Protocol of the Session on October 7, 2011

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Denn gerade in Zeiten der Konsolidierung ist es doch die Anforderung an die Politik, dass Sie klar sagen, was Sie gestalten wollen, was Ihre Vision von Sachsen-Anhalt in den nächsten 10, 20 Jahren ist, und dass Sie dann eben über die Ressortgrenzen hinweg schauen, wie Sie das auf den Weg bringen können.

Warum das so wichtig ist, haben Sie, Herr Bullerjahn, heute Morgen schon gesagt, nämlich weil wir heute die Weichen stellen, nicht nur für die nächsten zwei Jahre, sondern für die Jahre bis 2020 und darüber hinaus.

Wenn ich nun schaue, was Sie hier an Visionen präsentiert haben, dann muss ich Ihnen sagen: Das finde ich unambitioniert und visionslos. Das schließt nahtlos an die Landesregierung unter Böhmer an. Das ist für mich Verwalten statt Gestalten.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Wir haben beim Ansatzpunkt eine Einigkeit. Sie sagen auch, Bildung ist wichtig. Ich glaube, das weiß jeder hier im Haus. Wenn Sie einen Volkswirt fragen, wird er Ihnen immer sagen: Die beste volkswirtschaftliche Rendite bekommt man, wenn man in Bildung investiert.

Wir sagen Ihnen: Wenn Sie in Bildung investieren, investieren Sie in Demokratie und soziale Gerech

tigkeit. - Also: Bildungsinvestitionen sind Zukunftsinvestitionen.

Wir haben heute schon an mehreren Stellen gehört, dass Bildung in der Kita anfängt. Sehen wir uns den Kita-Bereich an. Hierbei geht es zum einen um den Ganztagsanspruch und zum anderen um die Qualitätsprobleme in den Kitas.

Seit ich in diesem Land politische Verantwortung trage - dies ist seit 2008 der Fall -, mahne ich nicht nur an, dass wir zum Ganztagsanspruch für alle Kinder in den Kitas zurückkommen müssen - dafür haben wir uns damals, in Zeiten der Volksbefragung, sehr stark eingesetzt -, sondern auch, dass es ein Qualitätsproblem gibt, das wir am Personalschlüssel festmachen können. Dabei geht es um die Gruppengrößen, um die Vorbereitungszeiten und um den Mehrbedarf für die Kinder mit Förderbedarf.

Ich sage Ihnen: Diesbezüglich ist Ihr Haushaltsplanentwurf unambitioniert. Mit den Summen, die Sie eingestellt haben, kommen Sie weder im Hinblick auf den Ganztagsanspruch noch im Hinblick auf die Lösung der Qualitätsprobleme weiter.

Ich habe Ihnen sehr genau zugehört, um in Erfahrung zu bringen, ob Sie eine Vision entwickelt haben, wie wir dahin kommen können, also was die Schritte sind. Denn wenn wir uns an internationalen Standards orientieren - diesbezüglich will ich einmal eine Prognose wagen -, werden wir wahrscheinlich irgendwann bei dreistelligen Millionensummen landen. Natürlich haben wir die jetzt und auch morgen nicht.

(Minister Herr Bullerjahn: Wir haben schon dreistellige Millionensummen!)

- Nicht für die Kitas.

(Herr Borgwardt, CDU: Natürlich! - Minister Herr Bullerjahn: Natürlich für die Kitas! - Un- ruhe)

- Nicht für den Zuwachs in den Kitas. Wir brauchen - -

(Zuruf von Minister Herrn Bullerjahn - Un- ruhe)

- Ja, eben. Das ist doch das Problem.

Deswegen möchte ich gern eine Vision haben: Was können wir uns leisten? Was können wir uns nicht leisten? Was leisten wir uns in den nächsten zwei, fünf, zehn Jahren?

Diese Vision sind Sie uns heute und in diesem Haushaltsplan schuldig geblieben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Lassen Sie mich zu meinem nächsten Punkt kommen. Wenn wir über Bildung und die Verbesserung von Bildung als zentrale Zukunftsvision reden und

in Ihren Koalitionsvertrag schauen, dann sehen wir dort die richtige Aussage, dass wir einen Ausbau der Ganztagsschulen brauchen.

Wir wissen, wie Ganztagsschulen funktionieren. Es gibt im Land schon Ganztagsschulen. Also könnten wir morgen anfangen, ein Programm aufzulegen, um unsere Ganztagsschulen im Land auszubauen.

Auch das sehe ich in Ihrem Haushaltsplanentwurf nicht berücksichtigt. Ich sehe auch keine Vision, wie wir schrittweise zum Ausbau von Ganztagsschulen kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gestatten Sie mir einen dritten Punkt zu nennen, den ich in Ihrem Haushaltsplanentwurf vermisse und der für mich zu einer zentralen Vision für unser Land und die Stärkung unseres Landes gehört.

Wir alle haben uns unter dem Eindruck der letzten Landtagswahlen, bei denen die NPD 4,6 % der Stimmen bekommen hat, im Parlament für ein Landesprogramm für Demokratie stark gemacht, ein Programm, das die Demokratie stärken und das Land in seiner Abwehr gegen neonazistische Umtriebe wachsam machen soll.

Wir haben erst gestern im Zusammenhang mit den Vorgängen in Insel darüber debattiert, wie schnell sich die Rechten hier im Land Probleme zu eigen machen, um für ihre menschenverachtenden Ideologien zu werben. Wir stehen heute eine Woche vor dem Bundesparteitag der NPD, der vermutlich in Dessau stattfinden wird.

