Wir stimmen jetzt ab über die Gesetzesüberschrift. Sie lautet: Zweites Gesetz zur Änderung des Landespressegesetzes. Wer stimmt dem zu? - Alle Fraktionen. Es ist so beschlossen worden.
Jetzt stimmen wir über das Gesetz in seiner Gesamtheit ab. Wer stimmt dem zu? - Das sind alle Fraktionen. Damit ist das Gesetz so beschlossen worden.
Jetzt stimmen wir ab über die Drs. 6/1826. Das ist der Entschließungsantrag. Wer stimmt dem zu? - Das sind wiederum alle Fraktionen. Damit ist auch der Entschließungsantrag angenommen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 3.
Einbringer des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ist der Abgeordnete Herr Herbst. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist ein Einwanderungsland. SachsenAnhalt ist ein Einwanderungsland. Dazu bekennen wir uns heutzutage parteiübergreifend.
Vor wenigen Monaten wurde in Sachsen-Anhalt eine Einbürgerungskampagne ins Leben gerufen. Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse macht endlich Fortschritte, auch bei uns in Sachsen-Anhalt.
Doch wenn abseits des Fachkräftemangels und abseits der Übergabe von Einbürgerungsurkunden über das Thema Zuwanderung gesprochen wird, dann haftet dem noch viel zu oft der Tenor an, es ginge hierbei um ein Zugeständnis an Bedürftige. Wer in Deutschland leben will, der soll … Wer in Deutschland leben will, der muss … Wer in Deutschland leben will, der muss doch erst einmal beweisen, dass …
In den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde im frisch vereinigten Deutschland eine populistische Asyldebatte geführt, die von einer Welle rassistisch motivierter gewalttätiger Ausschreitungen gegen Ausländer begleitet wurde, die
in Pogromen wie in Hoyerswerda und RostockLichtenhagen gipfelten. In der Folge wurde das in Deutschland ursprünglich von den Verfassungsvätern und -müttern wohlweislich vorgesehene Grundrecht auf Asyl vollständig verkehrt.
Aber Flüchtlinge und Migranten kamen natürlich trotzdem nach Deutschland in der Hoffnung auf Sicherheit und ein selbstbestimmtes Leben. Allerdings waren nur die wenigsten von ihnen aufgrund der neuen Gesetzeslage noch in der Lage, die Ausnahmeregelungen zu überwinden, die das Grundrecht auf Asyl fortan nur noch für ganz wenige erreichbar machten. Zurückkehren konnten viele von ihnen aber auch nicht. Sie wurden auch nicht zurückgeschickt.
So lebten und leben bis heute sehr viele von ihnen als im Monatsrhythmus Geduldete, sogenannte Geduldete, ohne Erlaubnis zu reisen, ohne Erlaubnis zu arbeiten, ohne Erlaubnis zu lernen. Sie sind gesetzlich dazu verdonnert, Almosenempfänger des Staates zu sein, oft zusammengewürfelt in tristen Plattenbauten.
Aber sie dürfen sie nicht sinnvoll nutzen, weil wir ihnen nicht die Möglichkeit dazu geben. Das, meine Damen und Herren, nenne ich organisierte Desintegration.
Ich bin der Überzeugung, dass wir alle aus diesen Fehlern der Vergangenheit zu lernen bereit sein müssen. Ich glaube, dass wir den Betroffenen in unserem Land und dass wir unserem Land selbst durch vernünftige Anpassungen des Asylrechts und des Aufenthaltsrechts einen wichtigen Dienst erweisen.
Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben Gesetze, die die Zuwanderung in unserem Land regeln. Das ist auch richtig so. Aber unser deutsches Asylrecht wird den Anforderungen unseres sich weiter entwickelnden Landes und den Anforderungen moderner Freiheitsrechte und moderner wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte - man könnte es auch zusammenfassen als Menschenrechte - nicht mehr vollständig gerecht.
- Das können wir nachher klären. Ich habe Ihre Äußerung nur nebenbei vernommen. - In SachsenAnhalt leben ca. 2 800 Menschen in der Duldung. Über die Hälfte von ihnen lebt bereits seit mehr als sechs Jahren in dieser Situation.
Bei einem Besuch einer Gemeinschaftsunterkunft in Bernburg habe ich mit einem Menschen gesprochen, der seit 14 Jahren dort in der Duldung lebt. Für ihn und für 10 000 andere Menschen in Deutschland ist der Vorgang Asyl zu dem geworden, was Erving Goffman mit dem soziologischen Begriff der totalen Institution bezeichnete. Hierbei handelt es sich um eine Organisationsform, die alle Äußerungen und Lebensbedingungen von sozialen Akteuren bestimmt und kontrolliert.
Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren. Solche Zustände können nicht im Interesse einer Gesellschaft sein, die von Menschen zu Recht Integration fordert. Aber wer fordert, der muss auch selbstbestimmtes Handeln fördern, wie es die Aufgabe des Staates ist und wie es jeder Mensch verdient hat.
