Protocol of the Session on November 11, 2011

Es wäre klar gewesen: Wenn ich die globale Minderausgabe eingetrieben hätte, wären Programme betroffen gewesen, die Sie lang und breit beredet haben. Das ist aber, glaube ich, nur zum Teil zulässig. Ich wollte nur die Logik des Ganzen, was wir gemacht haben, noch einmal erklären.

Weiterhin wird die Frage gestellt: Wie ist das jetzt mit dem Jahresabschluss? - Damit sind wir wieder im Reich der Prognosen. Damit bin ich bei der Steuerschätzung. Vom Verrechnen bis hin zu „unseriös“ und „Scherbenhaufen“ - all das habe in Bezug auf mein Ministerium gehört.

Wir haben - das möchte ich für meine Kollegen und Kolleginnen im Ministerium klar sagen - im Sommer anhand der uns bekannten Daten der wirtschaftlichen Entwicklung eine Schätzung vorgenommen, deren Ergebnis über dem des Bundes liegt. Auch das ist nur eine Schätzung. Der Bund hat, so glaube ich, eine sehr konservative Schätzung vorgelegt.

Diejenigen, die den Krisenanfang hier im Parlament miterlebt haben, wissen: Wirtschaftswachstum und Steuerentwicklung hängen ungefähr ein bis eineinhalb Jahre hinterher. Ich bekomme jetzt für das Haushaltsjahr 2011 rund 500 bis 550 Millionen € zusätzlich in der Steuerschätzung unterstellt. Das bricht in einem Maße ab, wie ich es bei dem Steueraufkommen, das wir im Hause monatlich begleiten, überhaupt nicht nachvollziehen kann.

Ich habe selbst im abgeschlossenen Monat Oktober 2011 - eigentlich im Durchschnitt der ganzen letzten Monate - einen Zuwachs an Steuereinnahmen in Höhe von 7 bis 8 % festgestellt. Wenn ich das Wirtschaftswachstum in den Quartalen fortrechne, was volkswirtschaftlich und auch vom

Trend her nur bedingt möglich ist - wir vergleichen die Jahre diesbezüglich -, kann ich nicht erkennen, dass die Steuereinahmen innerhalb eines ersten oder zweiten Quartals so stark zusammenbrechen. Es kommt noch hinzu, dass es die Lohn- und Einkommensteuern sind. Diese erhöhen sich weiter, weil die Arbeitslosenquote sinkt und die Tarifhöhe nach oben geht.

Das alles ist die Grundlage. Es geht nicht darum, dass wir an einer Dartscheibe stehen und auf die Zahlen werfen, die wir jetzt gerade einmal unterstellen sollten.

Es gibt eine Abweichung, die im Saldo für das Haushaltsjahr 2012 bei 90 Millionen € liegt. Wir haben eine Gesamtabweichung bei den Steuereinnahmen für den Doppelhaushalt in Höhe von 50 Millionen €, was jedoch bei einem Steueraufkommen mit dem Länderfinanzausgleich von 12 Milliarden € aus meiner Sicht vertretbar ist. Das mögen andere anders sehen.

Neben dieser Steuerabweichung, die sich übrigens in den Haushaltsjahren 2014/2015 wieder dem annähert, was wir unterstellt haben, haben wir eine wahrscheinlich bisher noch viel zu sehr unterschätzte Bewegung bei den Zinsen. Wir haben, wie die anderen Länder auch, steigende Zinsen unterstellt. Für das Jahr 2011 und für das Jahr 2012 haben wir jeweils dreimal eine EZB-Erhöhung unterstellt.

Nun hat die EZB aus nachvollziehbaren Gründen - das wird man erst im Haushaltsjahr 2013/2014 auch volkswirtschaftlich einschätzen können - gesagt: Ich senke die Zinsen.

Die Zeitung „Die Welt“ hat just an dem Tag, an dem in unseren Zeitungen die Aufregung groß war, geschrieben: Der Bund bekommt Kredite mit einem Zinssatz von 0,08 %.

(Frau Niestädt, SPD: Unglaublich!)

Die Unterzeile lautete: Der Bund verdient sich ein Vermögen.

