Protocol of the Session on January 29, 2016

Werte Kolleginnen und Kollegen! Noch bevor uns das Argument hier um die Ohren gehauen wird, sage ich: Nein, höhere Sozialabgaben sind nicht der Untergang des Abendlandes, auch nicht der Untergang des Unternehmertums in unserem Land.

(Zuruf von Frau Weiß, CDU)

Unternehmerische Erfolge haben sich noch nie durch niedrige Löhne und möglichst geringe Sozialversicherungsbeiträge eingestellt, sondern stets durch gute, innovative Produkte und hochwertige Dienstleistungen. Diese Wertschöpfung wird von den Beschäftigten erbracht und getragen. Und genau deshalb ist es nur gerecht, dass sich die Arbeitgeber mindestens hälftig an der Finanzierung der Krankenversicherung ihrer Beschäftigten beteiligen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Zustimmung bei der SPD)

Die Gesundheit der Belegschaft liegt im ureigenen Interesse der Unternehmerinnen und Unternehmer. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass in jüngster Vergangenheit immer mehr erfolgreiche und innovative Unternehmen durch freiwillige Investitionen im Hinblick auf einen betrieblichen Gesundheitsschutz besonders positive und deutliche Zeichen setzen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung darf nicht auf die lange Bank geschoben werden, also auch nicht auf einen etwaigen Regierungswechsel im Bund vertagt werden; denn jeder weitere Monat kostet die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Geld. Genau genommen war die Abkehr von der Parität nichts anderes als eine staatlich verordnete Lohnkürzung.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch Lohnnebenkosten sind Lohnkosten. Wer die Lohnnebenkosten senkt, der senkt den Lohn. Wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Teile des Beitrags des Arbeitgebers mitfinanzieren müssen, dann ist das eine direkte Lohnsenkung.

Das ist einerseits sozialpolitisch hoch problematisch und sogar wirtschaftspolitisch unvernünftig; denn geboten sind derzeit kräftige Lohnsteigerungen zur Belebung der Binnennachfrage. Das könnten wir im Land Sachsen-Anhalt besonders gut gebrauchen.

Ich bitte um Zustimmung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Zoschke. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Bischoff. Bitte sehr, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man könnte fast sagen: Dass ich das noch erleben kann, dass Frau Zoschke nicht nur die SPD-Fraktion lobt - das macht sie schon manchmal -, sondern gleichzeitig auch noch die CDU-Fraktion oder wichtige Teile der CDU. Im öffentlichen Raum habe ich es noch nicht so vernommen. Deshalb muss ich jetzt auf den Inhalt nicht besonders eingehen, weil Sie ihn gut beschrieben haben.

Nur zwei Anmerkungen: Im Jahr 2005 wurde diese Trennung vollzogen, sodass Zusatzbeiträge nur durch die Arbeitnehmer zu tragen sind. Das geschah damals mit dem Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Ob das am Ende wirklich dazu beitragen hat, lässt nicht mehr nachweisen.

Zumindest in der heutigen Zeit, in der sich die Konjunktur stark von der des Jahres 2005 unterscheidet, ist die Diskussion über die Frage, ob die paritätische Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge nicht doch wichtig und gerechtfertigt ist, neu entbrannt. Dieses Thema ist auch deshalb aktuell, da sich Arbeitgeber immer weniger Gedanken über die Ausgaben der Sozialversicherung machen. Es interessiert sie nicht mehr, weil sie wissen, dass ihr Beitrag eingefroren ist. Daher tut es dem Arbeitgeber auch nicht mehr weh.

Deshalb begrüßen wir die Initiative der Länder Rheinland-Pfalz, Hamburg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Thüringen. Dieses Thema stand heute auf der Tagesordnung des Bundesrates und hätte auch eine Mehrheit gefunden,

(Beifall bei der LINKEN)

wenn die Gesundheitsministerin in Baden-Württemberg ihren Ministerpräsidenten dazu gebracht hätte.

Das wurde noch bis Mittwoch versucht und man hat telefoniert. Aber es ist nicht gelungen. Das ist schade. Somit ist der Antrag jetzt in die Ausschüsse überwiesen worden. Sie wissen: Im Ausschuss gilt sowieso Ressortfreiheit. Ich werde im Gesundheitsausschuss natürlich dem Antrag zur paritätischen Finanzierung der Beiträge zustimmen.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Kollege Rotter. Bitte, Herr Abgeordneter.

(Herr Lange, DIE LINKE: Jetzt kommt die CDA!)

Ja. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lange, ich freue mich natürlich, wenn Sie schon zu Beginn meines Redebeitrages ankündigen, dass Sie mir gut zuhören werden.

(Frau Zoschke, DIE LINKE: Immer!)

Ich hoffe, Sie halten das durch und verstehen dann auch, was ich Ihnen sagen wollte.

