Protocol of the Session on January 29, 2016

Bericht über die Kontrolltätigkeit der Parlamentarischen Kontrollkommission am Ende der Wahlperiode gemäß § 27 Abs. 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) - Berichtszeitraum April 2011 bis Dezember 2015

Unterrichtung Parlamentarische Kontrollkommission - Drs. 6/4687

Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen vor. Es gab am 21. Januar 2016 von den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Verlangen, in diesem Hohen Hause darüber zu diskutieren. Diesem Verlangen wollen wir nachkommen.

Ich erteile jetzt dem Vorsitzenden der Parlamentarischen Kontrollkommission Herrn Bommersbach das Wort. Bitte schön.

Herr Bommersbach, Berichterstatter der Parlamentarischen Kontrollkommission:

Sehr geehrte Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Parlamentarische Kontrollkommission hat gemäß § 27 Abs. 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land SachsenAnhalt am Ende der Wahlperiode einen Bericht vorzulegen. Dieser Bericht für den Zeitraum von April 2011 bis Dezember 2015 liegt Ihnen in der Drs. 6/4687 vor.

Aus der Parlamentarischen Kontrollkommission heraus war der Wunsch geäußert worden, diesen Bericht im Plenum zu behandeln. Diesem Wunsch wird mit dieser Beratung gefolgt, wobei stets zu bedenken ist, dass die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission geheim sind.

Zu Beginn der Wahlperiode hat der Landtag mit dem Gesetz zur Änderung der Zusammensetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission und der G10-Kommission nach § 25 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land SachsenAnhalt die gesetzliche Grundlage geändert. Seither hat neben anderen Anpassungen die Parlamentarische Kontrollkommission fünf Mitglieder.

Zugleich hat der Landtag den Beschluss in der Drs. 6/684 gefasst, wonach er einer effektiven Kontrolle des Verfassungsschutzes durch die Parlamentarische Kontrollkommission hohe Bedeutung beimisst. Dieser Anspruch spiegelt sich selbstredend in der Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission wider. Dies lässt sich dem vorgelegten Bericht am Ende der Wahlperiode leicht entnehmen.

So heißt es in der Geschäftsordnung der Parlamentarischen Kontrollkommission, diese trete mindestens vierteljährlich zusammen. Für den Berichtszeitraum hätte dies wohl bedeutet, 18 Sitzungen durchzuführen. Dem Bericht lässt sich aber

entnehmen, dass es insgesamt 36 waren. Es waren folglich doppelt so viele Sitzungen, wie geschäftsordnungsrechtlich mindestens vorgesehen waren.

Allein an der Zahl der Sitzungen lässt sich ablesen, in welcher Rolle sich die Parlamentarische Kontrollkommission von ihrem Selbstverständnis her und vor dem Hintergrund des erwähnten Beschlusses des Landtages sieht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gemäß § 27 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt hat die Landesregierung die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten.

Diese Unterrichtung erfolgte stets durch den für Verfassungsschutz zuständigen Minister und/oder den für Verfassungsschutz zuständigen Staatssekretär sowie den für Verfassungsschutz zuständigen Abteilungsleiter.

Schwerpunkte der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission waren im Rahmen der allgemeinen Tätigkeit in fast allen Sitzungen Ausführungen zur Entwicklung des politischen Extremismus in Sachsen-Anhalt. Zudem wurden überregionale Veranstaltungen unter Beteiligung von Extremisten aus Sachsen-Anhalt dargestellt.

Den Schwerpunkt der Berichterstattung bildeten die Themenbereiche Rechts- und Linksextremismus, gefolgt von Darstellungen zu sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen von Ausländern. Darüber hinaus wurde die PKK über Erkenntnisse der Spionageabwehr und des Wirtschaftsschutzes, die Betätigung der Scientology Organisation sowie über die Bearbeitung von Sicherheitsüberprüfungen unterrichtet.

Ein Vorgang von besonderer Bedeutung in der Tätigkeit der Parlamentarischen Kontrollkommission war zweifelsohne die Unterrichtung über und die Befassung mit der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“, kurz NSU. Sie alle kennen die Dinge, die damit im Zusammenhang stehen.

