Protocol of the Session on May 12, 2011

Als Prüfstein für eine gute Wirtschaftspolitik

(Lachen bei der LINKEN)

wird gern die Arbeitslosenquote herangezogen. An dieser Stelle will ich dazu nicht viel sagen, weil die Fakten bekannt sind. Die Quote - sie liegt derzeit bei 11,9 % - ist die niedrigste in Sachsen-Anhalt seit 20 Jahren. Wenn sich Sachsen-Anhalt so weiter entwickelt wie in den letzten Jahren, dann drücken wir sie in den nächsten Jahren deutlich unter 10 %. Schon jetzt erbringt jeder Erwerbstätige eine Wirtschaftsleistung von 51 470 € im Jahr. Damit liegen wir bereits vor Sachsen und Thüringen. Wir gehen unseren Weg.

Meine Damen und Herren! Gewiss und zu Recht erwarten Sie von mir ein Wort zur Energiepolitik. Für die Landesregierung steht fest, ein schnellstmöglicher Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie als Risikotechnologie ist nach dem Unglück in Fukushima nur konsequent.

(Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE: Das wer- den wir nachher sehen!)

Wir sind daher für die Rücknahme der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke als Minimalforderung. Sie muss die Voraussetzung für eine neue Gesamtstrategie für den Atomausstieg sein. Das mag in meiner eigenen Partei nicht überall ungeteilte Zustimmung finden; es entspricht allerdings meiner persönlichen Überzeugung.

(Unruhe bei der LINKEN)

Wie dieser Weg aussehen kann, zeigen wir seit Jahren beispielhaft in Sachsen-Anhalt. Wir sind deutschlandweit Vorreiter bei der Nutzung regenerativer Energien. Ihr Anteil an der Stromerzeugung liegt bei uns inzwischen bei 34,7 % und bei 15,1 % hinsichtlich des gesamten Energieverbrauchs. Das ist das Doppelte des Bundesdurchschnitts. Bei uns sind nicht nur in den Bereichen des Windenergieanlagenbaues und der Solarindustrie tätige Unternehmen zuhause. Wir sind auch führend bei der Produktion von Biokraftstoffen.

Gleichwohl sind wir uns der Tatsache bewusst, dass die energiepolitische Wende durchdacht erfolgen muss. Ein Wort an die Bundesregierung, aber nicht nur: Wir können durch Strom- und Benzinpreise nicht immer größere Teile des Staatshaushaltes und des Sozialsystems finanzieren. Das zerstört irgendwann das ökonomische Fundament.

(Beifall bei der CDU)

Als Industrieland muss Deutschland international wettbewerbsfähig bleiben. In einem künftigen Energiekonzept sollte die Braunkohle eine stärkere Rolle spielen. Für uns steht die energetische Nutzung der Braunkohle als Brückentechnologie außer Frage. Das heißt auch, dass zu einem sinnvollen Energiemix neu Kohlekraftwerke gehören. Zudem haben wir uns mit Sachsen der Erforschung der stofflichen Nutzung der Braunkohle verschrieben.

Wir wissen selbstverständlich, dass eine deutlich stärkere Nutzung regenerativer Energien wie der Windenergie große Anstrengungen und Investitionen hinsichtlich des Netzausbaues zur Folge hat. Wir werden uns daher gegenüber dem Bund dafür einsetzen, dass eine bundesweite Umlage der bei uns in besonderem Umfang entstehenden Netzausbaukosten erfolgt.

Es kann nicht sein, dass andere Bundesländer vom Netzausbau profitieren, die Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts sowie die heimischen Unternehmen dafür aber überproportional zur Kasse gebeten werden. Wenn zum Beispiel in BadenWürttemberg und Bayern die Nutzung der Windenergie bislang nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat, wegen des Atomausstiegs nun aber mehr Windenergie aus dem Norden in den Süden geleitet werden soll, dann sollen auch die Südländer ihren Beitrag zu den entstehenden Kosten leisten.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Hinsichtlich der Nutzung von Biomasse müssen wir angesichts der knapper werdenden Flächen zu einem höheren Energieertrag je verfügbarer Fläche kommen. Auf jeden Fall hat die Lebens- und Futtermittelproduktion Vorrang vor dem Energiepflanzenanbau.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Die Schaffung von Monokulturen im Bereich des Energiepflanzenanbaues lehnen wir ab. Ein besonderer Schwerpunkt wird in Zukunft die Kombination von stofflicher und energetischer Biomassenutzung sein. Das Land unterstützt daher die Forschung in diesem Bereich am chemisch-biologischen Prozesszentrum in Leuna, das wir erst im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht haben.

