Bei dem, was wir hier teilweise mit den Zwischenrufen zelebrieren, müssen wir uns nicht wundern, wenn die Leute draußen auch nicht zur Toleranz fähig sind. Wir geben nicht immer ein gutes Beispiel.
Lassen Sie mich zum Punkt kommen. Ich würde Ihrem Antrag durchaus zustimmen können, wenn Sie den ersten Satz aus unserem Antrag in Ihren Alternativantrag übernehmen würden, in dem ganz klar steht, dass wir die gegenwärtig laufende Privatisierung gestoppt haben möchten. Denn so, wie sie im Moment ausgeführt wird, ist sie mangelhaft, kritikwürdig und nicht hinnehmbar. Wenn Sie das auch so sehen und unseren Satz übernehmen, stimmen wir Ihrem Antrag sogar zu. Dann ist das ein ganz klares Signal. Tun Sie es nicht, kann ich mich maximal der Stimme enthalten. - Vielen Dank.
Vielen Dank für die Einbringung, Herr Hoffmann. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Minister Webel das Wort. Bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Straßenbetriebsdienst steht immer im Blickpunkt der Öffentlichkeit und ganz besonders im Winter, wenn uns Schnee und Eis trotz des Klimawandels auch in unseren Breitengraden zu schaffen machen. Jeder von Ihnen weiß, was es bedeutet, wenn die Straßen im Winter nicht ausreichend geräumt sind und man nur eingeschränkt von einem Ort zum anderen kommt.
Und wir möchten - Herr Hoffmann, Sie haben es gesagt - möglichst keine Unfälle auf unseren Straßen und wir wollen auch als Land Sachsen-Anhalt keine Straße eingeschränkt befahrbar gestalten oder eventuell sogar sperren müssen.
Leider - dies mahne ich seit meinem Amtsantritt als Minister immer wieder an - sind dem Straßenbetriebsdienst in der Vergangenheit jedoch die personellen und finanziellen Mittel nicht immer in dem Maß zur Verfügung gestellt worden, das ich mir wünsche und das er eigentlich braucht.
Gestatten Sie mir zur besseren Einordnung der heutigen Debatte einen kurzen Rückblick in die Historie unseres Winterdienstes. Zunächst müssen wir unterscheiden zwischen den Autobahnen und dem sogenannten Basisnetz. Autobahnen wurden und werden stets mit eigenem Personal beräumt. Das wird auch zukünftig so bleiben.
Das Basisnetz, die Bundes-, Landes- und bestimmte Kreisstraßen, umfasst derzeit ca. 7 200 km und wurde hingegen seit Beginn der 90er-Jahre schon
immer auch durch Fremdfirmen und keineswegs ausschließlich mit eigenem Straßenwärterpersonal beräumt. Das ist also keine Erfindung von mir. Auch vor dem Jahr 2015 und in den 90er-Jahren fiel schon Schnee und damals wurde auch beräumt.
Auch in anderen Bundesländern ist das übrigens so: Dritte werden für Winterdienstaufgaben herangezogen. Das machen auch Kommunen so, das kann ich Ihnen als ehemaliger Landrat sagen. Herr Henke und Frau Tiedge als Kreistagsabgeordnete im Landkreis Börde werden bestätigen, dass in einem Teil ihres Landkreises der Winterdienst weiterhin durch Private durchgeführt wird.
Das ist auch gar nicht verwunderlich. Es ist doch klar, dass für spezielle Aufgaben des Winterdienstes insgesamt mehr Personal benötigt wird als in den übrigen drei Jahreszeiten, in denen kein Eis und Schnee auf den Straßen liegt. Umgekehrt verhält es sich mit dem Bademeister, der nun einmal im Sommer im Freibad gebraucht wird; er sitzt dort nicht im Winter bei geschlossenem Freibad herum.
Für alle anfallenden Aufgaben im Frühjahr und Herbst reicht der Hausmeister, der seine Aufgabe auch erfüllt.
Die unter Punkt 2 des Antrags der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/4618 erhobene Forderung an die Landesregierung, den Winterdienst ab der Winterdienstperiode 2016/2017 aus eigenem Personal zu leisten, drängt sich deshalb - vorsichtig formuliert - fachlich nicht unbedingt auf.
Würde man dem trotzdem zustimmen und den Winterdienst zu 100 % mit eigenem Personal absichern wollen, dann brauchte man dafür insgesamt 1 005 Arbeitskräfte - 220 für die Autobahnen und 785 für das Basisnetz - sowie die entsprechenden Fahrzeuge und Geräte. Das sind 157 Arbeitskräfte mehr als im Winterdienstkonzept der Landesregierung als Soll-Ausstattung genannt ist. Darin stehen - Sie alle kennen die Zahlen - 848 Arbeitskräfte. Mit diesen 848 Arbeitskräften ist es möglich, den Winterdienst zu 100 % auf den Autobahnen und zu 80 % auf den Bundes-, Landes- und Kreisstraßen abzudecken.
