Protocol of the Session on April 26, 2012

Die Wahrheit, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, sieht jedoch anders aus. Bedienen wir uns einmal einer kleinen Modellrechnung. Die Höhe der Altersentschädigung eines Landtagsabgeordneten in Sachsen-Anhalt richtet sich nach der Dauer der Mitgliedschaft im Parlament. Für jedes Jahr im Landtag beträgt sie 3 % der Abgeordnetenentschädigung, jedoch höchstens 69 %. Gehört zum Beispiel ein Abgeordneter dem Landtag eine gesamte Wahlperiode von fünf Jahren an, erhält er nach derzeitiger Rechtslage bei Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente in Höhe von 719,55 €.

Für Richterinnen und Richter sieht es gemäß § 14 Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes derzeit aber wie folgt aus: Das Ruhegehalt beträgt für jedes Jahr Dienstzeit knapp 1,8 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, insgesamt jedoch höchstens 71,75 %.

Liebe Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, beachten Sie bitte auch die Mindestbeiträge für das Ruhegehalt in der Beamtenversorgung. Ein Blick in das Gesetz erleichtert Ihnen vielleicht die Rechtsfindung. § 14 Abs. 4 des Beamtenversorgungsgesetzes besagt: „Das Ruhegehalt beträgt mindestens 35 v. H. der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge.“

Ihr erklärter politischer Wille ist es also, dass Sie die Altersentschädigung der Abgeordneten an die Altersversorgung der Richterinnen und Richter anpassen wollen. Damit wollen Sie auch den Sockel von mindestens 35 % haben. Diese offensichtlich deutliche Erhöhung müssen Sie in der Öffentlichkeit verteidigen.

Im Übrigen stellt der Höchstsatz von 71,75 % faktisch auch eine Erhöhung gegenüber der derzeit geltenden Rechtslage dar. In unserem Gesetzentwurf stehen maximal 69 %.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann ja sein, dass Sie für den Fall Vorsorge treffen wollen, dass Sie in der nächsten Wahlperiode dem Landtag nicht mehr angehören.

(Heiterkeit bei der CDU - Unruhe bei den GRÜNEN)

Dann wären Sie immerhin mit einem Sockel von 35 % der Abgeordnetenentschädigung

(Zuruf von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

- das sind knapp 2 000 € - richtig gut abgesichert.

Sie haben jedoch diese massive Überprivilegierung in der Öffentlichkeit zu verteidigen, meine Damen und Herren von den GRÜNEN. Der Respekt vor der Landesverfassung gebietet in erster Linie, dass über den maßgeblichen Vorschlag der unabhängigen Diätenkommission nicht hinausgegangen wird. Dies tun Sie jedoch mit der von Ihnen gewünschten Angleichung der Altersversorgung der Abgeordneten an die Pensionsbezüge der Beamtenversorgung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Ich bitte um Überweisung beider Gesetzentwürfe und gemäß § 28 der Geschäftsordnung auch des Änderungsantrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Ältestenrat. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Abgeordneter Borgwardt. Herr Striegel hat eine Frage. Herr Borgwardt, würden Sie diese beantworten? - Bitte schön.

Herr Kollege Borgwardt, die Bestimmungen sowohl des Beamtenversorgungsgesetzes als auch des Abgeordnetengesetzes sind mir wohl bekannt. Meine Frage ist: Haben Sie den Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben, vollständig gelesen, und haben Sie in diesem Gesetzentwurf einen Teil gefunden, der die Bestimmungen des § 14 des Beamtenversorgungsgesetzes übernimmt? Ja oder nein?

Das ist relativ leicht zu beantworten, da der Gesetzentwurf von Ihnen äußerst überschaubar ist. Aber - ich sage es einmal so - trotz Ihrer neuen Brille fehlt offensichtlich der volle Durchblick, Herr Striegel.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen auch, warum. Wenn Sie nämlich den GBD befragt hätten, dann hätten Sie erfahren, dass auch § 14 vollumfänglich mit gilt, wenn Sie das Bundesbeamtenversorgungsgesetz anwenden wollen. Das ist doch völlig klar. Sie haben den Paragrafen meiner Ansicht nach in Ihrem Gesetzentwurf nicht ausgeschlossen. Oder habe ich etwas überlesen?

(Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE: Ja!)

- Sie haben den Paragrafen in Ihrem Gesetzentwurf ausgeschlossen? Wo?

Ich erkläre es Ihnen.

Aha. Na, dann bin ich gespannt.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Abgeordneter Borgwardt. - Die Einbringung des Gesetzentwurfes der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/1028 wird der Abgeordnete Herr Striegel vornehmen. Danach kommen wir zu der verbundenen Debatte zu beiden Gesetzentwürfen.

Herr Kollege Borgwardt, zunächst zu Ihrer Argumentation. Ich finde, es ist immer ein deutliches Barometer dafür, wie die Stimmung im Hause ist, wenn man anfangen muss, auf neue Brillen zu rekurrieren, statt auf Inhalte einzugehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Regelmäßig, mindestens einmal in der Wahlperiode ist das Abgeordnetengesetz Thema in diesem Hohen Hause.

(Unruhe bei der CDU)

Denn innerhalb der ersten anderthalb Jahre einer Wahlperiode ist der Präsident verpflichtet, dem Landtag auf der Grundlage einer Stellungnahme der Diätenkommission einen Bericht über die Angemessenheit der Entschädigung der Abgeordneten zu liefern. - Ich korrigiere mich nachträglich, Frau Präsidentin, Entschuldigung.

