Protocol of the Session on July 13, 2012

Eine Massenpetition zu dem Thema nachschulische Ferienbetreuung von Förderschülern in Sachsen-Anhalt mit 95 Unterschriften wurde zusätzlich eingereicht.

Um Bürgernähe zu praktizieren und vermittelnd zwischen Verwaltung und Bürger tätig zu werden, führten Mitglieder des Ausschusses zwei Ortstermine durch und nahmen Kontakt zu den Petenten und Petentinnen auf.

Der Petitionsausschuss erhielt wie in jedem Jahr eine hohe Zahl von Petitionen aus den Justizvollzugsanstalten, in denen Beschwerde über die dortigen Zustände oder über das Personal geführt wurde. Der Petitionsausschuss nahm diese Beschwerden zum Anlass, sich selbst ein Bild zu machen, und führte im März 2012 eine auswärtige Sitzung in der JVA Burg durch.

Einzelne Themen, mit denen sich der Petitionsausschuss befasste, können Sie den Anlagen 1 bis 12 der Beschlussempfehlung entnehmen.

Meine Damen und Herren! Durch die Unterstützung der Bediensteten der Landesregierung, der nachgeordneten Behörden und der Landtagsverwaltung war es dem Petitionsausschuss möglich, jedes einzelne Petitionsbegehren umfassend zu beantworten. Der Petitionsausschuss möchte an dieser Stelle allen Beteiligten seinen Dank für die Unterstützung aussprechen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch auf den Vorsitzenden des Petitionsausschusses zu sprechen kommen. Er ist heute leider erkrankt und ich möchte ihm von hier aus meine besten Genesungswünsche zukommen lassen.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Es ist eine angenehme und gute Zusammenarbeit, die wir im Petitionsausschuss mit ihm haben, und ich hoffe, dass diese weiterhin fortgeführt wird. Es ist wirklich klasse, wie wir im Petitionsausschuss zusammenarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihnen liegt die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Petitionen in der Drs. 6/1204 für den Zeitraum 1. Dezember 2011 bis 31. Mai 2012 vor. Der Aus

schuss empfiehlt Ihnen, die in den Anlagen 1 bis 12 aufgeführten Petitionen mit Bescheid an die Petenten für erledigt zu erklären. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU, bei der LINKEN und bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kollege Hartung, für die Berichterstattung. - Es ist keine Debatte vorgesehen. Wünscht dennoch jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall.

Dann stimmen wir über die Drs. 6/1204 ab. Der Ausschuss für Petitionen empfiehlt, die in den Anlagen 1 bis 12 aufgeführten Petitionen mit Bescheid an die Petenten für erledigt zu erklären. Wer stimmt dem zu? - Das sind alle Fraktionen. Damit ist das erledigt und wir verlassen den Tagesordnungspunkt 17.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 19 aufrufe, habe ich die Freude, in unserem Haus die Siegerinnen und Sieger des 13. Deutsch-Russischen Orgelfestivals in St. Petersburg begrüßen zu können. Es sind Kinder im Alter von acht bis 14 Jahren, die zurzeit auf Konzertreise in Sachsen-Anhalt weilen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Beratung

Innovationsstrategie 2020

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1154

Änderungsantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/1282

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Dr. Thiel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion möchte mit dem vorliegenden Antrag die Landesregierung beauftragen, ausgehend von der aktuellen Situation die Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationspolitik des Landes zu evaluieren und Handlungsschwerpunkte für die nächsten Jahre herauszuarbeiten. Dabei - dass sollten wir vielleicht eingangs feststellen - sind die Rahmenbedingungen für die Evaluierung sicherlich sehr unterschiedlich strukturiert.

Ausgehend von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes und der dadurch zum Ausdruck kommenden Innovationskraft lässt sich feststellen: Sachsen-Anhalt konnte in den vergangenen zehn Jahren eine insgesamt dynamische Entwicklung vollziehen. Im Vergleich zum bundesdeutschen Durchschnitt zeichnen sich jedoch - bis

auf einige wenige Wirtschaftsbereiche - noch bedeutende Rückstände in der technologischen Leistungsfähigkeit sowie strukturelle Schwächen ab.

