Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder von uns pflegt nicht nur umfangreiche Gespräche, sondern auch Korrespondenz.
(Unruhe - Glocke des Präsidenten - Herr Hövelmann, SPD: Herr Präsident, Sie sind nicht zu verstehen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter der umfangreichen Korrespondenz, die jeder von uns im Hause pflegt, sind oftmals Glückwunschschreiben. Jeder von uns hat zahlreiche Glückwunschschreiben zur Wahl, die einige Tage zurückliegt, zum Jahreswechsel, zum Geburtstag und dergleichen mehr erhalten. Es ist beinahe schon Tradition geworden, dass diese Schreiben mit Aphorismen und Zitaten bereichert werden.
Eines der am häufigsten verwendeten Zitate lautet sinngemäß: Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden. Ob ein solches Zitat auch auf eine Plenarsitzung zutrifft, weiß ich nicht. Das ist vielleicht etwas gewagt. Aber was aus diesem Tag wird, haben wir selbst in der Hand.
Hiermit eröffne ich die 2. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Ich heiße nochmals alle Anwesenden herzlich willkommen, die Abgeordneten des Hauses, die Vertreter der Regierung und auch die Gäste, die der Sitzung beiwohnen.
Ich habe Sie darüber zu informieren, dass es seit der konstituierenden Sitzung des Landtages eine Veränderung hinsichtlich eines Mandates gegeben hat. Der Abgeordnete Herr Marco Tullner hat sein Landtagsmandat wegen der Berufung in das Amt eines Staatssekretärs im Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft niedergelegt. Der Landeswahlleiter hat mir mit Schreiben vom 5. Mai 2011 mitgeteilt, dass der Sitz auf Herrn Eduard Jantos, CDU, übergegangen sei und dass Herr Jantos die Wahl angenommen habe. Ich darf auf die hierzu herausgegebene Unterrichtung in den Drs. 6/23 und 6/43 verweisen.
Sehr geehrter Herr Jantos. im Namen des Hohen Hauses wünsche ich Ihnen bei der Ausübung des Mandates gutes Gelingen. Seien Sie hier im Haus herzlich willkommen. Es ist ja nicht ganz neu für Sie.
Uns hat die Nachricht erreicht, dass am 12. Februar 2011 das ehemalige langjährige Mitglied des Landtages Herr Hans-Martin Taesch im Alter von 73 Jahren verstorben ist. Herr Taesch war Mitglied des Landtages der ersten bis dritten Wahlperiode und somit einer der Abgeordneten, die sich in den ersten Jahren nach der friedlichen Revolution um den Aufbau unseres Landes verdient gemacht haben. Er gehörte der Fraktion der CDU an. Er war Mitglied in verschiedenen Ausschüssen und in der ersten Wahlperiode Vorsitzender des Ausschusses für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen.
Weiterhin hat uns die Nachricht erreicht, dass am 9. März 2011 das ehemalige Mitglied des Landtages Herr Frank Radschunat im Alter von 52 Jahren verstorben ist. Herr Radschunat war Mitglied des Landtages der dritten und vierten Wahlperiode. Er gehörte der Fraktion der PDS bzw. der Linkspartei.PDS an. Er war in beiden Wahlperioden Mitglied des Ausschusses für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr, in der dritten Wahlperiode als Vorsitzender.
Im Gedenken an die beiden Verstorben darf ich Sie bitten, sich zu einer Schweigeminute von den Plätzen zu erheben. - Ich danke Ihnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kommen wir nun zur Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung. Für die 2. Sitzungsperiode des Landtages liegen mir folgende Entschuldigungen vor:
Herr Staatsminister Robra entschuldigt sich aufgrund der Teilnahme an der Konferenz der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder in Berlin für die heutige Sitzung ganztägig.
Herr Minister Stahlknecht entschuldigt sich aufgrund der Teilnahme an der Konferenz der Innenminister und -senatoren der unionsregierten Länder in Rostock-Warnemünde für die heutige Sitzung ab 16 Uhr und am Freitag ganztägig.
Zur Tagesordnung. Die Tagesordnung für die 2. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Der Tagesordnungspunkt 2 - Aktuelle Debatte - wird vereinbarungsgemäß als erster Tagesordnungspunkt am Freitag behandelt. Der Tagesordnungspunkt 11 wird ebenfalls am Freitag nach der Aktuellen Debatte behandelt.
Ich frage nunmehr: Gibt es weitere Anmerkungen oder Widerspruch zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren wie mitgeteilt.