(Zurufe von der CDU)

Das will ich doch gehofft haben.

(Heiterkeit bei der CDU)

Diese mit dem etwas sperrigen Titel versehene Kommission über die Angemessenheit der Entschädigung der Abgeordneten des Landtages von Sachsen-Anhalt hat in unserem Land Verfassungsrang. Sie ist der unter den verfassungsrechtlichen Gegebenheiten bestmögliche Versuch, die Abgeordneten des Landtages aus der misslichen Lage zu befreien, über ihre eigenen Bezüge bestimmen zu können und zu müssen.

Die Bürde einer solchen Entscheidung ist Parlamentariern, die bereits mehrere Male in das Hohe Haus eingezogen sind, aus Erfahrung schmerzlich bewusst. Neu in das Parlament gekommene Abgeordnete erleben sie erstmals aus der Perspektive von in mehrerlei Hinsicht Betroffenen:

Sie erfahren die gewollte Einmischung der Bürgerinnen und Bürger in ihre ureigensten Angelegen

heiten, nämlich in die Verwendung von Steuergeldern. Sie erfahren die Sorge darüber, ob eine Steigerung der Entschädigung und deren Höhe in Sachsen-Anhalt angemessen und vermittelbar ist. Sie erfahren das fundierte Hinterfragen bestehender Regelungen, aber auch massive Unkenntnis, unsachliche Anwürfe, Beleidigungen und Verleumdungen.

Die Debatte verläuft vor dem Hintergrund einer sehr grundsätzlichen, ja systemrelevanten Skepsis gegenüber der Politik und den Politikern. Sie verweist, wie ich meine, zu Recht auch auf die soziale Spaltung in unserem Land, an der politische Entscheider ebenso Mitverantwortung tragen wie Manager und Besitzer und Besitzerinnen von Aktien und Vermögen - eine Spaltung, die es zu verkleinern gilt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Dazu braucht es gute Politik, insbesondere gute Bildungspolitik, damit es nicht vom sozialen Status der Eltern abhängt, ob sich jemand entsprechend seinen Möglichkeiten entwickeln kann. Dazu gehört, dass gute Arbeit fair bezahlt wird, zum Beispiel durch einen gesetzlichen Mindestlohn. Dazu gehört auch, dass alle Menschen in diesem Land entsprechend ihrem Einkommen und ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit auf a l l e ihre Einkünfte Steuern zahlen, um das Gemeinwesen zu erhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kaum ein Thema scheint geeigneter zu sein, für so ein hohes Maß an öffentlicher Erregung zu sorgen, als die Bezahlung von Abgeordneten. Das ist gut so und spricht erst einmal für das Funktionieren der Demokratie. Als Staatsbürger und als Abgeordneter wünschte man sich lediglich, auch bei anderen Sachentscheidungen gäbe es ein ähnlich hohes Maß an Interesse, öffentlich ausgetragener Meinungsbildung und dem Willen zum Mitbestimmen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Bei der Diskussion um die Abgeordnetenentschädigung geht es nicht nur, aber auch um Verfassungsfragen, um Konsequenz, um die Stellung innerhalb des politischen Systems, die Bürgerinnen und Bürger ihren Abgeordneten im Verhältnis zur Landesregierung und den anderen Verfassungsorganen zuweisen wollen.

Die Debatte zum Abgeordnetengesetz berührt letztlich die Frage, ob wir an einem zu reformierenden System parlamentarisch repräsentativer Demokratie festhalten wollen, ob wir also Abgeordnete als auf Zeit gewählte Repräsentantinnen von Wählerinnen und Wählern in einer funktionierenden Demokratie für unerlässlich halten.

Ich meine, wir sollten das tun und gleichzeitig das bisherige System deutlich transparenter gestalten

und es um weitere Elemente direkter demokratischer Mitbestimmung ergänzen.

Abgeordnete, die als Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes frei und nur ihrem Gewissen unterworfen politische Entscheidungen treffen, verdienen, dass auch sie achtsam behandelt werden. Als Menschen und als Abgeordnete entscheiden sie nach intensiver Abwägung und bisweilen auch mit starken Bauchschmerzen, wenn es um hart erarbeitete Kompromisse und um einen Interessenausgleich geht.

Niemand von uns will, niemand von uns sollte Volksroboter sein, der quasi ferngesteuert Wähleraufträge erfüllt. Für die Ausübung des Mandats braucht es Unabhängigkeit im Denken und Handeln, aber auch in finanzieller Hinsicht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Verankerung der Diätenkommission in der Landesverfassung kann - hierbei setzt das Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1975 klare Grenzen - die Entscheidung der Abgeordneten über die Empfehlung einer Kommission, die der Präsident dem Landtag vorlegt, nicht ersetzen. Das Parlament, jede und jeder einzelne Abgeordnete, muss sich der originär politischen Beurteilung stellen, ob sie oder er den Empfehlungen der Kommission folgen kann. Die Verfassung setzt dazu den alleinigen Maßstab. Die Entschädigung soll angemessen sein und die Unabhängigkeit sichern - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Bereits drei unabhängige Kommissionen haben dem Landtag empfohlen, die Entschädigung der Abgeordneten an der Besoldung von Richterinnen und Richtern zu orientieren. Diese hätten einen ähnlichen Verantwortungsbereich, ihr unabhängiges, von äußeren, auch finanziellen Erwägungen freies Entscheiden sei notwendig und der Arbeitsumfang vergleichbar.