Protocol of the Session on November 12, 2015

(Beifall bei der LINKEN)

um der historischen Bedeutung dieses Tages gerecht zu werden.

Der Ausschuss für Inneres und Sport befasste sich erstmals am 7. Mai 2015 mit dem Gesetzentwurf. Die Fraktion DIE LINKE beantragte zunächst die Durchführung einer personell begrenzten Anhörung. Ihr ging es darum zu erfahren, wie man aktuell in anderen Bundesländern dazu steht, den 8. Mai zum Gedenktag zu erklären. Die Fraktion der CDU erwiderte darauf, dass die Frage, wie sich andere Länder in dieser Frage verhalten, auch für Koalitionsfraktionen von Interesse sei. Daher wurde das Ministerium für Inneres und Sport gebeten, eine Umfrage bei den Häusern anderer Länder zu starten. Es sollte geprüft werden, inwiefern in anderen Bundesländern diesbezügliche Absichten bestehen.

Auf der Grundlage dieser uns dann vorgelegten Länderumfrage kam die Koalition zu der Überzeugung, dass im Land Sachsen-Anhalt kein Handlungsbedarf besteht. Die Länderumfrage ergab, dass der 8. Mai bislang lediglich in Brandenburg und in Mecklenburg-Vorpommern ein Gedenktag ist. In weiteren drei Bundesländern, in Berlin, in Hessen und in Thüringen, wird darüber nachgedacht.

Angesichts dieser Sachlage wurde von den Koalitionsfraktionen beantragt, den Gesetzentwurf ab

zulehnen, was im Ausschuss für Inneres und Sport erfolgte. Diese Beschlussempfehlung wurde dem mitberatenden Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zugeleitet, der Gleiches tat, den Gesetzentwurf ablehnte, und der Beschlussempfehlung des Innenausschusses folgte.

Daraufhin hat der Innenausschuss in seiner Sitzung am 29. Oktober 2015 die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung erarbeitet und diese mit 7 : 4 : 0 Stimmen verabschiedet. Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfes. Im Namen des Ausschusses bitte ich um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brachmann. - Die Landesregierung verzichtet auf einen Redebeitrag. Deshalb hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Kollegin Quade das Wort. Bitte, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat so: Meine Fraktion nahm den 70. Jahrestag der Befreiung zum Anlass, einen neuen Feiertag, und zwar den 8. Mai, den Tag der Befreiung vom Faschismus, vorzuschlagen. Man kann unterschiedlicher Meinung dazu sein, ob es um einen Gedenktag oder um einen Feiertag gehen sollte. Man kann über die Begrifflichkeiten streiten, ob es um die Befreiung vom Faschismus oder um die Befreiung vom Nationalsozialismus gehen sollte. Man kann auch darüber streiten, inwiefern staatliche Feiertage geeignet sein können, gesellschaftliche Haltungen und Stimmungen zu beeinflussen.

All das hätten wir sehr gern getan; wir fanden aber lediglich die Fraktion der GRÜNEN bereit, diese Debatte mit uns zu führen. Das bedauere ich sehr.

(Zuruf von der CDU: Wieso bedauern Sie das? - Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

- Herr Borgwardt, die Debatte zu führen, sah so aus: Es besteht keine Notwendigkeit; wir fragen mal in den anderen Bundesländern nach; machen wir nicht. - Das war Ihre Debatte. Schönen Dank!

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Vor 30 Jahren war es Richard von Weizsäcker, der als erster Repräsentant der BRD den Charakter des 8. Mai als Tag der Befreiung beschrieb. Wir wissen, dass diese Sichtweise keineswegs politischer Konsens ist. Damit kann man durchaus umgehen, damit kann auch meine Fraktion umgehen. Was mich aber wirklich ärgert, ist, wenn gegen das Bestreben, den 8. Mai als Feiertag zu etablieren

(Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

und damit ein staatliches Signal zu setzen, ernsthaft und nahezu ausschließlich mit dem Verweis

auf eine mögliche Schwächung der Wirtschaftskraft durch einen zusätzlichen Feiertag argumentiert wird;

(Beifall bei der LINKEN - Herr Schröder, CDU: Das fehlende Wirtschaftswachstum!)

noch dazu in einer wirklich lächerlichen Broschüre der CDU unter dem Motto: Das droht euch mit den LINKEN! Ich bitte Sie ernsthaft - -

(Herr Schröder, CDU: Das fehlende Wirt- schaftswachstum, das war Ihr Vorwurf!)

- Herr Schröder, jetzt ist es doch gut. Sie können mich doch fragen. Meine Güte!

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das ist eine Debatte, die weder der Bedeutung des historischen Datums noch dem Bemühen um eine staatliche Würdigung dieses Ereignisses und um damit verbundene gesellschaftspolitische Signale angemessen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Um auch das zu sagen: Das Signal der Anerkennung von historischer Schuld, ein Signal der unzweideutigen staatlichen Haltung, das mit dem 8. Mai als Tag der Befreiung, also als Feiertag, verbunden wäre, wäre ebenso wie viele andere Maßnahmen im Kampf gegen aktuell erstarkende Neonazis und Rechtspopulisten dringend notwendig gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wieder brennen in Deutschland Unterkünfte von Asylsuchenden, immer noch glauben Menschen, auch in Sachsen-Anhalt, dass „die Juden“ zu viel Macht hätten und dass der Holocaust nur aufgebauscht sei, wieder ziehen Demonstrationen durchs Land, die neben „Lügenpresse“ auch „Judenpresse“ skandieren.

