Protocol of the Session on March 23, 2012

Ich will das hier kurz skizzieren. Wir haben in der Septembersitzung über einen sehr umfänglichen Antrag beraten, der die gesamte Bandbreite der Aufgaben beinhaltete - Frau von Angern hat Fleißarbeit geleistet; es waren vier Seiten -, die wir in den nächsten Jahren im Justizvollzug zu lösen haben: Strukturen, das neue Justizvollzugsgesetz, Sicherungsverwahrung, Frauenvollzug - alles war enthalten.

Wir haben den Antrag an den Ausschuss überwiesen. Seither hat es keine Sitzung des Rechtsausschusses gegeben, in der dieser Antrag nicht auf der Tagesordnung gestanden hätte und in der wir uns nicht über den aktuellen Stand der Dinge verständigt hätten.

(Herr Herbst, GRÜNE: Ein Oppositionsantrag! - Frau Hampel, SPD: Na und?)

- Das spielt doch keine Rolle. Herr Herbst, lesen Sie sich bitte durch, was wir hier in der Debatte damals zu diesem Antrag gesagt haben! Wir haben nicht gesagt, dass der Antrag Unsinn sei, sondern wir haben gesagt, dass er das komplette Arbeitsprogramm beinhalte. Das war damals die Botschaft.

(Frau Hampel, SPD: So ist es! - Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

In diesem Antrag findet sich auch die Formulierung, was die Justizvollzugsstrukturen anbelangt, dass die Landesregierung unverzüglich berichten möge, wenn etwas vorliegt.

Seit Dezember gibt es diesen Bericht. Noch bevor er das Kabinett erreichte, ist er in der Januarsitzung dem Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung vorgestellt worden. Es kann also nicht die Rede von einer Black Box oder davon sein, dass das Parlament nicht einbezogen worden wäre.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Der Ausschuss war voll umfänglich informiert.

Herr Herbst, das war im Übrigen der Ausgangspunkt dafür - Sie waren ja dabei -, dass der Rechtsauschuss im Februar seine Sitzung in Halle durchgeführt hat, um sich vor Ort schon einmal ein Bild zu machen, wie das an dem Standort „Frohe Zukunft“ gelingen kann.

Nun haben Sie, Herr Herbst, als zentrale Bestimmung den Artikel 62 der Landesverfassung herangezogen. Darin ist von „rechtzeitiger Unterrichtung“ die Rede. Ich glaube, hier schon deutlich gemacht zu haben, dass dem voll umfänglich Rechnung getragen worden ist.

(Zustimmung von Herrn Leimbach, CDU)

Formell ist Artikel 62 der Landesverfassung durch die Landtagsinformationsvereinbarung ausgefüllt. Sie kennen das sogenannte LIV-Verfahren. Auch dem wurde Rechnung getragen. Der Beschluss

der Landesregierung vom 21. Februar 2012 und der gesamte Bericht ist im LIV - das geschah am 23. Februar 2012, also zwei Tage nach der Kabinettsbefassung - eingestellt worden ist.

Herr Herbst, Sie beklagen in Ihrem Antrag, dass die Varianten im Rechtsausschuss zwar vorgestellt, jedoch weder im Ausschuss noch im Plenum zur Abstimmung gestellt worden sind. Was wollen wir denn beschließen? Auf welcher Grundlage wollen wir was beschließen? Wollen wir eine Powerpoint-Präsentation zur Abstimmung stellen?

(Zurufe von den GRÜNEN)

Zur Abstimmung kann doch nur das gelangen, Herr Herbst, was eine Fraktion - von mir aus auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - beantragt.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Diesbezüglich haben wir einen voll umfänglichen Antrag, der gewissermaßen die Geschäftsgrundlage hätte bilden können. Aber hierzu ist bislang nichts geschehen. Es steht Ihnen natürlich frei, statt einer Aktuellen Debatte auch Anträge im Plenum zu stellen oder Gesetzentwürfe einzubringen. Das alles ist möglich. Aber ich will jetzt nicht oberlehrerhaft sein.

(Herr Striegel, GRÜNE: Ach, nein! - Herr Gal- lert, DIE LINKE: Das kommt ein bisschen spät! - Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

- Ja, gut. - Im Rahmen einer Aktuellen Debatte Handlungsdefizite aufzuzeigen, die man selbst beseitigen kann, ist auch nicht richtig.

