Für die Aussprache zur Großen Anfrage wurde im Ältestenrat die Debattenstruktur D vereinbart. Das bedeutet eine 45-minütige Debatte in der Reihenfolge SPD, GRÜNE, CDU und LINKE. Zunächst erteile ich das Wort der Fraktion DIE LINKE. Es spricht Herr Abgeordneter Dr. Köck.
Fuchs, ‚du Bösewicht! / Kennst du des Königs Ordre nicht? / Ist nicht der Friede längst verkündigt, / Und weißt du nicht, dass jeder sündigt, / Der immer noch gerüstet geht? / Im Namen seiner Majestät, / Geh her und übergib dein Fell!’ / Der Igel sprach: ‚Nur nicht so schnell! / Lass dir erst deine Zähne brechen, / Dann wollen wir uns weiter sprechen!’ / Und allsogleich macht er sich rund, / Schließt seinen dichten Stachelbund / Und trotzt getrost der ganzen Welt, / Bewaffnet, doch als Friedensheld.“
Diese aus der Feder von Wilhelm Busch stammende Fabel wurde bis vor Kurzem den Grundschulen empfohlen, um eine erste altersgerechte Annäherung an die Problematik von Krieg und Frieden zu versuchen.
Die spontane Sympathie gilt ganz klar dem Igel; sie prägt sich ein und kann den Aufwachsenden in Gewissenskonflikte stürzen; denn die deutsche Außen- und Militärpolitik ähnelt doch eher dem Verhalten des Fabelfuchses.
Neben einem leibhaftigen Fuchs kann man in der Weite der Colbitz-Letzlinger Heide auch auf seinen Namensvetter aus Metall stoßen. Dieser hat in der Vergangenheit international bereits für Furore gesorgt. Im Jahr 1991 wurden 36 gebrauchte Spürpanzer des Typs Fuchs für das Zehnfache des Neupreises nach Saudi-Arabien verkauft. Die Ereignisse um diesen Export bildeten dann schließlich eine Episode in der CDU-Spendenaffäre.
Im Herbst 2004 war die Bundesregierung drauf und dran, aus den Beständen der Bundeswehr 20 Transportpanzer des Typs Fuchs an den Irak zu liefern. Deutschland wollte mit den Fahrzeugen den Wiederaufbau unterstützen. Aber das Vorhaben scheiterte am nachlassenden Interesse der Gegenseite.
Im Jahr 2011 genehmigte die Bundesregierung schließlich den Verkauf von 54 Transportpanzern vom Typ Fuchs an Algerien. Dort sollten zudem unmittelbar vor Ort weitere 1 200 Fahrzeuge gleichen Typs hergestellt werden. Diese dürften im gesamten islamischen Raum Verbreitung finden, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie sich auch feindlich gegenüberstehen.
Wenn es um Waffen und Kriegsgerät geht, stößt man auf die Rheinmetall AG. Sie war bereits die staatliche Waffenschmiede des Dritten Reiches. In ihrem Imperium entstand auch „Dora“, die größte je gebaute Kanone, die ihre ersten Schüsse in der Heeresversuchsanstalt Hillersleben abgegeben hat.
Im Jahr 2008 kehrte die Rheinmetall AG auf den Truppenübungsplatz Altmark zurück und betreibt seither dort in Form eines Public-Private-Partnership-Projekts das Gefechtsübungszentrum.
Das Rheinmetall-Dienstleistungszentrum Altmark, RDA, ist ein Tochterunternehmen von Rheinmetall Defence, der militärischen Sparte des heutigen Großkonzerns Rheinmetall AG. Das RDA liefert alle Dienstleistungen, die nicht zu den militärischen Kernaufgaben gehören, und stellt die Ein- und Ausrüstung der Übungstruppen mit den Simulationsgeräten sowie den Betrieb der Datenverarbeitungsanlage sicher. Die Firma kümmert sich zudem um Ausbildungspersonal, wartet die Panzer und ist für den Nachschub an Material und Verpflegung zuständig.
Dies kostet den Steuerzahler rund 20 Millionen € im Jahr. Gratis gibt es die in der Colbitz-Letzlinger Heide gesammelten Praxiserfahrungen dazu. Das schafft erhebliche Konkurrenzvorteile beim Export von Waffensystemen in alle Welt.
Kontaktbüros unterhält die Firma unter anderem in Abu Dhabi, in Malakka, in Singapur, in Südafrika sowie in Neu Delhi. In Indien wurde versucht, hohe Regierungsbeamte zu bestechen. Bekanntermaßen ist das Verhältnis Indiens zu seinem Nachbarn Pakistan nicht immer das beste. Das hinderte aber nicht daran, den Leiter des militärischen Ausbildungszentrums der Islamischen Republik Pakistan in das Gefechtsübungszentrum einzuladen.
