Lassen Sie mich einen weiteren Punkt erwähnen. Die Weltbevölkerung wird von heute sieben Milliarden bis zum Jahr 2050 auf über neun Milliarden, vielleicht sogar zehn Milliarden Menschen wachsen. Derzeit leiden etwa eine Milliarde Menschen an Hunger und an chronischer Unterernährung.
Die Folgen des Klimawandels und der Rückgang der weltweit landwirtschaftlich nutzbaren Fläche werden die Situation weiterhin verschärfen. Der Fleischkonsum wächst. Das heißt, wir brauchen mehr Fläche und mehr Nahrungsmittel, um die Menschen zu ernähren. Weiterer Züchtungsfortschritt ist erforderlich, um zu verhindern, dass die hinzukommenden Menschen auf unserem Planet hungern, meine Damen und Herren.
Hierzu werden neue und moderne Methoden der Züchtungsforschung benötigt. Die Gentechnik sollte in diesem Zusammenhang nicht von Vornherein tabuisiert werden, meine Damen und Herren.
Ich habe deshalb erhebliche Bedenken bezüglich des Antrags der GRÜNEN. Entgegen den Zielsetzungen dieses Antrages setze ich auf Wahlfreiheit statt auf Bevormundung, auf Koexistenz statt auf Ausgrenzung und Stigmatisierung, auf Einzelfallbewertung statt auf generelle Verbote.
Ich bitte darum, den Antrag der GRÜNEN abzulehnen und dem Alternativantrag zuzustimmen, um eine offene Diskussion über die Chancen und die Risiken der Biotechnologie zu führen. Das wäre angemessen für den stolzen und traditionsreichen Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt.
Herr Aeikens, Sie haben gerade gesagt, Sie würden auf Koexistenz und auf Wahlfreiheit setzen. Sämtliche Wissenschaftler, mit denen ich Gespräche geführt habe, beispielsweise beim IPK - Sie wissen, ich bin auch Biologe -, sagen, dass es in Deutschland angesichts der Aufteilung der Landwirtschaft nicht möglich ist, so große Abstände zwischen GVO und nicht gentechnisch veränderten Pflanzen einzuhalten, dass es nicht zu einer wie auch immer gearteten Verunreinigung kommen kann. Das sagen alle Wissenschaftler.
Sie sagen weiter, sie brauchten eine Toleranzgrenze von mindestens 1 %, damit es sich überhaupt lohnt, gentechnisch veränderte Pflanzen der permanenten Produktion zuzuführen.
Wie verträgt sich diese Erkenntnis mit der Wahlfreiheit, ob ich nicht gentechnisch veränderte Nahrungsmittel zu mir nehmen möchte oder nicht?
Erstens. Nach meinem Kenntnisstand sind die Stimmen der Wissenschaft unterschiedlich hinsichtlich der Frage der Koexistenz. Wir sollten das in Ruhe abgleichen. Dafür sind die Ausschussberatungen geeignet.
Zweitens bin ich der Auffassung, dass wir uns auch in Bezug auf die Toleranzwerte - bezüglich dieser Frage warten wir noch auf Vorgaben der EU - fragen müssen, was in unserer globalisierten Welt praxisnah und handhabbar ist. Ist ein Anteil von 0,0 % realistisch? Oder sollten wir nicht besser den Realitäten ins Auge sehen
Herr Minister Aeikens, Sie haben auf das übrigens auch von der weltweiten Gentechniklobby sehr oft zitierte Beispiel der Verhinderung des Welthungers durch Gentechnik hingewiesen.
Würden Sie mir erstens darin Recht geben, Herr Minister Aeikens, dass es auf der gesamten Welt bisher kein einziges Beispiel einer effektiven Verminderung des Welthungers durch Gentechnik gibt? Würden Sie mir zweitens darin Recht geben, dass im Gegenteil der massenhafte Einsatz des
Pestizides „Roundup Ready“ und die daraus entstehenden Abhängigkeiten in Indien durch den Bankrott vieler Tausender indischer Kleinbauern zu einer der größten Hungers- und Armutskatastrophen geführt hat?
Herr Abgeordneter Herbst, ich gebe Ihnen nicht Recht. Ich empfehle Ihnen dazu die Lektüre der Publikationen von Professor Qaim von der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Frederking, dieses Eis-minusBakterium ist mir leider nicht bekannt. Aber vielleicht können Sie mich darüber aufklären, was es damit auf sich hat.