Ich will im Namen der Koalitionsfraktionen sagen, dass wir keine Anträge und Gesetzentwürfe hierzu einbringen werden, und ich begründe das auch.

Es gibt, was die jetzige Situation im Justizvollzug anbelangt, dringenden Handlungsbedarf. Wir haben 500 Haftplätze zu viel und eine defizitäre personelle Situation. Das hat Frau von Angern hinreichend beschrieben. Wir kommen gar nicht umhin, kurzfristig entsprechend zu handeln. Die Anstalten in Naumburg und in Magdeburg sollen geschlossen werden. Das haben wir damals, als wir über dieses Gesetz beraten haben, insoweit vorweg genommen, als wir diese Standorte in das Gesetz nicht als „Standorte“, sondern als „Außenstellen“ aufgenommen haben und damit der Landesregierung implizit die Möglichkeit gegeben haben zu handeln, wenn denn Handlungsbedarf besteht.

Das macht die Landesregierung im Übrigen nicht im Alleingang. Das hat sie rechtzeitig signalisiert und das hat sie auch mit den Koalitionsfraktionen abgesprochen.

Zur Sicherungsverwahrung. Herr Borgwardt hat den Handlungsdruck noch einmal aufgezeigt. Auch dabei müssen wir kurzfristig zu entsprechenden Lösungen kommen. Das hängt damit zusammen,

dass es bislang eine mitteldeutsche Lösung gab, die es jetzt so nicht mehr gibt. Auch der Frauenvollzug muss neu organisiert werden; das ist auf dem Weg. Das ist Handeln der Landesregierung.

Ich denke, dass die Landesregierung - wie bislang auch -, sobald sich Ergebnisse in diesen beiden Bereichen abzeichnen, den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung selbstverständlich informieren wird. Falls es Bedenken oder andere Überlegungen geben sollte, wird sie das im Ausschuss entsprechend vortragen.

Es bleibt die spannende Frage: Was passiert mit dem Rest? - Es wurde mehrfach gesagt, dass eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben wird. Das ist richtig. Es geht dabei nicht mehr um irgendwelche Varianten, sondern es geht um die Realisierung des Ergänzungsbaus in der „Frohen Zukunft“. Wie dieser Ergänzungsbau ausfällt, hat aber auch Folgen für die anderen Standorte. Wir gehen davon aus, dass die Machbarkeitsstudie eine Realisierung in Etappen aufzeigt.

Das geschieht in der Folge nicht am Parlament vorbei, Herr Herbst, das ist bereits gesagt worden. Denn bevor überhaupt ein Euro in die Hand genommen wird, um irgendeine Justizvollzugsanstalt - wo auch immer - neu zu bauen, zu erweitern oder was auch immer, entscheidet darüber das Parlament im Rahmen der Haushaltsberatungen, und zwar beim Einzelplan 20. Dass wir in dem Zusammenhang - insoweit ist die Sache doppelt genäht - dann auch das Gesetz ändern müssen, in dem die bisherigen Standorte geregelt sind, ist auch klar.

Wir haben jetzt etwas Zeit gewonnen. Ich bin darüber - diesbezüglich verrate ich keine neue Botschaft - überhaupt nicht böse, dass wir jetzt mehr Zeit haben.

Diesbezüglich verstehe ich Sie, Frau von Angern, wiederum nicht. Sie beklagen, dass wir bislang nicht über Inhalte gesprochen haben, was auch stimmt. Wir sollten die Zeit nutzen, die wir jetzt haben - das klang heute auch an; Frau Ministerin hat das in Aussicht gestellt -, um uns über den Musterentwurf des Strafvollzugsgesetzes ausführlich zu verständigen. Es ist wichtig, dass wir nicht nur über Strukturen, sondern auch über Inhalte reden.

Es geht um die zentrale Frage: Wie wollen wir den Justizvollzug künftig gestalten? - Ich nenne nur Stichworte: Behandlungsvollzug. Wollen wir eine Arbeitspflicht? Wenn wir eine Arbeitspflicht wollen, müssen wir auch Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Herr Borgwardt hat schon darauf hingewiesen, dass in Volkstedt 72 % der Häftlinge arbeiten gehen können.

(Herr Borgwardt, CDU: Das ist deutschland- weit spitze!)

Das ist in dieser Größenordnung an anderen Standorten so nicht möglich.