Die letzte Spitzenmeldung aus Rüstungskreisen lautet: Das russische Verteidigungsministerium habe Rheinmetall Defence den Auftrag erteilt, in Mulino in der Wolga-Region bis zum Jahr 2014 die weltweit modernste Trainingsbasis mit simulationsgestützter Ausbildung zu errichten nach dem Vorbild der Phantomstadt Schnöggersburg in der Colbitz-Letzlinger Heide.
Da die Mitarbeiter von Rheinmetall Defence im Gefechtsübungszentrum alle Datenstränge kontrollieren, dürften sie mittlerweile einen besseren Überblick über die Leistungsfähigkeit und die Schwächen der in die Krisengebiete entsandten europäischen Kontingente haben als die Nato oder die Bundeswehr selbst.
Doch das bereitet den Militärs offensichtlich weniger Probleme als die von den Mitgliedern der Linksfraktion beantragte Einsichtnahme in die Antragsunterlagen und den Genehmigungsbescheid für den Ausbau des Truppenübungsplatzes in der Colbitz-Letzlinger Heide zum weltgrößten urbanen militärischen Übungsgelände.
des Landtages die Nachricht, dass der Bund der Weitergabe dieser Akten an den Landtag von Sachsen-Anhalt widersprochen habe, so Staatsminister Robra in seinem Schreiben an den Landtagspräsidenten unter stillschweigender Bezugnahme auf Artikel 53 Abs. 4 der Landesverfassung. Es heißt in dem Schreiben, dass zu befürchten sei, dass durch das Bekanntwerden von Tatsachen dem Wohle des Landes oder des Bundes Nachteile zugefügt werden könnten.
Ob den ökologischen Belangen in dem extrem verkürzten Genehmigungsverfahren überhaupt hinreichend Rechnung getragen wurde, kann jedenfalls so nicht beurteilt werden. Die Prüfung eines Bauantrages für die planmäßige Anlage einer Großstadt von der Dimension Halle-Neustadts binnen zehn Wochen lässt daran arge Zweifel aufkommen - man vergleiche nur einmal das unmittelbar benachbarte Projekt der Nordverlängerung der BAB A 14 -, selbst wenn man berücksichtigt, dass alle Umweltgesetze Ausnahmeparagrafen zur Erleichterung der Durchsetzung von militärischen Projekten enthalten, die die öffentliche Beteiligung weitgehend ausschließt.
Die Dimension des Eingriffes in das Ökosystem der Colbitz-Letzlinger Heide ist unvorstellbar. Eine Fläche von 6,25 km² Heidelandschaft wird umgewühlt und zum Teil versiegelt. Ein Ersatz der verlorengehenden Biotope ist rein flächenmäßig gar nicht möglich. Dabei können Sie auf meine einschlägige Branchenerfahrung vertrauen.
Der sich bei den unteren Naturschutzbehörden regende Unmut soll kurzerhand durch einen Ausschluss aus dem laufenden Verfahren ausgeschaltet worden sein. Das ist mir zu Ohren gekommen. Gleichwohl sollen die Mitarbeiter des Bereiches Naturschutz des Landesverwaltungsamtes den ganzen Sommer auf der Suche nach geeigneten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gewesen sein. Sollte das tatsächlich der Fall gewesen sein, könnte Schnöggersburg noch vor dem Kadi landen.
Der zentrale Teil der Altmark ist für Sachsen-Anhalt de facto zum Exterritorium geworden. Das Militär hat die uneingeschränkte Verfügungsgewalt. Es kann üben, was, mit wem und womit es will, ohne dass die Bevölkerung Sachsen-Anhalts etwas davon erfährt. So wollte die Landesregierung noch im Sommer 2004 auf eine Kleine Anfrage hin keine Kenntnis davon haben, dass in Hillersleben der Häuserkampf geübt wird. Diesen hatte aber der damalige Verteidigungsminister Struck bei seinem Besuch im Gefechtsübungszentrum am 23. August 2003 angekündigt.
Wir werden noch so manche Überraschung erleben - insbesondere dann, wenn das Zusammenwirken mit USA-Einheiten geprobt werden sollte. Der regelmäßige Einsatz von Aufklärungsdrohnen
steht jedenfalls unmittelbar bevor. Die mit Raketen oder Bomben bestückten größeren Schwestern mit einer Spannweite von 40 m könnten dann noch folgen. Erste Hinweise auf einen Einsatz dieser ebenfalls von Rheinmetall vertriebenen Flugkörper in der Colbitz-Letzlinger Heide stammen bereits aus dem Jahr 2009.
Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges. Zu dieser Erkenntnis sind bereits die alten Griechen gelangt. Die US-Amerikaner haben für die Kriegsberichterstattung mittlerweile ganze Heerscharen von Journalisten engagiert; denn insbesondere der Eintritt in einen Krieg oder dessen Beginn bedürfen der ständigen Rechtfertigung.
