Protocol of the Session on January 28, 2016

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die 106. Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt in der sechsten Wahlperiode. Ich gehe davon aus, dass es unsere vorletzte Sitzung ist. Morgen haben wir noch einen langen Tag.

(Unruhe)

- Ich bitte, den Schallpegel etwas zu dämpfen.

Ich möchte Sie alle ganz herzlich begrüßen. Ich stelle hiermit die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Meine Damen und Herren! Wir haben die große Freude, heute ein Geburtstagskind unter uns zu haben. Der Kollege Abgeordnete Herr Hans-Jörg Krause hat heute Geburtstag. Lieber Hans-Jörg Krause, herzlichen Glückwunsch vom Hohen Hause, alles Gute, Gottes Segen. Bleib so, wie du bist.

(Beifall im ganzen Haus)

Meine Damen und Herren! Ich komme zu Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Das ist dem Ältestenrat und darüber hinaus schon bekannt. Mit Schreiben vom 20. Januar 2016 bat die Landesregierung, für die 51. Sitzungsperiode folgende Mitglieder zu entschuldigen.

Ministerpräsident Herr Dr. Reiner Haseloff und Staatsminister Herr Robra entschuldigen sich heute ab 14 Uhr wegen der Teilnahme an der Sonderkonferenz der Regierungschefinnen und der Regierungschefs wegen der Flüchtlingsfrage bei der Bundeskanzlerin. Zusätzlich entschuldigt sich Minister Herr Bullerjahn in einer Mitteilung vom 27. Januar 2016 für die heutige Sitzung ab 11.30 Uhr aufgrund der Teilnahme an der Vorbesprechung im Bundesrat in Berlin.

Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff entschuldigt sich am Freitag ganztägig wegen der Teilnahme an der Bundesratssitzung. Minister Herr Bullerjahn entschuldigt sich für die morgige Sitzung bis 14 Uhr und Ministerin Frau Professor Dr. KolbJanssen entschuldigt sich ganztägig wegen der Teilnahme am Bundesrat. Meine Damen und Herren! Das waren die Entschuldigungen der Minister.

Ich komme damit zur Tagesordnung. Die Tagesordnung für die 51. Sitzungsperiode liegt Ihnen vor.

(Herr Erben, SPD, meldet sich zu Wort)

- Bitte schön, Herr Rüdiger Erben.

Ich beantrage in Abstimmung mit den parlamentarischen Geschäftsführern der anderen Fraktio

nen die Tagesordnungspunkte 21 - Polizei - und 12 - Landeswaldgesetz - zu tauschen.

Ich nehme an, es gibt Übereinstimmung. Dann wird das so gemacht. Herzlichen Dank.

Meine Damen und Herren! Mir ist mitgeteilt worden, dass bei Tagesordnungspunkt 2 die SPD in der Rednerreihenfolge mit der CDU getauscht hat.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Gibt es noch weitere Anmerkungen oder Zusätze? - Das sehe ich nicht. Dann ist das die Geschäftsgrundlage.

Zum zeitlichen Ablauf: Die morgige 107. Sitzung beginnt wie geplant um 9 Uhr. Da es morgen unsere letzte Sitzung ist - ich gehe einmal davon aus -, hatte ich eigentlich die Absicht, um 21.30 Uhr noch einen kleinen Empfang zu geben. Ich habe aber gesagt, dass wird man den Kolleginnen und Kollegen kaum zumuten wollen. Deshalb wollte ich - das hatten wir im Ältestenrat besprochen - in der Mittagspause, die wir vielleicht ein bisschen verlängern können, wenn wir die Behandlung der Petitionen vielleicht etwas kürzer fassen

(Heiterkeit)

- die aber ganz wichtig sind; ich bitte, das nicht falsch zu verstehen; ich halte das mit für den wichtigsten Ausschuss hier im Hause -, die Damen und Herren gern einladen, um eine kleine Abschiedsveranstaltung durchzuführen, insbesondere für diejenigen, die vom ersten Tag an dabei waren. Ich würde mich freuen. Wir haben Ihnen ein kleines Kärtchen auf den Tisch gelegt, mit dem wir Sie dazu einladen.

Wir haben uns im Ältestenrat darauf verständigt, dass die Kolleginnen und Kollegen, die nicht wieder kandidieren oder wie auch immer, außerhalb der Tagesordnung das Wort nehmen können. Es liegen mir auch schon Meldungen vor. Die Kollegen waren freundlicherweise bereit, dies in ihre Redebeiträge, wenn sie reden, mit einzuflechten. Sollte darüber hinaus noch jemand den Wunsch haben, morgen Abend eine Abschiedsrede zu halten, dann erinnere ich an unsere Geschäftsordnung: drei Minuten. Ich würde aber ein bisschen großzügiger sein. Ich bitte, mir das zu signalisieren, wie unser Geburtstagskind Herr Krause. Sie werden Ihren Abschied ja bei den Ringelschwänzen geben.

(Heiterkeit)

So. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das waren die Bemerkungen, die ich machen wollte. Dann steigen wir in die Tagesordnung ein und halten uns nicht lange bei der Vorrede auf.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Beratung

Rückwirkende Beitragserhebung wirkungsvoll beschränken

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/4731

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/4761

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Gerald Grünert. Herr Grünert, Sie haben das Wort. Anschließend spricht die Landesregierung und danach folgt die Fünfminutendebatte. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl die Koalitionsfraktionen fast eineinhalb Jahre brauchten, um den Grundsatzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013, 1 BvR 2457/08, in Form eines Gesetzentwurfes am 10. Dezember 2015 zu beschließen,

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Entschuldigung, wenn ich den Rechner unterbreche. Ich bitte, den Schallpegel etwas herunterzufahren. Das wäre auch dem Kollegen gegenüber fair, der jetzt seinen Vortrag hält.

wird diese Art der Untersetzung durch zwei weitere Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015, 1 BvR 2961/14, und 1 BvR 3051/14, maßgeblich zu hinterfragen sein.

