Protocol of the Session on September 21, 2012

(Zuruf von der LINKEN: Ja!)

Vielleicht sind das ja politisch-ideologische Wunschvorstellungen einiger.

Wir fordern jedoch mehr Respekt gegenüber denjenigen, die immerwährend für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger stehen.

(Zuruf von der LINKEN: Nein! - Herr Lange, DIE LINKE: Das hat nicht funktioniert!)

- Hören Sie doch nur einmal zu! Sie kriegen das alles schon noch gesagt.

Es geht einigen - das sage ich hier ganz offen - nicht um Aufklärung, sondern vielmehr um Skandalisierung mit dem Ziel, die Gunst der Stunde zu nutzen, um den Verfassungsschutz endlich abschaffen zu können. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir werden das nicht zulassen. Der Verfassungsschutz ist ein unverzichtbarer Teil der Sicherheitsstrukturen in unserem Land. Verfassungsfeinde, diejenigen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen wollen, müssen wir frühzeitig erkennen und beobachten.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Tiedge, DIE LINKE: Das hat ja gut geklappt!)

Wer die Abschaffung der verdeckten Ermittlungstätigkeit fordert, der gefährdet die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von den GRÜNEN)

- Ja, ich sage Ihnen das immer so, damit Sie das nachvollziehen können.

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

- Bleiben Sie ganz ruhig, Herr Striegel. Menschenskinder, Sie kommen doch auch noch dran! Jeder sagt das, was er verantworten kann. Sie haben das jetzt in den zwei Tagen gemacht. Wir haben Ihnen geduldig zugehört. Und es war nicht einfach, glauben Sie mir das.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Zuruf von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Nicht zuletzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird der Verfassungsschutz auch dazu benötigt, dem berechtigten Informationsbedürfnis der Mitglieder dieses Hohen Hauses in den Gremien und in der Gesamtheit durch die Landesregierung Rechnung tragen zu können. Es ist schon ein wenig paradox, dass man über alle Aktivitäten im Land ganz genau Bescheid wissen will, geheimdienstliche Datensammlungen und verdeckte Ermittlungsarbeit aber nicht akzeptieren will.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bitte gestatten Sie mir abschließend noch ein paar Worte zu den parlamentarischen Regeln in diesem Haus. Eines möchte ich als Vorsitzender der Parlamentarischen Kontrollkommission ganz deutlich und unmissverständlich sagen: Wer konkrete Hinweise aus parlamentarischen Gremien verbreiten sollte, die aus gutem Grund nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, oder wer gar die Veröffentlichung von Namen von V-Leuten oder der Identität von Personen fordert, die verdeckte Ermittlungen leisten, der gefährdet Leib und Leben von Menschen.

Es gibt Interessen Dritter, die einer besondern Schutzwürdigkeit unterliegen. Ohne Zweifel operieren Geheimdienste nicht im luftleeren Raum. Sie müssen kontrolliert werden. Eine breite parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes bietet auch in diesem Fall eine Gewähr dafür, dass Missbrauch nicht stattfinden kann.

Ich sehe, das Ende der Rede wird angezeigt. Aber lassen Sie es mich noch einmal zusammenfassen in der Botschaft: In einem demokratischen Rechtsstaat dürfen sich Geheimdienste nicht verselbständigen. Auch sie leben nicht im rechtsfreien Raum.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

- Herr Striegel, es kommt noch mehr; Sie müssen bis zum Ende zuhören. In manchem stimmen wir auch mit Ihnen überein. Ich sehe, Sie sind lernfähig.

Wir brauchen gerade deshalb eine funktionierende parlamentarische Kontrolle. Diese Kontrolle ist wichtig. Ich fordere Sie alle auf, diese parlamentarische Kontrolle so auszuüben, dass wir den Verfassungsschutz nach unseren Vorstellungen umbauen und einen Neuanfang in dem Sinne, wie es der Innenminister vorgetragen hat, ermöglichen können. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Bommersbach. - Anfragen liegen nicht vor. Beschlüsse in der Sache werden nach § 46 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung nicht gefasst. Damit ist das Thema abgeschlossen.