Doch die Wahrheit vergeht schon lange zuvor auf vielfältige und subtile Art. Sie wird bearbeitet, geschönt, verschwiegen, interpretiert, hingebogen oder verdreht. Schließlich wird die Wahrheit zur geheimen Verschlusssache erklärt. Halbwahrheiten oder gar Lügen machen die Runde. Hinzu kommt die Zensur. Es bildet sich ein spezifischer und semantisch auslegbarer Wortschatz heraus. Dieses Phänomen hat bereits Victor Klemperer beschrieben.
Die anfängliche Überraschung im Verteidigungsministerium ob des Ansinnens des Verzichts auf die zivile Nutzung des Südteils der Colbitz-Letzlinger Heide lässt eine direkte Verbindung mit dem Besuch des Verteidigungsministers im Sommer 2003, dem ersten eines Bundesministers überhaupt, unwahrscheinlich erscheinen. Eine solche Verbindung würde sich allerdings logisch in die Ereigniskette vom Heidekompromiss über den Heideverzicht bis zur Übungsstadt Schnöggersburg einfügen. Dieses Ansinnen beflügelte damals aber offensichtlich den Juniorpartner FDP der damaligen Koalition. Während Frau Wernicke als Umweltministerin noch für den Naturpark Colbitz-Letzlinger Heide warb, wechselten die FDP und die Bürgermeister die Pferde, und die Front der Befürworter einer zivilen Nutzung brach zusammen.
Die Führung der Bundeswehr ergriff nach kurzem Überlegen die einmalige Chance, das gigantische Vorhaben einer Übungsstadt in Angriff zu nehmen und traf dabei auf keinen nennenswerten Widerstand seitens der Politik und der Bevölkerung.
Sorge bereitete über all die Jahre eigentlich nur das Protestcamp im September 2012. Wie kritische Infrastruktur geschützt wird, erlebten die dort Versammelten, die gegen den Ausbau des Truppenübungsplatzes demonstrierten. Ihnen standen rund 1 000 Polizisten aus dem Bundesgebiet gegenüber, teilweise auch Feldjäger der Bundeswehr. Seitens der Polizei stand schweres Gerät im Hintergrund: Wasserwerfer, Gefängniswagen, Hubschrauber und ähnliches.
lastbar das mit besonderer Akribie zu den Gemeinden geknüpfte Beziehungsgeflecht der Bundeswehr ist.
Für DIE LINKE im Land- und im Bundestag ist die Übungsstadt aber ein Zeichen dafür, dass Kampfszenarien geübt werden sollen, die nicht den Gegebenheiten in den bisherigen Einsatzgebieten entsprechen. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage hin räumte die Bundesregierung ein, dass es auch um die Vorbereitung für Einsätze im Innern gehe. Dazu gehörten, so heißt es, Verteidigungsaufgaben auf deutschem Hoheitsgebiet sowie Amtshilfe in Fällen von Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen und Schutzaufgaben für kritische Infrastruktur und bei innerem Notstand.
Dass diese Szenarien tatsächlich in den Köpfen herumspuken, belegen folgende Äußerungen von Oberst Sladeczek vom GÜZ in der Sendung „MDR Heute“ vom 20. Juni 2012 im Zusammenhang mit der Vorstellung des Projektes. Oberst Sladeczek sagte Folgendes: „Wenn Sie das nächste Mal durch Magdeburg gehen, versetzen Sie sich bitte einmal in die Lage eines Panzergrenadier-Zugführers, der mit vier Schützenpanzern des Typs Marder egal welchen Auftrag zu erfüllen hat; unter sich Kanalisation, vor sich enge Straßen, links und rechts Gebäude mit vielen Stockwerken, schwer zu übersehen, mit ganz vielen Möglichkeiten eines Gegners, in Stellung zu gehen, Sprengfallen zu legen.“
Herr Kollege Dr. Köck, es gibt eine Anfrage. Möchten Sie diese beantworten? - Herr Abgeordneter Harms, bitte.
Herr Dr. Köck, ich bin noch ganz im Bann der vielen Fakten, die Sie aufgezählt haben. Ich möchte aber dennoch nachfragen. Umfasst Ihr Geschichtsbild auch alle Jahrzehnte der Geschichte des Truppenübungsplatzes Colbitz-Letzlinger Heide?
Danke schön. Weitere Anfragen gibt es nicht. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Stahlknecht.
cher, ob Sie mit Ihren Ausführungen schon beim nächsten Tagesordnungspunkt waren. Sie haben sich mit der Großen Anfrage nur am Rande auseinandergesetzt. Sie haben mit Ihrem einführenden Gedicht von Wilhelm Busch eine Grundsatzfrage über Krieg und Frieden und über die Frage des Verständnisses einer Armee in einem Staat aufgeworfen.