Mit unserem Antrag wollen wir deswegen zum einen die Landesregierung beauftragen, sich auf der Bundesebene für ein grundsätzlich neues Bleiberecht einzusetzen, das sich an humanitären und demokratischen Kriterien statt an Nützlichkeitskriterien orientiert und das für die Betroffenen endlich eine dauerhafte und verlässliche gesetzliche Regelung schafft.
Meine Damen und Herren! Das Resultat der Politik der letzten Jahre ist es aber eben explizit auch, immer wieder neu akuten Handlungsbedarf zu schaffen. Mit dem Ende des Jahres 2011 läuft die letzte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf Probe und der Altfallregelung ab. Tausenden Menschen droht also, in den unsicheren Status der Duldung zurückzufallen. Sie sind dann von der Abschiebung bedroht, obwohl sie bis zu diesem Zeitpunkt mehr als zehn Jahre in Deutschland gelebt haben werden.
Für diese Menschen muss schnell eine Übergangsregelung gefunden werden, die ihnen eine Perspektive gibt. Deshalb muss das Thema Bleiberecht auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz am 8. und 9. Dezember 2011 gesetzt werden. Aufgrund des selbst geschaffenen Drucks durch das Auslaufen der Frist und aufgrund des nahen Termins der Innenministerkonferenz ist für meine Fraktion eine Direktabstimmung über den Antrag hier im Plenum unabdingbar.
Die Tatsache, dass auch die Integrationsbeauftragten der Länder und auch die Integrationsbeauftragte der Landesregierung die Bemühungen für eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung und für eine grundsätzliche Verbesserung des Bleiberechts unterstützen, dürfte auch Ihnen die Zustimmung zu unserem Antrag möglich machen, der im Übrigen keine anderen Forderungen erhebt als es die beiden großen christlichen Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas auch tun. - Ich danke Ihnen.
Danke schön, Frau Quade. - Auf der Südtribüne darf ich ganz herzlich Damen und Herren der Stadt- und Landentwicklungsgesellschaft Magdeburg begrüßen.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der uns vorliegende Antrag zielt zum einen auf Inhaber einer bis zum 31. Dezember 2011 befristeten sogenannten Aufenthaltserlaubnis auf Probe. Nunmehr soll durch einen Beschluss der Innenministerkonferenz, die im Dezember in Wiesbaden stattfinden wird, erreicht werden, dass die betroffenen Personen nach dem 31. Dezember 2011 im Besitz der Aufenthaltserlaubnis bleiben und eben nicht in den lediglich geduldeten Aufenthalt zurückfallen.
Darüber hinaus soll für alle ausreisepflichtigen Ausländer eine gesetzliche stichtagsunabhängige Regelung zur Ermöglichung eines dauerhaften Verbleibs geschaffen werden. Dabei sollen die Anforderungen im Vergleich zu den bisherigen Regelungen signifikant herabgesetzt werden.
Seit dem Jahr 2006 gab es bereits drei Bleiberechtsregelungen für ausreisepflichtige langfristig geduldete Ausländer, die ausreichende Möglichkeiten für ein Aufenthaltsrecht boten. Sie stellten jeweils auf den Aufenthalt zu einem bestimmten Stichtag ab.
Hier kann eine positive Bilanz gezogen werden. Bundesweit haben nach der Innenministerkonferenz-Bleiberechtsregelung vom November 2006 über 20 000 Geduldete und seit Inkrafttreten der gesetzlichen Altfallregelung bis Ende 2009 rund 38 000 Betroffene eine Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung erhalten. In Sachsen-Anhalt wurden nach dem Beschluss vom September 2006, Frau Quade, insgesamt 334 Aufenthaltserlaubnisse und nach der gesetzlichen Altfallregelung 717 Aufenthaltserlaubnisse erteilt, davon 665 auf Probe.
Eine weitere, noch großzügigere gesetzliche Bleiberechtsregelung - so wollen Sie es - mit Dauerwirkung halten wir für nicht erforderlich. Denn bei allem Gutgemeinten und Humanitären - da sind wir uns einig - muss man als Staat in der Lage sein, die Zuwanderung steuern und gegebenenfalls begrenzen zu können. Wir würden nach dem von Ihnen vorgelegten Antrag Steuerungsmöglichkeiten und Begrenzungsmöglichkeiten endgültig aus der Hand geben.
