Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 26. Sitzung des Landtags von SachsenAnhalt in der sechsten Wahlperiode und begrüße alle Anwesenden auf das Herzlichste.
Ich freue mich, dass wir schon zu Beginn des heutigen Tages im Haus Gäste begrüßen dürfen. Ich heiße sowohl Damen und Herren des Kirchlichen Fördervereins Kirchberg und Ildehausen herzlich willkommen - herzlich willkommen im Haus! -
als auch Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Aschersleben-Staßfurt als Gäste der Landeszentrale für politische Bildung. Herzlich willkommen im Landtag!
Ich darf den heutigen Tag mit einer zweiten freudigen Botschaft beginnen. Unser Kollege Herr Abgeordneter Jürgen Stadelmann hat heute Geburtstag. Ich gratuliere.
Ich wünsche Ihnen im Namen des Hohen Hauses von Herzen alles Gute im neuen Lebensjahr, Gesundheit, Freude, Glück und Erfolg.
Ich darf die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses feststellen und Ihnen die Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung mitteilen. Mit Schreiben des Herrn Staatsministers vom 30. Mai 2012 bat die Landesregierung, Herrn Minister Webel wegen seiner mehrtägigen Teilnahme an einer Logistikmesse in Schanghai für die 15. Sitzungsperiode zu entschuldigen. Herr Minister Bullerjahn hat mit Schreiben vom 4. Juni 2012 seine Abwesenheit für den heutigen Sitzungstag ab 15 Uhr wegen der Teilnahme an einem Abstimmungsgespräch zum Fiskalpakt unter anderem auch mit den A-Ministerpräsidenten angezeigt. Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff hat mit Schreiben vom 5. Juni 2012 seine Abwesenheit am 8. Juni 2012 ab 9 Uhr wegen der Teilnahme an einem kurzfristig anberaumten Gespräch des Herrn Bundesumweltministers Altmaier zur Zukunft der Solarbranche angezeigt. Im Anschluss wird der Ministerpräsident an der Landtagssitzung teilnehmen.
Ich darf noch eine weitere Information geben. Für die Mitglieder des Hauses mit katholischem Bekenntnis ist der heutige Tag ein besonderer, nämlich Fronleichnam. Dies wird auch in Magdeburg begangen. Ich möchte eingangs auch auf Bitten einiger Kolleginnen und Kollegen darauf hinweisen, dass eine gewisse Zahl von Abgeordneten an diesem wichtigen Tag im Kirchenkalender an der Fronleichnamsprozession teilnehmen wird und wir
Ich komme zur Tagesordnung für die 15. Sitzungsperiode des Landtags. Die Tagesordnung liegt Ihnen vor.
Zu Tagesordnungspunkt 8 - GroßschutzgebieteVerwaltungsgesetz - vereinbarte der Ältestenrat zunächst, die anstehende zweite Beratung ohne Debatte durchzuführen. Nachdem im Ältestenrat bereits die Fraktion DIE LINKE signalisiert hatte, zu diesem Tagesordnungspunkt reden zu wollen, hat nunmehr auch die Fraktion der SPD Redebedarf angezeigt. Daher schlage ich Ihnen eine Dreiminutendebatte in der Reihenfolge SPD, DIE LINKE, CDU und GRÜNE vor.
Hinsichtlich der Reihenfolge der Redner darf ich Ihre Aufmerksamkeit auch auf den Tagesordnungspunkt 13 lenken. Während der Ältestenrat bei der Festlegung der Reihenfolge der Redner noch von einer Einbringung des Antrages durch die Abgeordnete Frau Feußner ausging, wird der Antrag nunmehr von der Abgeordneten Frau Niestädt eingebracht werden. Unter Berücksichtigung ihrer Fraktionszugehörigkeit schlage ich folgende Reihenfolge vor: DIE LINKE, CDU, GRÜNE und SPD. Können wir so verfahren? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Wir können so wie eben besprochen verfahren.
