Meine Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 107. Sitzung des Landestages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Ich begrüße Sie recht herzlich.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir setzen nunmehr die Sitzungsperiode mit der Regierungserklärung fort.
Zu den Entschuldigungen der Landesregierung: Herr Ministerpräsident Haseloff wird, wie bereits gestern, heute ganztägig abwesend sein. Er ist im Bundesrat, ebenso Frau Ministerin Kolb-Janssen. Jens Bullerjahn hatte mir signalisiert, dass er heute ganztägig hier sein wird. - Das zu Ihrer Information.
Regierungserklärung des Ministers für Landwirtschaft und Umwelt Herrn Dr. Hermann Onko Aeikens zum Thema: „Nachhaltige Politik für eine liebens- und lebenswerte Heimat“
Daran schließt sich die Aussprache zur Regierungserklärung an. Herr Minister Dr. Aeikens, Sie haben das Wort. Bitte schön.
lautet ein Zitat des früheren Premierministers Benjamin Disraeli aus dem 19. Jahrhundert. Dieser Satz kann uns Mahnung und Anspruch zugleich sein. Wir sind diejenigen, die die Weichen für eine nachhaltige Entwicklung gestalten können und müssen, auch aus der Verpflichtung der Schöpfung gegenüber.
Wenn ich auf die 25 Jahre zurückblicke, die Sachsen-Anhalt nach der Wiedervereinigung besteht, stelle ich fest, dass sich alle Landesregierungen dieser Aufgabe verschrieben haben. Ich bin der festen Überzeugung, dass ein vernünftiger Ausgleich von ökologischen und ökonomischen Zielen das Fundament einer erfolgreichen Zukunft unseres Landes ist.
Schöpfung einen Grundkonsens gibt. Wir alle - ich glaube, ich darf das sagen - sind für Nachhaltigkeit. Aber schon der Philosoph Hegel sagte: „Die Wahrheit ist konkret.“ Daher müssen wir den Begriff „Nachhaltigkeit“ genau definieren.
Nachhaltigkeit darf kein Modewort sein, das als hübsches Etikett allen möglichen politischen Entscheidungen angeheftet wird. Nachhaltigkeit muss gelebt und mit Leben erfüllt werden. Seinen Ursprung hat der Begriff „Nachhaltigkeit“ in der Forstwirtschaft. Von Carlowitz, der in diesem Teil Deutschlands wirkte, hat ihn geprägt.
In Zeiten einer drohenden Ausbeutung der Wälder und knapper werdender Holzressourcen reifte in Deutschland bereits vor 300 Jahren die Erkenntnis, dass nur nachhaltiges Wirtschaften künftigen Generationen den gleichen Nutzen aus dem Wald sichern kann. Inzwischen ist Nachhaltigkeit weltweit zu einer richtungsweisenden Idee gesellschaftlicher Entwicklungen geworden.
In der politischen Praxis bedeutet Nachhaltigkeit - vereinfacht ausgedrückt -, so zu leben und so zu wirtschaften, dass unsere Kinder und Enkel vergleichbare Gestaltungsräume für ihr Leben haben, wie wir sie haben - Gestaltungsräume für eine ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogene Entwicklung. Das muss unser Ziel sein.
Die drei Säulen der Nachhaltigkeit sind als Einheit, als Ganzes zu betrachten. Ich freue mich, meine Damen und Herren, dass mittlerweile Umweltschutz für viele Menschen ein Herzensanliegen ist. Bürgerinnen und Bürger sind bereit, sich einzubringen und sich für die Bewahrung der Schöpfung zu engagieren. Vielen Dank allen, die sich zum Schutz der Umwelt einsetzen, insbesondere den ehrenamtlich Tätigen.
Wir wollen die Menschen mitnehmen. Die Landesverwaltung bietet mit dem Umweltinformationsnetz eine zentrale Plattform im Internet an. Bürgerinnen und Bürger können diese Umweltdaten selbstverständlich auch mobil abrufen. Das ist möglich durch die kostenlose App „Meine Umwelt“, die über Luftqualität, Umweltzonen, Hochwasserrisiken einzelner Orte und vieles andere informiert.
Manchmal ist allerdings das Interesse an Umweltschutz nicht aus Einsicht gewachsen, sondern die Folge immer wieder auftretender Katastrophen und besorgniserregender globaler Entwicklungen. Ich nenne den Klimawandel und die Erosion der Böden, insbesondere in der südlichen Hemisphäre.
Ich begrüße es deshalb sehr, dass Papst Franziskus mit seiner Enzyklika „Laudato si“ dem Umweltschutz ein globales Forum gegeben hat.