Wenn Sie mir nicht glauben, dann kann ich Ihnen die Zahlen vom Bund gern einmal hinüberreichen; denn er hat eine ganz andere Verschuldung.

Übrigens hat - das sei mir gestattet, lieber André Schröder - die CDU-FDP-Bundesregierung heute Nacht die Summe der Nettokreditaufnahme wieder erhöht. Ich gehe damit auf die „Kinderkrankheiten“ von gestern ein.

Ich habe gestern gleich nachgesehen und möchte hier mitteilen: Das kleine Kind Sachsen-Anhalt hat nach vier Jahren Schwarz-Gelb bei der Nettoneuverschuldung schon an zweiter Stelle gelegen. Also, die Hypothek der zweiten Wahlperiode war schon groß.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Schröder, CDU: Wir tragen unsere Verantwortung!)

- Das hättest du gestern auch sagen können.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD - Herr Schröder, CDU: Das habe ich gesagt! Wenn, dann richtig zitieren! Darauf lege ich Wert!)

- Ist doch gut. Das war nur ein Einschub.

(Zuruf von Herrn Schröder, CDU - Unruhe)

- Jetzt hätte ich aber etwas mehr Souveränität von dir erwartet. Du hast gestern mit den „Kinderkrankheiten“ angefangen.

Ich will nur sagen: Alle Finanzministerinnen und Finanzminister haben - je nachdem, wie sie gerade mit ihren Haushaltseckwerten dastehen - aufgrund dieser Zinsabweichungen die Chance, tatsächlich zu gewinnen, sofern sie keine neuen Schulden aufnehmen. Nehmen sie neue Schulden auf, ist für sie in Zukunft eine Entlastung gegeben, aber die Spielräume, durch Umschuldungen wirklich Mittel in Größenordnungen zu behalten, sind natürlich nicht so groß.

Für uns selbst bedeutet das auch Einsparungen in erheblichem Umfang. Deswegen ist das keine Schönrechnerei. Wir haben in mehreren Szenarien Mittel in Höhe von rund 80 Millionen € für das Jahr 2012 und Mittel in Höhe von 170 Millionen € für das Jahr 2013 unterstellt.

Das führt dazu, dass die Risikoabschirmung über die Zinsen 2012 noch nicht aufgeht. Aber 2013 haben wir schon einen Überschuss. Den haben wir nach Rücksprache mit den Fraktionen, mit den Sprechern erst einmal verplant, indem wir die Steuerschwankungsreserve, die überhaupt noch nicht wahrgenommen wird, die übrigens diesem Risiko gegenübersteht, erhöht und den Schuldenabbau um ein Jahr vorgezogen haben.

Das heißt, selbst wenn am Ende des Jahres 2012 ein Fehlbetrag unterstellt würde, würde nach Schätzungen ein Betrag in Höhe von 50 Millionen € auflaufen. Hätte ich diese 50 Millionen € als Steuerschwankung bereits 2012 zur Verfügung, würde ich sie nicht anlegen, sondern zur Gegenfinanzierung nutzen. Wäre der Betrag größer, hätten wir die Chance, 2013 immerhin schon Mittel in Höhe von 125 Millionen € gegenzurechnen.

Vor diesem Hintergrund sage ich: Das ist eine vernünftige und auch konservative Haushaltspolitik. Aber ich habe keine Lust, mich jedes Quartal neu nach den Märkten auszurichten.

Denjenigen, die gesagt haben, Bullerjahn, du hättest bis November 2011 warten müssen, damit du die Steuerschätzung berücksichtigen kannst, möchte ich einmal sagen, was dann passiert wäre. Dann hätte nämlich das Kabinett erst im November die eigenen Haushaltsberatungen führen können. Wir hätten bestimmt bis Anfang des nächsten Jahres gebraucht. Dann hätten wir in Bezug auf die Kommunen und alle anderen vielleicht im März,

April 2012 einen Haushalt mit vielleicht genaueren Daten gehabt.

Dass dies besser gewesen wäre, wage ich stark zu bezweifeln. Dann wäre vielleicht eine Diskussion darüber aufgekommen, dass man, wenn das Geld nicht mehr abfließen kann, doch eher eigene Schätzungen hätte machen sollen.

