Protocol of the Session on November 15, 2012

Zweitens. Sie wollten auf das Sortieren nach vermeintlicher Leistungsfähigkeit in der Basisstufe verzichten. Das wäre tatsächlich ein verbindlicher Schritt in Richtung längeres gemeinsames Lernen gewesen. Künftig müssen die Gemeinschaftsschu

len im Konzept, das sie vorlegen müssen, verbindliche Angaben über Form und Umfang ihrer äußeren - Klammer auf: Ausrufezeichen - Differenzierung machen. Sehr geehrte Damen und Herren! Verbindliche Angaben kann man nur über etwas machen, was man in der Praxis auch tatsächlich umsetzt: nämlich dann äußerlich zu differenzieren.

Einen der neuralgischen Punkte habe ich bereits in der Einbringung genannt: die zweite Fremdsprache. Die hat nach wie vor trotz aller Bekundungen lediglich in der Gesetzesbegründung Platz gefunden. - All das, sehr verehrte Damen und Herren, kann man bereits jetzt. Dazu bedarf es nicht dieser vermeintlich neuen Schulform.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Drittens. Sie wollten Gemeinschaftsschulen eine eigene Oberstufe mit 25 Schülern ermöglichen. Das, sage ich, wäre ein sehr schwieriges Unterfangen geworden. Ich bin mir nicht einmal sicher, wer diesem Vorschlag eigentlich das Wasser abgegraben hat, der Finanzminister oder die CDU, denn dann haben Sie beide gleiche Interessen.

(Herr Borgwardt, CDU: Es ist doch gar kein Wasser mehr dagewesen!)

Denn das Personalentwicklungskonzept des Finanzministers steht dagegen. Nicht einmal der Einstellungskorridor würde dafür reichen, nicht einmal wenn Ihre Zeitungsmeldung von vorgestern, Herr Kultusminister, ernst gemeint gewesen wäre.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Viertens. Sie wollten mit dieser Schulform einen deutlichen Schritt bei der Entwicklung inklusiver Schulen in Sachsen-Anhalt weiterkommen. Aber der gemeinsame Unterricht bleibt konditioniert an vorhandene materielle, personelle, bauliche Voraussetzungen gebunden. Da nützt es auch nichts, werte Kollegen von der SPD-Fraktion, wenn Sie im ersten Satz die zwingende Option beschreiben, wenn im zweiten Satz dann solche Ausnahmen beschrieben werden, unter die alles passt. Nach den Gesetzen der guten alten Logik: Alles bleibt beim Alten.

Ich will noch auf ein Argument eingehen. Es wird immer gesagt, wir müssten den Prozess entschleunigen: inklusive Schule, gemeinsamer Unterricht - das ist genau genommen ein kleiner Ausschnitt dessen. Den Lehrkräften müsste man mehr Zeit lassen. Na klar, das ist nie falsch, das stimmt immer. Für Wandlung braucht es immer Zeit. Das ist gar nicht die Frage; dagegen kann man nichts sagen.

Nur, meine Damen und Herren, Sie werfen hier Nebenkerzen. Denn so beschleunigt laufen die Dinge nämlich gar nicht. Das Problem ist ein anderes. Wir haben auch hierbei generell zu wenig Per

sonal. Und das, was wir haben, arbeitet nicht an der richtigen Stelle, um flächendeckend inklusive Schule zu entwickeln.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir haben aus diesem Grunde in den Beratungen vorgeschlagen, eine vorsichtige Konzentration der Kinder und der Ressourcen vorzunehmen, wie in etwa das Modell der Integrationsklassen an den Grundschulen gestrickt war. Und: Das Personal, liebe Kolleginnen und Kollegen, das an den Förderschulen wirklich hochwertige, professionelle Arbeit leistet, das brauchen wir an den Regelschulen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dort ist deren langfristige, mittelfristige Perspektive. Aber solange Sie den Hintern nicht in der Hose haben, hierbei wirklich schrittweise den Abbau erkennbar zu gestalten, werden Sie in dieser Sache keinen Schritt weiterkommen.