In den vergangenen Jahren gab es wohl kaum eine Publikation zum Thema Ökologie, die weltweit derart beachtet wurde. Seinen Text hat der Papst geschrieben, weil er weiß, dass Umweltfragen Schicksalsfragen der Menschheit sind. Der Papst hat zutreffend festgestellt: Der Mensch handelt verantwortungslos, wenn er um eines kurzfristigen Vorteils willen an der Schöpfung Raubbau betreibt.
Meine Damen und Herren! Belastete Gewässer und Böden sowie verschmutzte Luft sind Hinterlassenschaften, mit denen wir in Sachsen-Anhalt nach der Wiedervereinigung konfrontiert waren. Die einstige Rolle als Zentrum der chemischen Großindustrie in der DDR hat zu gravierenden Umweltbelastungen geführt, die nach der Wende ein großes Privatisierungs- und Investitionshemmnis darstellten. Die Sanierung und Wiedernutzbarmachung dieser belasteten Standorte war und ist ein wichtiges umwelt-, aber auch wirtschaftspolitisches Ziel Sachsen-Anhalts.
Seit dem Jahr 2000 steuert die Landesanstalt für Altlastenfreistellung die Finanzierung und Durchführung der einzelnen Projekte. Ein Schwerpunkt liegt in den sieben ökologischen Großprojekten. Die Standorte Bitterfeld-Wolfen, Buna, Leuna, Zeitz, Mansfelder Land, Magdeburg-Rothensee sowie die Erdgasfelder in der Altmark haben sich gewandelt: von teilweise hochgradig belasteten Arealen hin zu landschaftlich attraktiven und wirtschaftlich wettbewerbsfähigen Regionen. Das zeigt den Erfolg der Altlastensanierung in Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren.
Beispielhaft für diesen Wandel ist insbesondere die Region Bitterfeld-Wolfen. Einstmals die schmutzigste Stadt Europas genannt, ist die Region heute ein attraktives Tourismusziel mit jährlich einer halben Million Besuchern. Dabei muss sie ihre Wurzeln als eine der traditionsreichsten Chemiestandorte Deutschlands nicht verleugnen. Auch dank der Altlastensanierung konnten sich im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen bis heute 360 Unternehmen mit 11 000 Arbeitsplätzen ansiedeln. Ähnlich erfreulich ist die Entwicklung anderer Industrieparks.
Meine Damen und Herren! Die Wiedervereinigung hat unserer Umwelt gut getan. Unsere erfolgreiche soziale Marktwirtschaft ermöglicht es, in immensen Größenordnungen in die Sanierung und die Erhaltung unserer Umwelt zu investieren. Bis Ende 2015 wurden rund 1,3 Milliarden € in die Altlastensanierung und weitere 1,4 Milliarden € in die Sanierung der ehemaligen Braunkohleindustrie und des Braunkohlentagebaus investiert. Wirtschaftlich weniger erfolgreiche Regionen in Mittel- und Osteuropa - auch das müssen wir uns vor Augen führen - können Derartiges nicht leisten.
Wir ruhen uns aber nicht auf unseren Erfolgen aus. Die Altlastenthematik wird uns noch Jahrzehnte fordern, beschäftigen und Geld kosten.
Altlastensanierung bedeutet auch und vor allem Gewässerschutz. Wasser ist eine unserer Lebensgrundlagen. Gerade unsere Gewässer haben lange Zeit unter Umweltsünden gelitten. So verursachten früher vor allem Abwassereinleitungen aus Industrie und Kommunen eine erhebliche Verschmutzung des Wassers.
Seit 1990 hat sich viel getan. Heute reinigen öffentliche Kläranlagen das Abwasser von deutlich mehr als 90 % der Einwohner nach dem Stand der Technik. Zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung hatten nur etwa 55 % der Bevölkerung einen Anschluss an öffentliche Kläranlagen, häufig mit schwacher Reinigungsleistung. Die Erfolge bei der Abwasserbeseitigung zeigen sich in der erheblich verbesserten Qualität unserer Flüsse und Seen.
Besonderer Schutz kommt dem Grundwasser zu. Dies ist in Sachsen-Anhalt der maßgebliche Trinkwasserspender. Meine Damen und Herren! Wir haben die Verpflichtung, es so gut wie möglich zu schützen. Deshalb ist eine Reduzierung von Nähr- und Schadstoffeinträgen erforderlich. Dazu muss auch die Landwirtschaft einen Beitrag leisten. Eine Novelle der Düngevorschriften wird zurzeit von der Bundesregierung auf den Weg gebracht und von Sachsen-Anhalt nach Kräften unterstützt.