(Heiterkeit bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE soll der Landtag die Landesregierung auffordern, der Bundesratsinitiative zur Wiederherstellung einer vollständig paritätischen Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge zuzustimmen, die von den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Hamburg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen,

Schleswig-Holstein und Thüringen für die heutige Sitzung des Bundesrates angekündigt wurde.

Ich gehe davon aus, dass wir uns in einem Punkt sicherlich einig sind - ich glaube, Herr Lange, in diesem Punkt können sogar Sie mir zustimmen -: Das Krankenversicherungssystem ist eine elementare Säule des sozialen Sicherungssystems in unserem Land. Es gilt der Grundsatz, diese Säule zukunftsfest und finanzierbar zu erhalten.

Man kann zu Beginn eines Jahres, in dem der durchschnittliche Zusatzbeitrag um 0,2 Prozentpunkte angestiegen ist, grundsätzlich über das Finanzierungssystem diskutieren. Wir sollten dies mit Augenmaß und Sachlichkeit tun.

Innerhalb meiner Partei ist diese Diskussion schon seit einiger Zeit in Gange und noch lange nicht abgeschlossen. Besonders die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenkassenbeiträge durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer nimmt dabei durchaus einen breiten Raum ein. Hierbei kommt dann die CDA ins Spiel.

Es ist festzustellen, dass Befürworter und Gegner dieser Rückkehr zum Teil nachvollziehbare und gewichtige Argumente haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, hat sich im Jahr 2015 einiges bei der gesetzlichen Krankenversicherung geändert. Zum einen ist der Beitragssatz von 15,5 % auf 14,6 % gesunken; zum anderen entfällt der bislang von den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkasse bezahlte Zusatzbeitrag.

Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen derzeit jeweils 7,3 % vom Bruttoarbeitsentgelt. Während auf der einen Seite der Arbeitergeberanteil bei 7,3 % festgeschrieben wird, haben die gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeit, einkommensabhängige Zusatzbeiträge zu erheben.

An diesem Punkt setzt die Kritik auch in Teilen meiner Partei an. Die Schließung von zu erwartenden Finanzierungslücken bei den Krankenkassen soll allein von den Kassenmitgliedern in Form von Zusatzbeiträgen erfolgen.

Ziel dieser Zusatzbeiträge ist aber auch die Belebung des Wettbewerbs unter den Kassen. Das kann man nun nicht wirklich wegdiskutieren, hochverehrte Frau Zoschke. An diesem Punkt setzen die Befürworter der aktuellen Regelung an. Die Krankenkassen erhielten mit dem festgeschriebenen Arbeitgeberbeitrag und mit der Möglichkeit, über den Zusatzbeitrag zu reagieren, ihre Beitragsautonomie zurück. Sie haben die Möglichkeit, auf die Konstellation in ihrer gesetzlichen Krankenkasse zu reagieren. Das stärkt sie und das fördert den Wettbewerb.

(Herr Lange, DIE LINKE: Aber nur auf dem Rücken der Arbeitnehmer!)

- Ach, Herr Lange.

(Herr Lange, DIE LINKE: Na ja!)

- Für manche Leute ist Wettbewerb wirklich furchtbar. Das muss man einmal ganz ehrlich sagen.

Ein weiterer Aspekt ist, dass die Mitglieder selbst entscheiden können, welche Kasse sie für ihre persönliche Situation für richtig halten.

(Frau Görke, DIE LINKE: Nein, das können Sie nicht!)

- Selbstverständlich können sie das.

(Zuruf von Frau Görke, DIE LINKE)

Sie können das Preis-Leistungs-Verhältnis überprüfen und damit notfalls auch kontrollieren, ob die speziellen Satzungsleistungen oder zum Beispiel die Geschäftsstellendichte zu ihrer persönlichen Situation passen. Somit sind aus meiner Sicht auch die Rechte der Versicherten gestärkt.

(Herr Lange, DIE LINKE: Sie machen es sich aber sehr einfach! - Zuruf von Frau Görke, DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Argumentationsschiene ließe sich aus meiner Sicht beliebig fortführen. Aber wenn ich auf die Uhr am Pult schaue, dann sehe ich, dass mir die Zeit dazu fehlt. Außerdem erscheint mir das mit Blick auf die heute Vormittag gefallene Entscheidung im Bundesrat im Moment ohnehin müßig.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Der Antrag ist im Bundesrat zur federführenden Beratung in den Gesundheitsausschuss und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Finanzen und für Wirtschaft überwiesen worden. Sein Abstimmungsverhalten für den Sozialausschuss hat Minister Bischof bereits kundgetan.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus diesem Grund betrachte ich den Antrag der Fraktion DIE LINKE als erledigt. Er ist aus meiner Sicht abzulehnen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Frau Görke, DIE LINKE)