Protocol of the Session on June 7, 2012

Im Hinblick auf das Erbschaftsrecht und die Hinterbliebenenversorgung gibt es bereits Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Daher ist es total unverständlich, dass die Bundesregierung hinsichtlich des Ehegattensplittings auf die nächsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wartet - und das, obwohl im Koalitionsvertrag ein entsprechender Schritt vorgesehen ist. Ich wundere mich auch darüber, dass es im Bundesrat keine Mehrheit dafür gibt.

Jüngst haben sich die FDP-Bundesministerin der Justiz und der Gesundheitsminister nachdrücklich dafür ausgesprochen. Koalitionsverträge sind viel

leicht auch nur dazu da, dass man sie hat und nicht unbedingt abarbeitet.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Frau Lüddemann, GRÜNE: Jeden- falls bei manchen Koalitionen! - Herr Borg- wardt, CDU: Sie meinen jetzt im Bund?)

- Ja, im Bund. - Im Entwurf des Steuergesetzes für das Jahr 2013 ist eine Öffnung des Ehegattensplittings für die eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht vorgesehen.

Allein im Zeitraum vom 6. Februar 2012 bis 9. März 2012 - so lange dauerte die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE zu diesem Thema -, also innerhalb von vier Wochen, gab es sechs neue Beschlüsse bzw. Urteile der Finanzgerichte, die eine Gewährung des Splittingtarifs im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes vorsahen.

Damit kommen wir zu dem, was die Abteilungsleiter von Bund und Ländern beschlossen haben. Dieser Beschluss wird vom Bundesfinanzminister zwar nicht akzeptiert, aber realisiert.

Wenn aber solche Entscheidungen gegenwärtig de facto im Wochentakt fallen, dann scheint eine Menge entsprechender Verfahren anhängig zu sein bzw. scheinen immer mehr Betroffene den Mut zu haben zu klagen. Diese Klagen interessieren die Bundesregierung nicht, weil sie mehrheitlich vor den Finanzgerichten der Länder ausgefochten werden und demzufolge die Länder die Kosten tragen.

Nun weiß ich nicht, wie viele Verfahren in Sachsen-Anhalt anhängig sind, aber allein das müsste schon ein Grund für die Landesregierung sein - denn sie hat sich das Sparen auf die Fahnen geschrieben -, endlich eine entsprechende steuerrechtliche Regelung im Bund zu schaffen. Das ist auch für die Umsetzung des schon genannten Beschlusses der Abteilungsleiter notwendig; denn auch dieser ist nicht zum Nulltarif zu haben.

Die Bürgerinnen und Bürger beantragen auf der Grundlage ihrer eingetragenen Lebenspartnerschaften das Ehegattensplitting. Dies wird abgelehnt und sie müssen in Widerspruch gehen. Dem Widerspruch wird stattgegeben.

Damit gibt es nicht nur einen bürokratischen Aufwand für die Betroffenen - über diesen könnte man noch diskutieren -, sondern auch für die Finanzämter. Wenn schon nicht die Interessen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Mittelpunkt stehen, dann sollte sich der Finanzminister im Interesse einer hohen Effizienz der Finanzämter unbedingt für eine solche Bundesratsinitiative einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei einer Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit Ehen wird mit rund 30 Millionen € Steuermindereinnahmen gerechnet. Das

ist angesichts bestimmter Ausgaben im Bundeshaushalt vergleichsweise wenig und darf kein Hindernis für die Abschaffung einer Ungleichbehandlung sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Fraktion ist für eine Direktabstimmung über den Antrag; denn die Überweisung in den Ausschuss und die spannenden Diskussionen hierzu sehen meiner Meinung meist so aus, dass wir uns alle groß anschauen und fragen: Was sollen wir denn jetzt diskutieren? - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Dr. Klein. - Bevor ich Frau Lüddemann die Möglichkeit zur Erwiderung geben, können wir auf der Pressetribüne Stadträtinnen und Stadträte der Fraktion DIE LINKE aus Tangermünde und aus Tangerhütte bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Lüddemann, Sie können erwidern.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin Kolb, ich bin ein wenig enttäuscht. Ich habe Ihren Worten entnommen, dass Sie vollinhaltlich hinter unserer Forderung stehen.