Deutschlandweit marschieren unter dem Nimbus der besorgten Bürger Menschen der sogenannten Mitte, die sich gegen Zuwanderung, gegen Religionsfreiheit und gegen eine offene Gesellschaft positionieren, Seite an Seite mit Neonazis, die diese Stimmungslage gezielt schüren und nutzen.

Der Staat kann und soll dem keineswegs allein begegnen; das kann er auch mit einem Feiertag nicht tun. Darum geht es nicht. Ich bin froh, dass es immer wieder viele engagierte Menschen gibt, die weder den alten noch den neuen Nazis den öffentlichen Raum überlassen. Ihnen gilt unser Dank und ihnen gilt unsere Verpflichtung, sie zu stärken.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Aber Staat und Land sollen Haltung zeigen.

(Zuruf von der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich hatte die Gelegenheit, am 8. Mai 2015 in Halle die Gedenkrede zu halten. Ich sah dort die seit vielen Jahren immer älter werdende Gruppe von Menschen, die den Tag der Befreiung als Tag des Gedenkens und als Tag der Würdigung der Befreier, der Widerstandskämpfer und aller Opfer begehen. Der 70. Jahrestag wird wohl der letzte große und runde Jahrestag gewesen sein, den wir zusammen mit Überlebenden begehen konnten.

Es stünde dieser Republik und angesichts des Föderalismus - auch das eine historische Lehre - auch dem Land Sachsen-Anhalt angesichts des wiedererstarkenden Neonazismus und der antidemokratischen Positionierungen aus der Mitte der Gesellschaft gut zu Gesicht, an der Botschaft aller Demokraten festzuhalten: Der 8. Mai ist Mahnung; er lässt uns Fragen nach Schuld und Verantwortung historisch und im Hier und Jetzt stellen. Er ist Grund zum Gedenken, zu Demut und zu Dankbarkeit, und er ist auch ein Grund zum Feiern; denn der 8. Mai ist der Tag der Befreiung.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Es ist wenig überraschend, dass meine Fraktion die Beschlussempfehlung ablehnt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Quade. - Wir begrüßen jetzt ganz herzlich Seniorinnen und Senioren der Deutschen Bahn und der Deutschen Reichsbahn aus Lutherstadt Wittenberg. Sie hatten nur fünf Minuten Verspätung.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Kolze. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE fordert, dass für die Bürgerinnen und Bürger des Landes SachsenAnhalt der 8. Mai eines jeden Jahres, der Tag der Befreiung vom Faschismus, ein staatlich anerkannter Feiertag werden muss, an dem die allgemeine Arbeitsruhe gilt. In der DDR wurde der 8. Mai bis 1966 und noch einmal im Jahr 1985 als Feiertag begangen.

Die Fraktion DIE LINKE will nunmehr den Tag der Befreiung für das Land Sachsen-Anhalt zum gesetzlichen Feiertag erklären. Die Länderumfrage im Rahmen der Ausschussberatung hat ergeben, dass der 8. Mai in keinem Bundesland als gesetzlicher Feiertag festgeschrieben ist; lediglich in Brandenburg, in Thüringen und in Mecklenburg

Vorpommern ist der Tag der Befreiung ein Gedenktag.

Für uns ist die Forderung völlig losgelöst von der Diskussion, dass wir im Land Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich schon genug Feiertage haben. Nur vier Bundesländer haben mehr als elf staatlich anerkannte Feiertage. Das ist politisch nicht vertretbar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst die Gelegenheit nutzen, um auf die Bedeutung des Datums 8. Mai 1945 einzugehen. Mit der Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 wurde der Zweite Weltkrieg in Europa beendet. Für viele Länder Europas ist der 8. Mai zu Recht ein Tag, an dem feierlich an die Befreiung von der deutschen Fremdherrschaft und dem Grauen des Krieges gedacht wird. Auch in Deutschland war der 8. Mai 1945 für viele Menschen ein Tag der Hoffnung und Zuversicht, an dem die Welt von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreit worden ist.

Daher wird an diesen Tag in Deutschland jährlich erinnert. Der 8. Mai ist auch ein Tag der Mahnung, dass Antisemitismus und Rassismus keinen Platz in unserer Gesellschaft haben dürfen.

Wir dürfen jedoch bei der Würdigung der herausragenden Bedeutung dieses Gedenktages eines nicht vergessen: Für viele Menschen in Ost- und in Mitteldeutschland haben mit dem 8. Mai nicht der Frieden, die Zuversicht und die Freude Einzug gehalten. Denken Sie an Flucht und Vertreibung der Menschen aus den Ostgebieten,

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

von denen viele ihr Hab und Gut und ihr Leben verloren haben. Denken Sie an die Verbrechen von Angehörigen der Roten Armee an der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten, wie etwa die systematischen Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen, die sich auch mit Verweis auf die eigenen leidvollen Erfahrungen nicht rechtfertigen lassen.

Infolge des Endes der nationalsozialistischen Tyrannei wurde in der sowjetischen Besatzungszone eine neue Diktatur unter dem roten Stern errichtet, meine Damen und Herren. Hinrichtungen, Deportationen, Zwangsarbeit und willkürliche Inhaftierungen wurden von den neuen Machthabern systematisch angewandt. Zuchthäuser und Konzentrationslager aus der NS-Zeit wurden durch die rote Diktatur als Speziallager weitergenutzt, in denen nach dem Krieg viele Menschen erniedrigt und qualvoll getötet worden sind.