gehen die Menschen in Rente, die infolge von Hartz IV und all diesen Dingen - prekäre Beschäftigung, ABM-Jobs - überhaupt nicht in der Lage sein werden, auch nur dieses Niveau zu erreichen. Das trifft im Wesentlichen wieder Frauen. Auch Teilzeitstellen werden in überproportionaler Weise von Frauen wahrgenommen.
Ein weiteres Feld, das in der Debatte überhaupt noch nicht angesprochen wurde, ist die Gesundheitsprävention, denn insbesondere frühverrentete Menschen rutschen sehr schnell in Altersarmut. Da haben wir eine Spirale, die sich gegenseitig bedingt: Körperlich anstrengende Berufe, beispielsweise im Baugewerbe, im produzierenden Gewerbe, in der Alterspflege sind körperlich sehr anspruchsvoll und mit sehr niedrigen Löhnen verbunden. Dann frühzeitig in Rente zu gehen zieht sofort Altersarmut nach sich. Insofern sind betriebliche Gesundheitsvorsorge und auch staatliche Gesundheitsvorsorge auch eine Frage der Armutsprävention.
Aber auch wenn man an das andere Ende der Lebensspanne schaut, also an das Kindheits- und Jugendalter, kann man etwas gegen Armut tun.
Der Kinderreport des Deutschen Kinderhilfswerkes, der in diesem Jahr erschienen ist, zeigt sehr deutlich, wie eine verstärkte Beteiligung von Kindern zur Armutsbekämpfung beiträgt. Die Studie führt dezidiert aus, dass eine frühe Beteiligung den Kreislauf von Vererbung von Armut durchbrechen kann.
Eigeninitiative, die Übernahme von Verantwortung und Selbstermächtigung versetzen die Kinder in die Lage, die Folgen von sozialer Benachteiligung zu kompensieren. Auch das ist ein Grund, warum wir GRÜNE uns für mehr Mitbestimmung und für mehr Partizipation auch im Kifög einsetzen.
Die Aspekte, dass gute Bildung die beste Armutsprävention ist, dass gute Ausbildung für alle und die Stärkung der dualen Ausbildung zur Armutsprävention beitragen, möchte ich aufgrund der Kürze der Zeit lediglich streifen.
Zur privaten Altersvorsorge habe ich bereits einiges gesagt. Hierzu kann man zum Beispiel das Gutachten des Sachverständigenrates für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung aus dem Jahr 2007 heranziehen. Dieses Gremium, das sicherlich unverdächtig ist, grüne Positionen zu kolportieren, hat genau dies dezidiert dargelegt.
Wir stimmen auch nicht ganz mit dem überein, was in dem seniorenpolitischen Programm „Aktiv und selbstbestimmt“ empfohlen wird. Darin wird empfohlen, die private Altersvorsorge zu stärken.
- Dazu komme ich jetzt. - Daher ist in den grünen Rentenplänen die Angleichung der Renten in Ostdeutschland ein wichtiger Punkt. Das habe ich in diesem Haus bereits ausgeführt.
Ich möchte die Stichworte noch einmal nennen. Wir sind selbstverständlich dafür, dass der Rentenwert Ost auf den Rentenwert West angehoben wird. Dies sollte nicht irgendwann geschehen, sondern jetzt, und zwar in einem Zug. Ich hatte auch erläutert, wie das möglich gemacht werden kann.
Dabei sind alle maßgeblichen Größen aus unserer Sicht entscheidend, die für die Entstehung und Berechnung der Rente relevant sind. Diese müssen vereinheitlicht werden: Rentenwert, Entgeltpunkte und Beitragsbemessungsgrenze.
Ich habe angesichts der Diskussionen, die auf der Bundesebene hierzu geführt werden, allerdings wenig Hoffnung, dass das in der nächsten Zeit passieren wird. Diese Diskussionen gehen aus meiner Sicht in die völlig falsche Richtung, weil sie viel zu wenige Menschen als Anspruchsberechtigte ansprechen. Die Modelle hinsichtlich der Zuschussrente sind nicht der richtige Weg.
Wir GRÜNE stehen dafür, die Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung umzubauen. In diese Bürgerversicherung sollen alle einzahlen, unabhängig davon, ob sie Angestellte, Selbständige oder Beamte sind. Aus dieser Bürgerversicherung wird eine Garantierente gezahlt und jeder Mensch erhält 850 €. Dieses Geld erhält man ohne die von Minister Bischoff dezidiert ausgeführte Bedarfsprüfung.
