Protocol of the Session on September 20, 2012

Zur Beschreibung des Status quo gehört auch der erreichte Stand der Nutzung des Fahrrades als Verkehrsmittel. Laut der Studie mit dem Titel „Mobilität in Deutschland (MiD) 2008“ liegt der Anteil des Radverkehrs in Sachsen-Anhalt bei ca. 15 % und somit um ca. 5 Prozentpunkte höher als im Bundesdurchschnitt. Begünstigend wirkt hierbei

natürlich unsere fahrradfreundliche Topografie. Positiv für diese Statistik ist sicherlich auch die Magnetwirkung des bereits genannten Elberadweges oder das fahrradfreundliche Bewusstsein in unseren Städten.

Auf all dem lässt sich aufbauen. Unser Blick muss aber weiter nach vorn gehen und anspruchvolle Zielsetzungen, wie zum Beispiel die Erhöhung des durchschnittlichen Radverkehrsanteils im Land auf 20 % sowie auf ca. 30 % in einigen Städten, warten auf die Umsetzung im Rahmen des Landesradverkehrsplans.

Hierbei spielt die Öffentlichkeitsarbeit eine bedeutende Rolle. An dieser Stelle möchte ich die im Juni ressortübergreifend veröffentlichte Broschüre zum Stand der Radverkehrsförderung im Land nicht unerwähnt lassen. Darauf aufbauend wird unser Bestreben darin liegen, in regelmäßigen Abständen themenspezifische Informationen für die Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Auch wenn uns gemeinsam seit dem Jahr 1990 ein großer Schritt beim Ausbau der Radwegeinfrastruktur insgesamt gelungen ist, wartet noch ein Vielzahl von Maßnahmen auf ihre Umsetzung.

Der im Landesradverkehrsplan abgebildete Finanzbedarf beläuft sich auf ca. 150 Millionen €, wobei der Bedarf für straßenbegleitende Radwege mit ca. 105 Millionen € sowie für Verbesserungsmaßnahmen im Zuge von touristischen Radrouten der Klassen 1 bis 3 in Höhe von ca. 38 Millionen € dabei am höchsten ausfällt.

Vom Landesverkehrsplan kann kein infrastrukturelles Wunder erwartet werden. Mit ihm liegt nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als ein weiterer Baustein des Landesverkehrskonzeptes vor, das alle Verkehrsarten einschließt.

Der Ausgangspunkt ist die schlichte Erkenntnis, dass das Radfahren bei Planern und Nutzern im Kopf beginnt. Für diesen Prozess gibt der Plan die entsprechenden Impulse und beschreibt maßnahmenbezogen den notwendigen Handlungsrahmen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Herr Minister, es gibt zwei Nachfragen. Zunächst die Abgeordnete Frau Frederking und dann der Abgeordnete Herr Striegel.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Fragestellende! Der Kollege Thomas Webel hat mir mitgeteilt, dass er sich richtig freuen würde, wenn Sie ihm die Fragen schriftlich übermitteln würden. Er würde sie Ihnen dann auch beantworten.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Das ist eigentlich schade; denn Ihr Vortrag war überzeugend. Ich denke, er hat Sie selbst auch von der Wichtigkeit des Fahrrades überzeugt.

Unglaublich!

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich denke uns allen ist klar, dass das Fahrrad ein wichtiges Verkehrsmittel ist und dass der Fahrradverkehr weiter zunehmen muss.

Vor dem Hintergrund, dass Sie davon jetzt auch so überzeugt sind, hätte ich gern gewusst, wie Sie bewerten, dass es im Verkehrsministerium gerade einmal eine Viertelstelle gibt, die sich mit dem Thema Radverkehr beschäftigt.

Weil Sie den Kollegen Webel angesprochen haben, möchte ich fragen, ob Sie sich aufgrund Ihrer Erkenntnisse, die Sie heute gewonnen haben, vorstellen könnten, mit ihm ein Gespräch darüber zu führen, ob es nicht möglich ist, von den 200 Stellen im Ministerium einige abzustellen, die sich mit dem Thema Radverkehr beschäftigen?

Frau Kollegin, ich werde Herrn Webel darauf hinweisen, dass Sie eine Frage zur Stellenverteilung in seinem Hause haben. Das fällt in seine Ressortzuständigkeit. Ich denke, Frau von Arnim hat sehr genau zugehört und wird ihm Ihre Frage übermitteln. Dann wird er sicherlich dazu Stellung nehmen.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Mit Blick auf die Frage zu der Thematik Radfahren weiß ich, dass Herr Webel ausgesprochen gern Fahrrad fährt, ich übrigens auch. Diese Frage ist so einfach, dass ich Sie sogar beantworten kann.