Die fehlenden 20 % entsprechen praktisch dem rechnerischen Mehraufwand an Arbeit, der nun einmal zur Winterzeit anfällt. Das ist übrigens eine bundesweit anerkannte Rechengröße; diese haben wir uns nicht irgendwie selbst ausgedacht. Wohlgemerkt: Wir reden in diesem Fall über 20 % beim Basisnetz. 80 % der Straßen werden auch hier durch eigenes Personal, durch unsere eigenen Straßenmeister, geräumt. Bei den Autobahnen geschieht das ohnehin zu 100 % durch eigenes Personal.
Der Vorschlag der Opposition würde im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ganz sicher negativ zu Buche schlagen. Das bedeutet nichts anderes, als dass diese Winterdienstleistungen durch Dritte kostengünstiger erbracht werden könnten.
Nun zu den Fakten. In Sachsen-Anhalt wurde ab dem Winter 2008/2009 der Winterdienst über die seit den 90er-Jahren im Einsatz befindlichen Fremdfirmen hinaus zunächst durch Leiharbeiter und später zusätzlich mit befristeten Kräften erbracht. Im Basisnetz, also auf den Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, werden diese Leistungen zu 53 % durch eigenes Personal erfüllt und zu 47 % durch Dritte, die über Gestellungsverträge beauftragt werden. Bei den Autobahnen werden, wie bereits mehrfach erwähnt, Winterdienstaufgaben vollständig in Eigenleistung erbracht.
Die Erfahrungen der letzten Winter haben gezeigt, dass mit der bisherigen Vorgehensweise der besonders personalintensive Winterdienst nicht mehr nachhaltig gewährleistet werden kann. Dafür gab es insbesondere arbeitsrechtliche Gründe bei den befristeten Einstellungsverträgen, Herr Hoffmann.
Wir mussten natürlich auch dafür sorgen, dass genügend befristete Ergänzungskräfte gewonnen werden konnten. Das war leider nicht der Fall. Deshalb war die Landesstraßenbaubehörde aufgefordert, ein Winterdienstkonzept für eine günstige Ausgestaltung zu erarbeiten. Dies erfolgte unter der Vorgabe, dass auf den Einsatz von Ergänzungskräften möglichst verzichtet werden sollte. Durch die Ausschreibung von Fremdleistungen sollten die fehlenden Ergänzungskräfte kompensiert werden.
In unser Winterdienstkonzept sind die mit Leistungen beauftragten Firmen integriert worden und sind damit Teil des Winterdienstsystems. Der zuständige Schichtleiter der Straßenmeisterei kontrolliert, leitet und entscheidet über den Einsatz von Dritten. Die Kosten können dadurch in Grenzen gehalten werden.
Im Gegensatz zu Thüringen entscheidet das Land Sachsen-Anhalt selbst über den Einsatz und die Notwendigkeit des Einsatzes von Fremdfirmen und über die Menge der Streuung. Der thüringische Ansatz, der als eine echte Fremdvergabe zu werten ist, ist daher nicht mit unserem Vorgehen zu vergleichen. Von einer Privatisierung des Winterdienstes kann in Sachsen-Anhalt überhaupt keine Rede sein, meine Damen und Herren.
Im Basisnetz würde es durch die Ausweitung der Vergabe an Dritte zu einer Verschiebung von derzeit ca. 47 % Fremdleistung auf 59 % Fremdleistung kommen, also zu einer Erhöhung der Fremdleistung um 12 %. Die Durchführung des Winter
dienstes mit eigenem Stammpersonal läge dann im Basisnetz noch immer bei 41 %. Das, was wir aufgrund der derzeitigen äußeren Zwänge - ich habe sie zu Beginn meiner Rede genannt - vornehmen, ist eine Verschiebung der Verhältnisse im Basisnetz zwischen Eigen- und Fremdleistung von 53 % zu 47 % auf dann 41 % zu 59 %.
Wir tun genau das, was andere Bundesländer und die Kommunen in vergleichbarer Weise tun. Wir schlagen in Sachsen-Anhalt keinen neuen Weg ein. Wir führen keine Privatisierung durch. Bei den Strecken, die ausgeschrieben werden, behalten wir die Einsatzkontrolle. Das ist also nicht das Thüringer Modell. In normalen Zeiten - das möchte ich einmal sagen - würde sich wahrscheinlich niemand um dieses Problem kümmern, aber weil wir uns im Wahlkampf befinden, ist die Aufmerksamkeit sehr groß.
Ich bin den Kollegen der Straßenmeistereien sehr dankbar dafür, dass sie dieses Problem draußen angesprochen haben und darauf aufmerksam gemacht haben. Das hätte schon viel früher geschehen dürfen. Sie leisten eine engagierte Arbeit. Ich denke, das ist auch eine wichtige Arbeit im Interesse der Menschen in unserem Bundesland.
