Protocol of the Session on October 18, 2012

Wie sensibel die Böden auf menschliche Eingriffe reagieren können, haben schon die Griechen in der Antike erfahren müssen. So hat der Raubbau in den Urwäldern in Griechenland ganze Küstenregionen in karge Landschaften verwandelt. Der Prozess der Bodenneubildung und die Wiederbesiedlung durch Wälder ist extrem langwierig, sodass sich an dem kargen Landschaftsbild auch in diesem Jahrtausend wahrscheinlich nur wenig ändern wird. - Das war ein kurzer Exkurs in die Geschichte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Böden sind entsprechend den natürlichen Gegebenheiten gegenüber der Erosion sehr unterschiedlich gefährdet. Um zielgerichtete Maßnahmen gegen eine extreme Erosion ergreifen zu können, ist es deshalb sinnvoll, den potenziellen Bodenabtrag zu ermitteln. So wurde im Jahr 2004 die Einführung eines bundesweiten Erosionskatasters beschlossen. Danach wird auf der Basis festgelegter Kriterien wie Bodenerodierbarkeit, Hangneigung und Windgeschwindigkeit das Erosionskataster erstellt.

Für Sachsen-Anhalt hat diese Aufgabe die Landesanstalt übernommen. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass 10 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche einer sehr hohen und 16 % einer hohen potenziellen Gefährdung durch Wassererosion ausgesetzt sind. Bei 4 % der Flächen ist das Gefährdungspotenzial durch Winderosion hoch und bei 3 % ist es sehr hoch. Insgesamt sind somit ca. 150 000 ha an landwirtschaftlicher Fläche in Sachsen-Anhalt hoch erosionsgefährdet.

Von den Flächen können bei extremen Wetterereignissen Gefahren und Schadenswirkungen ausgehen. Welche Ausmaße diese neben der Minderung der Bodenfruchtbarkeit haben, konnten wir uns im vergangenen Jahr in Riestedt vor Augen führen. Wir mussten feststellen, dass im Bereich der Gefahrenvorsorge und Gefahrenabwehr akuter Handlungsbedarf besteht.

Die unteren Bodenschutzbehörden haben in Zusammenarbeit mit den Ämtern für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten im zurückliegenden Jahr mehr als zehn Fälle im Rahmen der bodenschutzrechtlichen Gefahrenabwehr bearbeitet. Da

bei wird das Ziel verfolgt, einen möglichst weitgehenden Rückhalt der Niederschläge und des Bodenmaterials in der landwirtschaftlich genutzten Fläche zu erreichen. Oftmals sind es historische Fehlentwicklungen in der Flurgestaltung, zum Beispiel hinsichtlich der Schlaggröße und der Beseitigung von Flurgehölzen, die eine extreme Erosionsgefährdung begünstigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun reicht es natürlich nicht aus, Erosionsschutzmaßnahmen im Rahmen der Gefahrenabwehr umzusetzen. Vielmehr muss es darum gehen, den Umfang der sehr hoch erosionsgefährdeten Flächen durch ein Bündel an Maßnahmen zu minimieren. Dazu ist es erforderlich, die Rahmenbedingungen zielorientiert zu gestalten und die Landwirte, Unterhaltungspflichtigen und Kommunen bei der Umsetzung der Erosionsschutzmaßnahmen zu unterstützen.

Die Landesregierung beabsichtigt, hierzu eine interministerielle Arbeitsgruppe einzurichten, was wir ausdrücklich begrüßen; denn wir sehen die Notwendigkeit eines ressortübergreifenden Ansatzes insbesondere auch im Hinblick auf das MLV, das Innenministerium, das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft und natürlich nicht zuletzt hinsichtlich des Ministeriums der Finanzen.

Angesichts der Bedeutung des Erosionsschutzes für die Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen halten die Regierungsfraktionen eine parlamentarische Begleitung dieses Prozesses für angemessen. In diesem Sinne sollten sich zumindest der Landwirtschaftsausschuss, der Umweltausschuss, der Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr und der Zeitweilige Ausschuss für Grundwasserprobleme mit der Planung, Finanzierung und Umsetzung von Erosionsschutzmaßnahmen beschäftigen. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Barth, für die Einbringung und für die Geduld, die Sie bei dem Gemurmel hier im Haus bewiesen haben.