Zum zeitlichen Ablauf der 15. Sitzungsperiode erlaube ich mir abschließend noch einen Hinweis. Am heutigen Abend findet eine parlamentarische Begegnung mit dem Mitteldeutschen Rundfunk im Landesfunkhaus statt. Die morgige Sitzung wird wie üblich um 9 Uhr beginnen.
Im Anschluss an die Plenarberatung am Freitag werden 30 Minuten nach Beendigung der Sitzung Busse vor dem Landtag zur Verfügung stehen, in die wir dann einsteigen und in die Altmark fahren können. Es ist Ihnen allen bekannt, dass wir am Freitag aus gegebenem Anlass in der Altmark ein Zeichen setzen wollen für die unveräußerlichen Rechte, die in unserer Verfassung gesichert sind, insbesondere Artikel 1 betreffend.
Die rechtspolitischen Sprecher aller vier Fraktionen haben eine gemeinsame Veranstaltung in dem Ortsteil Insel angemeldet. Wir werden daran teilnehmen. Wer daran teilnehmen und die Möglichkeit nutzen möchte, der merke sich bitte: 30 Minuten nach Beendigung der Plenartagung ist Abfahrt vor dem Haus.
Es werden zunächst als Einbringerin für die Fraktion DIE LINKE Abgeordnete Frau Bull und als Einbringer für die Landesregierung Kultusminister Herr Stephan Dorgerloh sprechen. Es ist eine Debatte mit einer Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart worden in der Reihenfolge: CDU, GRÜNE, SPD und DIE LINKE. Ich bitte zunächst die Einbringerin, das Wort zu nehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann sich dem Schulsystem aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln und in sehr unterschiedlichen Teilbereichen nähern. Man kann mehr oder weniger kritisch die Frage der demokratischen Teilhabe, die Frage der Unterrichtsqualität, die Frage des gemeinsamen Unterrichts - das haben wir morgen auf der Tagesordnung -, die Frage der Verbindung zur Praxis und viele weitere Fragen beleuchten. Das werden wir hier ganz sicher noch oft tun.
Der Gegenstand der Debatte heute ist die Frage nach der Schulstruktur und nach ihrem Einfluss auf die Bildungsgerechtigkeit und Leistungsfähigkeit von Schule; denn andernfalls brauchten wir keine neue Schulform bzw. brauchten wir über eine neue Schulform nicht nachzudenken, gleich ob sie am Anfang eines Prozesses steht oder am Ende.
Meine Damen und Herren! Der Ausgangspunkt der Kritik meiner Fraktion ist das gegliederte Schulsystem selbst.
Deshalb sollte man Schritt für Schritt, in homöopathischen Dosen darangehen, diese Schulstruktur zu überwinden.
Ich möchte mich zunächst auf diesen Teil in unserem Gesetzentwurf konzentrieren. Was ist am gegliederten Schulsystem zu kritisieren? - Meine Damen und Herren! Entwicklung ist ein höchst indivi
dueller Prozess. Er ist vor allen Dingen - nicht nur, aber vor allen Dingen - vom sozialen Umfeld abhängig und gestaltbar, und das im weitesten Sinne. Es geht um die Frage, wie es gelingt, ein positives Lernklima zu schaffen, Stigmatisierungen zu vermeiden, Spaß am Lernen zu entwickeln und den Nerv und die Themen von Kindern zu treffen.
Professor Gerald Hüther, der Neurobiologe aus Hannover, hat einmal gesagt: Das Gehirn entwickelt sich dort, wo es mit Freude gebraucht wird. Wie gelingt es, die jeweils individuellen Lernwege und Lernstrategien von Kindern zu entdecken und zu fördern? - Ich finde, das ist eine extrem große Herausforderung für alle die, die in der Schule unterwegs sind, und eine riesige Verantwortung.