Um diesen Rückstand in der technologischen Leistungsfähigkeit der sachsen-anhaltischen Volkswirtschaft gegenüber den deutschen, aber auch den europäischen Regionen zu reduzieren, ist es notwendig, in den nächsten Jahren durch Forschung, Entwicklung und Innovation weitere Potenzen für eine wissensbasierte Ökonomie zu mobilisieren.

Was sagen uns die dazu aktuell veröffentlichten Studien - Anfang des Jahres die Studie von Rambøll zum Thema „Innovationsentwicklung in Sachsen-Anhalt“ und im April dieses Jahres die Studie der NordLB zum Thema „Wissensbasierte Ökonomie in Sachsen-Anhalt“ - im Detail? Laut RambøllStudie aus dem Jahr 2012 sind wir im Vergleich der technologischen Leistungsfähigkeit über den so genannten Innovationsindex mit 27,9 Punkten im deutschland-, aber auch im ostdeutschlandweiten Vergleich am letzten Platz angekommen. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Leistungsniveaus mit 26,6 Punkten auf Platz 16 als auch hinsichtlich der Entwicklungsdynamik mit 31,8 Punkten auf Platz 14.

Dieses Niveau insgesamt wird über Innovationsindikatoren, wie FuE-Ausgabenintensität, FuE-Personalintensität, Erwerbstätigenquote, industrielle Hochtechnologiebranchen, wissensintensive Dienstleistungsbranchen und Beschäftigungsquote in wissenschaftlich-technischen Berufen ermittelt. Außerdem fließt die Patentintensität ein. Insofern reflektiert der Niveauindex den Stand der technologischen Leistungsfähigkeit des Landes SachsenAnhalt. - So weit die Tatsachen.

Dennoch gibt es positive Entwicklungen, von denen wir regelmäßig in den Zeitungen lesen, im Radio hören oder die wir uns im Fernsehen anschauen können. Die Frage ist nur: Welche Weichen werden warum und wie durch die Politik gestellt? - Seit Jahren reden wir unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten immer wieder von unseren drei Hauptproblemen: erstens einer kleinteilige Unternehmensstruktur, in der gut 95 % der Unternehmen weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigen, zweitens einem geringen Besatz von Industrieunternehmen im Bereich der hochwertigen Technik und Spitzentechnik und drittens dem Fehlen forschungsintensiver Großunternehmen, die umfangreiche FuE-Abteilungen vorhalten und die die Forschungs- und Entwicklungsfähigkeit im Land verankern.

Im Ergebnis dessen stellt sich unser Hauptproblem dar: dass es uns nicht gelungen ist - wie übrigens auch anderen ostdeutschen Ländern -, die Lücke in der wirtschaftlichen Entwicklung zu den alten Bundesländern zu schließen. Im Gegenteil, bei den jüngsten Berechnungen wird davon ausgegangen, dass sich diese Lücke vergrößern wird.

Die Reihenfolge der ostdeutschen Bundesländer sieht nach Berechnungen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung momentan wie folgt aus: Sachsen liegt mit einem Wert von 68,8 % vorn, dahinter rangieren Sachsen-Anhalt mit 66,9 %, Brandenburg mit 66,1 %, Thüringen mit 64,8 % und Mecklenburg-Vorpommern mit 64,0 % der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des deutschen Durchschnitts. Thüringen hat übrigens erst im vergangenen Jahr die rote Laterne an die Küste abgegeben.

Die Fragen sind also: Warum sind diese Probleme dauerhaft präsent? Haben wir zu ihrer Beseitigung die falschen Instrumente eingesetzt? Warum haben wir sie nicht als Chance begriffen, in bestimmten Bereichen neue Wege zu gehen? Dabei ergibt sich die generelle Frage: Welche Möglichkeiten hat die Politik überhaupt, Einfluss auf solche Entwicklungen zunehmen? - Da will ich im Wesentlichen vier Punkte benennen.

Der erste Punkt ist sicherlich auch der bekannteste: die politische Einflussnahme auf innovative Entwicklungen über Programme, über Richtlinien, über Gesetze. Da wurde im Land Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren eine ganze Menge immer wieder aktualisiert, neu geschrieben und begonnen, angefangen von den operationellen Programmen bis hin zu den Richtlinien über die GA-Förderung usw. usf.