Damit der schwarze Peter nicht aus Versehen an der falschen Stelle landet, will ich noch einmal sagen: Grundsätzlich kritisiert oder für gar nicht gewollt erklärt wird der gemeinsame Unterricht nur von ganz wenigen Verbänden. Kritisiert wird vor allem, dass die Ressourcen entweder nicht ausreichen oder an der falschen Stelle arbeiten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Fünftens. Mit Ihrem Gesetzentwurf haben wir jetzt, ich will einmal sagen, ein subalternes Modell hinzubekommen: die Gemeinschaftsschule mit Kabinettsvorbehalt.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Ich finde das durchaus nachvollziehbar. Es wäre für den einen oder anderen Schüler oder für die eine oder andere Familie durchaus eine Alternative gewesen zu sagen: Wenn, dann entwickle ich die Gemeinschaftsschule mit einer dreizehnjährigen Abiturperspektive. Das wäre dann eine gewisse Konkurrenz zum Gymnasium gewesen. Konkurrenz belebt das Geschäft.

(Zuruf von der CDU: Ach!)

Sie trauen offenbar dem Gymnasium sehr viel weniger Wettbewerbsfähigkeit zu als meine Fraktion.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Nun ist auch dieser Weg weitgehend abgeschnitten, es sei denn, das Kabinett stimmt einem solchen Weg zu. Deswegen haben wir nun bundesweit eine einzigartige Schulform: nämlich die Gemeinschaftsschule mit Kabinettsvorbehalt.

Alles in allem, meine Damen und Herren, finde ich, an dieser Stelle hat die „Mitteldeutsche Zeitung“ schon richtig getitelt. „CDU bügelt Schulgesetz glatt“. Wir sind nicht wirklich einen Schritt weiter.

Meine Fraktion hatte ohnehin einen anderen Weg vorgeschlagen. Wir haben das Modell „Neue Sekundarschule“ - so will ich es einmal bezeichnen - auf administrativem Weg gewählt, also für alle Sekundarschulen mehr Gemeinschaftsschule. Wir wollten durch eine wirklich konsequente, verbindliche Angleichung der Bildungsgänge den Weg gegebenenfalls zum Abitur offenhalten. Das ist sozusagen der Kern.

Das heißt: gleiche Stundentafel, gleiche Curricula in beiden Schulformen - das Stichwort zweite Fremdsprache habe ich schon genannt -, keine äußere Fachleistungsdifferenzierung mehr, also Bildungsgleise, die Vorentscheidungen treffen, und auch keinen hauptschulabschlussbezogenen Unterricht. Stattdessen wollten wir nun endlich einmal das Lernen im Gleichschritt durch binnendifferenziertes und individualisiertes Lerngeschehen ablösen, also Umbau bei laufendem Betrieb.

Ich finde, man kann über das Prinzip der Freiwilligkeit, wie es die Kollegen der bündnisgrünen Fraktion vorschlagen, durchaus geteilter Meinung sein. Ich habe gewisse Sympathien dafür; denn das hat durchaus etwas für sich. Das wäre sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner, aber doch noch konsequent in Bezug auf das, was man will. Deshalb werden wir dem Änderungsantrag der Bündnisgrünen zustimmen, obwohl unsere Strategie eine andere war.

Wir werden darüber hinaus in unseren Änderungsanträgen dabei bleiben, dass wir mehr Schuldemokratie einfordern. Meine Damen und Herren! Die demokratische Auseinandersetzung an den Schulen ist ein eigenes Lernfeld. Um Demokratie zu erleben und zu begreifen, nützen akademische Festvorträge längerer Art in der Regel nichts; vielmehr muss man spüren, was Demokratie ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Man muss sich mit Argumenten auseinandersetzen. Man muss lernen, die Konsequenzen dessen zu tragen, was man entschieden hat. Man muss sich für Entscheidungen schlaumachen. Man muss um das beste Argument ringen.

Das wäre wirklich ein echter Fortschritt gewesen. Wir waren - das muss ich einmal so sagen - vor allen Dingen von den Kollegen der SPD total enttäuscht, die, auch wenn sie nicht in dieser Koalition wären, nicht einmal mehr Sympathie dafür hätten. Ich habe es schon einmal gesagt: In einer Ehe gleichen sich die Gesichter an.