Ich glaube, es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass dieses reiche Land allen Menschen einen Grundstock zur Verfügung stellt, um im Alter nicht von Armut betroffen zu sein.
Ich glaube, dass eine solche Garantierente auch geeignet ist, Stigmatisierung abzubauen und die Hürden der Unkenntnis zu nehmen. Bei einer Garantierente müsste nicht mehr das umfangreiche Antragsverfahren durchlaufen werden. Zudem würden die Barrieren in Bezug auf Scham und Unwissenheit in sich zusammenfallen.
Ich sehe, dass das Ende meiner Redezeit erreicht ist. Abschließend möchte ich noch einen mir wichtigen Aspekt ansprechen. Dieser Aspekt ist im Hinblick auf die Altersarmut sehr relevant, hat aber direkt nichts mit Geld zu tun.
Vereinsamung, so finde ich, ist auch ein Zeichen von Armut. Wenn die Menschen nicht einmal mehr das Geld haben, um ihre Kinder am anderen Ende von Deutschland besuchen zu können - viele von Ihnen wissen, was eine Fahrkarte nach München kostet -, dann ist das, so finde ich, auch ein Armutszeugnis für dieses Land. Wir Demokraten und Menschen, denen Gerechtigkeit wichtig ist, sollten endlich Konzepte auf den Tisch legen und diese dann auch umsetzen.
Wir alle müssen an unsere Bundespolitiker appellieren, dass die Aspekte, die hier besprochen werden und die gut und richtig sind, auf der bundespolitischen Ebene endlich umgesetzt werden. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das Thema eignet sich wirklich nicht für einen Schlagabtausch. Wenn man einmal schaut, wen dieses Thema in der Bevölkerung betrifft, dann kann man feststellen, dass die ganz alten Menschen, die bereits Rente beziehen, an einem Schlagabtausch nicht interessiert sind, sondern dass sie eine Angleichung der Renten im Osten haben wollen. Diejenigen, die kurz vor dem Renteneintritt stehen, hoffen, dass sie überhaupt ihre Existenz sichern können. Bei ihnen geht es nicht darum, ob sie reisen können oder wie viel sie reisen können. Die jungen Leute haben Angst, dass sie so viel zahlen müssen, dass ihr Lebensstandard in der Zeit, in der sie eine Familie zu betreuen haben, ins Schwanken gerät, wenn alles nur darüber bezahlt werden soll.
Das ist wirklich ein sehr schwieriges Thema. Ich glaube, alle Parteien sollten aufhören, die Illusion zu verbreiten, dass wir allen Lebensleistungen gerecht werden können, dass wir alle Arbeitswelten abbilden können und dass wir alle Lebensarbeitszeiten so anrechnen können, dass das ganz gerecht ist.
Ich glaube nicht, dass es so etwas wie ein jeder individuellen Situation gerecht werdendes Rentensystem geben wird, so sehr wir uns alle mühen und so sehr wir auch versuchen, möglichst wenig Ungerechtigkeiten in dieses hineinzubringen. Das sollten wir zumindest akzeptieren.
Auch den Anspruch, den, so glaube ich, alle Parteien haben, zu versuchen, größere Gruppen von Menschen zusammenzufassen und halbwegs vernünftige Lösungen zu erarbeiten, sollten wir ernst nehmen.
Das Thema Altersarmut ist eigentlich das Thema Existenzsicherung im Alter. Diese Thematik korrespondiert mit dem am gestrigen Tag behandelten Tagesordnungspunkt zum Thema Mindestlohn; das ist richtig. Norbert Blüm hat es sicherlich völlig ernst gemeint, als er sagte, die Renten seien sicher. Davon war er damals fest überzeugt.
Aber dieses Thema Rente entwickelt sich angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen weiter. Daher würde ich heute niemandem mehr raten zu sagen, die Rente sei sicher. Das Thema ist zwar nicht neu und es wird nie neu sein, weil es immer auf der Tagesordnung steht, aber ist es ist immer aktuell. Das ist der Unterschied in der Einschätzung.
Ich möchte eine weitere Vorbemerkung machen. Dass wir das Thema heute im Landtag behandeln, haben wir und auch andere Landtage der Situation zu verdanken, dass DIE LINKE in Berlin, ich glaube, vorgestern ihr Rentenkonzept vorgestellt hat. Das wussten Sie bereits. Deshalb ist die Debatte zum heutigen Zeitpunkt angestrengt worden. In diesen Kontext müssen wir die heutige Debatte auch einordnen.