Aber nach unserer Auffassung ist es notwendig, den strategischen Ansatz vielleicht doch noch einmal anders zu betrachten, nämlich eine solche Wirtschaftspolitik zu betreiben, die verstärkt auf die Bildung von Humankapital - ich weiß, das ist ein blöder Ausdruck, entschuldigen Sie diesen Begriff -, also verstärkt auf die Bildung von Beschäftigen ausgerichtet ist, und das mehr als Schwerpunkt künftiger Wirtschaftspolitik zu sehen.

Die Rolle bei der kleinteiligen Unternehmensstruktur ist eigentlich auch klar definiert. Rechnungen ergeben das. Für die Durchführung von Forschung und Entwicklung braucht man eben eine bestimmte Mindestausstattung an Kapital bzw. an Beschäftigten. Daher gab es immer wieder die Forderung nach einer Initiierung von Clustern und Netzwerkaktivitäten.

Sachsen-Anhalt hat gezeigt, dass es in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen gab mit Clustern, mit überregionalen und regionalen Netzwerken umzugehen. Hier sollten wir in Zukunft verstärkt ansetzen, um die Kleinteiligkeit unserer Unternehmensstruktur wirklich als Chance zu begreifen und nicht als Hindernis zu sehen.

Zweites Problem, die finanziellen Rahmenbedingungen für eine wirtschaftspolitische Einflussnahme. Die Lissabon-Strategie bis 2010 hat vorgegeben, dass 3 % des BIP jährlich für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden sollen. Das hat übrigens bis zum Jahr 2010 kein Land in Deutschland geschafft, auch Deutschland insgesamt nicht.

Die Ausgangsbedingung war, dass ein Verhältnis von zwei zu eins gefordert worden ist. Das heißt, zwei Drittel sollten von der Wirtschaft und ein Drittel vom Staat kommen. Untersuchungen an der Magdeburger Universität vom Anfang dieses Jahres brachten aber zutage, dass gerade SachsenAnhalt bei der Bewertung dieses Verhältnisses gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern, mit Brandenburg, dem Saarland und Schleswig-Holstein zu der am schlechtesten bewerteten Gruppe in Deutschland gehört.

Es ist also auch kein rein ostdeutsches Phänomen mehr, wenn wir an bestimmten Stellen hinterherhinken. Doch gemessen an der Forschungsintensität, nämlich an dem Anteil von Forschung und Entwicklung am regionalen BIP, liegt Sachsen-Anhalt mit 1,32 % deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 2,8 %. Nur das Saarland und Schleswig-Holstein liegen noch darunter. Die Ursache dafür ist auch allen bekannt: Es ist die Forschungs- und Entwicklungsschwäche in der einheimischen Wirtschaft.

Ich möchte noch einmal besonders den herausragenden Anteil von Hochschulen und staatlichen Forschungseinrichtungen würdigen, den wir in Sachsen-Anhalt zu verzeichnen haben. Da sind wir wirklich Spitze. Da ist eine ganze Menge passiert und das ist im bundesdeutschen Vergleich durchaus sichtbar. 33 % aller FuE-Aufwendungen kommen von unseren Hochschulen; der Bundesdurchschnitt liegt bei 18 %. Trotzdem steht die Frage: Wie geht es weiter, wie kann es da weitergehen?

Wir sind der Auffassung: Die Forschungslücken, die entstanden sind, kann die öffentliche Hand allein nicht mehr ausgleichen. Da erheben sich schon folgende Fragen: Wo wollen wir ansetzen? Wollen wir die Forschungskapazitäten ausbauen? Wollen wir die, die wir haben, pflegen? Wie geht es da weiter?

In dem Antrag der Koalitionsfraktionen, auf den ich später noch eingehen werde, wird auch vom Ausbau gesprochen. - Wenn wir pflegen wollen, dann alle Forschungseinrichtungen, alle Universitäten gleichermaßen, unter gleichen Bedingungen? - Ich erinnere an die Diskussion, die wir im Haus zu den Problemen beim Ifak oder beim IfL geführt haben.