Zu den Subkulturen, Herr Herbst. Wie sieht das aus? Was hat das für Rückwirkungen auf sogenannte harte Faktoren? Man könnte auch sagen: Was müsste man an weichen Standortfaktoren beachten, um die Strukturfragen zu beurteilen? - Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollten wir in diese Strukturdebatte einfließen lassen.

Ich will noch auf einen Aspekt hinweisen; auch die Frau Ministerin ist darauf eingegangen. Richtig ist - wir haben uns das in anderen Ländern angeschaut, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Norwegen usw., der Rechtsausschuss plant dieses Jahr eine weitere Reise -, dass es in anderen Ländern, was die Resozialisierung und den Behandlungsvollzug betrifft, weniger Rückfälle gibt als in Deutschland. So wie wir bisher den Justizvollzug organisiert haben, reproduzieren wir im Grunde genommen die eigenen Kosten, weil die Rückfallquote besonders hoch ist.

(Zustimmung bei der SPD)

Diese Überlegungen muss man bei der Beantwortung der Frage einfließen lassen, wie wir künftig den Justizvollzug organisieren wollen und ob wir nicht vielleicht doch von anderen Ländern etwas lernen können. Wenn in anderen Bundesländern in Größenordnungen, wie das Frau Ministerin ausgeführt hat, neu gebaut wird, muss das aber nicht heißen, dass das inhaltlich der richtige Weg ist.

Ich möchte mit einem Appell enden. Wir sollten nicht dazu beitragen, den Druck auf den Kessel zu erhöhen, sondern wir sollten die Landesregierung in aller Ruhe erst einmal arbeiten lassen. Wir haben genügend Raum, den Vollzug ganzheitlich zu betrachten und dann die dafür notwendigen Entscheidungen zu treffen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Brachmann. Es gibt eine Anfrage des Kollegen Herbst. Möchten Sie diese beantworten?

Bitte schön.

Danke, Herr Kollege Brachmann. Es ist eine Intervention, keine Frage. - Herr Brachmann, Sie haben gesagt: Transparenter geht es nicht. - Das ist nun wirklich eine mutige Auslegung dessen, was geschehen ist. Das muss ich sehr deutlich sagen.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE - Frau Niestädt, SPD: Das ist die Realität!)

Ich finde es sehr mutig, das so zu sagen. Es ist doch so, dass parlamentarische Prozesse ein wenig wie eine Schaubäckerei sind, bei denen man durch die Glasscheibe schaut und sich das ansehen kann. Das ist alles schön und gut. Aber wenn Sie den Artikel 62 der Landesverfassung und vor allen Dingen die Kommentare dazu lesen, werden Sie feststellen, dass es eben nicht um die Schaubäckerei geht, sondern auch um das Mitbestimmen des Teiges. Das ist der eine Punkt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Der zweite Punkt betrifft die Bezugnahme auf den ausführlichen Antrag der Fraktion DIE LINKE, vorgetragen von Frau von Angern, über den wir in der Tat häufig gesprochen haben und sicherlich auch weiterhin noch sprechen werden.

Herr Borgwardt, wenn ein Gesetzentwurf, womit sich die Landesregierung ins Benehmen setzt, erarbeitet werden soll, dann reicht es nicht aus, darauf zu verweisen, dass es einen Antrag der Linksfraktion gibt, über den wir häufig gesprochen haben. Es muss doch ein eigener Gesetzentwurf der Regierung eingebracht werden, der sich damit beschäftigt. Man kann doch nicht einfach darauf verweisen, dass im Ausschuss über einen Antrag diskutiert worden ist.

Herr Brachmann, weil Sie hier so polemisiert und gefragt haben, ob das Parlament aufgrund einer Powerpoint-Präsentation entscheiden solle: natürlich nicht. Die Landesregierung wird sich bei ihrem Beschluss nicht auf eine Powerpoint-Präsentation berufen, sondern wird das Ganze tiefer untersetzt haben.

Eine kurze Erwiderung. Erstens. Herr Herbst, an Mut fehlt es mir nicht. Es ist nicht eine Frage des Mutes, sondern meines Erachtens Ausdruck dessen, was die Landesregierung getan hat. Sie war bemüht, diesen Prozess von vornherein transparent zu gestalten. Seitdem das vorliegt, sind alle Fraktionen, ist das Parlament, ist der Rechtsausschuss rechtzeitig unterrichtet worden.