Sie sehen, Frau Professor Birgitta Wolff hat eine höchst anspruchsvolle und herausfordernde Aufgabe übernommen. Wer nun immer noch fürchtet, die Wissenschaft könnte in dem neuen Haus an den Rand gedrückt werden, dem sei nur gesagt, dass die Ministerin erst kürzlich im bundesweiten Ranking des Deutschen Hochschulverbandes zur besten Wissenschaftsministerin Deutschlands gewählt wurde. Also viel Erfolg, Frau Ministerin!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zu- stimmung von der Regierungsbank)

Obgleich wir künftig den Fokus verstärkt auf die wissenschaftsnahe Wirtschaftsförderung und den Technologietransfer richten, meine Damen und Herren, wird es keine Abstriche bei der Grundlagenforschung an den Hochschulen geben.

Tiefgreifende Veränderungen und Umstrukturierungen der sachsen-anhaltischen Hochschullandschaft sieht die Koalition in den nächsten Jahren nicht vor. Gleichwohl muss ich deutlich sagen, dass wir eine Evaluierung der Hochschulstrukturreform aus dem Jahr 2004 vornehmen werden. Und wir werden natürlich schauen, wie die Zielvereinbarungen zwischen dem Land und den Hochschulen für die Jahre 2011 bis 2013 umgesetzt werden. Wir erwarten von den Hochschulen eine leistungsorientierte Anpassung ihrer Strukturen. Ein Planungsimpuls der Landesregierung steht bevor. Ein Weiter-so wird es nicht geben.

Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist das eine, wissenschaftlichen Nachwuchs auch in ausreichender Zahl heranzuziehen, das andere. Unsere Aufgabe besteht jetzt darin, dass wir zum einen ein Auge auf eine vernünftige Studierquote im Land halten müssen, vor allem aber unbedingt die Studienabbrecherquote senken müssen. Studierende können sich darauf verlassen, dass wir in Sachsen-Anhalt auch künftig keine Studiengebühren erheben werden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Erfreulich ist in diesem Zusammenhang zu vermerken, dass im aktuellen Ranking des Zentrums für Hochschulentwicklung einige Hochschulen in Sachsen-Anhalt gute Noten erhalten, insbesondere im Bereich Rechtswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre. Darüber hinaus sind wir aber auch in Bereichen wie den Biomaterialwissenschaften oder der Neurowissenschaft ausgezeichnet aufgestellt.

Besonders am Herzen liegt mir die Zukunft der Neurowissenschaften in Magdeburg. Hier ist Sachsen-Anhalt ohne zu übertreiben herausragend. Die Neurowissenschaften haben der Forschung in Sachsen-Anhalt nationales und internationales Ansehen gebracht.

(Zustimmung von Herrn Weigelt, CDU)

Es hat sich bewährt, die Landesmittel zur Förderung der Forschung auf wenige leistungsstarke Schwerpunkte zu lenken. Es zeigt sich, dass Grundlagenforschung heutzutage durchaus in der Lage ist, schnell den Brückenschlag zur Anwendung zu schaffen.

So werden auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse medizintechnisch neuartige Assistenzsysteme für alternde und kranke Menschen entwickelt. Auch hier haben wir einen weiteren Ansatzpunkt, um die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft offensiv anzupacken. Auch wenn es manchmal schwierig ist, die Erkenntnisse in Produkterfolge auf dem Markt umzumünzen: Wir werden helfen, wo immer es möglich ist.

In den letzten Jahrzehnten sind die Anforderungen nicht nur im Bereich der Wissenschaft ständig gestiegen, sondern auch im Bereich der beruflichen Ausbildung von Fachkräften. Aus dem Heizungsklempner von gestern ist längst ein Spezialist geworden, der sich mit moderner computergesteuerter Brennwerttechnik, Erdwärmenutzung und Solarthermie auskennen muss.

Wir benötigen daher junge Menschen, die in den Schulen das Rüstzeug erwerben, mit dem sie später in der Berufsausbildung bestehen können. Im Jahr 2009 haben immer noch 12,3 % der Schulabgänger in Sachsen-Anhalt keinen Hauptschulabschluss erreicht. Diese Quote ist entschieden zu hoch.

Wir wollen daher nicht nur die Bildungschancen, sondern auch die Bildungsleistungen der Schülerinnen und Schüler spürbar verbessern. Dies kann nicht von heute auf morgen geschehen. Aber nur wenn wir heute die Grundlagen dafür legen, werden wir mittel- und langfristig Erfolge haben. Bildungsangebote sollen so früh wie möglich eingesetzt werden, sodass wir alle Jungen und Mädchen erreichen, auch die aus benachteiligten Familien.