Wir treten nunmehr in die vereinbarte Fünfminutendebatte ein. Zunächst spricht die Landesregierung. Danach sprechen die Fraktionen in der Reihenfolge DIE LINKE, CDU, GRÜNE und SPD. Für die Landesregierung spricht Umweltminister Herr Aeikens.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Spätestens seit dem Massenunfall nach einem Sandsturm auf der Autobahn A 19 im Früh

jahr 2011 in Mecklenburg-Vorpommern ist Erosion kein Thema mehr nur für Landwirtschafts- und Umweltpolitiker. Es hat eine politische Dimension bekommen und wir müssen das Thema ressortübergreifend anpacken.

Die Nachrichten über Sturmböen, die mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h riesige Sandwolken aufwirbelten, sind uns noch in Erinnerung. Die Bilanz war verheerend. Ein Gefahrguttransporter, zwei weitere Lastkraftwagen und 27 Autos gingen in Flammen auf. In dem Inferno kamen acht Menschen zu Tode und 131 wurden verletzt, zum Teil schwer.

Mit ähnlichen Situationen müssen auch wir vermehrt rechnen. Die Wetterextreme können wir zwar nicht verhindern. Wir können und müssen uns aber entsprechend vorbereiten und versuchen, das Gefahrenpotential zu verringern.

Auch in Sachsen-Anhalt mussten viele Menschen am eigenen Leib oder im eigenen Umfeld erfahren, wie zerstörend die Kräfte der Natur sein können. So haben die im August und September 2011 in Sachsen-Anhalt verstärkt aufgetretenen Extremwetterereignisse in den Landkreisen MansfeldSüdharz, Harz und Salzlandkreis zu hohen Schäden insbesondere durch Abschwemmungen und Bodenerosionen geführt. Ich denke hierbei insbesondere an den Ort Riestedt im Kreis Mansfelder Land.

Als für Landwirtschaft und Umwelt verantwortlicher Minister ersehe ich daraus für mich einen klaren Auftrag. Wir müssen die Menschen in unserem Land verstärkt über die Auswirkungen des Klimawandels und über die auftretenden Wetterphänomene informieren und sie dafür sensibilisieren. Wir werden im Rahmen unserer Möglichkeiten alles daran setzen, die Gefahrenvorsorge zu verbessern und die Menschen zu schützen.

Das Kabinett hat das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt sowie das Ministerium für Inneres und Sport beauftragt, eine langfristig vorbeugende Strategie zur Vermeidung von Folgeschäden durch Unwetter und Bodenerosion zu erarbeiten. Ähnlich wie beim Umgang mit dem Thema Vernässungen wollen wir auch hierbei grundsätzliche Lösungswege finden und die Problemstellung mit all ihren Facetten analysieren. Schnellschüsse bringen niemandem etwas. Mit Aktionismus helfen wir den Menschen nicht. Hiermit schüren wir nur Ängste und Erwartungshaltungen.

Wir brauchen einen nachhaltigen Ansatz mit komplexen Lösungen. Eine unter der Federführung des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt erarbeitete Vorlage zum Erosionsschutz für den ländlichen Raum Sachsen-Anhalts wurde dem Kabinett im September 2012 vorgestellt.

Mit diesem Konzept verfügen wir über eine umfassende Handlungsstrategie zum Erosionsschutz im

ländlichen Raum. Es umfasst dabei den Handlungsbedarf sowie die Handlungsfelder zur Vermeidung bzw. Verminderung von Bodenerosion. Es konzentriert sich dabei auf die landwirtschaftlich genutzten Flächen, von denen ein besonders hohes Gefahrenpotential ausgeht. In Sachsen-Anhalt sind ca. 150 000 ha erosionsgefährdet, meine Damen und Herren.