Herr Striegel, stellen Sie bitte Ihre Frage, damit sie schriftlich beantwortet werden kann.

Ich wollte den Minister von seiner Teilnahme am landesweiten Vorlesewettbewerb erlösen und habe eine Frage, die seinen ureigensten Kompetenzbereich betrifft.

Auch bei der Polizei gibt es Diensträder. In Halle sind es 13 an der Zahl. Der Kollege Borgwardt wird jetzt wahrscheinlich vermuten, dass das genau

diejenigen sind, die bei einem Fußballspiel am Stadion stehen.

(Herr Borgwardt, CDU: Richtig!)

Ich möchte wissen, warum es in Halle, wo 13 Dienstfahrräder zur Verfügung stehen, jährlich nur 26 Streifenfahrten gibt, während in Wittenberg, wo lediglich fünf Dienstfahrräder zur Verfügung stehen, 150 Streifenfahrten mit Fahrrädern stattfinden, und wie man es vielleicht hinbekommen kann, dass auch das Fahrrad für die Polizei zu einem besser genutzten Einsatzmittel wird. Ich habe mir sagen lassen - das nur als Randbemerkung -, dass das kostengünstiger sein soll als eine Reiterstaffel.

Ich weiß - ich habe nachgefragt -, dass diese Radstaffel genutzt wird. Diese ist in der Polizei nicht ganz unumstritten. Einige sagen mir immer, sie würden ganz gern Tretboote mit Blaulicht haben, um sie auf der Elbe einzusetzen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU)

Herr Striegel, das bekommen wir auch noch hin und es ist billiger als ein Pferd. Zudem hat es einen gewissen Effekt, wenn man ein Tretboot mit Blaulicht hat. Das weihen wir dann gemeinsam ein. Ich werde das ansprechen und dann gucken wir mal, wie es geht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Hövelmann.

Vielen herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte jetzt etwas zu den Fahrradstaffeln sagen, verkneife es mir aber.

Ich möchte zunächst der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sehr herzlich dafür danken, dass sie das Thema Radverkehrsplan des Landes Sachsen-Anhalt durch ihre Große Anfrage auf die politische Tagesordnung gesetzt hat, weil es tatsächlich ein Thema mit Zukunftspotenzial ist. Ich meine, dass der Radverkehrsplan des Landes SachsenAnhalt eine gute Grundlage für die Entwicklung und den weiteren Ausbau des Radwegenetzes in unserem Lande darstellt.

Wir wollen und - ich glaube, darin sind wir uns einig - wir müssen mehr Menschen dazu bewegen, das Rad als Alternative zum motorisierten Individualverkehr zu nutzen - dort, wo es möglich ist. Es gibt natürlich immer Einschränkungen. Dazu bedarf es allerdings ordentlicher und - das ist schon gesagt worden - sicherer Radwege. Wir brauchen

also eine Infrastruktur auf der einen Seite und Dinge, die die Verkehrssicherheit regeln, auf der anderen Seite.

Wenn wir über den Radverkehrsplan reden, dann reden wir auch über eine nachhaltige Form der Mobilität von Menschen. Dabei spielt nicht nur der Aspekt der Bewegung, sondern auch, zumindest sagen das ganz viele kluge Mediziner, der gesundheitspolitische Aspekt eine Rolle.

Wenn wir über das Thema diskutieren, dann haben wir es aber auch in der Hand, wie wir unser Städte und Gemeinden für unsere Bürgerinnen und Bürgern an einer Stelle, nämlich der Mobilität, noch attraktiver machen können, als sie es heute ohnehin schon sind.

An dieser Stelle - das will ich ausdrücklich sagen - ist unser Radwegenetz noch löchrig - löchrig im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht nur dass mancher Radweg Löcher hat, sondern auch ganze Abschnitte, die zwischen Orten oder zwischen vorhandenen Radwegen fehlen, bilden Löcher im Netz der Radwege in Sachsen-Anhalt. Es fehlen also ganze Abschnitte. Wir alle kennen dafür mehr oder weniger Beispiele aus unseren eigenen Wahlkreisen.