Die Stärkung der Demokratie und der Wachsamkeit gegenüber Rechtsradikalen hier im Land kostet Geld. Das kostet viel Geld. Auch das finde ich in Ihrem Haushaltsplanentwurf nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Natürlich haben wir dafür Geld drin! - Herr Borgwardt, CDU: Schauen Sie sich das doch einmal an! - Unruhe)

- Ja, minimal. - Auch die zweite Säule wurde heute schon mehrfach erwähnt. Ich will mich an dieser Stelle kurz fassen. Das ist natürlich die Baustelle der Kommunalfinanzen. Das ist der Posten, dessen Höhe nach dem Haushaltsplanentwurf gesunken ist.

Ich möchte wiederholen: Natürlich müssen die Kommunen auskömmlich finanziert werden, weil die Kommunen die Politik vor Ort gestalten. Die Kommunen sind die Träger von Kitas, von Schulen; sie entscheiden, ob Theater schließen oder Parks verwahrlosen.

Diesbezüglich muss ich mich aber auch über Ihre Ausführungen, Herr Gallert, wundern. Wenn wir im Landtag beschließen würden, dass wir die Qualität in den Kitas verbessern und den Personalschlüssel ändern, dann können wir die Last natürlich

nicht den Kommunen und ihren Haushalten auferlegen, sondern dann müssen wir - an dieser Stelle fühlen wir Grünen uns der Konnexität verpflichtet - den Kommunen auch mehr Geld geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch in diesem Sinne finde ich Ihren Haushalt unambitioniert und visionslos.

Kreativ finde ich Sie allerdings, wenn es darum geht, das Parlament in Haushaltsfragen zu entmachten. Sie haben sich heute Morgen wieder hier hingestellt und haben gesagt: Das ist nicht der Fall. Das Parlament kann doch über den Haushalt entscheiden.

(Frau Niestädt, SPD: Ja!)

Wenn ich Ihr Haushaltsgesetz lese, dann habe ich davon einen ganz anderen Eindruck.

Erstens. In § 7 des Entwurfs eines Gesetzes über die die Feststellung des Haushaltsplans ist geregelt, dass die Ausgaben der Hauptgruppe 5 - sächliche Verwaltungsaufgaben und Ausgaben für den Schuldendienst - und die Ausgaben der Hauptgruppe 6 - Zuweisungen und Zuschüsse - übertragbar sind.

Das heißt, wir leisten uns mehr Forschungsförderung, wenn wir weniger Klopapier kaufen - oder umgekehrt. Ich sage Ihnen: Ich glaube, dass das gegen § 19 der Landeshaushaltsordnung verstößt, und bin gespannt, was der Landesrechnungshof dazu sagt.

Beispielsweise der Sächsische Landesrechnungshof hat sich - weil Sachsen heute so oft erwähnt wurde, erwähne ich Sachsen an dieser Stelle auch einmal - im Zusammenhang mit dem sächsischen Haushaltsplan kritisch zu der Übertragbarkeit solcher Mittel geäußert.

Zweitens. In § 9 des Entwurfes eines Haushaltsgesetzes sind sehr weitreichende Regelungen zur gegenseitigen Deckungsfähigkeit nahezu aller wichtigen Posten innerhalb eines Einzelplans vorgesehen. Das ist doch ein Ermächtigungsgesetz für die Minister und Ministerinnen, die letztlich allein - eben ohne das Parlament - darüber entscheiden, welche politischen Ziele verfolgt werden und welche hinten runterfallen.

Die dritte Säule dieses Webmusters ist der § 18, in dem Sie die Umschichtung der Mittel zwischen den operationellen Programmen EFRE und ESF fordern, wenn die Gefahr eines mangelnden Mittelabflusses besteht.

Wir haben in diesem Parlament bereits mehrfach über die Gefahr eines mangelnden Mittelabflusses gesprochen. Unser Eindruck ist, dass diese Gefahr - gelinde gesagt - schlecht definiert ist; denn der mangelnde Mittelabfluss ist in sehr vielen Fällen darauf zurückzuführen, dass die Programme schlecht umgesetzt werden.

Etwa bei den EFRE-Mitteln für Programme zu Klimaschutz und regenerativen Energien sind bisher überhaupt keine Mittel bewilligt worden. Das heißt doch nicht, dass wir keine Investitionen in KraftWärme-Kopplung oder in sauberen ÖPNV brauchen, sondern das heißt, dass diese Programme schlecht verwaltet werden.

Oder wenn die ESF-Mittel zur Vermeidung von Schulversagen im Sozialministerium immerhin schon zu einem Viertel bewilligt wurden und im Kultusministerium noch gar nicht, dann heißt das doch auch nicht, dass wir die Mittel nicht brauchen, um etwas gegen Schulversagen zu tun.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Also, das, was Sie da wollen, ist ein Persilschein für Ihr Haus, dass Sie das allein entscheiden. Dazu sage ich Ihnen: Das geht so nicht. Bei der Umschichtung solcher Mittel muss doch mindestens der für den Haushalt zuständige Ausschuss beteiligt werden.

Das ist das Webmuster Ihres Haushalts: Sie wollen das Parlament entmündigen und Persilscheine für die Minister und Ministerinnen haben.