- Das ist nicht ehrenrührig; kein Problem. Ich will nur sagen, dass das die Aktualität ist. Denn in Wirklichkeit ist das Thema zu jedem Tag und zu jeder Stunde aktuell.
Selbst wenn wir ein Rentensystem gefunden haben, mit dem wir große Ungerechtigkeiten ausmerzen können, wird sich die gesellschaftliche Entwicklung wieder voranbewegen und wir werden in fünf, vier oder drei Jahren wiederum neu darüber nachdenken müssen.
Armut im Alter hat mittelbar und unmittelbar nicht nur etwas mit Rente zu tun, sondern sie hat mittelbar und unmittelbar etwas mit dem Erwerbsleben zu tun. Das haben meine Vorredner bereits gesagt.
Wenn wir dafür sorgen könnten, dass es wieder mehr Menschen gibt, die mit einem vernünftigen Familieneinkommen oder Singleeinkommen - je nachdem, wie sie leben - leben, vernünftige Rentenbeiträge zahlen und vielleicht auch noch vorsorgen können, dann hätten wir einen großen Teil erreicht, und ein großer Posten, über den wir uns keine Gedanken mehr machen müssten, wäre erledigt.
Wir brauchten dann nicht mehr zu fragen, ob es eine Zuschussrente, eine Solidarrente oder eine Aufstockerrente geben wird. Das wäre der beste Weg für alles. Ich denke, wir sollten nicht nachlassen, Kraft in dieses Ziel zu stecken.
Mit der gestrigen Debatte über den Mindestlohn haben wir einen Anfang gemacht. Wir wissen, dass ein Mindestlohn nicht zu einer existenzsichernden Rente beiträgt. Aber es wäre ein Anfang.
Das Armutsrisiko, das die heute 65-Jährigen betrifft, stellt sich noch wie folgt dar: In den ostdeutschen Bundesländern beträgt dieses Risiko 10 %, in den westdeutschen Ländern liegt es bei 13 %. Das liegt an den DDR-Biografien. Das liegt an den Doppelverdienerhaushalten und damit auch den heutigen Doppelrentnerhaushalten.
Dieses Verhältnis kippt aber sehr schnell. Das liegt wiederum daran, wie sich die Arbeitswelt und die Erwerbstätigkeit seit dem Jahr 1990 entwickelt haben. Zukünftig, und zwar in naher Zukunft - wir sind über die schwierigen Verhältnisse in der Arbeitswelt bereits 22 Jahre hinweg -, wird die Altersarmut ostdeutsch sein und vor allem wird sie weiblich sein. Diesen Aspekt müssen wir in unseren Konzepten berücksichtigen: An erster Stelle ist die Altersarmut weiblich.
Das liegt daran, dass sehr viele Frauen, und zwar mehr als Männer, in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind und dass sie oft die Zuverdiener sind. Wenn wir das nicht ändern, dann haben wir alle ein riesiges Problem. Wir werden es in der Tat nur damit verändern können, dass man überhaupt in die Lage versetzt wird, einen vernünftigen Rentenanspruch zu erwerben.
Die Armutsquote beträgt in Sachsen-Anhalt 58,9 %. Deutschlandweit liegt diese Quote bei 40,1 %. An diesen Zahlen sieht man den dramatischen Unterschied. Eine Quote von 40 % ist auch viel zu hoch. Ich mag dafür eigentlich keine Zahl nennen, ab der man sagt, das ist ein Risiko. Eigentlich ist jeder zu viel, der von Armut betroffen ist.
Jedes dritte Kind in Sachsen-Anhalt gilt als arm. Das pflanzt sich in den Generationen oftmals fort. Wir wissen, womit wir rechnen müssen und wofür wir Lösungen finden müssen.
Eine tragische statistische, aber leider bewiesene Tatsache ist - damit komme ich auf den eben angesprochenen Punkt zurück -, dass gerade Kinder ein Armutsrisiko sind. Auch an diesem Punkt müssen wir ansetzen. Das können wir nicht über das Rentensystem regeln. Diese Entwicklung hat aber Auswirkungen in der Zukunft. Das heißt, Altersarmut ist in erster Linie nicht nur ostdeutsch und weiblich, sondern Altersarmut ist weiblich, alleinerziehend und ostdeutsch.