Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag möchten wir die Landesregierung erneut auffordern - ich denke, „erneut“ sagen zu können, da es sich in der sechsten Wahlperiode praktisch um die gleiche Regierung handelt wie vorher -, sich von der Beschränkung des Flächenerwerbs auf 100 ha für landwirtschaftliche Unternehmen, die BVVG Flächen bewirtschaften, zu verabschieden.
Mit dieser Beschränkung auf 100 ha weicht unser Land als einziges Land der neuen Bundesländer von den mit dem Bund und der BVVG vereinbarten Privatisierungsgrundsätzen ab. In allen anderen Bundesländern können landwirtschaftliche Betriebe, die ihr Betriebskonzept in der Vergangenheit auf der Grundlage eines hohen Anteils langfristig von der BVVG gepachteter Flächen aufgestellt haben, diese Flächen bis zu einem Umfang von 450 ha direkt käuflich erwerben. In den anderen neuen Bundesländern haben damit die Betriebe selbst die Entscheidung in die Hand gelegt bekommen, ob sie die von ihnen bisher bewirtschafteten Flächen erwerben oder nicht.
In Sachsen-Anhalt ist, wie gesagt, der Direkterwerb auf 100 ha beschränkt. Damit werden die restlichen Flächen, die darüber hinaus bislang bewirtschaftet wurden, nach Ablauf der jetzigen Pachtverträge zu je einem Drittel nach drei, sechs bzw. neun Jahren auf dem freien Markt in bekannter Art und Weise nach Höchstgebot und ohne Rücksicht darauf, woher der Käufer kommt, veräußert.
Oder aber sie werden vorsorglich für die Umsetzung des Flächenerwerbsänderungsgesetzes aufgespart. Das heißt, diese Flächen werden zurückgehalten, um sie zu gegebener Zeit den Alteigentümern zu einem vergünstigten Erwerb auf der Grundlage des Bodenpreises von 2004 anzubieten. Es ist schließlich kein Geheimnis, meine Damen und Herren, dass die Bundesregierung zur Bedienung der Interessen der Alteigentümer auf ca. 370 Millionen € Einnahmen verzichtet. Gegenüber den tausenden Umsiedlern bzw. Bodenreformlandbesitzern und deren Erben war man seinerzeit nicht bereit, diese Großzügigkeit walten zu lassen.
Eine entsprechende Kann-Bestimmung in der Verordnung zur Abwicklung der Bodenreform wurde seinerzeit gnadenlos ausgenutzt, um die einstigen Umsiedler, Flüchtlinge und deren Erben entschädigungslos enteignen zu können oder zur Kasse zu bitten.
Die Flächenverkaufspraxis der BVVG hebt sich in Sachsen-Anhalt also sehr wesentlich von der in den anderen neuen Bundesländern ab. Nicht nur dass hier die 100-ha-Klausel eingeführt worden ist, es ist im laufenden Jahr außerdem geplant, einen deutlich geringeren Anteil der BVVG-Flächen an die landwirtschaftlichen Unternehmen zu verkaufen als in den anderen neuen Bundesländern.
Es drängt sich hier ganz einfach die Frage auf: Wieso dieser Sonderweg in Sachsen-Anhalt? - Es gibt hier einen Verdacht, der nicht nur von mir bzw. innerhalb meiner Partei, sondern hinter vorgehaltener Hand auch von Landwirten gemutmaßt wird,
nämlich dass das Interesse - Sachsen-Anhalt verfügt über die besten Böden - von Geldanlegern, Spekulanten und Alteigentümern besonders groß ist, an diese besonderen Flächen, an diese Filetstücke der BVVG heranzukommen.
Einerseits möchte die Bundesregierung nicht auf Einnahmen verzichten, andererseits macht sie aber den Alteigentümern Geschenke. Egal, wie dieser Widerspruch aufgelöst wird, wichtig ist, dass ausreichend Boden für diese Klientel zur Verfügung steht. Darum wurde schlichtweg der mögliche Erwerb für die betroffenen hiesigen landwirtschaftlichen Unternehmen deutlich eingeschränkt.
Dass die Alteigentümer bedient werden sollen, ist nun wahrhaft keine Unterstellung, sondern ist im Berliner Koalitionsvertrag zwischen FDP und CDU festgeschrieben und inzwischen eine in Gesetzesform gegossene Tatsache. Mit dem Sonderweg in Sachsen-Anhalt ist dieser Tatsache Rechung getragen worden.
Wenn Sie, Herr Minister Aeikens, wie auch der damalige Ministerpräsident Böhmer im vergangenen Jahr - das war auch medial nicht zu überhören - die Preistreiberei der BVVG öffentlich wiederholt an den Pranger stellten, schaffen Sie mit Ihrem Alleingang in Sachsen-Anhalt - ich sage jetzt einfach: unbewusst und ungewollt - einen fetteren Bodenmarkt, bei dem die BVVG noch einmal so richtig in die Vollen gehen könnte und kann, wenn nicht Abhilfe geschaffen wird.