Sind die Transfergutscheine für Wirtschaft und Wissenschaft das mögliche Allheilmittel? - Frau Ministerin Wolff hat an vielen Stellen verkündet, dass das zumindest im niedrigschwelligen Bereich ein erstes Angebot ist. Aber wir haben im Jahr 2012 laut einer Anfrage der Kollegin Pähle nur 250 000 € zur Verfügung und es sind 623 Gutscheine ausgegeben worden. Dieses Angebot schließt also garantiert die Forschungslücke nicht und löst das Problem nicht.

Das heißt, die Defizite - das möchten wir als Fakt feststellen - können durch Fördermittel nicht ausgeglichen werden. Der Staat allein richtet es nicht.

Das heißt, es ist mehr privates Kapital und auch mehr Bankenkapital notwendig. Wir hätten von der Studie der NordLB erwartet, dass sie, wenn sie Schlussfolgerungen zieht, auch auf die eigene Verantwortung hinweist, dass nämlich das Bankenwesen mehr dazu tun muss, dass in diesen Bereichen etwas passiert.

Der dritte Problemkreis. Gelingt uns zum Beispiel künftig auch mit der zu verändernden Innovationsstrategie tatsächlich eine strategische Ausrichtung unter dem Begriff „Sachsen-Anhalt als Innovationsland“ oder „Innovation Valley“ oder wie man das immer bezeichnen mag? - Im Monat Mai erfolgte eine Reise einer Delegation unter Leitung des Ministerpräsidenten in die USA zum Thema „Reformation und Information“. Für mich persönlich waren dabei besonders folgende Punkte, die wir in San Francisco erfahren haben, interessant: Was ist das Geheimnis von Silicon Valley? - Das ist hinreichend bekannt, ich will aber die drei Punkte noch einmal nennen:

Erstens. Ideen und Kapital zu verbinden, das ist dort hinreichend gelungen. In den USA - das wurde uns gesagt - gibt es genügend langfristig denkende Investoren mit „tiefen Taschen“. Das hat mir gefallen. Da ist die Frage, wo diese Investoren eigentlich in Deutschland sind. Man spricht dort von einer risikofreundlichen Wirtschaftsstruktur.

Zweite Anmerkung zu Silicon Valley. Die Region ist teuer für Arbeitgeber. Die arbeitsrechtlichen Standards sind dort weitaus höher als im Rest der USA. Aber es wird dort investiert, weil die Bedingungen des Umfelds stimmen, weil die Atmosphäre dort eine gute für Innovationen und für Investitionen ist.

Dritte Bemerkung. Silicon Valley bedeutet nicht nur Computer und Internet, es ist eine Hightechregion in vielen Branchen - neuerdings wird vor allem sehr viel von Cleantech gesprochen - mit allen Facetten wie Energie, Material, Design, Transport, Agrarwirtschaft, Wasser und Umweltschutz. Eine ganze Menge davon finden wir dort vor.

Da ist, wenn wir unser „Solar Valley“ bei Bitterfeld betrachten, die 5 km, die es vielleicht umfasst, die Frage: Ist das alles? - Das kann es nicht sein. Denn in San Francisco im Silicon Valley sind die Regionen etwas größer zu fassen. Aber wenn man zum Beispiel die Forschungskapazität in Halle und Magdeburg hinzunimmt, wenn man die chemische Industrie im Landkreis Anhalt-Bitterfeld, in Leuna, in Schkopau dazu rechnet, wenn man den innovativen Maschinenbau von Magdeburg hinzunimmt, dann entwickelt sich etwas in Richtung Innovationsland. Ich denke, als ein solches sollten wir Sachsen-Anhalt auch begreifen.

Deswegen reden wir davon, dass bei der Beschreibung der Innovationsstrategie für das Land tatsächlich neue Wege beschritten werden können und dass Innovationskraft nicht nur durch Förder

mittel, Wirtschaftsstrukturen oder Forschungslandschaften bestimmt wird, sondern im Wesentlichen auch durch positive Arbeitsbedingungen, wie die sogenannten weichen Standortfaktoren. In einer wissensbasierten Ökonomie spielt der Faktor Mensch immer eine große Rolle und das sollten wir viel stärker als bisher beachten.