Entwicklung ist ein Vorgang mit sehr, sehr offenem Ausgang. Abhängig ist der Schulerfolg von Kindern aber auch davon, auf welche Erwartungshaltung Schülerinnen und Schüler treffen. Meine Damen und Herren! Sie haben ein sehr feines Gespür dafür, was Lehrerinnen und Lehrer von ihnen halten, was Lehrerinnen und Lehrer von ihnen erwarten, was die Familie von ihnen erwartet. Das ist sehr stark auch von der Beziehung von Schülerinnen und Schülern zu Lehrerinnen und Lehrern und anderen Pädagogen abhängig.
Die Frage: „Was traue ich Kindern zu?“, ist eine der zentralen Fragen. Auf welche Herausforderungen und auf welche Angebote treffen Kinder? - Damit sind wir beim Kern der Dinge: bei der Logik der unterschiedlichen Bildungsgänge. Nach unserer Auffassung steht die Logik der getrennten Bildungsgänge der Prämisse, dass Entwicklung ein offener Prozess ist, entgegen. Damit werden Kinder nämlich sehr früh auf ein vergleichsweise festes Bildungsgleis gesetzt, verbunden mit eingeschränkten Angeboten - das ist der Kern der Kritik - und eingeschränkten Voraussetzungen für einen Großteil der Kinder.
Meine Damen und Herren! Ein weiteres strukturelles Problem: Diese Gleise laufen nicht parallel, sondern sie laufen auseinander.
Die gepriesene Durchlässigkeit ist eine Legende. Es gibt sie nicht bzw. kaum. Es kann sie auch nicht bzw. kaum geben. Das liegt in der Natur der Sache, wenn man zwischen zwei fahrenden Zügen den Standort wechseln will. Das geschieht formell. Die unterschiedlichen Stundentafeln und auch die unterschiedlichen curricularen Vorgaben sind allen bekannt. Ein Stichwort ist die zweite Fremdsprache, die erheblich mit darüber entscheidet, ob der Weg zum Beispiel zum Abitur frei bleibt. Eine weitere formelle Frage ist das Sortieren nach Leistung auch unter dem Dach der Sekundarschule. Stichwort: hauptschulabschlussbezogener Unterricht. Auch das ist ein Bildungsgleis, von dem man nur ganz, ganz schwer wieder herunterkommt.
Meine Damen und Herren! Das geschieht aber auch informell. Es geht nicht nur um unterschiedliche Bildungsangebote, sondern auch um unterschiedliche Erwartungshorizonte, die mit Lernerfolg bzw. Lernmisserfolg verbunden sind. Diese getrennten Bildungsgänge haben Auswirkungen, meine Damen und Herren. Das ist vergleichbar mit dem Prinzip der sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
Unterschiedliche Schulformen setzen einer offenen Entwicklung Grenzen. Ich finde sehr wohl, dass der Vergleich mit den Bildungsgängen sehr treffend ist.
Längeres gemeinsames Miteinander- und Voneinanderlernen hält diese mögliche Entwicklungsperspektive stattdessen für Schülerinnen und Schüler so lange wie möglich offen.
Professor Peter Fauser, der Inhaber des Lehrstuhls für Schulpädagogik an der Uni in Jena, hat auf der bildungspolitischen Konferenz Mitteldeutschlands, interessanterweise damals im Kreise von drei CDU-Bildungsministern, zusammengefasst, was aus seiner Sicht die beiden Vorteile eines längeren gemeinsamen Lernens in Vielfalt sind. Zum einen bietet es die Möglichkeit des sozialen und demokratischen Lernens, was einfach heißt, dass Kinder mit Unterschieden umzugehen lernen, dass sie lernen, sich nicht abzugrenzen, dass sie lernen, nicht zu diskriminieren. Das erfordert enorm hohe soziale Kompetenz.
Zum anderen bietet Vielfalt, Heterogenität, in den Lernausgangslagen auch die Möglichkeit, unterschiedliche Denkwege, unterschiedliche Lösungsoptionen kennenzulernen, Lösungsansätze, -muster und Lernstrategien der oder des anderen zu erfahren, auszuprobieren, zu reflektieren und zu schauen, ob man davon etwas hat, ob man davon profitieren kann. - So weit zur Ausgangslage.