Wir wollen pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir werden auch die umstrittene Regelung zur Nachmittagsbetreuung von Kindern mit geistiger Behinderung wieder aufrollen, um hierzu einmal Klarheit zu schaffen. Ganztagsanspruch - das klingt sehr schön, aber dieser Anspruch auf

Ganztagsangebote in der GB-Schule wäre innerhalb von fünf Minuten erledigt. Mit dem Gesetz zwingen Sie ganz sicher niemanden dazu, dieses Problem zu lösen. Es kann sein, dass man mit politischem Druck etwas weiter kommt, mit dem Gesetz jedoch nicht.

Es wird Sie nicht wundern, dass wir ein weiteres Mal die Frage der kostenfreien Schülerbeförderung in der Sekundarstufe II aufrufen werden. Auch darüber haben wir in unterschiedlichen Kontexten mehrmals diskutiert. Ich möchte darauf verweisen, dass sich hierbei kein finanzielles Problem stellen würde; denn - das habe ich schon während der Einbringung gesagt - die finanziellen Mittel, die wir dafür aufgewendet hätten, wären sehr viel umfangreicher als das, was wir brauchen. Diese Dinge spiegeln sich in unseren Änderungsanträgen wider. Dazu können Sie sich verhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU - eigentlich nur von der SPD -, Sie sind mit Ihrem Versuch einer Schulreform gescheitert.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Die CDU kann ich an dieser Stelle nicht ansprechen; denn sie ist mit dem, was sie wollte, letztlich nicht gescheitert. Das ist legitim. Die CDU kupfert lediglich die integrative Gesamtschule ab. Der einzige Unterschied ist tatsächlich der, dass man, wenn auf dem Türschild „Gemeinschaftsschule“ steht, auch zweizügig arbeiten darf.

In der Praxis - darauf bin ich gespannt; ich lasse mich gern eines Besseren belehren - wird es eine eigene Abiturstufe so gut wie nie geben. Dafür müssten Sie riesige Schulkombinate einrichten.

Sie haben ein Label für die guten Sekundarschulen erfunden. Nun könnte man sagen, das sei immer noch besser als nichts - das stimmt. Aber es ist auch nicht wirklich ein ernstzunehmender Schritt nach vorn.

Das Tröstliche an diesem Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, sind die Wege, die Sie nicht gehen; denn dadurch sind sie auch künftig nicht verbaut. Das heißt mit anderen Worten: Sie haben das längere gemeinsame Lernen auf die lange Bank geschoben; aber dort - das möchte ich auch sagen - ist es immer noch besser aufgehoben als in einer Koalition mit der CDU. Das meine ich nicht einmal polemisch, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion.

(Herr Borgwardt, CDU: Nein, gar nicht! Alles klar! - Weitere Zurufe von der CDU)

Denn es ist doch so: Wenn zwei an einem Strang ziehen, dann muss zumindest die Himmelsrichtung stimmen, damit nicht Murks dabei herauskommt. Das, was uns jetzt vorliegt, ist so etwas, meine Damen und Herren. Das ist ein Gemeinschafts

schulverhinderungsgesetz. Das werden wir ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Kollegin Bull. Habe ich Sie richtig verstanden, dass sich Ihre Fraktion dafür ausgesprochen hat, dem Änderungsantrag der GRÜNEN zuzustimmen? Meinen Sie den in der Drs. 6/1611 oder den anderen?

(Frau Bull, DIE LINKE: Die Nummer habe ich jetzt nicht im Kopf, aber den zu § 5b - Gemeinschaftsschule! - Frau Prof. Dr. Dal- bert, GRÜNE: Sie meint den Änderungs- antrag, nicht unseren Änderungsantrag zum Änderungsantrag!)

- Ja, vielen Dank. Das andere ist ein Änderungsantrag zum Änderungsantrag. - Als nächste Rednerin in der Debatte spricht für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Reinecke. Wir dürfen bei uns Schülerinnen und Schüler des Trudeau-Gymnasiums in Barleben begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn all denen danken, die seit der ersten Lesung dieser Gesetzesnovelle Klarstellungen und Verbesserungen in dem Gesetzentwurf vorgenommen haben. Der Dank der SPD-Fraktion gilt insbesondere dem Kultusminister und seinen Fachleuten sowie allen Fachpolitikern dieses Hauses, die Sachverhalte und Formulierungen hinterfragt und neue Vorschläge eingebracht haben.