Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns ein ordentliches Tagwerk vorgenommen und wollen damit beginnen, es abzuarbeiten. Hiermit eröffne ich die 32. Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Dazu begrüße ich herzlich alle Mitglieder des Hohen Hauses und die Gäste, die uns heute bereits am Morgen begleiten. Herzlich willkommen im Haus!
Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung liegen vor. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2012 bat die Landesregierung, für die 18. Sitzungsperiode folgende Mitglieder zu entschuldigen:
Frau Ministerin Professor Dr. Kolb bittet ihre Abwesenheit in der heutigen Sitzung ab 12 Uhr wegen der Teilnahme an der Sitzung des Richterwahlausschusses in Berlin zu entschuldigen.
Herr Minister Dorgerloh entschuldigt sich für beide Sitzungstage ganztägig aufgrund der Teilnahme an der 399. Sitzung der Kultusministerkonferenz.
Die Fraktion der CDU hat fristgemäß einen Antrag für die Aktuelle Debatte eingereicht. Der Antrag liegt in Drs. 6/1514 vor und wurde unter Tagesordnungspunkt 22 auf die Tagesordnung genommen. Nach einer Vereinbarung der parlamentarischen Geschäftsführer soll die Beratung am Freitag an erster Stelle erfolgen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.
Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann kann ich feststellen, dass wir die Tagesordnung so abarbeiten, wie sie Ihnen vorliegt.
Zum zeitlichen Ablauf der 18. Sitzungsperiode noch ein letzter Hinweis an dieser Stelle. Am heutigen Abend findet in unserem Haus eine parlamentarische Begegnung mit der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt und dem VDI-Landesverband SachsenAnhalt statt. Dies wird im Raum B0 05 verortet sein sowie im Ostflügelflur.
Wir können Gäste begrüßen. Bitte begrüßen Sie herzlich Damen und Herren des 1. Logistikbataillons 171 der Clausewitz-Kaserne Burg als Gäste der Landeszentrale für politische Bildung. Herzlich willkommen im Haus!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gemäß Artikel 54 Abs. 1 der Landesverfassung hat der Landtag das Recht und auf Antrag von mindestens einem Viertel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Dieser Regelung entspricht auch die Bestimmung des § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen. Die Voraussetzung für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses liegt vor.
Die Technik würde ich freundlich bitten, sofern es unsere marode alte Technik zulässt, den Pegel etwas anzuheben. Bei mir ist momentan nicht mehr drin - lautstärkemäßig, wohlgemerkt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum ersten Mal in der sechsten Legislaturperiode steht die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses bevor. Durch ihn erhalten wir die Möglichkeit, unabhängig und selbständig die Sachverhalte zu prüfen, die wir in Erfüllung unseres Verfassungsauftrages als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig erachten. Das betrifft insbesondere in den Verantwortungsbereich der Regierung und ihrer nachgeordneten Behörden fallende Vorgänge, die auf mögliche Missstände hindeuten.
Man darf an dieser Stelle jedoch nicht vergessen, dass ein Untersuchungsausschuss weder ein wissenschaftliches Forschungsprojekt noch ein Gericht ist, vor dem es ausschließlich darum geht, möglichst objektive Fakten zu erheben und nach juristischen Gesichtspunkten Recht zu sprechen.
Untersuchungsausschüsse sind letztlich - das ist die Praxis, die wir in den letzten Jahren immer wieder geübt haben - politische Gremien, in denen die politische Beurteilung der Fakten die Hauptrolle spielt. Im Kern geht es darum, mögliche Pflichtverletzungen, Verfahrensfehler, Fehlentscheidungen, Organisationsmängel oder sonstige Missstände
und Unzulänglichkeiten im Bereich der Fördermittelvergabe und -verwendung im Verantwortungsbereich der Regierung und der ihr nachgeordneten Behörden aufzuklären.
