Protocol of the Session on February 24, 2012

Ja.

Herr Gallert, bitte.

Herr Kolze, stellen Sie sich vor, ich verschaffe Ihnen sogar noch zusätzliche Redezeit.

Herr Kolze(CDU):

Ich bin begeistert.

Herr Kolze, Sie haben gesagt, dass die Verschärfung des Strafmaßes bei Angriffen auf Polizisten eine spürbare Verbesserung der Situation der Polizisten erbracht habe. - Das ist eine kurze Zusammenfassung Ihres etwas längeren Satzes.

Jetzt kenne ich aber sämtliche Statistiken oder ich habe zumindest davon gehört. Die gehen überall - das war auch Ihr Ausgangssatz - von einer steigenden Zahl von Gewaltdelikten gegenüber Polizisten aus. Wenn Sie Recht hätten, müsste sie doch jetzt, nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, sinken. Woher haben Sie Ihre Erkenntnis, dass das dazu geführt habe, dass die Dinge besser geworden sind?

Lieber Kollege Gallert, erstens ist es gerade verabschiedet worden.

Also können Sie es doch noch gar nicht wissen.

Ich habe Sie doch auch ausreden lassen.

Ja, ja.

Wir gehen davon aus, dass dies seine Wirkung nicht verfehlen wird. Darüber hinaus, Herr Gallert, ist es auch für unsere Polizeibeamten und -beamtinnen ein emotionales Moment. Wenn man nämlich davon ausgeht, dass die Gesellschaft Straftaten gegen unsere Beamtinnen und Beamten in einem angemessenen Maß sanktioniert, dann ist das für die Polizeibeamtinnen und -beamten in unserem Land sehr wichtig. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Kolze. - Als Nächster spricht für die Landesregierung der Minister für Inneres und Sport Herr Stahlknecht.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Artikel 8 des Grundgesetzes steht geschrieben: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“

Ich frage dieses Hohe Haus: Warum müssen dann immer Einsatzhundertschaften Demonstrationen sichern?

(Zuruf von der CDU: Gute Frage!)

Und ich frage dieses Hohe Haus: Wenn wir, wie wir es in unserer Verfassung vereinbart haben, friedlich demonstrieren - wie kann es denn auf Demonstrationen zu Gewalt kommen?

Um es gleich vorweg zu sagen: Es sind doch nicht unsere Polizisten, die, wenn sie zu einem Einsatz gerufen werden, mit dem Vorsatz hingehen, Gewalt zu begehen. Es sind die anderen, die sich dort nicht an das Grundgesetz halten und Gewalt gegen andere Demonstranten ausüben, die friedlich demonstrieren, aber auch gegen unsere Polizeibeamten, die im Sinne unseres Gemeinwesens und unseres Staates handeln.

Meine Damen und Herren! In Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes steht: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten...“. In Absatz 2 heißt es: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze...“.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie, warum viele zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen diese Schranken überschreiten und Polizeibeamte

schlagen, beleidigen, verleumden und bedrohen. Ich frage Sie in diesem Hohen Hause: Warum kämpfen wir nicht mit der gleichen Leidenschaft wie gegen den Rechtsextremismus und mit der gleichen Leidenschaft wie für eine politische Hygiene - wir haben diese Diskussion gerade durch - auch dafür, dass auf Demonstrationen unser Grundgesetz eingehalten wird und dass friedlich demonstriert wird? Warum kämpfen wir nicht mit der gleichen Leidenschaft für eine Meinungsfreiheit, die ihre Grenzen dort findet, wo sie die Rechte anderer beschränkt?

(Zustimmung bei der CDU)

Warum stellen wir uns nicht mit der gleichen Leidenschaft, mit der wir für andere Dinge in diesem Haus kämpfen, zu unserer Polizei?

(Beifall bei der CDU)

Meine Erfahrung aus den zehn Monaten, in denen ich dieses Amt ausüben darf, ist die: Wir kämpfen nicht mit dieser Leidenschaft für unsere Freiheit und für unsere Polizei; vielmehr suchen einige nach einer Demonstration mit Leidenschaft nach Fehlern, die die Polizei gemacht hat.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir werden Ihnen das Video zeigen.

(Zuruf von der LINKEN: Das hoffen wir!)

Ich erlebe Demonstrationen, bei denen gewaltbereite Demonstranten mit einer Heerschar von Fotografen kommen, Polizisten verbal provozieren und durch Schnappschüsse, bei denen ein Polizist lediglich die Hand hebt, den Eindruck erwecken, das sei ein tätlichen Angriff gewesen.