Aktuelle Ereignisse aus den letzten Wochen und Monaten öffnen uns immer nur kurz die Augen, aber sie erlauben immer dann einen Einblick in die praktischen Folgen offensichtlich unzureichender Gesetzgebung. Wie kann es sein, dass die Eltern einer irakischen Flüchtlingsfamilie, deren Kinder in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, erst nach jahrelangem Bemühen in ihrem Beruf als Chemiker arbeiten dürfen, obwohl sich ein Arbeitgeber händeringend um sie bemüht und sie der staatlichen Alimentierung endlich entfliehen und selbst ihr Geld verdienen wollen?
Wie kann es sein, dass der 19-jährige Jahja, der von Warlords in Dagestan zum Kämpfen und Töten gezwungen wurde und seit fünf Jahren allein in Deutschland lebt, Deutsch spricht und die Schule besuchte, plötzlich wieder abgeschoben werden soll, sodass er sich aus Angst vor der Abschiebung entschließt, nicht mehr in die Schule, sondern in die Illegalität zu gehen.
Aber, meine Damen und Herren, die Aufzählung von Einzelschicksalen ist nicht das wichtigste Argument, um die Notwendigkeit für Veränderungen aufzuzeigen. Denn Beispiele spielen eben nur bei. Aber längst ist aus den Unzuglänglichkeiten des Asyl- und Aufenthaltsrechtes ein systematischer Fehler geworden, der zu einer schier unzähligen Anzahl von solchen Fällen geführt hat. Das ist unser Problem
- das ist richtig und gut so -, die bestimmte Zielgruppen ins Auge nahmen, wie zum Beispiel gut qualifizierte Beschäftigte und gut integrierte Jugendliche. Das ist richtig so. Aber diese Regelungen nahmen immer nur auf einen bestimmten Teil Bezug und setzten stets enge formale Voraussetzungen - für viele waren es zu enge formale Voraussetzungen.
Hinzu kam dann die sogenannte Altfallregelung hinsichtlich des Bleiberechts. Doch unter diese Regelung fallen die meisten unter uns lebenden Geduldeten nicht. Sie gilt nur für Altfälle, also nur für Menschen, die zum Stichtag 1. Juli 2007 bereits mindestens acht Jahre lang in Deutschland gelebt haben. Das heißt im Klartext, dass Betroffene vor dem 1. Juli 1999 bzw. vor dem 1. Juli 2001 ins Bundesgebiet eingereist sein müssen. Das betrifft aber kaum einen der aktuellen Fälle.
Dschangir F. zum Beispiel, der vor mehr als neun Jahren mit seiner Familie aus Aserbaidschan nach Deutschland flüchtete, fällt nicht unter diese Regelung. Dabei reiste er nur wenige Monate nach diesem Stichtag in Deutschland ein. Trotz jahrelanger Duldung spricht er exzellent Deutsch; er hat sich selbst darum bemüht. Er hat eine Ausbildung zum Kaufmann abgeschlossen und arbeitet hier. Er zahlt seit fünf Jahren Steuern und ist im Fußballverein als Trainer aktiv, also ehrenamtlich engagiert.
Aber eine Aufenthaltsgenehmigung bekommt er trotzdem nicht, auch nicht nach der im Jahr 2011 neu eingeführten Regelung für gut integrierte Jugendliche. Warum nicht? - Dafür ist Dschangir F. mit 26 Jahren bereits zu alt.
Von solchen Fällen, die genau in die Regelungslücken passen, gibt es viele. Vielen geht es so wie diesem jungen Mann. Es sind Menschen, die einfach Pech gehabt haben. Das Pech, nicht zum richtigen Termin eingereist zu sein.
Aber das kann es nicht sein. Hierbei handelt es sich um kein Termingeschäft. Wir haben es hierbei nicht mit Fristen für Fördermittel oder Führerscheinbeantragungen zu tun. Es geht um Menschen, die ihr Land aus der Not heraus verlassen haben, die sich in unser Land meist gut integriert haben, oft mit Kindern und Jugendlichen, die die Heimat ihrer Eltern und Großeltern nur aus Erzählungen kennen.
Weil es die Aufgabe des Gesetzgebers ist, keine hoffnungslosen Fälle zu produzieren und zu organisieren, müssen wir geduldeten Menschen, die langjährig in Deutschland leben und die sich gut integriert haben, eine Aufenthaltsperspektive bieten.
Solange wir keine Bleiberechtsregelung schaffen, die unabhängig von einem Stichtag ist, werden die Betroffenen auch weiterhin in einer Negativspirale
von Kettenduldungen gefangen sein. Das, meine Damen und Herren, ist aus meiner Sicht nicht menschenwürdig.
Wir begrüßen es daher sehr, dass sich der Innenminister mit öffentlichen Äußerungen ebenfalls in diese Richtung positioniert hat. Wir möchten Sie in dieser Auffassung stärken, Herr Minister. Wir sichern Ihnen bei Aktivitäten für ein modernes und gerechteres Bleiberecht in Deutschland gern unsere politische Unterstützung zu.
Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung auf, die Bundesratsinitiative aus der Freien und Hansestadt Hamburg zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes zu unterstützen.
Diese Initiative beinhaltet im Kern zwei wichtige Punkte. Sie führt mit der Regelung des § 25b eine alters- und stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung bei nachhaltig festgestellter Integration im Aufenthaltsgesetz ein und sie reduziert mit einer Änderung des § 25a den nötigen Voraufenthalt von Jugendlichen mit erfolgreichem Schulabschluss von sechs auf vier Jahre.