicklung des Begriffs der Nachhaltigkeit philosophieren und auch über das, was wir gemäß Brundlandt-Bericht unter nachhaltiger Entwicklung verstehen.

Aber ich möchte nicht in die Begrifflichkeit hineingehen; denn eigentlich wollte ich es mir mit meinem Redebeitrag so einfach machen, wie Sie es sich mit Ihrem Antrag gemacht haben, meine Damen und Herren von der LINKEN, und den Wortbeitrag unseres heutigen Landtagspräsidenten Detlef Gürth hervorziehen. Dort wurde alles gesagt; dem ist nichts hinzuzufügen. Die Argumente wurden damals bereits ausgetauscht und daran hat sich auch heute nichts geändert.

(Frau Tiedge, DIE LINKE: Richtig!)

Wir halten die Bildung eines solchen Beirates beim Landtag zu diesem Zeitpunkt für entbehrlich. Im politischen Geschehen sind das Handeln mit Weitblick und die Übernahme langfristiger Verantwortung für uns eine Selbstverständlichkeit. Sie bilden die Grundlage unserer Entscheidungen nicht nur im Hier und Heute, sondern natürlich auch für kommende Generationen.

(Herr Herbst, GRÜNE: Ach ja? Saale-Seiten- kanal!)

Dazu müssen wir nicht extra einen Beirat installieren, sondern jeder steht in der Verantwortung. In

seinem Tun und Handeln, wie wir es heute verstehen, nachhaltig zu handeln und zu entscheiden.

Wir können und wir wollen einer im Falle Ihres Antrages anstehenden Änderung der Geschäftsordnung des Landtages hier und heute nicht vorgreifen und bitten deshalb um die Überweisung des Antrages ausschließlich in den Ältestenrat.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch kurz etwas zu unserem Alternativantrag sagen. Der Gedanke der Nachhaltigkeit in Sachsen-Anhalt ist ein wichtiger und die Notwendigkeit der nachhaltigen Entwicklung ist für die Landesregierung eine Selbstverständlichkeit. Dies beweist das Vorhandensein der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes. Sachsen-Anhalt ist in diesem Bereich sehr gut aufgestellt. Ich bin mir sicher, dass es der Landesregierung und unserem Minister eine Freude sein wird, dazu in den Ausschüssen zu berichten.

Hier kann die Landesregierung ausführlich darlegen, wie wir zum Thema Nachhaltigkeit im Land aufgestellt sind. Ohne dem Bericht vorgreifen zu wollen - das kann ich nicht -, möchte ich betonen: Wir sind gut aufgestellt, ja, wir sind sehr gut aufgestellt. An dieser Stelle müssen wir unser Licht nun wirklich nicht unter den Scheffel stellen. Ich jedenfalls freue mich auf den entsprechenden Bericht der Landesregierung, Herr Minister. Ich bitte, um die Überweisung unseres Antrages in die im Antrag genannten Ausschüsse und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Zimmer. - Ich wiederhole mich jetzt vor der Abstimmung: Gemäß § 18 Abs. 2 der Geschäftsordnung ist ein Alternativantrag eine unselbständige Vorlage. Deshalb müssen wir beide Anträge irgendwohin überweisen oder direkt darüber abstimmen müssen. Wenn Sie den Alternativantrag mit in den Ältestenrat überweisen, dann ist das okay, aber ich kann nicht über eine Überweisung des Alternativantrages in die Ausschüsse und die Überweisung des anderen Antrages in den Ältestenrat abstimmen lassen. Dies ist laut Geschäftsordnung nicht möglich.

(Herr Erdmenger; GRÜNE: Es gab vorher eine Frage!)

- An Herrn Zimmer?

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Ja!)

- Entschuldigung. - Herr Zimmer, würden Sie eine Frage von Frau Lüddemann beantworten?

Bitte.

Herr Kollege, ich war eben ganz gespannt. Sie haben die Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung oder des Landes - ich habe es nicht genau verstanden - angesprochen. Wo kann ich diese nachlesen?

Ein Blick in das Internet erleichtert den Vorgang.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das war jetzt keine gute Antwort! - Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜ- NE: Es gibt keine Nachhaltigkeitsstrategie! - Frau Lüddemann, GRÜNE: Es ist mir völlig neu, dass es eine solche Strategie gibt! - Herr Borgwardt, CDU: Das ist aber nicht neu!)

Herr Lüderitz hätte noch einmal das Wort. Nachdem Herr Dr. Aeikens gesprochen hat, ist die Debatte gemäß § 69 Abs. 2 der Geschäftsordnung noch einmal eröffnet.