Das Konzept des Landes beinhaltet Empfehlungen sowohl für kurz- als auch für mittel- und langfristige Maßnahmen im Bereich der Bodennutzung. Das Erosionskonzept soll damit auch zu einem regionalen Instrument für die Risikominimierung im Rahmen der Strategie zur Anpassung an den Klimawandel entwickelt werden.

Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass alle ergriffenen oder noch durch die Landesregierung und die Behörden noch zu ergreifenden Maßnahmen die Gefahr nie restlos beseitigen können. Im Rahmen einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit muss auch auf eine private Risikoabsicherung als ein Bestandteil der Vorsorge orientiert werden.

Neben der konzeptionellen Arbeit wurden bereits Maßnahmen ergriffen. Durch einen Erlass des MLU vom Dezember 2011 wurde geregelt, wie bei Anhaltspunkten für schädliche Bodenveränderungen aufgrund von Bodenerosion zu handeln ist. Durch die unteren Bodenschutzbehörden wurden unter Beteiligung der Ämter für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten bisher mehr als zehn entsprechende Fälle bearbeitet, vorwiegend im Kreis Mansfeld-Südharz und im Salzlandkreis.

Dabei richtet sich die bodenschutzrechtliche Gefahrenabwehr auf die Vermeidung künftiger schädlicher Bodenveränderungen. Dabei können Verbesserungen der landwirtschaftlichen Bodennutzung erforderlich sein.

In dem besonders betroffenen Ort Riestedt führen wir ein Pilotvorhaben durch. Hier werden die gesammelten Erfahrungen für langfristige und komplexe Anpassungsmaßnahmen und den Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels durch die zuständigen Behörden der verschiedenen Ebenen ausgewertet, weiterentwickelt und erprobt.

Meine Damen und Herren! Ihnen ist bekannt, dass Maßnahmen zur Abwendung von Schäden und Gefahren durch Vernässungen und Erosion im Rahmen der Erweiterung des Sondervermögens Altlasten mit 30 Millionen € gefördert werden können. Ein Teil der zu erwartenden Kosten kann somit aus diesem Teilvermögen bestritten werden.

Bisher wurden hier 63 Anträge mit einer Gesamtantragssumme von ca. 10,7 Millionen € gestellt und 32 Anträge genehmigt. Im Zusammenhang mit Erosionsschutzmaßnahmen wurden bisher fünf Anträge gestellt und bewilligt. Ein Antrag wird derzeit noch geprüft.

Zur Finanzierung der Projekte und Maßnahmen ist weiterhin die Nutzung von Fördermitteln der Europäischen Union, des Bundes und des Landes vorgesehen mit Schwerpunktsetzung in der Förderperiode 2014 bis 2020. Dafür werbe ich hier im Hohen Haus ausdrücklich um Ihre Unterstützung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Niemand kann garantieren, dass Ereignisse, wie sie im Raum Bernburg und in Riestedt stattgefunden haben, nicht mehr vorkommen. Umso mehr müssen wir uns mit möglichen Extremwetterereignissen sowie deren Folgen und Ursachen beschäftigen und hieraus lernen. Ich danke den Regierungsfraktionen sehr für die Thematisierung dieser wichtigen Aufgabe und freue mich auf eine Vertiefung dieser Thematik in den Ausschüssen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht nunmehr der Abgeordnete Herr Dr. Köck.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Barth hat den Bogen von der Antike bis in die Jetztzeit gespannt und deutlich gemacht, dass die Bodenerosion seit Menschengedenken ein Problem dargestellt hat.

Auch in den Landesentwicklungsplänen SachsenAnhalts sind seit vielen Jahren entsprechende Ziele und Grundsätze zur Vermeidung von Bodenerosion enthalten. Die erzielte Wirkung war allerdings bescheiden. Warum? - Das ist die entscheidende Frage.

Der Kenntnisstand der Bevölkerung über den Boden ist allgemein nur gering, was dazu geführt, dass dieser überwiegend nur zweidimensional als Fläche wahrgenommen wird. Eine gesellschaftliche Bewertung erfolgt allenfalls hinsichtlich der Bodenfruchtbarkeit. Die übrigen Funktionen des Bodens werden weitgehend eben nicht in Wert gesetzt, sodass ein Verkauf als Bauland deshalb deutlich attraktiver ist als mühsamer Ackerbau.