Ich rufe das zweite Thema der Aktuellen Debatte auf:

Drohende Altersarmut in Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1444

Folgende Reihenfolge wurde vereinbart: die Antragstellerin, CDU, GRÜNE, SPD. Zunächst nimmt für die Antragstellerin die Abgeordnete Frau Dirlich das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manche Erfolgsmeldungen lassen mich zurzeit jedes Mal tief Luft holen, vor allem, wenn es sich um Erfolgsmeldungen auf dem Arbeitsmarkt handelt. Ich muss mir jedes Mal die Frage stellen, was für Arbeitsverhältnisse da eigentlich entstehen. Als seniorinnenpolitische Sprecherin folgt für mich immer gleich die Frage, welche Auswirkungen das auf die Alterssicherung der Betroffenen hat. Droht in Sachsen-Anhalt Altersarmut?

Ein paar Fakten. Eine Binsenwahrheit ist, dass der Anteil der Personen, die älter als 65 Jahre sind, kontinuierlich steigt. Im Jahr 1990 lag er bei 14 %, für das Jahr 2025 wird ein Anteil von 31,2 % prognostiziert.

Die Armutsgefährdungsquote in Sachsen-Anhalt liegt aktuell bei 21,8 %. Damit liegt Sachsen-Anhalt an vierter Stelle der am meisten von Armut bedrohten Bundesländer.

Obwohl die Armutsgefährdungsquote insgesamt in den letzten Jahren zurückgegangen ist und im letzten Jahr in Sachsen-Anhalt nur um 0,7 % gestiegen ist, steigt sie bei den Älteren ab 65 Jahren an. Während sie im Jahr 2004 noch bei 3 % lag, waren es im Jahr 2010 bereits 10 %. Das ist für meine Begriffe ein rasanter Anstieg in einer relativ kurzen Zeit.

Die Armutsgefährdungsquote der Erwerbslosen liegt übrigens bei mehr als 70 %. Ein Drittel der registrierten Arbeitslosen in Sachsen-Anhalt ist älter als 50 Jahre. Über deren Armutsgefährdungsquote möchte ich nicht nachdenken müssen. Sie dürfte so ziemlich bei 100 % liegen.

Die Zahl der erwerbsfähigen Hilfeempfängerinnen ging in den letzten Monaten kontinuierlich zurück. Die Zahl der arbeitslosen Hilfeempfängerinnen über 50 Jahre stagniert bei etwa 45 400; davon sind 27 000 über 55 Jahre alt. Die Zahl der erwerbsfähigen Hilfeempfängerinnen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, beträgt 40 400. Das sind ca. 5 % mehr als im August des Vorjahres. Die Rente erst ab 67 verlängert diesen Zustand und verschärft die Situation der Betroffenen weiter. Vom Armutsrisiko im Rentenalter ganz zu schweigen.

Deutschlandweit erhalten ca. 1,3 Millionen Erwerbstätige zusätzlich Arbeitslosengeld II. Sie sind also sogenannte Aufstocker. 660 000 von ihnen sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Deutschlandweit gehen knapp 770 000 Rentnerinnen und Rentner einem Minijob nach. Mehr als 100 000 von ihnen sind älter als 75 Jahre. Schaut man sich die Entwicklung an, so muss man konstatieren, dass es im Jahr 2000 „nur“ etwa 480 000 waren. Auch das ist ein Zeichen für die Entwicklung der Altersarmut.

Gleichzeitig muss man feststellen, dass die Beschäftigungschancen von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach wie vor denkbar schlecht sind. Noch immerhin 26,8 % der 60-Jährigen sind in Vollzeit beschäftigt, erwerben also auch noch einen vollen Rentenanspruch. Bei den 64-Jährigen sind es noch 9,3 %. Das heißt im Umkehrschluss, dass 90 % der 64-Jährigen keine vollen Rentenansprüche mehr erwerben.

Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sollte die Menschen, die im Alter auf Hilfe angewiesen sind, besser als in der Sozialhilfe vor Altersarmut schützen. Dass sie dieses Ziel nicht erreicht, geht aus einer repräsentativen Befragung der Verteilungsforscherin Irene Becker hervor. Diese hat festgestellt, dass nur rund ein Drittel der Anspruchsberechtigten die Leistung überhaupt in Anspruch nimmt. Die Dunkelziffer der Armut beziffert sie auf 68 %. Für Sachsen-Anhalt bedeutet das, dass zwischen 40 000 und 50 000 Menschen von verdeckter Armut im Alter betroffen sind, Tendenz steigend.

Was tut nun die Bundesregierung, was schlagen die sogenannten großen Parteien vor? - Zunächst muss man über das reden, was die Bundesregierung genau nicht tut. Sie tut nämlich nichts, sie tut nichts zur Rentenangleichung zwischen Ost und West

(Beifall bei der LINKEN)

und bricht damit den eigenen Koalitionsvertrag. Von den vollmundigen Wahlversprechen zum Beispiel auf dem Seniorinnentag in Leipzig vor der Wahl will ich gar nicht erst anfangen.

Zwei Beispiele.

Erstens. Ein Mediziner, der zwischen 1951 und 1981 in der DDR bis zum Chefarzt aufgestiegen war, erhält aus dieser Zeit einen Rentenanspruch von ca. 3,30 € im Monat. Zwischen 1985 und 1990 war derselbe Mann in der Bundesrepublik mit sehr reduzierten Tätigkeitsmerkmalen als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Diese Tätigkeit, diese reduzierte, viel weniger qualifizierte Tätigkeit, bringt ihm nach seinen eigenen Angaben einen Rentenanspruch von ca. 11 € im Monat ein.

Zweitens. Der Enkel meines Lebensgefährten hat kürzlich eine Ausbildung begonnen und ist mit Beginn dieser Berufsausbildung Ostrentenanwärter. Wenn er irgendwann 2060 in den Ruhestand geht, wird er seinen Enkeln erklären müssen, was ein Ostrentner ist und wieso er ein Ostrentner ist.

Diese beiden Beispiele führen einerseits die noch immer vorhandenen Ungerechtigkeiten und andererseits den Irrsinn der Nichtangleichung der Renten vor Augen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit ihrer Zuschussrente will nun die Ministerin für Arbeit und Soziales, Frau von der Leyen, den Eindruck vermitteln, dass sie das Problem erkannt hat und energisch handeln will. Wie weit die Mogelpackung schon auseinandergenommen wurde, zeigt die Bundespressekonferenz von vor ein paar Tagen. Dort sagte die Kanzlerin höchstpersönlich: Ich glaube, dass die Zuschussrente … sicherlich Modifikationen bekommen wird. - Vager geht es kaum. Die an Details Interessierten ließ die Kanzlerin gänzlich im Dunkeln.

Wenige Punkte genügen, den Nachbesserungsbedarf dieses Konzepts deutlich zu machen. Die Zuschussrente erfasst bei Weitem nicht die von drohender Altersarmut Betroffenen, nicht die Langzeitarbeitslosen, nicht die Menschen mit Brüchen in ihren Erwerbsbiografien - vor allem Frauen -, nicht Selbständige in prekären Verhältnissen, nicht die Beschäftigten im Niedriglohnbereich. Sie erfasst also alle diejenigen nicht, die keine 40 oder 45 Versicherungsjahre vorweisen können und die sich von ihrem geringen Einkommen keine zusätzliche Vorsorge leisten können.

Die Ursachen der Altersarmut werden natürlich nicht angegangen: nicht die Hartz-IV-Gesetzgebung, nicht der Niedriglohnbereich, nicht die Leiharbeit, nicht die Ausweitung der Minijobs.

Vor allem aber tut man auch nichts gegen die Aushöhlung der gesetzlichen Rente selbst. Ausgehöhlt wurde sie durch den Ausstieg aus der Lebens

standardsicherung oder durch die Teilprivatisierung der Rente.

(Beifall bei der LINKEN)