Meine Damen und Herren! Wir können mit Stolz feststellen, dass sich der Anschlussgrad an die öffentliche Wasserversorgung von 90 % im Jahr 1990 auf heute nahezu 100 % erhöht hat. Wo wir punktuelle Qualitätsprobleme haben, helfen wir und werden wir den Unternehmen der Trinkwasserversorgung auch in Zukunft helfen.
Seit dem Jahr 2000 stellt die Wasserrahmenrichtlinie einen wesentlichen Baustein des Gewässerschutzes in Europa dar. In der Folge setzte Sachsen-Anhalt ein ambitioniertes Gewässerschutzprogramm um. An vielen Gewässern ist nun die ökologische Durchgängigkeit wiederhergestellt.
Ehemals hoch belastete Ströme wie Elbe und Saale sind heute wieder Lebensraum für einst verschwundene Fischarten. Lachs, Stör und Groppe sind zurückgekehrt.
Dass intakte Gewässer und geschützte Landschaften auch ein wirtschaftlicher Motor für unser Land sein können, zeigt die Statistik 2015. So ist der Elberadweg, im Biosphärenreservat Mittlere Elbe gelegen, zum elften Mal in Folge mit großem Abstand zum beliebtesten deutschen Fernradweg gewählt worden.
Wir werden weiterhin Gewässerentwicklungsprogramme fortschreiben. Dies wird dazu beitragen, Sachsen-Anhalt noch attraktiver zu machen, den
Freizeitwert von Natur und Landschaft weiter zu erhöhen und das Wasser als wichtigste Lebensgrundlage für die nachfolgenden Generationen zu schützen.
Wasser ist aber nicht nur Lebensgrundlage, sondern als Hochwasser auch ein Element, das uns immer wieder vor Augen führt, dass wir die Natur niemals völlig bezwingen können. Uns allen ist das Hochwasser vom Juni 2013 in Erinnerung. Das waren schwere Zeiten für die Menschen vor Ort und herausfordernde Tage für die Verantwortlichen in den Katastrophenstäben und Behörden.
Mit großen Kraftanstrengungen, viel persönlichem Engagement und dem freiwilligen Einsatz zahlloser ehrenamtlicher Helfer aus ganz Deutschland konnten wesentliche Teile des Landes vor einer Flutung geschützt werden. Dafür sind wir dankbar.
Dennoch kam es zu Schäden in einer Größenordnung von Milliarden. Das Kabinett hat deshalb bereits im Juli 2013 beschlossen, das Personal des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft und das Personal der Genehmigungsbehörden deutlich zu verstärken. Damit wurden wichtige Voraussetzungen für die Schadensbeseitigung und eine zügige Verbesserung des Hochwasserschutzes geschaffen.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mehr als 112 Millionen € haben wir im Jahr 2015 in den Hochwasserschutz investiert. Das ist ein Rekordergebnis, meine Damen und Herren.
Die Landesregierung hat die Hochwasserschutzkonzeption nach den Erkenntnissen aus dem Hochwasserereignis 2013 aktualisiert, am 29. September 2015 beschlossen und dem Parlament übersandt. Sie ist das Fundament für den Hochwasserschutz in Sachsen-Anhalt. Darin werden ehrgeizige Ziele formuliert, die sich nur gemeinsam und ressortübergreifend als gesamtgesellschaftliche Aufgabe erreichen lassen.
Der finanzielle Gesamtbedarf bis 2020 beträgt mehr als 700 Millionen €. Bis dahin sollen unsere Deiche den DIN-Normen entsprechen. Das ist unser Ziel; das wollen wir erreichen, meine Damen und Herren.
Eine besondere Bedeutung für einen nachhaltigen Hochwasserschutz hat der Wasserrückhalt. In Sachsen-Anhalt wurden in einem ambitionieren Programm Flächen untersucht, die dafür genutzt werden können. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden zurzeit in der Fachabteilung meines Hauses ausgewertet. Wir werden sie im Februar der Öffentlichkeit vorstellen. Wir wollen und werden den Flüssen mehr Raum geben. Damit
Flankiert werden diese Maßnahmen durch das am 19. Dezember 2015 in Kraft getretene Hochwasserschutz-Beschleunigungsgesetz. Eine flexiblere Zusammenarbeit zwischen Feuer- und Wasserwehren, die grundhafte Entschädigungspflicht
beim Bau gesteuerter Flutungspolder, die Befreiung von förmlichen und lang andauernden Verwaltungsverfahren bei der Sanierung von Deichen auf der vorhandenen Trasse sowie die Nutzung der gemeindlichen Kanalisation für Maßnahmen gegen Vernässung und Hochwasser sind nur einige Bausteine, die uns den Hochwasserschutz zukünftig erleichtern. Mein Dank gilt dem Parlament für die Verabschiedung dieses für SachsenAnhalt so wichtigen Gesetzes.