Als Untersuchungsgegenstand stehen keine aktuellen Ereignisse an. Untersuchungsgegenstand sollen Vorgänge um Fördermittelvergaben sein, die Jahre zurückliegen und dennoch Konsequenzen bis in die Gegenwart haben.
Im Februar 2010 wurden in den Medien nach Hausdurchsuchungen Informationen über einen möglichen Fördermittelskandal öffentlich gemacht. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Vorgänge bereits wesentlich früher festgestellt worden waren. Bereits im Sommer 2008 begannen IHKinterne Recherchen, weil eventuelle Unregelmäßigkeiten im Bildungszentrum Dessau aufgefallen waren.
Im September 2008 hat auch das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit im Rahmen einer ebenfalls internen Arbeitsgruppe zur Prüfung der Vergabe von EU-Mitteln bei einzelnen Förderprojekten Tatbestände bei Firmen festgestellt, die zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren führten. In Rede stehen etwa 4 Millionen € an zu Unrecht ausgezahlten Fördermitteln.
Übrigens hat eine solche EU-Prüfungsgruppe im Februar 2008 angemerkt, dass es auch bei Fördermittelvergaben in der Forschungslandschaft Probleme gebe. Der Landesrechnungshof und die Staatsanwaltschaft haben dies ab Mai 2008 geprüft und der Landesrechnungshof den Fall in einer Prüfungsmitteilung im Jahr 2009 aufgearbeitet. Im November 2010 sind die Probleme von den Medien aufgegriffen worden. Hier wurde von einem angeblichen Schaden in Höhe von 4,4 Millionen € gesprochen.
Die öffentlich bekannt gewordenen Vorgänge hinsichtlich eines möglichen Fördermittelskandals in Sachsen-Anhalt haben die Notwendigkeit einer konsequenten und vollständigen Aufklärung deutlich gemacht.
Die bisherigen Erklärungen und Aussagen der Landesregierung zu den Vorgängen einschließlich der getroffenen Bewertungen und gezogenen Konsequenzen konnten das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit an der vollständigen Aufklärung der Sachverhalte nicht befriedigen und sind als nicht hinreichend anzusehen.
Herr Kollege Fraktionsvorsitzender Schröder sagte in der Aktuellen Debatte im Juli 2012 zu diesem Thema - ich zitiere -:
„Warten wir die Ermittlungen ab. Versachlichung und Aufklärung sind das Gebot der Stunde, aber nicht die Instrumentalisierung der Öffentlichkeit.“
Lieber Herr Kollege Schröder! Der Untersuchungsausschuss als parlamentarischer Ausschuss dient genau der Untersuchung der Sachverhalte, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt.
Das wichtigste Druckmittel eines Untersuchungsausschusses ist es nun einmal, Öffentlichkeit herzustellen.
Was sagt die Öffentlichkeit bis jetzt zu diesen Vorgängen? - Die Medien betiteln die Vorgänge als „Skandal“, als so genannten „Fördermittelskandal“. Sie sprechen davon, dass ein kriminelles Netzwerk in Sachsen-Anhalt staatliche Fördermittel jahrelang missbräuchlich verwendet habe. Firmen sollen Fördermittel für Qualifizierungsmaßnahmen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kassiert haben. Doch statt entsprechende Kurse durchzuführen, sollen Teilnehmerlisten gefälscht worden sein.
Dieses Netzwerk soll vom Wirtschaftsministerium dieses Landes über die öffentlich-rechtliche Körperschaft IHK in Dessau bis hin zu einer Vielzahl von privaten Firmen, die darin verstrickt sind, reichen. Es war ganz offensichtlich keine Einzeltat, sondern die Tat eines weit verzweigten Netzwerks mit politischer Dimension. Dessen politische Dimension bestand außerdem darin, dass Spendengelder für einen CDU-Kreisverband abgezweigt worden sein sollen.
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss soll insbesondere untersuchen, inwieweit durch Agieren oder auch Nichtagieren von Vertreterinnen der Landesregierung, der Landesministerien und der nachgeordneten Behörden oder infolge fehlender Kontrollmechanismen Fördermittel der Europäischen Union, des Bundes und des Landes nicht rechtskonform gewährt und vergeben wurden.