Die grüne Gentechnik ist in unserer Gesellschaft umstritten, außer bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die sie generell und überall ablehnen. Ich denke, in den anderen Parteien wird heftig darüber diskutiert, so auch in meiner. Dazu gibt es verschiedene Meinungen auch in meiner Fraktion und in der Bundestagsfraktion. Über dieses Thema wird innerhalb der Partei im ganzen Land gestritten.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Neben generellen Fragen der Auswirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt geht es zum Beispiel auch um die Abhängigkeit der Landwirte gegenüber den Herstellern gentechnisch veränderten Saatguts. Dieses Thema ist bereits angesprochen worden.
Es geht um den mit gentechnisch veränderten Pflanzen verbundenen Einsatz von Totalherbiziden, die einen negativen Einfluss auf die Artenvielfalt haben, und es geht nicht zuletzt um die ethische Frage, ob der Mensch Lebewesen genetisch manipulieren darf. Der letzte Punkt ist aus meiner Sicht eine Glaubensfrage.
Die anderen beiden genannten Punkte sind - darauf möchte ich verweisen - keine Frage des Einsatzes der Technik, sondern der Nutzung und ökonomischen Vermarktung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Frederking, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass Ihr Antrag ursprünglich von den Fraktionen der CDU und der SPD im Thüringischen Landtag stammt. Das ist richtig. Das hätte ich auch festgestellt, wenn Sie es nicht getan hätten. Ich muss dazu aber sagen, dass wir in Sachsen-Anhalt andere spezifische Bedingungen haben. Diese sollten wir nicht außer Acht lassen.
In unserem Land sind zwei renommierte Forschungseinrichtungen ansässig, die auf dem Gebiet der grünen Gentechnik tätig sind, und zwar das Julius-Kühn-Institut in Quedlinburg und das Leibniz-Institut für Pflanzentechnik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben.
Ich denke, in diesen Einrichtungen wird wichtige Arbeit geleistet, die der Grundlagenforschung dienen. Diese Arbeit sollten wir nicht gefährden.
Bei der Beurteilung Ihres Antrages muss man sich die Frage stellen, welche Möglichkeiten der Einsatz der Gentechnik nach dem derzeitigen Wissenstand bieten kann. Im Rahmen der Anpassung an den Klimawandel wird die Eigenschaft der Trockenresistenz bei Kulturpflanzen an Bedeutung zunehmen. Das ist sicherlich auch für Sie ein wichtiges Thema.
In Farnen wurden zum Beispiel Gene gefunden, die durch eine Reduzierung des Stoffwechsels bei Trockenheit eine relative Resistenz bewirken. Ein Ziel der Pflanzenzüchtung ist es, diese Gene in Kulturpflanzen zu transferieren.
Eines der anspruchsvollsten Ziele dürfte ohne Zweifel die Symbiose zwischen Knöllchenbakterien und Getreidearten sein. Die Landwirte unter uns kennen sich mit dieser Problematik bestens aus. Bisher wurden bereits über 20 Gene von Leguminosen lokalisiert, welche diese Symbiose im Zusammenspiel bewirken. Sollte es einmal gelingen, Getreide zu züchten, welches auf diese Symbiose eingeht, hätte dies den Vorteil, dass auf mineralische Stickstoffdüngemittel in erheblichem Umfang verzichtet werden könnte.
Wir können also feststellen, dass es nicht nur Risiken beim Einsatz der Gentechnik gibt, sondern auch Chancen. Sachsen-Anhalt - ich erwähnte dies bereits - hat hierbei eine lange Tradition. Ich habe auf die beiden Institute hingewiesen. Es gibt
auch in klimatischer Hinsicht sehr gute Bedingungen, vor allem im Harzvorland, um diese Forschung weiter voranzutreiben.
Der Anbau genetisch veränderter Pflanzen spielt in Deutschland derzeit so gut wie keine Rolle. Das wissen wir alle. Die Gründe hierfür sind bekannt. Als letztes großes Unternehmen - Herr Minister wies darauf hin - hat BASF erklärt, sich aus der Gentechnikforschung in Sachsen-Anhalt und Deutschland generell zurückzuziehen und den Standort in die USA zu verlagern. Damit gehen hochwertige Arbeitsplätze verloren und die relevante Pflanzenzüchtung wird in Deutschland in diesem Bereich zukünftig keine Rolle mehr spielen.
Ich denke, wir sollten uns, wie im Alternativantrag der Regierungsfraktionen vorgesehen, über die Chancen und Risiken gentechnischer Verfahren informieren. In diesem Zusammenhang möchte ich gern anregen, dass wir uns von Experten des Leibniz-Instituts und des JKI beraten lassen und einen Termin vor Ort vereinbaren.