Zum zeitlichen Ablauf der 2. Sitzungsperiode. Die heutige Landtagssitzung werden wir gegen 19.15 Uhr beenden. So ist es geplant. Es liegt natürlich in unserer Hand. Am heutigen Abend fin
det die parlamentarische Begegnung des Magdeburger Puppentheaters statt. Es hört sich niedlich an, ist aber ein Kulturgut von herausragender Bedeutung. Ich kann nur empfehlen, diese Einladung anzunehmen. Die morgige 3. Sitzung des Landtages beginnt wie üblich um 9 Uhr.
Bevor wir in den Tagesordnungspunkt 1 einsteigen, möchte ich unsere erste Besuchergruppe, die wir in der sechsten Wahlperiode empfangen können, herzlich willkommen heißen. Auf der Tribüne sitzen Gäste der Landeszentrale für politische Bildung. Herr Breitenfeld führt die Gruppe der Gäste an. Seien Sie bei uns im Hause herzlich willkommen!
Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Herrn Dr. Reiner Haseloff zum Thema: „Arbeit schaffen, Wissen vermitteln, Verantwortung stärken“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erteile das Wort Herrn Ministerpräsidenten Dr. Reiner Haseloff.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 20. März 2011 hat die Bürgerschaft Sachsen-Anhalts einen neuen Landtag gewählt. CDU und SPD haben sich auf die Fortsetzung ihrer Koalition geeinigt. Vor gut drei Wochen wurde ich in diesem Hohen Hause zum Ministerpräsidenten gewählt.
Die Regierung steht, ja sie ist in vielen Bereichen bereits mitten in der Arbeit. Das war ein Schnellstart ohne großes Gerangel und Getöse, nicht unbedingt selbstverständlich, wie ein Blick in die Vergangenheit und auf andere Bundesländer zeigt.
Fünf Jahre liegen nun vor uns. Heute will ich Ihnen in meiner ersten Regierungserklärung erläutern, wie ich die große Linie und wo ich die Schwerpunkte sehe, die uns in den nächsten fünf Jahren erwarten.
Grundlage ist unser Koalitionsvertrag. Er bedeutet Kontinuität und Verlässlichkeit. Aber wie wird er ausgefüllt? Wie geht es weiter? Welche Veränderungen schweben uns vor? Welche Fortschritte streben wir an?
Ich habe diese Regierungserklärung sehr bewusst mit dem Leitgedanken „Arbeit schaffen, Wissen vermitteln, Verantwortung stärken“ überschrieben. Mein Credo dabei lautet: Alle Ziele sind nur dann ehrlich zu vertreten und erreichbar, wenn wir eine starke Wirtschaft entwickeln.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will Ihnen jetzt nicht groß mit Zahlen kommen, doch eine Zahl kann man sich nicht oft genug vor Augen führen, weil sie bestechend klar macht, wie die Wirtschaft in unserem Land strukturiert ist und wo die Probleme liegen: 99,4 % - ich wiederhole: 99,4 % - der Unternehmen im Land Sachsen-Anhalt haben weniger als 250 Mitarbeiter. Von diesen 99,4 % haben wiederum drei Viertel sogar weniger als zehn Beschäftigte. Zu den guten und schönen Seiten dieser Kleinteiligkeit gehört, dass wir mit der statistischen Angabe glänzen können, mehr Betriebe als manch anderes Bundesland zu haben, oder dass wir dadurch besser durch die Wirtschaftskrise gekommen sind als andere.
Aber - und darum geht es mir - es bedeutet auch, dass wir weitaus weniger große Unternehmen haben, die eigenständige Forschungsabteilungen besitzen. Im Vergleich zu den süddeutschen Bundesländern spielt die Industrieforschung in SachsenAnhalt eine nur untergeordnete Rolle. Die Fehlentwicklungen nach der Einheit - das Stichwort „verlängerte Werkbank“ mag genügen - wirken lange nach.
Mag sein, dass auch wir früher über günstige Löhne und breit angelegte Förderungen konkurrieren mussten, um überhaupt vom Fleck zu kommen. Diese Zeiten sind jedenfalls vorbei.
Heute geht es um die Erkenntnis, dass wir nur dann weniger abhängig von Transfers werden und eine selbsttragende Wirtschaft bekommen, wenn wir Wachstum schaffen und mit immer neuen Innovationen Märkte gewinnen. Konkreter: Es geht um die Herausbildung einer innovativen Wirtschaftsstruktur. Dieses Ziel erfordert von uns erstens, Wirtschaft und Wissenschaft eng miteinander zu verbinden, und zweitens, das Instrument Förderpolitik weiter zu schärfen.
Hier, meine sehr geehrten Damen und Herren, wollen wir ansetzen. Deshalb noch konkreter: In dem so wichtigen Bereich der Wirtschaftsförderung, wo schließlich große Summen an Steuergeldern im Spiel sind, werden wir die Höhe der Förderung zukünftig weniger an der Frage ausrichten, ob und wie viele Arbeitsplätze ein Unternehmen schafft, sondern an der Frage, wie hochwertig und dauerhaft diese Arbeitsplätze sind und wie stark sie zur Entwicklung einer Innovationswirtschaft beitragen.
