Protocol of the Session on December 10, 2015

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Lüddemann, da auf die durch Ihren Antrag aufgeworfenen Fragen heute leider keine ausreichenden Antworten gegeben werden können, werden wir Ihren Antrag ablehnen und bitten um Zustimmung zu unserem Alternativantrag. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege, wollen Sie eine Frage von Frau Frederking beantworten?

So es mir möglich ist, versuche ich es.

Wir versuchen das.

Herr Schwenke, Sie haben offensichtlich großes Interesse daran, zu erfahren, was die Vorteile einer natürlichen Geburt sind. Deshalb wollten Sie das gerne im Ausschuss beraten. Aber darüber hinaus wäre es doch nicht falsch, diese Arbeitsgruppe zu installieren, die sich genau mit diesen Fragestellungen auseinandersetzt. Denn Sie haben in Ihrem Redebeitrag auch begründet, dass das Ansinnen des Antrags grundsätzlich ein richtiges ist.

(Herr Borgwardt, CDU: Die Zeit reicht aber nicht mehr!)

Nur die Tatsache, dass Sie sich jetzt nicht damit beschäftigen dürfen im Ausschuss, sollte das noch lange nicht bedeuten, dass keine Arbeitsgruppe installiert werden könnte. Warum machen Sie das zum Ausschlusskriterium?

Frau Frederking, ich glaube, ich habe das ausgeführt. Der Fragenkatalog, den Sie aufwerfen oder der dahinter steckt, ist ein wenig umfänglicher. Das Thema „natürliche Geburt“, so wie es Frau Lüddemann geschildert hat, kann sogar ich als Mann nachvollziehen. Dazu brauche ich, glaube ich, gar keine Fachgruppe. Das glaube ich, zumal ich auch Vater von zwei Söhnen bin und eine Frau habe, die mit mir sogar über so etwas kommuniziert.

Das Thema ist schlicht und ergreifend zu umfänglich, um das heute abschließend zu behandeln. Ich gehe davon aus - das ist eine wichtige Frage -, wenn wir genau diese Erfahrungen aus den anderen Bundesländern in der nächsten Legislatur

periode aufnehmen werden, dass man sich intensiv mit diesem Thema beschäftigen wird. Ich bin auch davon überzeugt, dass wir einen Schritt in die richtige Richtung gehen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist es einfach zu früh.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Jetzt spricht für die Fraktion DIE LINKE

(Frau Edler, DIE LINKE, geht zeitgleich mit Frau Dirlich, DIE LINKE, auf das Rednerpult zu)

- ich musste einige Bewegungen deuten; hier wird jetzt auch Frau gegen Mann gewechselt - die Abgeordnete Frau Dirlich. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Danke. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es ein bisschen schade, dass der Präsident mich nicht als Expertin für die natürliche Geburt hier vorne empfangen hat. Ich glaube, ich habe ein bisschen mehr Erfahrung als meine beiden Vorredner.

(Herr Borgwardt, CDU: Das Defizit haben wir leider, meine Rede!)

Ich bin nicht nur selbst geboren, und das zu Hause, sondern ich habe auch zwei Kinder zur Welt gebracht, und das auf natürliche Weise. Das ist eine Erfahrung, die man wirklich machen sollte, weil es das Leben einschneidend verändert.

(Zurufe von der LINKEN)

Manchen ist es nicht möglich.

(Zustimmung von Frau Görke, DIE LINKE)

Gleich vorweg: Wir stimmen dem Anliegen des Antrags zu und damit auch dem Beschluss des Landesfrauenrates, der ein Stück dahinter steht.

In Sachsen-Anhalt kamen 2003 insgesamt 16 889 Babys zur Welt. Zehn Jahre später war es nur ein einziges Kind weniger, also fast genauso viele. Diese so gut wie identische Messziffer kann recht hilfreich und interessant sein, nämlich dann, wenn wir uns zwei andere Zahlen aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage anschauen.

Im Jahr 2003 kamen - Frau Lüddemann hat auch darauf hingewiesen - 3 100 Babys per Kaiserschnitt zur Welt und 2012 waren es bereits 4 800. Das ist schon eine enorme Steigerung, die uns doch besorgt machen sollte.

Sachsen-Anhalt steht allerdings bei dieser Entwicklung nicht alleine. Woran liegt das? - Sicherlich nicht zuletzt daran, dass Geburtenstationen in

Krankenhäusern durch die DRG-Abrechnungsstruktur zu den unrentabelsten Abteilungen überhaupt gehören. Die natürliche Geburt ist nun einmal keine planbare Größe. Die kann zwei Stunden dauern oder aber auch 48 oder noch länger. Das ist bei einer Blinddarmoperation oder bei irgendeiner Gelenkoperation völlig anders.

Es lässt sich sagen: Je geringer die Bevölkerungsdichte ist, desto schwerer wiegen solche kostenträchtigen Faktoren wie der, Personal für die Geburten vorzuhalten. An manchen Tagen finden in kleinen Krankenhäusern - oder fanden; es gibt diese kleinen Krankenhäuser kaum noch - nur eine oder vielleicht sogar gar keine Geburt statt.

Das DRG-System belohnt umgekehrt den Kaiserschnitt mit einer vergleichsweise rentablen Ziffer. Der Kaiserschnitt macht die Geburt planbar. Das eigentlich Absurde ist, dass der Kaiserschnitt für die Krankenkassen wesentlich teurer ist als eine natürliche Geburt.