Ich muss ehrlich sagen: Wenn ich eine Forderung für richtig halte, dann muss ich für diese Forderung auch streiten - auch im Bundesrat. Das erwarte ich einfach.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Im Vorgriff auf mögliche Mehrheiten oder Nichtmehrheiten den Versuch erst gar nicht zu unternehmen,

(Zuruf von Ministerin Frau Prof. Dr. Kolb)

finde ich, gelinde gesagt, wenig ambitioniert; denn die Mehrheiten haben sich seit den letzten Landtagswahlen wieder verändert. Ich finde das bedauerlich und schade.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Ich glaube, gerade weil Sie hier als Gleichstellungsministerin gesprochen haben, noch einmal deutlich sagen zu müssen: Wenn wir im Bereich der Gleichstellung von Frauen und Männern immer nur auf das ganz große Ziel gewartet hätten und nicht die kleinen Schritte gegangen wären, dann wären wir wahrscheinlich heute auch noch auf dem Stand von 1958.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Natürlich habe ich mich sehr darüber gefreut, dass ich vom Kollegen Barthel so viel über Familienbesteuerung und die Anerkennung von Kindern im Steuerrecht gehört habe. Das hätte ein grüner Parteibeitrag sein können, den Sie hier gehalten haben.

(Zurufe von Frau Brakebusch, CDU, und von Herrn Borgwardt, CDU)

Die GRÜNEN treten schon lange für eine Individualbesteuerung und für Steuererleichterungen, die an Kinder gebunden sind, ein. Möglicherweise kann man irgendwann weiter kommen als derzeit. Aber der Weg dorthin - darin stimme ich der Kollegin Klein zu - ist noch sehr lang.

Uns geht es darum, zu ändern, was Jahr für Jahr passiert. Jetzt wird Jahr für Jahr diskriminiert, wird Jahr für Jahr Unrecht fortgeschrieben.

Ich glaube, wir müssen diesen ersten kleinen Schritt gehen, die Anerkennung der eingetragenen Lebenspartnerinnen und Lebenspartner im Einkommensteuerrecht vollziehen und dann gemeinsam ein neues Steuerrecht auf den Weg bringen.

Ich bin sehr gespannt darauf, ob sich darin das wiederfindet, was Sie heute hier vorgetragen haben. Ich kann versprechen, dass wir uns nach der nächsten Bundestagswahl offensiv für ein neues Steuerrecht im Bund einsetzen werden.

Wir brauchen hier auch nicht lange darum herumzureden: Entweder die Landesregierung will das jetzt auf den Weg bringen oder nicht. Wir können darüber direkt abstimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Lüddemann. - Damit ist die Debatte beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/1143 ein.

Zunächst ist die Überweisung in den Ausschuss für Finanzen sowie in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung beantragt worden. Wer damit einverstanden ist, dass der Antrag in die genannten Ausschüsse überwiesen wird, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Dennoch ist der Antrag in die Ausschüsse überwiesen worden.

Wir stimmen jetzt über die Federführung ab. Vorgeschlagen wurde dafür der Ausschuss für Finanzen. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag in der Drs. 6/1143 zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Finanzen und zur Mitberatung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 11 ist abgearbeitet.

Wir haben uns nicht auf das Vorziehen eines Tagesordnungspunktes verständigen können. Damit sind wir am Ende des ersten Tages der 15. Sitzungsperiode angelangt. Ich wünsche Ihnen einen

schönen parlamentarischen Abend und weise darauf hin, dass wir morgen um 9 Uhr mit Tagesordnungspunkt 12 beginnen.

Schluss der Sitzung: 17.54 Uhr.