Ich will ein Beispiel nennen, das dies sehr anschaulich macht. Wenn Sie die Bundesstraße B 187 von Wittenberg nach Roßlau fahren, dann können Sie von Wittenberg bis Klieken - das liegt kurz hinter Coswig - einen gut ausgebauten Radweg nutzen. Daran schließt sich eine lebensgefährliche Strecke auf der Bundesstraße an. Ich würde niemandem empfehlen, diese Strecke von Kliecken nach Roßlau mit einer Länge von 8,5 km zu nutzen. In Roßlau schließt sich dann wieder ein wunderbares Radwegenetz an.

Da in der Mitte der Strecke ein wesentlicher sicherer Abschnitt fehlt, wird das ganze Netz von vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht genutzt; denn es ist einfach lebensgefährlich, diesen Weg zu nutzen.

(Zustimmung von Herrn Loos, DIE LINKE)

Laut ADFC ist das Fahrrad bei Strecken unter 8 km - das habe ich gelesen - unschlagbar. Ich habe das nicht nachprüfen können. Angeblich kommt man damit am schnellsten von A nach B. Unterstellen wir, dass das richtig ist, dann heißt das eben auch, dass es nicht nur darum geht, innerörtliche Radwege zu ertüchtigen, sondern es geht auch darum, Radwege zwischen Ortschaften und einzelnen Orten so zu ertüchtigen, dass sie sicher und gut genutzt werden können.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD, und von Herrn Erdmenger, GRÜNE)

Die Realisierung des Baus und der Unterhaltung unserer Radwege bedarf einer wirklich guten Zusammenarbeit zwischen dem Land und den Kommunen in unserem Lande. Es ist angesprochen

worden, wer die Zuständigkeit hat. Das sind die Kommunen. Aber ich finde, wenn wir ein Netz haben wollen, das über die kommunalen Grenzen hinausgeht, brauchen wir auch die koordinierende und helfende Funktion des Landes.

Wenn wir uns das Thema Verkehrssicherheit ansehen, dann darf ich vielleicht etwas augenzwinkernd, aber durchaus mit Ernst sagen: Es gibt schon hin und wieder Anarchie auf unseren Straßen. Wer am Straßenverkehr teilnimmt, der weiß und der merkt, wie viele Menschen ganz offensichtlich im Laufe ihres Daseins vergessen haben, dass es auch Regeln gibt, die man einhalten sollte, damit man sich selbst und andere Menschen nicht in Gefahr bringt.

Das ist etwas, was mich als Radfahrer, der ich auch hin und wieder bin, tierisch ärgert: Mit viel Steuergeld bauen wir Radwege und ertüchtigen unser Radwegenetz, und diese Radwege werden dann von den Radfahrern ignoriert und man fährt einfach woanders. Manchmal ist die verkehrliche Situation ein bisschen irreführend. Herr Erdmenger hat in meiner Heimatstadt Zerbst eine Befahrung gemacht und hat sich davon überzeugen können, dass manches nicht ganz optimal miteinander vernetzt ist. Aber das entbindet die Verkehrsteilnehmer natürlich nicht davon, sich an die Regeln zu halten. Man fährt nicht auf der falschen Seite und man fährt nicht auf der Straße, wenn es einen Radweg gibt, und man fährt schon gar nicht auf dem Fußweg. An dieser Stelle müssen wir, so glaube ich, eine Vorbildwirkung haben.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Borgwardt, CDU: Das stört mich als Autofahrer auch!)

- Autofahrer sind manchmal auch nicht so ganz einfach, Kollege Borgwardt. - Gestatten Sie mir auch etwas zur Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsträger zu sagen. Wenn wir über die Nutzung von Radwegen reden, dann reden wir auch darüber, wie wir mit den anderen Verkehrsträgern dahin kommen, dass der Radweg genutzt werden kann, das heißt über die Vernetzung von Bus und Bahn und Rad.

An dieser Stelle darf ich eine Bitte an alle Verantwortlichen äußern: Wir haben in Sachsen-Anhalt - das ist beinahe einmalig in Deutschland - die Situation, dass das Fahrrad im Regionalverkehr und im Bahnverkehr kostenfrei mitgenommen werden kann. Das wird von ganz, ganz vielen Menschen genutzt und das sollten wir uns bewahren. Diese Möglichkeit sollten wir auch in Zukunft kostenfrei erhalten. Das soll es uns wert sein.