Ich will einmal ein paar Zahlen nennen. Geburt im Geburtshaus: 467 €. Eine Hausgeburt ist mit 550 €. schon teurer. Eine ganz normale Vaginalgeburt in der Klinik kostet zwischen 1 600 und 2 150 €. Der Kaiserschnitt kostet 2 500 bis 5 400 €. Trotzdem steigen - obwohl wir so effizient werden wollen und immer effizienter und preiswerter im Gesundheitswesen - die Zahlen der Kaiserschnitte. Ich verstehe es nicht.

(Herr Borgwardt, CDU: Weil die Bürger es wollen!)

Kernpunkt der aufgeworfenen Problematik sind natürlich auch die unterschiedlichen Rollen, die Hebammen und Ärztinnen bei einer Geburt spielen und auch innehaben sollten. Hebammen sind vollumfänglich Geburtsbegleiterinnen, und Ärzte kommen nur dazu, wenn es Probleme gibt. Das trifft bei den allermeisten Geburten nicht zu.

Geburten in den raren Geburtshäusern haben durchaus an Beliebtheit gewonnen, weil sie auch einen Zugang zu der natürlichen Geburt ermöglichen. Wenn man sich anschaut, auf welche unterschiedliche Weise man heutzutage gebären kann - das ist schon hochinteressant.

Allerdings werden in Krankenhäusern bis zu 53 % der Geburten künstlich durch Medikation herbeigeführt, im Gegensatz zu den hebammengeleiteten Geburtshäusern, da sind es nur 7 %. Man lässt sich einfach Zeit und wartet ab, was die Natur macht.

Um gleich wilden Mahnern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Hebammen und Entbindungspfleger sind in ihrer Arbeit selbstverständlich höchst verantwortlich. Sie wissen ganz genau, wann ein Arzt hinzuzuziehen ist.

Ein Fragezeichen wollen wir dennoch setzen. Die Idee, dass es diese Landesregierung sein soll, die jetzt noch beauftragt wird - Entschuldigung -, ein innovatives Konzept für einen hebammengeleiteten Kreißsaal auf den Weg zu bringen,

(Zuruf von Frau Lüddemann, GRÜNE)

halten wir für genauso absurd und abwegig wie übrigens die Koalitionsfraktionen auch, weil diese Aufforderung in ihrem Alternativantrag vollständig fehlt.

(Herr Borgwardt, CDU: Weil wir Realisten sind!)

- Sie sind Realisten, wir auch. Wir werden uns diesem Ansinnen deshalb nicht komplett verweigern. Wir werden nicht dagegen stimmen, wir werden uns der Stimme enthalten.

Dem Anliegen des Ursprungsantrags werden wir zustimmen. Wenn schon, wie in Magdeburg, kaum ein Weg an der Klinik vorbeiführt, dann sollte er wenigstens über einen hebammengeleiteten Kreißsaal gehen zum Wohl der Frauen und zum Wohl der Kinder. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Dirlich. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Grimm-Benne. Bitte schön.

Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Wenn man die Debatte bislang verfolgt hat, kann man gar nicht gegen das Ansinnen sein, von dem Sie, Frau Lüddemann, gesprochen haben.

Aber ein Punkt kommt mir ein bisschen zu kurz. Ich will, ohne dass es falsch verstanden wird, sagen: Bei allen Gedanken, wie wir versuchen wollen, die natürliche Geburt zu stärken, entweder über einen hebammengeleiteten Kreißsaal in Sachsen-Anhalt oder, wie in unserem Alternativantrag, über eine Erweiterung der Möglichkeiten einer selbstbestimmten natürlichen Geburt in Sachsen-Anhalt - egal wie man es macht, man sollte dabei immer das Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frauen bewahren und auch das Selbstverantwortungsrecht der schwangeren Frauen.

Sie sind in der Hinsicht die einzigen, die entscheiden können und müssen, wie sie ihr Kind zur Welt bringen wollen. Deshalb müssen wir in SachsenAnhalt Angebote schaffen, die sich an den Wünschen der Schwangeren orientieren.

Da habe auch ich den Eindruck, dass es hinsichtlich der Aufklärung und der Information, was es für

Möglichkeiten in diesem Land gibt, sehr gravierende Unterschiede gibt. Wenn man Zeit hat und sich erkundigen kann, dann weiß man auch heute schon, wo man hingeht, um in einen hebammengeleiteten Kreißsaal zu kommen.

Ich möchte sagen, Frau Dirlich, aufgrund der demografischen Entwicklung habe ich, ehrlich gesagt, im Augenblick den Eindruck, dass die Geburtshäuser, die wir in Sachsen-Anhalt haben, nicht mehr diejenigen Orte sind, wo viele ihre Kinder zur Welt bringen. Es ist rückläufig.

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Ja!)

Es ist erschreckend rückläufig. Es kann auch sein, dass viele den Weg ins Krankenhaus gehen, weil sie die Sorge um ihr ungeborenes Kind haben, weil sie möchten, dass sie, wenn es Komplikationen gibt, unverzüglich medizinische Hilfe in Anspruch nehmen können. Auch das gehört zu dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverantwortungsrecht von schwangeren Frauen.

Deshalb finde ich es richtig zu schauen: Wie wirkt sich das schon in den unterschiedlichen Bundesländern aus? - Wir haben einmal Thüringen als ostdeutsches Land mit einer ähnlichen demografischen Entwicklung, dann haben wir NordrheinWestfalen als großes Bundesland mit vielen Krankenhausstandorten, um zu gucken: Was passiert denn dort? - Das können wir doch mit unseren Strukturen und Möglichkeiten hier zusammenbinden und gucken, was wir im Lande nachjustieren müssen.