Es ist auch denkbar, die maximale Förderung davon abhängig zu machen, wie viele Dauerarbeitsplätze mit einem bestimmten Jahreseinkommen verbunden sind. Das wäre zugleich ein Beitrag, der Abwanderung gut ausgebildeter Hochschulabsolventen vorzubeugen.
Vereinbart ist in der Landesregierung bereits, die bisherige Förderpraxis genau auf ihre Folgewirkungen hin zu untersuchen. Das schließt die Analyse
der sozialpolitischen Umstände ein. Das heißt, für Unternehmen mit einem stark überdurchschnittlichen Leiharbeitnehmeranteil werden die Hürden für die Gewährung von Fördermitteln höher, gegebenenfalls werden sie von der Förderung ausgeschlossen.
Die neue Landesregierung wird außerdem darauf achten, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge noch stärker darauf geschaut wird, ob ein Unternehmen Tariflöhne zahlt oder nicht. Um Missverständnissen vorzubeugen: Selbstverständlich wird bei dieser Weiterentwicklung nichts zulasten des ländliches Raumes oder zulasten kleinerer Unternehmen gehen.
Ich füge in diesem Zusammenhang an, dass auch das Thema Unternehmensnachfolge ganz oben auf unserer Liste steht. Jeder, der mich kennt, weiß, welch große Bedeutung ich diesen Fragen unter dem Leitbegriff „Kultur der Selbständigkeit“ beimesse. Wenn es für ein Unternehmen keinen direkten Nachfolger aus der Familie gibt, dann werden wir nach anderen Wegen suchen, um die Fortführung des Betriebes zu erleichtern.
Zurück zum Stichwort Förderpolitik. Wie gezielte, richtige Impulse schnell Erfolge in Leit- und Zukunftsbranchen nach sich ziehen können, zeigen mehrere Beispiele. Ich nenne nur das Projekt „Innovative Braunkohlenintegration in Mitteldeutschland“ - ibi -, das Chemisch-Biotechnologische Prozesszentrum - CBP - in Leuna, das FraunhoferCenter für Silizium-Photovoltaik - CSP - sowie das Forschungsinstitut für Kompetenz in Automobilität - IKAM. Zudem soll das Kompetenznetzwerk für Angewandte und Transferorientierte Forschung - KAT - die Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, zwischen Forschung und Produktion herstellen. Alle diese Beispiele - diesen Hinweis darf ich durchaus betonen - sind Ergebnisse der Anstrengungen während der letzten Legislaturperiode.
In den nächsten Jahren kommt es darauf an, die Automobilzulieferbranche auf Elektromobilität und die Solarbranche erfolgreich auf international wettbewerbsfähige Systemlösungen hin zu orientieren. Weil mir an dem Gedanken der Innovativwirtschaft sehr viel liegt, möchte ich neben den klassischen Leitbranchen, bei denen es um den Transfer von neuen Erkenntnissen in neue Produkte geht, auch die Medienwirtschaft als sehr wichtige Zukunftsbranche für Sachsen-Anhalt nennen.
Die Leistungsfähigkeit der in Sachsen-Anhalt ansässigen Medienunternehmen ist inzwischen bundesweit und international anerkannt. Vor allem in Halle sehen wir große Chancen der Weiterentwicklung zu einem Mediencluster. Sie wissen, dass ich das Wort Cluster nicht sehr mag, doch am Beispiel
Die Filmförderung durch die Mitteldeutsche Medienförderung GmbH - MDM - zieht eine Vielzahl großer und kleiner kulturwirtschaftlich wertvoller Produktionen nach Sachsen-Anhalt.
Der durch die Förderung erzielte wirtschaftliche Regionaleffekt übertrifft die jährlich eingesetzten Landesmittel um ein Vielfaches. Die von der Landesregierung begonnene Unterstützung der Kooperation von Medienunternehmen und Medienstudiengängen der Universitäten und Fachhochschulen soll deshalb nicht nur fortgesetzt, sondern intensiviert werden.
Die Studiengänge profitieren inhaltlich durch Praktika und die Studierenden profitieren durch Praktika von den Entwicklungen in der Wirtschaft. Umgekehrt braucht die Wirtschaft dringend gut ausgebildete Medienfachkräfte, die aus den Universitäten und Fachhochschulen hervorgehen. Aus dieser Sicht der Dinge heraus haben wir beschlossen, dass das Wissenschafts- und Wirtschaftsressort zusammenzulegen ist. Was in dem einen Bundesland nicht anzuraten wäre, kann in einem anderen erforderlich sein. Wir gehen unseren Weg.