Protocol of the Session on February 23, 2012

Wir stimmen jetzt über den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drs. 6/838 ab. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist der Alternativantrag in der Drs. 6/838 angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 1 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Erste Beratung

Krise der Solarindustrie

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/813

Änderungsantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/831

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/832

Einbringer des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ist der Abgeordnete Herr Erdmenger. Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute um 12.30 Uhr wollen die Minister Rösler und Röttgen die Zukunft der Solarförderung bekanntgeben. Diese Entscheidung wird von erheblicher Bedeutung für unser Bundesland und für die Solarindustrie in unserem Bundesland sein.

Es steht zu befürchten - Presseberichte sagen das voraus -, dass wir krasse Kürzungen und eine weitere Aushöhlung der festen Vergütung und damit der Investitionssicherheit im Solarbereich nicht nur in unserem Bundesland, sondern in ganz Deutschland haben werden.

Ich denke, wenn das so kommt, wie es angesagt ist, dann können wir es in Sachsen-Anhalt nicht einfach so hinnehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Borgwardt, CDU: Als GRÜNE!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will vorweg auch klar sagen: Zu kritisieren ist nicht, dass sie etwas ändern, sondern zu kritisieren ist, was sie ändern und in welche Richtung sie gehen; denn wir müssen uns klar machen, dass der Umbauprozess der Energiewirtschaft in unserem Lande ein Jahrhundertprojekt ist.

Der Umbauprozess, der zu der Energiewirtschaft, die wir heute haben, geführt hat, hat 50 Jahre, nämlich die Zeit seit dem Ende des letzten Weltkrieges, in Anspruch genommen. Der Umbauprozess hin zu einer erneuerbaren Energiewirtschaft wird vermutlich noch einmal 50 Jahre in Anspruch nehmen. Vom Jahr 1998 an gerechnet, in dem die rot-grüne Bundesregierung den Startschuss für diesen Umbau gegeben hat, sind wir dann, wenn man diese 50 Jahre zugrunde legt, im Jahr 14.

Dieser komplizierte Umbauprozess wird uns immer wieder - das wird so sein - vor Probleme stellen und er wird immer wieder Nachbesserungen notwendig machen. Es ist natürlich gut, wenn wir über Nachbesserungen reden.

Bevor ich zu den Problemen komme, die wir in diesem Umbauprozess wirklich haben, will ich kurz

zu den Problemen kommen, die wir glücklicherweise nicht haben, die uns aber an dieser Stelle beschäftigen. Ich musste immer wieder, auch auf Neujahrsempfängen in unserem Bundesland, schmerzlich erleben, wie Argumente vorgetragen wurden, womit denn der Atomausstieg in unserem Land angeblich verbunden sein werde.

Immer wieder mussten wir uns anhören, dass die Lichter ausgehen werden. Das moderne Wort heißt Blackout. Meine Damen und Herren! Die Lichter in Deutschland haben seitdem noch nicht einmal geflackert.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Daldrup, CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Wenn schon nicht die Lichter ausgehen, dann, so die Gegner, wird es dazu kommen, dass wir Strom importieren müssten und dieser Strom, den wir nicht selbst herstellen, würde aus Frankreich kommen.

(Herr Borgwardt, CDU: Das stimmt doch!)

Meine Damen und Herren! Auch im Jahr 2011 war die Bundesrepublik Deutschland wieder Nettostromexporteur und nicht Nettoimporteur.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Borgwardt, CDU: Das stimmt aber so nicht!)

Seit Oktober reicht das Stromangebot in Frankreich nicht aus und sie importieren regelmäßig, auch in den kalten Tagen im Februar. In jeder einzelnen Stunde hat Frankreich Strom aus Deutschland importiert. Machen Sie sich das bewusst, wenn Sie das nächste Mal darüber reden, wie sich Maßnahmen in der Energiewirtschaft auswirken.

Dann wurde uns gesagt: Wenn schon nicht der Strom importiert wird, weil die Nachbarn vielleicht nicht genügend zur Verfügung haben, dann wird er auf jeden Fall teurer werden. Schauen Sie sich diesbezüglich den Strompreis an der Börse an. Dieser hat nach der Energiewende und nach den Beschlüssen ganz leicht, um höchstens 10 % bzw. unter 10 % zugelegt. Der Preis ist von 5 Cent auf 5,3 Cent, vielleicht auch auf 5,5 Cent gestiegen und liegt jetzt unter dem Niveau, das wir vor der Energiewende hatten. Auch diese Mär, dass der Strompreis an der Börse steigen würde, hat sich nicht als richtig erwiesen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Haben wir deswegen keine Probleme im Stromnetz? - Nein, das ist nicht richtig. Natürlich haben wir Probleme; denn es ist in den letzten Tagen bekannt geworden, dass bezüglich der Regelenergie, die noch zur Verfügung gestanden hat, falsch gehandelt wurde.