Bei der Diskussion über die Verfassungswidrigkeit der Änderungen in Brandenburg spielten die gleichen Argumente, wie sie von den Befürwortern der Übergangsfrist in Sachsen-Anhalt benutzt wurden, eine bedeutende Rolle.

Alle Argumente, welche zur Rechtfertigung der Übergangsfrist für Sachsen-Anhalt vorgetragen wurden, hatten damals auch das Oberverwaltungsgericht und das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg zur Rechtfertigung der rückwirkenden Gesetzesänderung angeführt.

Das Bundesverfassungsgericht ist dem entschieden entgegengetreten. Es hat den Vertrauensschutz der Eigentümer auf die geltende Rechtslage vor der Gesetzesänderung höher bewertet als das Interesse des Staates bei der Einnahmeerzielung. Zitat:

„Das allgemeine Ziel der Umgestaltung des Abgabenrechts sowie fiskalische Gründe - nämlich das öffentliche Interesse an der Refinanzierung der öffentlichen Abwasser

beseitigungsanlage - rechtfertigen die rückwirkende Abgabenbelastung hier nicht. […] Dies gilt auch vor dem Hintergrund der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung, insbesondere den Schwierigkeiten beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung, bei der Gründung von Zweckverbänden, der erstmaligen Schaffung von wirksamem Satzungsrecht und der Lösung des Altanschließerproblems (vgl. Verfassungsgericht des Landes Bran- denburg, Beschluss vom 21. September 2012 - VfGBbg 46/11) “.

Diese verfassungsrechtlichen Überlegungen könnten nun dazu führen, dass das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt seinen Standpunkt überdenken muss und unter dem Eindruck der sich nun verfestigenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei seiner Abwägung zwischen den fiskalischen Interessen der Beitragserhebung und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes der Eigentümer zum Ergebnis kommt, dass die Übergangsfrist vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015 verfassungswidrig war.

(Beifall bei der LINKEN)

Werte Damen und Herren! In meiner Rede vom 10. Dezember 2014 bin ich detailliert auf die veränderten Grundlagen des Kommunalabgabenrechts eingegangen. Ich möchte daher nochmals hervorheben, dass mit der Verabschiedung des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt, also seit dem Jahr 1991, für die Erhebung von Gebühren und Beiträgen eine Satzung Voraussetzung war. Die Fälligkeit war klar geregelt in § 6 Abs. 6 des damaligen KAG. Die Vorschrift sagte Folgendes zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht aus: dass sie mit Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme, der Teilmaßnahme oder des Abschnitts entstehen würde. Von einer Satzung oder sogar einer wirksamen Satzung war bis zur Neuregelung des Kommunalabgabenrechts im Oktober 1997 nicht die Rede.

Durch das Erste und das Zweite Heilungsgesetz wurde der Grundsatz für leitungsgebundene Einrichtungen verändert. Dies führte dazu, dass eine Beitragserhebung mit dem Anschluss, spätestens jedoch mit dem erstmaligen Erlass einer rechtskräftigen Satzung möglich war. Das war eine Abkehr vom kommunalabgaberechtlichen Satzungsgebot, das in § 2 KAG klare Bestimmungen vorsieht, die einer Gebühren- bzw. Beitragsfestsetzung zugrunde zu legen waren. Aber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeigt eben, es gibt kein Recht auf die Unwirksamkeit von Satzungen seitens der Aufgabenträger.

Meine Damen und Herren! Wenn nunmehr das Ministerium für Inneres und Sport einen Rund

erlass zur Aussetzung der Beitragserhebung - in Anführungsstrichen - bis auf Weiteres erlassen hat, dann ist dieser Schritt nicht nur geboten, sondern aus unserer Sicht auch erforderlich.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Noch in der Dezember-Sitzung des Innenausschusses bekräftigte der Staatssekretär Herr Professor Dr. Gundlach, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts keinerlei Auswirkungen auf sachsen-anhaltische Regelungen haben würden.

Die Vertreter der Taskforce begründeten ihre Arbeit bei der - In Anführungsstrichen - Hilfe zur Erstellung der entsprechenden Satzung als rechtskonform. Dies hatte ich schon im April 2013 vom Minister erfahren, der damals auch die Wirkung der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 auf SachsenAnhalt ausschloss.

Nunmehr fordert meine Fraktion alle Fraktionen und die Landesregierung auf, eine gründliche rechtliche Prüfung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorzunehmen. Es gilt, Gründlichkeit vor Schnelligkeit zu setzen und im zweiten Schritt, klare Regelungen zu erlassen, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat wiederherstellen und zu den Grundsätzen des Abgabenrechts zurückführen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu klären ist für diesen Zeitraum natürlich die spannende Frage, wann denn überhaupt für die bereits seit dem Jahr 1991 angeschlossenen Eigentümer die sachliche Beitragspflicht und ein wirtschaftlicher Vorteil entstanden sein sollen.

Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt ist der Auffassung, dass es sich bei dem Erschließungsbeitrag II um einen sogenannten normalen Beitrag handele und die Beitragspflicht entsprechend den allgemeinen Regelungen entstehe. Vergleiche Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, 13. Juli 2006, 4 L 127/06. Der besondere Herstellungsbeitrag beinhalte keinen von der gesetzlichen Regelung losgelösten oder durch Richterrecht geschaffenen Beitragstatbestand, sondern findet seine Rechtsgrundlage, so dass OVG, in § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 6 Satz 3 des Kommunalabgabengesetzes des Landes SachsenAnhalt.