Protocol of the Session on February 23, 2012

Hiermit eröffne ich die 19. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie, verehrte Anwesende, recht herzlich begrüßen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Abgeordnete Frau Gabriele Brakebusch hat heute Geburtstag.

(Beifall im ganzen Hause)

Im Namen des Hohen Hauses gratuliere ich Ihnen recht herzlich und wünsche alles Gute.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Ich möchte zu den Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung kommen. Mit Schreiben des Staatsministers vom 15. Februar 2012 bat die Landesregierung darum, folgende Mitglieder der Landesregierung für die elfte Sitzungsperiode zu entschuldigen:

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff und Minister Stefan Dorgerloh bitten, heute bis 14.30 Uhr ihre Abwesenheit wegen der Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung der Verfassungsorgane des Bundes für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt in Berlin zu entschuldigen.

Ministerin Professor Dr. Birgitta Wolff bittet, heute bis 11 Uhr ihre Abwesenheit zu entschuldigen wegen der Teilnahme an einem Termin mit Vertretern eines südkoreanischen Konzerns mit dem Ziel, Sachsen-Anhalts Möglichkeiten der Ansiedlung einer Produktionsstätte im Bereich von LithiumIonen-Speichern auszuloten.

Zur Tagesordnung. Sehr verehrte Damen und Herren! Die Tagesordnung für die elfte Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Die CDU-Fraktion hat fristgerecht einen Antrag auf eine Aktuelle Debatte eingereicht. Der Antrag liegt Ihnen in der Drs. 6/828 vor. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die Beratung hierzu an erster Stelle am Freitag, dem 24. Februar 2012, erfolgen.

(Unruhe)

Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das sehe ich nicht. Dann können wir so verfahren. Ich würde Sie aber bitten, den Lärmpegel etwas zu senken.

Zum zeitlichen Ablauf der elften Sitzungsperiode. Die Fraktionen sind übereingekommen, sich heute dem Aufruf von Arbeitgebern und Gewerkschaften zu einer Schweigeminute um 12 Uhr zum Gedenken an die Opfer rechtsextremistischer Gewalt anzuschließen.

Die von rechtsextremistischen Gewalttätern verübten Morde, Raubüberfälle und Anschläge erfüllen die Menschen in Deutschland mit Abscheu und

Entsetzen. Wir trauern um die Opfer. Unser Mitgefühl gilt den Familien und Freuden, die geliebte Menschen verloren haben. Wir sind tief betroffen, dass nach den Erfahrungen der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland diese entsetzlichen Verbrechen geschehen konnten. Im stillen Gedenken an die Opfer soll mit der Schweigeminute auch im Plenum ein kraftvolles Zeichen gesetzt werden, ein Zeichen der Trauer und des Mitgefühls mit den Opfern, ihren Familie und Freunden, ein Zeichen der Verurteilung von Fremdenhass, Rassismus und rechtsextremer Gewalt, ein Zeichen für die Vielfalt und Offenheit Deutschlands.

Wir werden uns daher um 12 Uhr von den Plätzen erheben, um zu einer Schweigeminute innezuhalten.

Im Anschluss an die heutige Sitzung wird sich der Ältestenrat in seinem Beratungsraum A1 45 zusammenfinden, um Vorbereitungen für die Wahl der Mitglieder der 15. Bundesversammlung zu treffen.

Am heutigen Abend findet eine parlamentarische Begegnung mit dem Ostdeutschen Sparkassenverband statt. Die morgige Sitzung beginnt wie immer um 9 Uhr. So weit zum Ablauf.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Beratung

ACTA stoppen - Transparenz herstellen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/818

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/838

Einbringer des Antrages ist der Abgeordnete Herr Wagner. Bitte sehr.

Werte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ACTA zementiert ein novellierungsbedürftiges Urheberrecht. ACTA birgt die Gefahr von grundlegenden Einschränkungen der Bürgerrechte im Internet. ACTA ist undemokratisch, da es außerhalb der demokratischen Institutionen ausgehandelt wurde.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Mindestens aus diesen drei Gründen muss ACTA gestoppt werden.

ACTA ist das Anti-Counterfeiting Trade Agreement. Eine Übersetzung 1 : 1 lautet: Handelsabkommen gegen Fälschungen. Es ist ein multilaterales Abkommen, unter anderem zwischen der EU, den USA und Japan, und dient dem vermeintlichen Zweck des Schutzes des geistigen Eigentums, besonders des Markenschutzes.

Allerdings gibt es einen ganz bestimmten Geist von ACTA. Das ist der Geist der Geheimpolitik.

Bereits im November 2009 hat die Linksfraktion im Deutschen Bundestag die Bundesregierung gefragt, wie sie die Verhandlungen bewertet und wie sie es bewertet, dass die konkreten Ergebnisse der Geheimhaltung unterliegen, und das, obwohl das Abkommen vermeintlich weitreichende Folgen für die Politik der EU-Mitgliedstaaten zeigen wird.

Die Bundesregierung antwortet kurz, sie begrüße es, dass die Europäische Kommission über den Fortgang der Verhandlungen auf ihrer Webseite informiert. Kein Wort darüber, wie sich die Bundesregierung dazu positioniert, dass diese Verhandlungen prinzipiell im geheimen Rahmen stattfinden.