Bei diesen beiden Schwerpunkten der allgemeinen Tätigkeit und eines Vorgangs der besonderen Bedeutung möchte ich es an dieser Stelle mit meiner Berichterstattung bewenden lassen. Weitere Aspekte der Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission können Sie selbstverständlich dem vorliegenden Bericht entnehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der bereits erwähnte Beschluss des Landtages formuliert den Willen des Gesetzgebers, eine Bestimmung in die Geschäftsordnung des Landtages aufzunehmen, wonach die Parlamentarische Kontrollkommission als parlamentarisches Gremium im Sinne der Geschäftsordnung einzurichten war. Dies um

fasste eine organisatorische und räumliche Anbindung der Geschäftsstelle der Parlamentarischen Kontrollkommission einschließlich der Protokollführung an den Landtag. Beides ist in dieser Legislaturperiode erfolgt.

Aus der Sicht der Parlamentarischen Kontrollkommission hat sich die Anbindung an den Landtag - auch das lässt sich dem vorliegenden Bericht entnehmen - bewährt. Die Parlamentarische Kontrollkommission empfiehlt deshalb, dies beizubehalten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Bericht ist das eine oder andere nicht zu entnehmen. Trotzdem werde ich kein Geheimnis verraten, wenn ich darauf hinweise, dass bei der Tätigkeit der Parlamentarischen Kontrollkommission offenbar wurde, dass es zumindest einer Überlegung wert ist, einige Aspekte der einschlägigen Gesetze in Bezug auf die Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission anzupassen.

Insoweit wird auch die Parlamentarische Kontrollkommission der siebenten Wahlperiode über die Kontrolltätigkeit hinaus die eine oder andere Anregung aus unserer Tätigkeit aufnehmen müssen und entsprechende Veränderungen herbeiführen.

Die Parlamentarische Kontrollkommission geht davon aus, dass sie von der Landesregierung umfassend und in vertrauensvoller Weise unterrichtet wurde. Dies gilt auch für die Informationen durch den Abteilungsleiter Verfassungsschutz selbst.

Im Namen der Parlamentarischen Kontrollkommission und auch persönlich danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörde für die geleistete Arbeit.

Als Vorsitzender möchte ich den Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission für ihre Arbeit und insbesondere für die gelegentlich strittige, aber immer kollegiale und konstruktive Zusammenarbeit danken, die eine effektive Kontrolle des Verfassungsschutzes zum Ziel hatte und - diese Anmerkung sei mir erlaubt - auch erreicht hat. - Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Herzlichen Dank dem Berichterstatter. - Die Landesregierung hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Dann kommen wir zur Debatte. Als erster Debattenrednerin erteile ich für die Fraktion DIE LINKE das Wort der Abgeordneten Frau Tiedge. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine Angst, ich bin nicht in der PKK - be

vor es hier zu Irritationen kommt -; ich verlese nur den Redebeitrag von Frau von Angern, die heute leider nicht mehr dabei sein kann.

Es ist sicherlich nicht untertrieben, wenn ich feststelle, dass eine bewegte Wahlperiode hinter der Arbeit der PKK, aber insbesondere hinter der Abteilung 4 des Ministeriums für Inneres und Sport liegt. Einige Besonderheiten und auch Neuerungen sind dem vorliegenden Bericht zu entnehmen, der nicht nur in seiner Aussagekraft eine inhaltliche Erweiterung vollzogen hat.

Doch erlauben Sie mir, aus parlamentarischer Sicht - und dabei natürlich vor allem aus der Sicht einer Oppositionspolitikerin - die Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission und die Arbeit des Verfassungsschutzes einzuordnen.

Zunächst: Es war gut und richtig, dass sich der Landtag der sechsten Wahlperiode zu Beginn der Tätigkeit der Kommission dafür ausgesprochen hat, dass die Kommission nicht mehr durch die zu kontrollierende Behörde, sondern durch die Landtagsverwaltung verwaltet wird. Ich kann sagen, dass nicht nur die veränderte Qualität der Protokolle die Arbeitsfähigkeit der Kommission um einiges verbessert hat. Auch die Tatsache, dass der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst bzw. der Datenschutzbeauftragte hinzugezogen werden konnten, war sehr hilfreich.