Dazu kommt noch, dass der Erwerb von landwirtschaftlichen Nutzflächen jetzt auch für Nichtlandwirte und ohne Beachtung eines regionalen Bezuges grenzenlos möglich ist. Diesbezüglich höre ich wiederholt von Ihnen, dass wir eine Boden- und Förderpolitik brauchen, die garantiert, dass die Wertschöpfung auch im ländlichen Raum bleibt. Wenn Sie das alles wirklich ehrlich wollen, dann treffen Sie, Herr Minister, solche Entscheidungen, die dies tatsächlich ermöglichen, und korrigieren Sie Ihre bisherige Politik.
Setzen Sie sich dafür ein, dass bei der Bodenpolitik mit dem Prinzip „Cash vor Wirtschaftlichkeit“ Schluss gemacht wird. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es vor allem Veredelungsbetriebe sind, denen es große Probleme bereitet, wenn ihnen diese Flächen verloren gehen. Es sind Betriebe, die aufgrund der Kostenintensität der Tierproduktion und notwendiger Investitionen bisher nicht die finanziellen Mittel aufbringen konnten, um in den zurückliegenden Jahren die Flächen voll zu erwerben. Das sind Betriebe, die den Menschen im ländlichen Raum deutlich mehr Arbeit und Einkommen bieten als hochintensive reine Marktfruchtbetriebe.
Herr Minister! Sehr verehrte Damen und Herren der Regierungskoalition! Es ist uns nicht entgangen, dass es in Ihrer Koalitionsvereinbarung einen kleinen Hinweis darauf gibt, dass es bei Ihnen eventuell ein Umdenken zur bisherigen Bodenpolitik gibt. Ich hoffe, dass ich Ihre entsprechende Aussage in der Koalitionsvereinbarung nicht missverständlich interpretiere, wenn Sie davon sprechen, dass die Privatisierungsgrundsätze der fünf neuen Bundesländer auch in Sachsen-Anhalt ohne Einschränkung gelten sollen. Wenn Sie, Herr Minister und meine Damen und Herren der Regierungskoalition, an der 100-ha-Regelung dennoch festhalten, konterkarieren Sie diesen brauchbaren Ansatz aus Ihrem Koalitionsvertrag.
Eine letzte Anmerkung auch an den Herrn Finanzminister. Herr Bullerjahn, neben der gegenwärtig laufenden Privatisierung der BVVG-Flächen bemüht sich das Land, diese Flächen zu übernehmen bzw. zu erwerben. Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Preis für die BVVG-Flächen weiter steigt. Wenn es ums Geld geht, ist der Bund alles andere als ein Samariter.
Herr Bullerjahn, sorgen Sie dafür, dass bei den Verhandlungen mit dem Bund der gesetzlich zugesicherte Kaufpreis durch das Flächenerwerbsänderungsgesetz für die Alteigentümer auch Gegenstand der Verhandlungen - ich sage nur: der Verhandlungen - wird. Verhindern Sie von vornherein, dass das Land durch mögliche Versäumnisse bei einer Vertragsgestaltung zulasten des Haushaltes des Landes diese großzügigen Subventionen für die Alteigentümer selbst schultern muss.
Ich möchte betonen, dass ich weiß, worüber ich rede, und auch Sie, Herr Minister, kennen die Geschichte. Wir sind beide lange genug in diesem Geschäft. Ich erinnere nur an 11 Millionen DM, die dem Land aufgebürdet wurden, nur weil ein Rechtspfleger, oder ich sage an dieser Stelle: ein Rechtsflegel bei einer Vertragsgestaltung einen winzigen Fehler gemacht hatte. Herr Bullerjahn weiß, worum es geht.
Meine Damen und Herren! Wenn ich also das Signal aus der Koalitionsvereinbarung nicht missdeute, dann sind wir an dieser Stelle in der Lage, unserem Antrag direkt zuzustimmen. Aber aufgrund des vorliegenden Alternativantrages bitte ich um die Überweisung des Antrages in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Krause, ich höre Ihnen immer wieder mit Interesse zu, wenn Sie zum Thema Bodenreform sprechen.
Ich habe in Vorbereitung auf diese Debatte in meinem heimatlichen Bücherschrank noch einmal in ein Buch geschaut, das 1997 herausgegeben wurde: „Die Bodenreform in Sachsen-Anhalt“, Herausgeber Rüdiger Fikentscher, Boje Schmuhl
und Konrad Breitenborn, eine sehr interessante, aufschlussreiche Dokumentation, die ich gerade Ihnen, Herr Krause, zur Lektüre empfehle. Ich habe im Anhang dieses Buches eine kleine Auseinandersetzung über den Weg des Leserbriefes zwischen Ihnen und Herrn Breitenborn gefunden
Ich möchte aber zunächst einmal einige Informationen zur Sache geben, weil Sie offenbar über verschiedene Sachverhalte nicht ausreichend informiert sind.