Frau Quade, Sie haben gesagt, Sie wollen eine humanitäre, humane, demokratische Bleiberechtsregelung. Auch wir wollen sie. Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir sie zurzeit auch haben; Sie wollen nur eine weitergehende. Ich würde aber schon konstatieren wollen - damit das auch klar ist -: Unsere Bleiberechtsregelungen sind sowohl demokratisch als auch humanitär.
Wir haben darüber hinaus das Problem, dass wir, wenn wir eine dynamische Bleiberechtsregelung einführen würden, Möglichkeiten schaffen würden,
in deren Folge wir auch eine irreguläre Zuwanderung nicht mehr steuern könnten. Ich bin der Auffassung, dass die vorliegenden Regelungen ausreichend sind. Wir brauchen daher weder eine neue gesetzliche Regelung noch einen IMKBeschluss - auch nicht als Übergangsregelung.
Ein Teil der Fälle, die Sie angesprochen haben, wird sich bereits mit dem neuen § 25a des Aufenthaltsgesetzes lösen lassen. Nach dieser Regelung wird geduldeten und gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden die Möglichkeit eröffnet, dauerhaft ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Über diese Regelungen können auch die Eltern und minderjährige Geschwister eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.
Es gibt darüber hinaus weitere Möglichkeiten, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, nämlich aus humanitären Gründen, zum Beispiel aufgrund des Ersuchens der Härtefallkommission. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich dem Kollegen Herbst, der jetzt etwas abgelenkt ist, danken. Wir haben nämlich neulich gemeinsam über einen solchen Fall mit Härtefallkommission und Bleiberechtsregelung gesprochen und gemeinsam diese Dinge, glaube ich, auf Ihren Wunsch hin realisiert. Dafür möchte ich Ihnen an dieser Stelle danken.
Auch das ist aus meiner Sicht ein Zeichen, dass die vorhandenen Regelungen ausreichend sind, zumindest aber nicht so extendiert werden sollten, wie Sie es vorschlagen. Ich habe mir sagen lassen, dass der Antrag in den Innenausschuss überwiesen werden soll. Selbstverständlich wäre ich bereit, diese Frage im Innenausschuss weiter und intensiv mit Ihnen zu diskutieren. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten jetzt in die Fünfminutendebatte ein in der Reihenfolge SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und DIE LINKE. Für die SPD hat der Abgeordnete Herr Erben das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will es vorwegnehmen: Die Fraktion der SPD teilt das Anliegen der Antragsteller in den Nummern 1 und 2 weitgehend und nimmt das Anliegen in Nummer 3 des Antrags zumindest teilweise an.
Das wird Sie kaum überraschen, denn das, was dort an Forderungen aufgemacht wird, ist überwiegend Gegenstand eines Gesetzentwurfs, den die SPD-Bundestagsfraktion bereits Ende 2009 in den Deutschen Bundestag eingebracht hat, mit dem sie eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes für eine Altfallregelung erreichen will.
Dort, im Deutschen Bundestag, liegt auch die eigentliche Verantwortung für die Schaffung einer gesetzlichen Altfallregelung. Stattdessen hangeln wir uns im Ausländerrecht ziemlich oft und seit vielen Jahren mit Kompromissen durch die Innenministerkonferenz. Nun stehen wir wieder vor dem Ablauf einer Zweijahresfrist, ohne dass es eine dauerhaft tragfähige Lösung gäbe.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will es dem Hohen Haus nicht ersparen, die Historie, die Frau Quade teilweise vorgetragen hat, auch aus der Innensicht in kurzen Zügen darzustellen. Rot-Grün wollte vor 2005 eine gesetzliche Regelung treffen; diese scheiterte an der Mehrheit im Bundesrat.
In den Jahren der großen Koalition wurde man sich im Bundestag intern nicht einig. Man hörte immer mal, dass auch die CDU sagte: Wir müssen da etwas machen. Man hörte aber auch im Vorfeld - das wurde auf den Fluren der IMK wie des Bundestags immer wieder verbreitet -, dass die FDP in der dann sogenannten Wunschkoalition das schon fordern würde und man das als Zugeständnis eingehen könne. Dumm nur, dass die FDP das Ganze nicht gefordert hat.