Mein Dank gilt daher all diesen Mitarbeiterinnen und im Besonderen dem Leiter des Referats „Plenar- und Ausschussdienst, Petitionen, Drucksachen und Dokumentation“ der Landtagsverwaltung, der die Kommission für den Landtag maßgeblich begleitet hat.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Doch trotz aller Verbesserungen der Rahmenbedingungen ändert sich nichts an unserer grundsätzlichen Auffassung, dass sich Geheimdienste nicht - auch nicht durch Parlamente - mit erweiterten Rechten kontrollieren lassen und dass darin eine Gefahr für die Demokratie besteht, die an sich auch der Verfassungsschutz selbst verteidigen soll - ein Widerspruch, der sich unserer Auffassung nach nur mit der Abschaffung des Dienstes tatsächlich auflösen lässt.

Sie können dem Bericht entnehmen, dass die Kommission ihren gesetzlichen Auftrag sehr ernst genommen hat. Naturgemäß ist die Kontrolltätigkeit zwischen Mitgliedern der Opposition und Mitgliedern der koalitionstragenden Fraktionen etwas unterschiedlich aufgeteilt und die Kommission wird auch eher selten öffentlich wirksam. Dennoch kann eingeschätzt werden, dass es regelmäßig gelang, die Öffentlichkeit herzustellen, wenn Öffentlichkeit dringend erforderlich war. Es gelang meist auch, innerhalb der Mitglieder der Kommission einen

Konsens hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit herzustellen.

Dabei ist vor allem im Hinblick auf die Vorgänge zum NSU deutlich geworden, dass die Behörden und Sicherheitsorgane in Bund und Ländern die Gefahr von Rechts über Jahrzehnte sträflich unterschätzt haben.

Die Beobachtung der extremen Rechten darf nicht allein der eingeschränkten Sichtweise des Verfassungsschutzes überlassen werden. Es bedarf einer unabhängigen Beobachtungsstelle Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus.

Die Nazimordserie ist der erschreckende Höhepunkt einer Bedrohung durch Nazis, die seit 1990 mehr als 150 Tote gekostet hat. Dieser tödliche Rassismus muss mit in den Blick genommen werden, gerade angesichts der aktuellen Entwicklungen in Deutschland und Europa.

Sie konnten dem Bericht entnehmen, dass daher der NSU auch in Sachsen-Anhalt thematisiert wurde; der Vorsitzende der PKK ging darauf ein. Das ist auch gut und richtig so. Noch wichtiger war bzw. ist, dass dies auch im eigentlich dafür zuständigen Ausschuss, dem Innenausschuss, und teilweise auch im Verfassungsausschuss Thema war.

So war es tatsächlich für unser Hohes Haus ein bisher einmaliger Vorgang, dass sowohl Mitglieder der PKK als auch des Innenausschusses Einblick in sämtliche Lageberichte aus der Vergangenheit bekamen. Der Einstieg in mehr Transparenz und Aufklärung war gut und richtig. Nur sind wir diese Schritte bisher nicht weitergegangen.

Noch immer sind viele Fragen, auch den MontagBericht betreffend, offen. Noch immer kann niemand in diesem Haus einschätzen, ob das, was wir in der PKK oder im Innenausschuss erfahren, tatsächlich das ist, was auch das Wissen im Verfassungsschutz ist.

Eines steht auf jeden Fall fest: All das, was seitens des Bundesamtes für Verfassungsschutz an Aktivitäten in Sachsen-Anhalt realisiert wird, entzieht sich unserer Kenntnis. Das ist aus meiner Sicht nicht ganz unerheblich und stellt eine Kontrolllücke dar.

Ein ganz klar kritisches und nicht zu unterschätzendes Moment ist die Beratung zum Haushalt des Verfassungsschutzes bzw. zum Stellenplan. Da diese weder im Innenausschuss noch im Finanzausschuss erfolgt, hat sie zwingend in der PKK zu erfolgen.

Im Sinne der Transparenz sollte der Landtag der nächsten Wahlperiode diesbezüglich zu einem neuen Verfahren kommen. Es spricht meines Erachtens nichts dagegen, auch im Innen- und im Finanzausschuss zu wissen, welche Stellen wofür

in der Abteilung 4 existieren und wofür Geld ausgegeben wird. - So weit erst einmal. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis würde ich gern einige persönliche Worte sagen.

Bitte, Frau Tiedge.