Dass dieser Ansatz richtig ist, bestätigt die ganz neue OECD-Studie „Doing Better for Families“ Danach erzielt eine frühe Förderung noch vor dem Eintritt in die Schule die größten Effekte. Sozialverhalten und kognitive Fähigkeiten der Kinder werden positiv beeinflusst und soziale Unterschiede gemindert.

Wir besitzen in Sachsen-Anhalt gute Voraussetzungen, da über 90 % der in Kindertageseinrichtungen Tätigen über den Abschluss eines Stu

diums an einer Fachschule für Sozialpädagogik oder über einen vergleichbaren Abschluss verfügen. Wir wollen darüber hinaus erreichen, dass Leiterinnen und Leiter dieser Einrichtungen künftig einen Hochschulabschluss vorweisen können.

Wir werden überprüfen bzw. überprüfen derzeit unser Programm „Bildung elementar - Bildung von Anfang an“ für Kindertageseinrichtungen, um es weiterzuentwickeln. Zudem soll die Hochschule Magdeburg-Stendal zum Zentrum frühkindlicher Bildung werden. Die dort gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse sollen Politikern und den in der Praxis Tätigen helfen, das Richtige zu tun.

Was die allgemeinbildenden Schulen anbelangt, setzen wir auf weitere Qualitätsverbesserungen, zum Beispiel einen stärkeren Praxisbezug im Bereich der Sekundarschulen durch eine Stärkung des technischen und wirtschaftlichen Aufgabenprofils.

Neben einer Reduzierung der bürokratischen Verpflichtungen geht es uns vor allem darum, Eigenständigkeit und Eigenverantwortung an den Schulen zu fördern. So sollen Schulen - zumindest dort, wo es gewünscht wird - eine größere Budgetverantwortung erhalten, stärker bei der Einstellung von Lehrkräften mitbestimmen dürfen sowie mehr Spielräume bei der Unterrichtungsorganisation und der Klassenbildung erhalten.

Die Entscheidung über den weiteren Bildungsweg wird weiterhin nach der 4. Klasse getroffen. Allerdings wird an die Stelle der Eignungsfeststellung die Beratung der Eltern treten, die dann auf dieser Basis selbst entscheiden.

Mehr Entscheidungsfreiheit im Schulbereich heißt auch, dass wir dort, wo dies von Eltern, Lehrern und Schulträgern gewünscht wird, die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen auf freiwilliger Basis ermöglichen werden. Dies werden wir im Schulgesetz fest verankern.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Zu den Neuerungen gehört auch, dass wir eine Kombination von Berufsausbildung und Abitur ermöglichen wollen, um die viel kritisierte mangelnde Durchlässigkeit bis hin zum Abitur zu verringern sowie Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf stärker als bisher den Zugang zu allgemeinbildenden Schulen zu erleichtern. Anders ausgedrückt: Berufsausbildung mit Abitur ist eine Form der Stärkung der Sekundarschule.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Es ist doch großartig und macht Mut zu sehen, wie die Sekundarschule „Adolf Diesterweg“ von Sandersdorf-Brehna beim Bundesfinale „Starke Schulen“ gestern vom Bundespräsidenten im Schloss Bellevue als eine der besten Schulen in Deutschland geehrt wurde. Vorbildlich vermittelt diese Schule mit Partnern aus Industrie und Mittelstand

den Schülern erste Einblicke in das Berufsleben und Zukunftschancen hier im Land.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Zur Kontinuität im Bereich der Schulen zählt, dass wir das bestehende Schulnetz sichern. Schulschließungen, die über die aktuelle mittelfristige Schulentwicklungsplanung bis zum Schuljahr 2013/2014 hinausgehen, sollen möglichst vermieden werden.

Bildungspolitik kann und muss auch einen Beitrag bei der Bekämpfung extremistischer und menschenverachtender Anschauungen leisten. Das ist nicht allein Sache der Justiz. Wir müssen die Menschen aufklären und für die Vorzüge unserer Demokratie werben. Auch hierbei gilt die Erkenntnis: Je früher wir dies tun, desto größer sind die Chancen, dass Werte wie Toleranz und Menschlichkeit verinnerlicht werden.

Politische Bildung ist noch besser als bisher in den Schulen zu vermitteln. Es ist meine Überzeugung, sehr geehrte Damen und Herren: Gute Bildung schützt am besten für politischer Radikalisierung.

(Zustimmung bei der SPD)

Deshalb erfolgt die Bündelung wesentlicher Aufgaben im Kultusministerium. Wir wollen vor allem junge Menschen im schulpflichtigen Alter erreichen. Gerade die Landeszentrale für politische Bildung verfügt hierbei über vorzügliche Möglichkeiten, die wir viel besser nutzen können, wenn wir die einschlägigen Bereiche der Landeszentrale mit dem Kultusministerium verzahnen.

(Zustimmung bei der SPD)