Wenn ich also heute an dieser Stelle kritisiere, dass die Verhandlungen über ACTA geheime politische Verhandlungen sind, die nicht demokratisch legitimiert sind, dann geht diese Kritik insbesondere auch an die Bundesregierung.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Der Geist von ACTA ist auch getrieben durch die heftige Kritik an einem Zwischenentwurf, der 2010 herauskam und der deutlich restriktivere Maßnahmen benannte, zum Beispiel ein sogenanntes Three-Strikes-Modell. Hierbei handelt es sich um ein Modell, welches besagt, dass nach drei vermeintlichen Urheberrechtsverletzungen das Internet abgekapselt wird. Wir sagen, Internet ist öffentliche Daseinsvorsorge. Es darf nicht abgekapselt werden. Es wurde jedoch erst einmal hineingeschrieben.

Zudem gab es Erwähnungen von einer Vorratsdatenspeicherung und nach wie vor von Netzsperren. Dies hat zu einer breiteren öffentlichen Debatte geführt. Während der Debatte um ACTA wurde auch die Urheberrechtsdebatte in der Bundesrepublik Deutschland fortgeführt.

Seit 2010 diskutieren wir über den dritten Korb der Urheberrechtsreform. Dabei sind die Maßnahmen aus dem zweiten Korb bereits sehr restriktiv mit großen Einschnitten bei Bürgerrechten verbunden gewesen. Ich erinnere an die Privatkopien und an ein De-facto-Verbot von Peer-to-peer-Technologien.

Hinter diesem ganzen Geist steht ein Desaster für die Demokratie. Demokratietheoretisch ist genau das der entscheidende Punkt unserer Ablehnung. Es gibt wahrscheinlich sehr viele Nebenvereinbarungen zum Thema ACTA, von denen wir alle keine Kenntnis haben.

Der TRIPS-Beirat bei der Welthandelsorganisation hat dazu formuliert, es sei misslich, dass die Diskussion von den Freihandelsaspekten weg zu den Grundrechten verschoben worden sei. Grundsätz

lich, so der TRIPS-Beirat, müsse immer darauf verwiesen werde, dass ACTA Arbeitsplätze in ganz Europa sichere, weil mit ACTA die Errungenschaften des geistigen Eigentums gegen die Chinas dieser Welt verteidigt würden. - Es ist nur dumm, dass China kein ACTA-Land ist und an diesem Abkommen gar nicht teilnimmt.

Besser formuliert es die EU-Justizkommissarin Viviane Reding, als sie am 13. Februar 2012 begründet, wieso sie die ACTA-Gesetzgebung, das heißt die Folgegesetzgebung, aufgrund des Vertrages vom Europäischen Gerichtshof prüfen lassen möchte. Sie sagt, der Schutz von Urheberrechten könne die Aufhebung von Meinungs- und Informationsfreiheit nie rechtfertigen und deshalb seien Netzsperren für sie niemals eine Option.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aber es ist manchmal so bei der Europäische Kommission: Liest du was von einem Kommissar und was von einem anderen Kommissar, dann stellst du fest, dass sie sich widersprechen.

Der EU-Handelskommissar, ein Liberaler, rief die Europaabgeordneten dazu auf, sich - Zitat - nicht von der auf Unwissen und zum Teil bewusster Fehlinformation basierender Meinungsmache beeindrucken zu lassen und sich stattdessen in aller Ruhe ein eigenes Bild von ACTA zu machen.

Nun unterstelle ich einmal pauschal allen Europaabgeordneten, dass sie sich immer ernsthaft um ihre Themen kümmern. Aber diese Aussage ist an und für sich nicht nur ein Widerspruch zu der Aussage seiner Kommissionskollegin, sondern ein Skandal. Denn diese Aussage beinhaltet eine ungeheure Unterstellung, dass nämlich diejenigen, die niemals eine Chance haben, auch nur ein paar Informationen aus den Geheimverhandlungen zu bekommen, jetzt mit gezielter Desinformation konfrontiert werden sollen.

Das geht gar nicht und ist einfach das Gegenteil von dem, was er hätte machen müssen. Er ist Handelskommissar. Seine Aufgabe ist es nicht, über ACTA-Kritiker zu lamentieren. Seine Aufgabe ist es, die zwingend notwendige Transparenz herzustellen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Das ACTA-Abkommen ist teilweise eine Nachfolgeabkommen des TRIPS-Abkommens, welches bei der Welthandelsorganisation ausgehandelt wurde, und Vorgänger von IPRED. IPRED ist ein weiteres Abkommen, welches wohl unter dem Deckmantel der Weltorganisation für geistiges Eigentum, WIPO, ausgehandelt wird.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Sprache ist übrigens verräterisch. Die Begriffe TRIPS und IPRED sagen den meisten nichts. Viel

leicht übersetzen wir es einmal. TRIPS heißt Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum. Es geht also um Handel. Deswegen ist es auch bei der WTO angesiedelt. IPRED heißt Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Das heißt, dabei geht es lediglich um die Durchsetzung. Deswegen ist es bei der WIPO angesiedelt.

Wenn das so ist und wenn ACTA beides berührt, dann fällt auf, dass weder WTO noch WIPO bei den Verhandlungen um ACTA mit am Tisch saßen. Wir fragen: Wieso? Wenn es schon global agierende Institutionen gibt, die sich um genau diese Fragen kümmern, wieso werden diese nicht mit an den Tisch zu den ACTA-Verhandlungen geholt?

(Zustimmung bei der LINKEN)