Deswegen halte ich unseren Ansatz für vernünftig. Ich hoffe, dass mich die betreffenden Personen am Ende des nächsten Jahres mit der gleichen Energie begleiten werden, wenn das alles aufgegangen ist, und das auch öffentlich kundtun. Das wird wahrscheinlich nicht passieren.

Ich finde es richtig, dass man das kritisch begleitet. In der jetzigen Zeit ist man sonst vielleicht geneigt, zu schnell, vielleicht zu dynamisch auf der Aufgabenseite loszulegen.

Ich halte es für verantwortbar, dass wir im Zusammenhang mit dem Doppelhaushalt über Ausgaben in Höhe von 10 bis 30 Millionen € beim KiFöG reden. Alle anderen Aufstockungen erfolgen aufgrund von Tarifanpassungen, Erhöhungen der Sozialausgaben, die aus Gesetzen folgen, und einer Schwerpunktsetzung bei Investitionen. Ich denke, das kann man vertreten.

Wir werden das jetzt auch im Hinblick auf den Nachtragshaushalt mit dem Jahresabschluss begleiten - auf die Zahl komme ich gleich noch einmal zu sprechen -, wissen aber auch, dass Spielräume nicht vorhanden sind.

Deswegen will ich hier gleich sagen: Die Steuerdiskussion, die gerade in Berlin vonstatten geht, kann ich nicht nachvollziehen. Ich weiß, dass die CDU dort, um des lieben Betriebsfriedens willen, immer wieder mit der FDP rummachen muss. Jetzt hat man das schon auf 6 Milliarden € gedrückt. Ich sage aber: Wenn der Bund selbst Schulden aufnimmt, kann er nicht mit fremdem Geld Steuern senken. Das ist unseriös.

(Zustimmung bei der SPD, von Herrn Weih- rich, GRÜNE, und von Herrn Erdmenger, GRÜNE)

Ich habe denjenigen genau zugehört, die mit mir in der Föderalismuskommission saßen und gesagt haben: Wenn wir die Schuldenbremse auflegen - das habe ich dem Parlament damals hier auch zugesagt -, kann es nicht dauernd darum gehen, an der Steuerschraube zu drehen, weil dann nämlich sämtliche Planungen über den Haufen geworfen werden.

(Herr Schröder, CDU: Das Existenzminimum muss steuerfrei bleiben!)

- Das ist doch nie bezweifelt worden. Diese Dinge sind immer angepasst worden. Wenn das die CDU in Berlin zum Politikum erklärt, dann ist es wirklich schwierig.

(Heiterkeit bei der SPD)

Diese Dinge werden doch durch die Finanzminister im jährlichen Finanzausgleichsgesetz mit angepasst. Dazu sitzen wir einmal im Bundesrat. Diese Anpassungen laufen doch in den verschiedensten Punkten. Ich meine den Teil, der reinweg steuerpolitisch ist und bei dem schon viele ausgerechnet haben: Wie viel bleibt bei denen, die man da entlasten will, denn wirklich übrig?

Deswegen bin ich prinzipiell gegen Steuererhöhungen, egal von welcher Partei sie vorgeschlagen werden.

(Frau Budde, SPD: Steuersenkungen!)

- Steuersenkungen.

(Heiterkeit)

Ich komme gleich noch zu Steuererhöhungen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Gegen die ist er auch! - Unruhe)

Es geht hierbei erstens darum, dass wir unsere Haushalte in Ordnung bringen können. Das ist unsere Hauptaufgabe.

Zweitens. Wir haben verabredet - dazu habe ich viel gehört -, wie wir die Bildungsausgaben auf 7 % des BIP erhöhen. 3 % sind für die Hochschulen vorgesehen.

Wir müssen einmal darüber reden: Was soll denn der Sozialstaat eigentlich erbringen? - Dazu sage ich hier ganz offen: Das wird, wenn man sich die Skandinavier zum Vorbild nimmt, nicht ohne Steuererhöhungen gehen. Aber bitte in der richtigen Reihenfolge. Den Leuten zu suggerieren, man gibt mehr in den Sozialstaat, gerade für Bildung, und man kann nebenbei noch die Steuern senken, das ist Unsinn.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD, und von Frau Budde, SPD)