Protocol of the Session on February 23, 2012

Eine große Anzahl von ihnen, gerade diejenigen, die seit mehreren Jahren in Deutschland leben, ist gut integriert und erfüllt die tatsächlichen persönlichen Voraussetzungen dafür, sich ein selbständiges Leben in Deutschland aufzubauen.

Obwohl diese häufig positiven Prognosen vorliegen, passen sie eben nicht mit dem deutschen Aufenthaltsrecht zusammen, das mit seinen formalen Kriterien hohe Hürden setzt, die für Menschen, die geduldet werden, oft nicht erreichbar sind. In vielen Fällen handelt es sich aber um Flüchtlinge, die nicht einfach in ihre Heimatländer abgeschoben werden können. Für diese Fälle sieht der Maßnahmenkatalog Deutschlands nur unzureichende Maßnahmen vor. Die berühmten Kettenduldungen und das Ansprechen der Härtefallkommission sind die Folge. Hieraus ergibt sich für die Betroffenen keinerlei gesicherte Perspektive, sondern vielmehr eine staatlich geförderte Fortsetzung prekärer Lebensumstände.

Dieser grundlegende Missstand des deutschen Aufenthaltsrechts führt nicht nur für die unmittelbar Betroffenen, sondern auch für unsere Berufslandschaft und unsere Volkswirtschaft zu sich verfestigenden Problemen. Deswegen, meine Damen und Herren, muss es eine Neuregelung geben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

In dem Antrag für ein neues Bleiberecht wurde die Landesregierung aufgefordert, sich für eine neue bundesweite Bleiberechtsregelung einzusetzen, die die auf zwei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis auf Probe ablösen sollte, die nur bis zum Ende des vergangenen Jahres Gültigkeit besaß.

Statt die Chance zu ergreifen, einen konstruktiven Schritt nach vorn zu gehen, ziehen sich die Landesregierung wie auch die Koalitionsfraktionen in ihrem Änderungsantrag auf geltendes, aber eben unzureichendes Recht zurück. Insbesondere bedauern wir, dass die Landesregierung trotz der sozialdemokratischen Beteiligung an der Landesregierung sogar noch hinter die Sichtweise des schwarz-gelb regierten Schleswig-Holsteins zurückfällt, welches zu Jahresbeginn eine hier schon erwähnte Bundesratsinitiative gestartet hatte. Diese sah unter anderem vor, die Frist für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von acht Jahren auf fünf Jahre ohne Familie und von sechs Jahren auf drei Jahre mit Familie herabzusetzen. Eine solche Regelung hätte die Integration vieler Menschen in unserem Land vereinfacht und beschleunigt.

Sachsen-Anhalt hätte es aus unserer Sicht nichts gekostet, sich wenigstens dieser Minimalinitiative anzuschließen. Die Landesregierung hätte damit beweisen können, dass sie sich der Aufenthalts

problematik qualitativ stellen möchte und nicht in alten Denkweisen verhaftet ist.

Die Landesregierung hat von dieser Möglichkeit leider keinen Gebrauch gemacht. Auch der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen geht keinen Schritt in die richtige Richtung.

Herr Kollege Erben, ich kann, ehrlich gesagt, auch nicht erkennen, dass aus dem zweiten Punkt hervorginge, wie Sie ihn ausgelegt haben, dass Sie evaluieren wollen, ob § 8 des Aufenthaltsgesetzes für die genannte Personengruppe wirklich tragfähig ist. Darin steht:

„Der Landtag von Sachsen-Anhalt geht davon aus, dass durch die Anwendung dieser Vorschrift die Lücke geschlossen wird.“

Er geht also jetzt schon davon aus, dass es so ist. Das ist keine Evaluation. Das ist nicht ergebnisoffen.

An einer Neuregelung des Aufenthaltsgesetzes werden wir durch das jetzige Stillhalten nicht vorbeikommen. Es ist einfach schade, dass der Ball zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht aufgenommen wurde.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird dem vorliegenden Antrag der LINKEN zustimmen, weil sie ihn inhaltlich voll und ganz teilt. Den Änderungsantrag hingegen werden wir ablehnen, weil er nur den Status quo bekräftigt. Die Beschlussempfehlung werden wir natürlich auch ablehnen.

Gleichzeitig richten wir das Angebot und die Bitte an die Landesregierung, in einen fachlichen Gedankenaustausch über Möglichkeiten und Notwendigkeiten, über Änderungs- und Anpassungsbedarfe hinsichtlich des Bleiberechts zu gelangen und diesen zu intensivieren, weil wir das Thema einfach für zu wichtig halten, um es zu vertagen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Herbst. - Für die Fraktion der CDU spricht jetzt Herr Kolze. Bitte schön, Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Innenminister bzw. -senatoren der Länder und des Bundes haben sich in ihrer Sitzung im Dezember vergangenen Jahres in Wiesbaden darauf verständigt, dass es einer weiteren Verlängerung der Bleiberechtsregelung aus dem Jahr 2009 nicht bedürfe. Sie verständigten sich vielmehr darauf, die Aufenthaltserlaubnisse auf Probe in Anwendung des § 8 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zu verlängern, wenn die Begünstigten sich nachweislich um die Sicherung des Le

bensunterhalts für sich und für die Familienangehörigen durch die Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit bemüht haben und aufgrund einer Integrationsprognose die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Lebensunterhalt zukünftig eigenständig durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gesichert sein wird.

Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion begrüßt den Beschluss der Innenministerkonferenz ausdrücklich. Punkt 2 des Antrages ist somit durch den Beschluss der Innenministerkonferenz gegenstandslos geworden. Der Beschluss wurde bereits durch Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport umgesetzt.

Auch Punkt 1 Ihres Antrages betrachten wir als gegenstandslos. Aus unserer Sicht besteht kein dringender Handlungsbedarf für eine neue umfassende gesetzliche Bleiberechtsregelung, da Verlängerungsmöglichkeiten für Aufenthaltserlaubnisse auf Probe bestehen. Voraussetzung ist lediglich, dass die Betroffenen weiterhin nachweisen, dass sie sich um die Sicherung des Lebensunterhalts für sich und ihre Familienangehörigen durch eigene Erwerbstätigkeit bemüht haben und daher die Annahme gerechtfertigt, dass der Lebensunterhalt zukünftig eigenständig durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gesichert sein wird.

Herr Minister Stahlknecht hat im Ausschuss eingehend darüber berichtet, dass während der Prüfung der Anträge durch die Ausländerbehörde sogenannte Fiktionsbescheinigungen auszustellen sind, um einen Rückfall in die Duldung zu vermeiden. Die Landesregierung geht davon aus, dass betroffene Ausländer, die sich in den vergangenen Jahren nachweislich um eine Erwerbstätigkeit bemüht haben, auch künftig gute Chancen auf eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis haben. Das Ministerium für Inneres und Sport geht sehr restriktiv mit der Abschiebepraxis um.

Mit einem gemeinsamen Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zur Beschlussempfehlung begrüßen wir gemeinsam diese Verfahrensweise aufgrund des Beschlusses der Innenministerkonferenz und der Erlasslage des Ministeriums für Inneres und Sport. Die Lücke für den von der gesetzlichen Altfallregelung erfassten Personenkreis ist geschlossen.

Unserer Ansicht nach stellen die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts und eine entsprechende Perspektive nun wirklich keine große Hürde für eine Aufenthaltserlaubnis dar. Den Betroffenen wurde auch mehrfach ein klares Signal gegeben, dass sie grundsätzlich Deutschland wieder verlassen müssen, wenn sie nicht selbst mit ihrer Arbeit für ihren Lebensunterhalt sorgen können.

Die Umsetzung des Antrages der Fraktion DIE LINKE würde letztendlich eine komplette Abkehr hiervon bedeuten. Auch Negativbeispiele, also die

jenigen, die in den vergangenen zwei Jahren nichts gemacht haben, die auch in einer Hochkonjunkturphase nicht geneigt waren, sich um eine Arbeit zu bemühen, würden also mit einer Bleiberechtsregelung schlichtweg belohnt werden. Dies lehnen wir jedoch ab; denn dies würde eine Zuwanderung in die Sozialsysteme bedeuten. Dies ist den Menschen in unserem Land nicht zu vermitteln.

In der Konsequenz führen die Forderungen der Fraktion DIE LINKE quasi zu einem bedingungslosen Daueraufenthaltsrecht. Die Lebensunterhaltssicherung der Betroffenen war, ist und bleibt unserer Meinung nach Kern jeder Bleiberechtsregelung.

Nun zu Punkt 3 Ihres Antrages. Für eine neue Bleiberechtsregelung sehen wir keine Notwendigkeit. Insbesondere die unter Punkt 3 aufgeführten Kriterien wie zum Beispiel der Verzicht auf restriktive Ausschlussgründe, beispielsweise mangelhafte Ausweisdokumente, sehen wir kritisch. Wir sind der Auffassung, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen humanitären Standards genügen. Vergessen Sie bitte nicht die neuen Bleiberechtsregelungen für gut integrierte ausländische Mitbürger ab dem 15. Lebensjahr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie um Zustimmung zum Änderungsantrag der Regierungsfraktionen. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kolze. - Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Dann treten wir jetzt in das Abstimmungsverfahren ein.

Ich lasse zunächst abstimmen über den Änderungsantrag in der Drs. 6/835. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Änderungsantrag angenommen worden.

Ich lasse nun über die Beschlussempfehlung in der Drs. 6/794 in der soeben geänderten Fassung abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist die Beschlussempfehlung in der geänderten Fassung angenommen worden. Tagesordnungspunkt 8 ist damit erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zweite Beratung

Evaluierung des Hochschulmedizingesetzes

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/526

Beschlussempfehlung Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft - Drs. 6/804

Berichterstatter des Ausschusses ist Herr Tögel. Bitte, Herr Tögel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem der Landtag den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft in der 13. Sitzung am 11. November 2011 beauftragt hat, sich mit dem Antrag der Linksfraktion zu befassen und eine Beschlussempfehlung vorzulegen, vereinbarte der Wirtschaftsausschuss eine Anhörung. Diese fand in der 7. Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Wirtschaft am 2. Februar 2012 statt. Hierzu wurden der Wissenschaftsrat, Vertreterinnen und Vertreter der medizinischen Fakultäten, der Universitätsklinika und der Universitäten sowie zuständige Personalräte und Gewerkschaften eingeladen.