Nun haben wir das Problem, dass wir vor dem Auslaufen einer wieder befristeten Regelung stehen. Also wäre wieder einmal die IMK an der Reihe, die Frist, die zum Jahresende 2011 verlängert worden ist, in eine weitere Übergangsregelung zu bringen.
Ich glaube, dass ein erneuter Kompromiss sehr mühsam sein wird, und am Ende wird wieder eine Übergangsregelung stehen, denn: Das Land Rheinland-Pfalz hat, wie ich heute erfahren habe, inzwischen die entsprechende Anmeldung für eine solche weitere Übergangsregelung für die Innenministerkonferenz im Dezember 2011 abgegeben. Am Ende werden sicherlich auch alle Sieger sein und dort eine einvernehmliche Regelung - wie meist - treffen. Ich hoffe aber vor allem zukünftig auf die Einsicht des Bundesgesetzgebers, denn am Ende - ich hatte es bereits betont - ist er gefragt.
Ich will aber auch auf die Punkte hinweisen, in denen die SPD-Fraktion die Forderungen der Antragsteller unterstützt, und auf die Punkte, wo wir eine andere Meinung haben. Ich will kurz auf Punkt 3 Ihres Antrags eingehen: Mit dem Begriff der Nützlichkeitskriterien haben wir ein Problem, insbesondere wenn Sie aus menschen- und grundrechtlichen Erwägungen meinen könnten, es sei ein Einfallstor, dass wir auf Bemühungen um Integration in den Arbeitsmarkt vollständig verzichten. Das wollen wir nicht, und das ist auch immer die auf der Innenministerkonferenz durch das Land Sachsen-Anhalt vertretene Linie gewesen.
unterhaltssicherung zu stellen. Dafür treten wir ebenfalls ein. Denn wie soll es beispielsweise einem kosovarischen Familienvater mit vier Kindern gelingen, ohne ergänzende Hartz-IV-Leistungen den Lebensunterhalt vollständig zu sichern? - Das ist eine Maßgabe, die kaum erreicht werden kann. Nicht anders liegt der Fall bei der Familientrennung bzw. deren Vermeidung.
Gleichfalls argumentiert die SPD seit vielen Jahren gegen die sogenannten Kettenduldungen. Was Sie, liebe Kollegen der LINKEN, mit „Verzicht auf restriktive Ausschlussgründe“ meinen, haben Sie heute nur sehr allgemein erklärt, als es um die Mitwirkung ging. Das würde ich, bevor ich meine Meinung dazu abgebe, etwas genauer wissen wollen. Vielleicht besteht auch die Gelegenheit, im Innenausschuss darüber zu reden. Wir beantragen, die Vorlage in den Innenausschuss zu überweisen und uns von der Landesregierung nach der Innenministerkonferenz darüber berichten zu lassen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Kollege Erben. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt der Herr Kollege Herbst. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit verschiedenen Altfall- und Bleiberechtsregelungen haben Bund und Länder in den vergangen Jahren stets versucht, zu bestimmten Zeitpunkten langjährig Geduldeten unter engen Voraussetzungen einen legalen Aufenthalt zu ermöglichen. Eines dieser Mittel war die Aufenthaltserlaubnis auf Probe, welche zum Jahreswechsel ausläuft. Aber eine grundlegende Lösung des Problems fehlt weiterhin.
Deswegen müssen sich Bund und Länder um eine Reform des Bleiberechts, insbesondere des Aufenthaltsgesetzes bemühen. Wir fordern deswegen die Landesregierung ebenso auf, lange in Deutschland und hier in Sachsen-Anhalt lebenden Menschen eine Perspektive zu geben. Vielleicht muss dann auch der Ministerpräsident nicht mehr so oft in andere Städte fahren, um seine Stammtische abzuhalten, wenn er Menschen dazu bewegen will, ihren Lebensmittelpunkt hier in SachsenAnhalt zu wählen.
Ende Juni 2011 lebten 87 000 geduldete Menschen in Deutschland, davon mehr als 51 000 bereits länger als sechs Jahre lang. Machen Sie sich einmal bewusst: Duldung ist noch keine Aufenthaltserlaubnis, sondern gerade mal die Aussetzung der drohenden Abschiebung.