Wer die öffentliche Diskussion in den letzten Jahren verfolgt hat, der wird bemerkt haben, dass wir uns in diesem Lande nur über Kultur, über Hochschulen, über Polizisten und über Lehrer unterhalten haben. Natürlich ist es schlimm, wenn eine Unterrichtsstunde ausfällt, lieber Kollege Dorgerloh, aber diese Stunde könnte man nachholen. Wenn aber ein Mensch auf einer nicht gestreuten Straße ums Leben kommt oder körperlichen Schaden erleidet, dann ist er nicht wieder zum Leben zu erwecken bzw. ist der erlittene körperliche Schaden nicht wieder gutzumachen.
Deswegen ist es wichtig, dass wir personell so ausgestattet sind, dass der Winterdienst in diesem Land ausgeführt werden kann.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir bei dem entscheidenden Punkt. Es geht um die Gewinnung von landeseigenem Personal mit den dafür zur Verfügung stehenden Stellen. Danach beträgt die Soll-Ausstattung 848 Arbeitskräfte.
Unter Berücksichtigung der Situation im Straßenbetriebsdienst verfügen wir zurzeit über 663 Arbeitskräfte. Es besteht demnach eine Unterdeckung von 185 Arbeitskräften gegenüber der Soll-Ausstattung.
Die Fahrzeuge und Geräte sind in den Meistereien größtenteils vorhanden. Aufgrund der Erfahrungen mit den Gestellungsverträgen und den geschätzten Kosten für die geplante Ausschreibung der Winterdienstleistungen wäre der Einsatz von eigenem Personal, also eine Eigenleistung von 80 % im Basisnetz, wirtschaftlicher. Dieses unbefristet einzustellende Personal kann außerhalb des Winterdienstes für weitere Leistungen des Straßenbetriebsdienstes eingesetzt werden. Außerdem wird eine optimale Auslastung von Fahrzeugen und Geräten erreicht.
Ich setze mich nach wie vor für eine SollAusstattung von 848 Arbeitskräften ein. Ich bin auch für die Unterstützung der Koalitionsfraktionen dankbar, die den Antrag so formuliert haben, dass sie helfen wollen, den Winterdienst in Eigenregie der Landesstraßenbaubehörde abzusichern.
Der dafür errechnete Bedarf von 185 Arbeitskräften muss mit geeigneten Maßnahmen gedeckt werden. Dabei ist folgender Umstand zu berücksichtigen: Mit Blick auf den Arbeitsmarkt und aus den Erfahrungen mit der Einstellung der ausgeschriebenen Ergänzungskräfte in dieser und in der letzten Winterdienstsaison kann eingeschätzt werden, dass kurzfristig maximal 40 bis 50 Stellen besetzt werden könnten.
Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, ein kombiniertes Maßnahmenpaket ins Auge zu fassen. Dazu gehört erstens die Absicherung eines funktionsfähigen Winterdienstes vorrangig mit eigenem Personal der Landesstraßenbaubehörde. Das heißt, sowohl die Einstellung als auch die Ausbildung im Beruf des Straßenwärters sind zu verstärken. Dazu gehört zweitens der Verzicht auf die Einstellung von Leiharbeitern. Drittens gehört dazu, die beabsichtigte Ausschreibung der Winterdienstleistungen ab dem Jahr 2016 als Übergangslösung zu betrachten, solange das Personal nicht in voller Stärke vorhanden ist.
In dem Maße wie Einstellungen, Ausbildung und Übernahme nach erfolgreichen Abschluss voranschreiten, können die Fremdleistungen entsprechend zurückgefahren werden. Auszugehen wäre hierbei von jeweils mindestens 30 Straßenwärtern, die jährlich bis zum Erreichen der Soll-Stärke von 848 Arbeitskräften eingestellt werden müssten. Für die Ausbildung bedeutet dies, dass in den nächsten Jahren die Anzahl der Auszubildenden verdreifacht werden müsste, um die Voraussetzung für das Abschmelzen der Fremdleistung zu schaffen.
Meine Damen und Herren! Wir haben den gesetzlichen Auftrag zur Absicherung des Winterdienstes. Das vorgelegte Winterdienstkonzept dient dazu, diesen Auftrag mit dem derzeit verfügbaren Personal zu erfüllen. Mein Ziel ist und bleibt es,
mittelfristig mit den von mir dargelegten Maßnahmen die Eigenleistungen zu erhöhen. Diese tragen dazu bei, die Landesstraßenbaubehörde in der jetzigen Struktur mit einem leistungsfähigen Betriebsdienst zu erhalten und dauerhaft Arbeitsplätze für die Menschen in der Region zu schaffen.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch eines sagen: Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir über den Winterdienst nicht erst dann reden, wenn der Winter schon vor der Tür steht, sondern lieber im Sommer, wenn über den nächsten Haushalt zu entscheiden ist.
(Herr Lüderitz, DIE LINKE: Oh! - Herr Krau- se, Salzwedel, DIE LINKE: Och! - Weitere Zurufe von der LINKEN)