Der Ausschuss soll sich für den Zeitraum von 2004 bis Juli 2012 mit verschiedenen Sachverhalten beschäftigen.
Er soll erstens aufklären, ob und in welchem Umfang durch Handeln oder Unterlassen der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft - ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit - und der nachgeordneten Behörden bei der Gewährung und Vergabe von beantragten Fördermitteln und bei der Verwendungskontrolle gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen wurde sowie Fördermittelvergaben einschließlich des Bewertungsverfahrens als nicht rechtmäßig oder willkürlich einzuordnen sind oder aufgrund unzulässiger mittelbarer oder unmittelbarer Beeinflussung des Verfahrens erfolgten.
Der Ausschuss soll drittens klären, ob aufgrund eines ungenügenden Kontrollmechanismus oder der Nichteinhaltung vorgeschriebener Kontrollen seitens der Landesregierung in den genannten Bereichen eine rechtswidrige Fördermittelvergabe oder -verwendung begünstigt oder ermöglicht wurde.
Der Ausschuss soll viertens klären, ob und in welchem Umfang Handeln oder Unterlassen der Landesregierung sowie der nachgeordneten Behörden im Rahmen der Fördermittelvergaben dazu geführt hat, dass Spendenleistungen, Provisionen oder andere finanzielle Zuwendungen oder Vorteile durch Fördermittelbegünstigte vor oder nach den Fördermittelvergaben an Mitglieder der Landesregierung Sachsen-Anhalt oder ihr nahe stehende Personen oder Organisationen getätigt wurden und somit ein ursächlicher oder ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Fördermittelvergabe und einer Geldspende oder einer anderen finanziellen oder geldwerten Zuwendung hergestellt werden kann sowie ob Dozentenverträge mit dem IHK-Bildungszentrum Halle-Dessau zu marktunüblichen Konditionen oder als Scheinverträge abgeschlossen wurden oder ob im Zusammenhang mit Informationsveranstaltungen der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH Spenden oder sonstige Zuwendungen geleistet wurden.
Der Ausschuss soll fünftens klären, ob die Landesregierung und insbesondere das Ministerium für Justiz und Gleichstellung sowie das Ministerium für Inneres und Sport alles getan haben, um zu einer zügigen und umfassenden Aufklärung von möglichen Förderbetrugsfällen beizutragen, insbesondere mittels einer ausreichenden personellen Ausstattung der Ermittler, hierbei insbesondere Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt, die Ermittlungen erfolgversprechend durchführen und zeitnah abschließen zu können.
Deshalb sollen im Ausschuss auch der Wechsel des seit 2008 in den möglichen Fördermittelbetrugsfällen ermittelnden Staatsanwaltes von der Staatsanwaltschaft Halle zum Finanzgericht Sachsen-Anhalt seit dem 2. Juli 2012, einschließlich der generellen personellen Ausstattung des Ermittlerteams, untersucht werden.
Nach vier Jahren, im Sommer 2012, sind die ersten Urteile in dieser Angelegenheit von dem Verwaltungsgericht in Halle gesprochen worden. Dennoch ist im Ausschuss nicht die Fragestellung interessant, mit welcher Intensität wurden die Ermittlungen geführt, sondern die Fragestellung, mit welcher Intensität konnten überhaupt die Ermittlungen geführt werden.
Die Untersuchung soll sich vor allem auf Verwaltungsvorgänge, welche die Vergabe und Verwendung von Fördermitteln im Raum Dessau-Roßlau,
im Landkreis Wittenberg sowie im Landkreis Mansfeld-Südharz betreffen, und auf die Vernehmung der mit den Sachverhalten in Berührung kommenden Beteiligten erstrecken. In die Klärung sind insbesondere die im Antrag aufgezählten Sachverhalte einzubeziehen.