Es war vorgesehen, im Anschluss an die Anhörung eine Beschlussempfehlung an den Landtag zu erarbeiten. Dazu wurde seitens der Koalitionsfraktionen der Entwurf einer Beschlussempfehlung vorgelegt, welcher - ich nehme es schon einmal vorweg - kontrovers diskutiert wurde und mit 7 : 3 : 1 Stimmen verabschiedet worden ist.

Das Ergebnis der Anhörung zeigte, wie unterschiedlich die Gegebenheiten und auch die Interessen der Betroffenen sind. Das spiegelte sich auch in den Positionen der einzelnen Fraktionen wider.

Zunächst kündigte die Ministerin an, dass das Ministerium dem Ausschuss im März 2012 einen Referentenentwurf zu Novellierung des Hochschulmedizingesetzes vorlegen werde. Mit diesem Entwurf werde dem Ausschuss auch eine Aufstellung der Vor- und Nachteile des jeweiligen Modells übermittelt. Zur Frage der Evaluierung des Hochschulmedizingesetzes vertrat sie die Auffassung, dass der Auftrag in § 26 Absatz 5 des Hochschulmedizingesetzes mit der vom Wissenschaftsrat durchgeführten Evaluation der Hochschulmedizin des Landes erfüllt worden sei.

Die CDU-Fraktion machte deutlich, dass sie mit der Auffassung der Ministerin übereinstimme und dass der Auftrag zur Evaluation des Hochschulmedizingesetzes erfüllt worden sei. Das von der Ministerin angekündigte Verfahren, nämlich die Vorlage eines Referentenentwurfs, sei richtig und zielführend. Die CDU-Fraktion unterstütze den vorliegenden Entwurf einer Beschlussempfehlung.

Ein Vertreter der Fraktion DIE LINKE ließ wissen, dass er in der Anhörung den Eindruck gewonnen habe, dass sich die Anzuhörenden für die Durchführung einer Evaluation ausgesprochen hätten.

Seiner Ansicht nach haben die Anzuhörenden darauf hingewiesen, dass eine ausführliche Betrachtung des Hochschulmedizingesetzes im Vorfeld der Novellierung dringend geboten sei. Es sei vorgeschlagen worden, eine Kommission einzusetzen oder externen Sachverstand hinzuzuziehen. Eine Evaluation des Hochschulmedizingesetzes fehle nach wie vor. Der Wissenschaftsrat habe eine Evaluation des Hochschulmedizingesetzes nicht vorgenommen.

Er sprach sich gegen den vorliegenden Entwurf der Beschlussempfehlung aus, da das Ministerium bereits dargestellt habe, an einer Gesetzesnovelle zu arbeiten. Für eine allgemeine Formulierung halte er die Forderung in dem Entwurf der Beschlussempfehlung, dass „bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes … alle Argumente und notwendigen Maßnahmen Berücksichtigung finden“ sollten. Demgegenüber halte er die Forderung in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE für wichtig, eine Abwägung zwischen den einzelnen Modellen vorzunehmen.

Der Vertreter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vertrat den Standpunkt, dass in der Anhörung unterschiedliche Auffassungen geäußert worden seien. Vor diesem Hintergrund halte er es für wichtig, die Novellierung des Hochschulmedizingesetzes auf eine Grundlage zu stellen, wofür sich seines Erachtens eine Evaluation anbieten würde. Allerdings sah er sich in der in Rede stehenden Sitzung nicht in der Lage zu beurteilen, ob die vom Wissenschaftsrat durchgeführte Evaluation ausreiche oder eine weitere Evaluation notwendig sei.

Seitens der SPD-Fraktion wurde die Erwartung geäußert, dass die Landesregierung die in der Anhörung gegebenen Hinweise und Anregungen in ihre Überlegungen einbeziehe und dem Landtag einen Gesetzentwurf vorlege, zu dem Experten und Betroffene gehört worden seien. Der Landtag werde es nicht leisten können, so der Vertreter der SPDFraktion, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen. Auch werde die Landesregierung nicht in der Lage sein, alle Problemlagen in einem Gesetzentwurf aufzulösen. Die Anhörung habe gezeigt, dass es offenbar keine Idealvorstellung von der Ausgestaltung des Hochschulmedizingesetzes gebe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gehe davon aus, dass die nachfolgenden Rednerinnen und Redner in der anschließenden Debatte noch einmal diese Positionen vortragen werden. Trotzdem bitte ich Sie um Zustimmung zu der vorliegenden Beschlussempfehlung. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)