Menschen, die länger als sechs Jahre in unserem Land leben, haben sich in der Regel in Deutschland integriert. Das gilt erst recht für die hier geborenen und aufgewachsenen Kinder und Jugendliche. Für sie ist Deutschland bereits ihr Zuhause. Doch selbst nach jahrelangem Aufenthalt droht ihnen die Abschiebung, und zwar häufig in ein Land, das ihnen völlig fremd ist.
Was wir integrationspolitisch für wünschenswert halten, ist andererseits auch an eine gesicherte Lebensperspektive gebunden. Für die Integration, das Erlernen der deutschen Sprache, die Auseinandersetzung mit unserer Kultur und ihren Werten wirkt sie immens befördernd.
Die Aufenthaltserlaubnis auf Probe, welche ca. 38 000 Menschen betrifft, ist an die Bedingungen einer eigenständigen Lebensunterhaltssicherung gebunden; das wurde heute hier schon ausgeführt. An ihr scheitern viele Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Gefordert wird nicht nur ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis, sondern auch ein regelmäßiges Arbeitseinkommen in Höhe des ALG II zuzüglich zusätzlicher Freibeträge. Obwohl fast 1,4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland aufstockende Hartz-IV-Leistungen erhalten, wird die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von der vollständigen Lebensunterhaltssicherung abhängig gemacht. Dies sind völlig überzogene und unrealistische Anforderungen. Ernsthafte Bemühungen, den Lebensunterhalt überwiegend zu sichern, sind unserer Meinung nach ausreichend - ernsthafte Bemühungen, dies zu tun!
Wie erwähnt, haben weder die Aufenthaltserlaubnis auf Probe noch die im Jahr 2007 in das Aufenthaltsgesetz aufgenommene stichtagsgebundene Bleiberegelung die weithin kritisierte Praxis der Kettenduldungen wirksam beenden können. Defizite der bisherigen Bleiberechtsregelungen sind ebenso die strikten Ausschlusskriterien und völlig willkürlich festgesetzte Stichtage. Stichtagsregelungen führen immer wieder zu neuen humanitären Härtefällen.
In der Tat, Herr Stahlknecht: An solchen Härtefällen haben wir gerade in der Vergangenheit gearbeitet, und es ist auch gut, dass das pragmatisch und zielorientiert funktioniert. Nur, eine dauerhafte Regelung ist es eben nicht für Gruppen wie die Roma beispielsweise, um die es da ging, die oft in ihren Herkunftsländern zu dauerhaft benachteiligten ethnischen Minderheiten - in dem konkreten Fall ging es um das Kosovo - gehören. Für sie brauchen wir Perspektiven. Daher ist eine dauerhafte, gleitende Bleiberechtsregelung ohne festen Stichtag notwendig, die auch auf zukünftige Fälle Anwendung finden kann.
Die bisherigen Regelungen berücksichtigen zudem humanitäre Härtefälle nicht ausreichend. Denn gerade alte und kranke Menschen, die auf dem Ar
beitsmarkt keine Chance haben, sowie kinderreiche Familien werden von der Bleiberechtsregelung ausgeschlossen. Nur eine großzügige Bleiberechtsregelung, die auch diesen Grundsätzen genügt, ist auf Dauer geeignet, das Problem der Kettenduldungen zu lösen und den betroffenen Menschen eine gesicherte Lebensperspektive zu eröffnen.
Die im Antrag der LINKEN dargestellte auslaufende Regelung einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe wurde schon einmal durch Beschluss der IMK verlängert; dies geschah im Dezember 2009. Herr Innenminister, ich fordere Sie auf, mindestens so zu handeln, wie es Ihre Kollegen damals getan haben, und dieses Instrument zu verlängern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit dem Appell schließen, dem Antrag hier im Plenum bereits zuzustimmen. Setzen Sie sich für eine grundlegende Reform des Bleiberechts ein, damit die Erkenntnis, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, auch gesetzgeberisch endlich ihren Niederschlag findet. Wir brauchen diese Menschen hier in Deutschland und gerade auch in Sachsen-Anhalt, weil sie hier arbeiten können und wollen und weil sie unsere Gesellschaft bereichern. - Vielen Dank.