Meine Damen und Herren! Die Regelenergie ist die Energie, die wir brauchen, wenn zum Beispiel bei der nächsten Biathlonweltmeisterschaft kurz vor dem vierten Schießen alle noch einmal schnell

auf das Klo gehen, das Licht einschalten, ihren Kühlschrank öffnen und das Licht anspringt. Die Regelenergie benötigen wir also bei Verbrauchsspitzen, weshalb sie nicht knapp werden darf. Die Regelenergie, die noch zur Verfügung stand, ist aber knapp geworden. Nicht deswegen, weil wir zu wenig Kraftwerke hatten, sondern sie ist an einem Punkt knapp geworden, an dem Deutschland Energie nach Frankreich exportiert hat, weil sich die Stromhändler gesagt haben: Ich kaufe lieber die billigere Regelenergie ein, als den aktuellen Strompreis zu bezahlen, der an der Börse herrscht.

Wir haben an dieser Stelle ganz klar ein Regulierungsproblem. Wir haben einen Nachholbedarf bei der Regulierung. Es ist leider nicht so, dass wir gar keine Probleme in Bezug auf das Stromnetz hätten.

Aber wer rechnet denn damit, dass Herr Dr. Rösler, der dafür zuständig wäre, heute bei seiner Pressekonferenz über dieses Problem reden wird? - Doch wohl keiner. Mir scheint, dass der Onkel Doktor, der neben der FDP plötzlich ein Wirtschaftsministerium am Hals hatte, über die wahren Problemen, die wir in der Energiewirtschaft haben, wirklich den Überblick verloren hat.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Übrigens hörte man zu den Stromnetzen auch von der Landesregierung bisher sehr wenig. Ich denke, das ist ein Thema, mit dem wir uns befassen müssen.

Kommen wir aber zu den Problemen der Solarindustrie; denn auch diesbezüglich haben wir ein echtes Problem. Paradoxe Situation: Wir haben Rekordinstallationszahlen bei der Solarenergie und dennoch gehen Unternehmen in Insolvenz, müssen Entlassungen ankündigen. Gerade unsere sachsen-anhaltischen Unternehmen haben große Probleme. Einerseits gibt es Leute mit einfachen Erklärungen. Die sagen: Na ja, China produziert einfach billiger, die haben auch niedrigere Löhne. Das ist Unsinn, meine Damen und Herren. Die Löhne machen gerade einmal 10 % der Produktionskosten bei Fotovoltaikmodulen aus. Das ist nicht der Grund für die Preisunterschiede oder den Preisverfall, den wir haben.

Andererseits gibt es Leute, die sagen: Na ja, die europäischen Unternehmen haben die falsche Unternehmenspolitik betrieben. Auch das ist Unsinn, meine Damen und Herren. Alle Fotovoltaikunternehmen in allen Ländern weltweit haben zurzeit enorme Probleme, ihre Margen zu erwirtschaften. Es gibt fast kein Unternehmen, das noch Gewinn erwirtschaftet.

Das hat nichts damit zu tun, dass einzelne Unternehmen Fehler gemacht haben, sondern wir haben in der Tat eine Krise der Solarindustrie insgesamt. Die wesentliche Erklärung, auf die das zu

rückgeht, ist die vorhandene Überkapazität. Kapazitäten, etwa Solarmodule mit einer Leistung von 50 Gigawatt weltweit herzustellen, stehen im Moment einer Nachfrage von weltweit allenfalls 30 Gigawatt gegenüber. Aufgrund dieser Situation haben wir den enormen Preisverfall, der alle unsere Hersteller unter Druck setzt.

Von den 30 Gigawatt werden etwa 7,5 Gigawatt in Deutschland produziert. Das sage ich mit Blick auf diejenigen, die sagen, was Deutschland macht, spielt sowieso nicht eine so große Rolle - das stimmt nicht; denn es ist ein Viertel des Weltmarktes -, aber auch für diejenigen, die sagen, Deutschland sei das alleinige Zugpferd bei der Fotovoltaik. Auch das stimmt nicht. 25 % sind ein wesentlicher Beitrag - aber nicht der alleinige - zum Absatz, den wir haben.