(Herr Kolze, CDU: Und dann im Kranken- haus posieren!)

Meine Damen und Herren! Es hat in letzter Zeit - Herr Kolze hat es gesagt - eine Reihe von Angriffen auf unsere Polizei gegeben: einen versuchten Totschlag am Rande einer Demonstration, einen Anschlag mit einem Molotowcocktail auf das Polizeirevier in Dessau, Brandanschläge auf Dienstkraftfahrzeuge der Polizei, einen Brandanschlag auf einen Funkstreifenwagen und Steinwürfe auf ein Fenster des Revierkommissariats Wittenberg.

All diese Angriffe sind auch Meinungsäußerungen, weil man sich durch diese Straftaten aus der Sicht einiger weniger gegen einen vermeintlichen Repressionsapparat wehren will, weil die Polizei aus der Sicht der Extremisten eben nicht ein Teil unseres Staates, nicht ein Teil unserer Verfassung, sondern ein Repressionsapparat ist.

Insofern habe ich auch, obwohl ich dafür bin, mit dem Begriff „Deeskalation“ gewisse Schwierigkeiten. Ich bin für eine Politik der ruhigen Hand. Aber zu suggerieren, dass allein das Erscheinen der Polizei zur Eskalation beitrage und dass wir dann

deeskalieren müssten, dafür habe ich kein Verständnis.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe auch kein Verständnis dafür - - Insofern gebe ich Ihnen Recht, Herr Gallert, dass Strafverschärfung - das war Ihre Frage - das Problem nicht löst. Es ist vielmehr ein gesellschaftliches Problem, dass wir mittlerweile auch in der medialen Wahrnehmung der Gefahr ausgesetzt sind, eine Verschiebung von Werten und Normen zu erleiden.

Das fängt bereits beim Sprachgebrauch an. Wenn man in Gorleben Schienen „schottert“, ist das ein Verbrechen. Wenn ich mit einem von Ihnen heute zum Hauptbahnhof gehen und dort den Schotter entfernen und eine Schiene durchsägen würde, dann wäre das ein gefährlicher Eingriff in den Schienenverkehr - Mindeststrafe ein Jahr.

Wenn wir das Gleiche in Gorleben tun, dann wird durch eine Verharmlosung in unserem Sprachgebrauch der Eindruck erweckt, das „Schottern“ von Gleisen sei ein legales Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen. Das kann es doch nicht sein!

(Beifall bei der CDU)

Denn wenn ich anfange, eine kriminelle Sache sprachlich zu verharmlosen, dann sinkt irgendwann die Hemmschwelle und man geht dazu über, nicht nur Sachen zu beschädigen, sondern auch Gewalt gegen Menschen und gegen unsere Polizei zu verüben.

Insofern sehe ich auch in der sprachlichen Verharmlosung den Versuch einer Legalisierung von Straftaten und damit die Strategie, ein gewisses Wertesystem in diesem Land außer Kraft zu setzen.

Ich möchte von der Internetseite www.widersetzen.de zitieren:

„Wenn der Castor kommt, ist es gut, vorbereitet zu sein. Wie ist es, wenn die Polizei vor mir steht? Was traue ich mir zu? Rollenspiele. - Beginn des Trainings am Freitag, den 25. November 2011 um 19 Uhr im Camp Hitzacker.“

Weiter heißt es dort:

„Dank an die Schotterer, die durch ihre Aktionen tiefe Löcher in das Gleisbett gegraben haben: Es ist diesmal wesentlich einfacher, länger zu sitzen. Ich kann meine Füße in ein Schotterloch stellen und aufrecht mit dem Strohsack auf der Schiene wie auf einem Stuhl sitzen, richtig komfortabel!“

(Zuruf von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das ist kein Einzelfall. Nun denken Sie an den Anfang meiner Rede: In Artikel 8 des Grundgesetzes heißt es: friedlich und

ohne Waffen; für eine Meinungsfreiheit, die ihre Grenze dort findet, wo die Rechte anderer verletzt werden.

All diese von mir zitierten Äußerungen sind strafbewehrte Äußerungen, die in unserer Gesellschaft wöchentlich bei jeder Demonstration zumindest nicht mit der gleichen Leidenschaft abgelehnt werden, mit der wir uns in diesem Hause mit anderen Dingen beschäftigen.

(Beifall bei der CDU)