Dieser Trend wird sogar rechtlich durch das Baugesetzbuch noch unterstützt, das ein ganzes Spektrum von Maßnahmen enthält, um einen störrischen Landbewirtschafter zur Hergabe seines Ackers zu veranlassen, bis hin zur Enteignung.

Das Bodenbewusstsein ist selbst bei denjenigen, für die der Boden die wirtschaftliche Grundlage darstellt, häufig unterentwickelt. Denn wenn in Sachsen-Anhalt alles paletti wäre, brauchten wir uns heute nicht mit einem Konzept gegen Bodenerosion zu befassen.

Um nicht missverstanden zu werden: Wir begrüßen das Vorhaben eines solchen Konzepts ausdrücklich. Bedauerlich ist nur, dass es dazu erst der Unwetter im September 2011 als finalem Anstoß bedurfte. Das ist eine lapidare Feststellung, nicht ein Vorwurf.

Die gute landwirtschaftliche Praxis setzt sich nicht im Selbstlauf durch. Nicht umsonst macht die EU deren Einhaltung zur Vorbedingung für den Erhalt von Direktzahlungen.

Ein wesentliches Ziel von Cross Compliance ist gerade der Schutz des Bodens vor Erosion. Einer der Forderungen der EU nach der Einteilung der landwirtschaftlichen Flächen in Gefährdungskategorien ist das Land mit der Erosionsschutzverordnung vom 18. Februar 2010 nachgekommen.

An der Erosionsschutzkonzeption ist, soweit das nach den mir zugänglichen Unterlagen bereits beurteilt werden kann, fachlich nichts auszusetzen.

Woran hat es aber gelegen, dass es trotz des wissenschaftlichen Vorlaufs Sachsen-Anhalts - ich verweise nur auf den Agraratlas aus den 90er-Jahren und speziell auf die Konferenz zur Bodenerosion vom 20. Februar 2008 - so lange gedauert hat, die Erosionsproblematik nunmehr auch auf die Tagesordnung der Agrar- und Umweltpolitik zu setzen?

Herr Minister Aeikens hat zum Beispiel die Staubstürme in Mecklenburg-Vorpommern genannt. Doch Flurordnungsneuverfahren werden allein nicht ausreichen. Angesichts des Umfangs der erosionsgefährdeten Flächen benötigen wir schätzungsweise 100 Jahre, um die gesamte Fläche derartig zu bearbeiten.

Die LINKE schlägt deshalb vor - ich habe gehört, darin sind wir eigentlich d’accord -, die EU-Strukturfonds in der Förderperiode 2014 bis 2020 möglichst unmittelbar und umfassend zu nutzen. Das ist aber, soweit aus den Unterlagen für die neue Förderperiode ersichtlich, bisher noch nicht der Fall. Die Bekämpfung der Ursachen für die Entstehung von Hochwasser im Einzugsgebiet muss zu einem der fondsübergreifenden Schwerpunkte gemacht werden.

Nach der Konzentration von Haushalts- und Fördermitteln auf den technischen Hochwasserschutz ist es höchste Zeit, das öffentliche Interesse auf die Vorsorge im Einzugsgebiet zu richten. Aber ohne haushaltsmäßige Untersetzung wird das Erosionskonzept eine Wirkung wie der LEP entfalten.

Ein vorderer Platz auf der Tagesordnung des Landtages reicht nicht aus, so positiv es einzuschätzen ist, dass wir mit so einem Thema hier an dritter Stelle landen.

Insgesamt ist einzuschätzen, dass wir Schwerpunkte bilden müssen. Wir dürfen den Erosions

schutz nicht nur singulär begreifen, sondern wir müssen ihn in den Zusammenhang mit den Forderungen der Wasserrahmenrichtlinie stellen. - Recht schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Köck. - Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Stadelmann.