Nach den unserem Ministerium vorliegenden Informationen hatten Ende Januar 2011 knapp 160 landwirtschaftliche Betriebe in Sachsen-Anhalt mehr als 100 ha BVVG-Flächen gepachtet. Insgesamt haben etwa 1 000 Betriebe BVVG-Flächen gepachtet. Das heißt also, nur gut 20 % aller landwirtschaftlichen Betriebe bewirtschaften BVVG-Flächen, fast 80 % bewirtschaften keine BVVG-Flächen.
Die Verteilung der BVVG-Flächen erfolgte auf der Basis von Entscheidungen von lokalen Kommissionen im Jahr 1991. Seitdem haben sich strukturelle Veränderungen ergeben, etliche Betriebe existieren nicht mehr, Eigentumsänderungen haben stattgefunden, Rechtsformwechsel, Inhaberwechsel, Fusionen, Teilungen und es sind neue Betriebe entstanden, die sich seinerzeit noch gar nicht um BVVG-Flächen bewerben konnten. BVVG-Flächen finden wir verteilt über das ganze Land in allen Landkreisen.
Die neuen Bundesländer haben für die BVVG-Flächen mit der Bundesregierung ein Privatisierungskonzept ausgehandelt, das in Sachsen-Anhalt in Gemeinsamkeit mit den berufsständischen Organisationen, dem Bauernverband und dem Bauernbund, früher Landvolk, in seiner Anwendung einvernehmlich ausgehandelt worden ist.
Im Gegensatz zu dem Bundeskonzept, das vorsieht, dass Pächter von BVVG-Flächen bis zu 450 ha direkt und ohne Ausschreibung erwerben können, haben wir uns in Sachsen-Anhalt darauf geeinigt, maximal 100 ha im Direkterwerb zu verkaufen.
Dafür gibt es gute Gründe, zunächst einmal Gründe aus der Sicht der öffentlichen Hand. Für agrarstrukturelle und strukturpolitische Zielsetzungen des Landes, zum Beispiel als Vorhalteflächen für infrastrukturelle Vorhaben, als Vorhalteflächen für mögliche Betriebsumsiedlungen infolge von infrastrukturellen Vorhaben oder zur Nutzung als Flächen für Biotopverbünde macht es aus der Sicht des Landes mehr Sinn, große Kompaktflächen zu halten als parzelliert verstreute Flächen. Das heißt also, es will sorgsam überlegt werden, ob es mit anderen landespolitischen Zielen kompatibel ist, große Flächen direkt zu veräußern.
Wir alle gehen davon aus, dass wir einen Grundbestand an landwirtschaftlichen Flächen in der Hand des Landes auch nach erfolgter Privatisierung für derartige Zwecke behalten wollen. Nach meinem Eindruck hatten wir bisher auch eine weitgehende Übereinstimmung aller politischen Parteien im Parlament zu diesem Ziel.
Selbstverständlich ist es uns bewusst, dass aufgrund der stärkeren Restriktionen keine Existenzgefährdungen hervorgerufen werden dürfen. Aus diesem Grunde wurde auch mit den Berufsständen abgestimmt, dass es Sonderregelungen gibt, wenn Betriebe zum Beispiel in besonderer Weise von BVVG-Flächen abhängig sind, wenn sie mehr als 50 % BVVG-Flächen an der Gesamtfläche des Betriebes haben, und dass von der 100-ha-Regelung abgewichen wird, damit diese Betriebe nicht in Schwierigkeiten kommen, meine Damen und Herren. Auch diese Sonderregelung wurde mit den landwirtschaftlichen Organisationen abgestimmt.
Für die über 100 ha nicht zum Direktverkauf kommenden Flächen werden den betroffenen Betrieben Pachtverträge mit unterschiedlichen Laufzeiten angeboten. Ich sage ganz eindeutig, meine Damen und Herren: Aufgrund der Privatisierung der BVVG-Flächen dürfen Betriebe nicht in Existenzgefährdungen geraten.
Dass wir als Land mit der Privatisierung der BVVG grundsätzliche Probleme haben, dass wir privatisieren möchten, wie es die berufsständischen Organisationen möchten, nämlich in kleineren Losen, um die Liquidität der Betriebe nicht überstark zu beanspruchen, betone ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich. Wir halten deshalb auch an der Zielsetzung der Übernahme der BVVG-Flächen fest und erfahren zunehmend Unterstützung durch andere Bundesländer - Brandenburg, wo, Herr Krause, Ihre Partei mitregiert, beteiligt sich daran leider nicht - und sind dabei, die nächsten Gespräche mit dem Bund vorzubereiten.