Wie kann man auf eine solche Überkapazität, die sich übrigens seit Längerem abzeichnet - wir haben im Juni im Landtag auch schon darüber gesprochen -, reagieren? - Man könnte darauf reagieren, indem man ehrgeizig sagt: Wir wollen die Nachfrage nach Fotovoltaikmodulen weltweit hochbringen. Wenn die Nachfrage gegenüber der Kapazität zu niedrig ist, dann könnte man darauf setzen, die Nachfrage hochzubringen. - Das geht nicht in einem Land allein.

Aber haben wir eine Welttournee der selbsternannten Klimakanzlerin gesehen, die dafür geworben hätte, zu sagen: Lasst uns doch konzertiert zusehen, dass wir die Märkte stärken? - Nein, das haben wir nicht gesehen. Übrigens, meine Damen und Herren, warum denkt wohl überhaupt niemand bei der Überlegung, für so etwas zu werben, an die zuständigen Bundesminister: an Herrn Rösler, an Herrn Niebel, an Herrn Westerwelle oder gar an Frau Pieper?

(Frau Feußner, CDU: Oder an Herr Özdemir!)

Die Frage können Sie sich, so denke ich, selbst beantworten. Dass diesbezüglich keine Reaktionen kommen, das ist doch wohl klar.

Wie kann man dann reagieren? - Die Staaten reagieren auf der Angebotsseite und unterstützen ihre Anbieter von Solarmodulen. Es gibt jene, die sorgen für billige Kredite. Das finden wir vor allen Dingen in China. Es gibt andere, die reagieren mit Marktabschottung. Sollen wir in dem Subventionswettlauf mitmachen? - Ich finde, das ist keine besonders attraktive Alternative. Man kommt auch schnell an seine Grenzen, besonders als Bundesland.

Besser ist es doch, wenn wir das vorhandene Förderinstrument, das wir haben, nämlich das Erneuerbare-Energien-Gesetz - ein milliardenschweres Förderinstrument - nutzen, um zu sagen, wir schützen unsere eigenen Leute.

(Zuruf von Herrn Rosmeisl, CDU)

Noch besser ist es: Wir haben international Länder, die damit Erfahrungen gemacht haben: Kanada, die Provinz Ontario, macht es seit Längerem, Italien macht es seit letztem Jahr. Im Übrigen profitiert unsere sachsen-anhaltische Firma Sovello sehr von der italienischen Regelung, die wir haben. Italien hilft uns aus der Patsche, wenn wir uns selber als handlungsunfähig erweisen. Das kann doch wohl nicht sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine ungewöhnliche Situation erfordert ungewöhnliche Antworten. Daher stehe ich heute als Grüner hier und vertrete einen Antrag, in dem wir sagen: Es soll eine weitere Kürzung bei der Solarindustrie geben. Ja, das haben Sie richtig gehört. Es geht nicht um mehr Förderung, wie es uns bei diesem Thema immer schnell unterstellt wird, sondern es soll eine weitere Kürzung geben. Aber diese Kürzung soll für die Hersteller, die uns in diese Lage gebracht haben, differenziert erfolgen, nämlich die Hersteller nichteuropäischer Anlagen. Deswegen sagen wir: An dieser Stelle kann man unser vorhandenes Förderinstrumentarium differenzieren.

Ich sage Ihnen auch ganz klar: Das ist nicht die reine Lehre. Das zu machen ist weder marktwirtschaftlich die reine Lehre, noch ist es ökologisch die reine Lehre. Ökologisch ist es ganz prima, dass die Solarmodule so billig werden. Aber es ist pragmatisch dafür, dass wir die Arbeitsplätze bei uns halten können. Für diesen pragmatischen Schritt möchte ich daher werben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Hoffen und Bangen auf bessere Zeiten und das Betteln dafür, dass es doch eine nicht so starke oder keine Förderabsenkung geben soll, das wir von unserer Landesregierung erlebt haben, ist keine Alternative; denn wenn das kommt, was in der Presse von Röttgen und Rösler für heute angekündigt worden ist, dann müssen wir weitersehen. Eine 30-prozentige Kürzung wird zeigen, dass die Verteidigung des Status quo fehlgeschlagen ist.

Was wir jetzt brauchen, ist, mit cleveren nach vorn gewandten Vorschlägen in die Debatte zu gehen. Ich möchte dafür werben, dass wir das mit der in unserem Antrag formulierten Alternative tun.