Protocol of the Session on October 6, 2011

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute über eines der wichtigsten Themen, vielleicht das wichtigste Thema, das uns im nächsten Vierteljahr beschäftigen wird. Wir alle wissen aus den Diskussionen, die wir in den Kommunen geführt haben, dass das viele Menschen im Land bewegt und starke Auswirkungen haben wird. In diesem Sinne ist es gut, wenn das intensiv beraten, so wie es der Minister, mein Vorredner und andere angekündigt haben.

In der Tat ist es für diejenigen, die in der Debatte nicht so tief drinstecken, verwirrend, über welche Zuweisungen und welche Beträge, die hier oder dort angerechnet wurden, man im Einzelnen redet. Ich will mich deswegen heute auf den Dreh- und Angelpunkt der Debatte beschränken. Das ist meiner Meinung nach die Finanzausgleichsmasse. Das haben ja auch meine Vorredner getan.

Man muss schon sagen: Wie man es auch dreht und wendet, es kommt immer Merkwürdiges und Verwirrendes dabei heraus. Es ist eben nicht einfach so, Herr Bullerjahn, wie Sie es darstellen, dass es eine Berechnung gäbe, aus der eine bestimmte Summe herauskommt, die man nicht ändern und auch nicht hinterfragen kann. Vielmehr ist es sehr verwirrend, und wir müssen uns das einmal genauer angucken.

Die zentrale Größe ist die Finanzausgleichsmasse. Diese Finanzausgleichsmasse ist im Gesetz festgeschrieben. Im Gesetz wird nicht geregelt, wie sie ermittelt wird, sondern sie ist festgeschrieben. Also könnte man sagen, es ist letztlich eine politische Zahl, über die wir reden. Es ist natürlich auch eine politische Diskussion, die wir hier führen.

Wenn es aber eine politische Zahl ist, über die wir reden, dann fällt demjenigen, der sich den Haushaltsplan anguckt, als Erstes auf: Es gibt einen großen Bereich in diesem Haushaltsplan, in dem gekürzt wird, und das sind die Kommunen; nur bei ihnen wird gekürzt. Während die Ansätze in den anderen Bereichen um 250 Millionen € steigen, wird bei der Finanzausgleichsmasse für die Kommunen um 70 Millionen € gekürzt. Das ist schon eine große Auffälligkeit.

Zur politischen Wahrheit gehört natürlich auch, meine Damen und Herren von der LINKEN, dass wir uns bei Änderungsvorschlägen die Frage stellen, wie man sie finanzieren kann. Deswegen können wir mit Ihrem Vorschlag, bei der Finanzausgleichsmasse einfach einen höheren Betrag anzusetzen, nicht einverstanden sein. Vielmehr erwarten wir von Ihnen, dass Sie bei den Haushaltsberatungen Vorschläge zur Gegenfinanzierung vorlegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man kann sich natürlich auch das Berechnungsverfahren für die Finanzausgleichsmasse anschauen. Das wird ja in den Medien rauf und runter gemacht. Verschiedenste Diskussionen kommen hier auf. Herr Bullerjahn, Sie sagen, das wird vom Statistischen Landesamt berechnet. Aber es gibt doch Merkwürdigkeiten.

Es fällt erst einmal auf - das ist merkwürdig -, dass in die Bedarfsberechnung einbezogen wird, wenn Kommunen Einmalerlöse, zum Beispiel aus der Veräußerung von Vermögen, haben. Vermögen kann nur einmal veräußert werden. Daher können

wir nicht sagen, insoweit besteht in Zukunft kein Bedarf mehr; denn dieses Vermögen vermehrt sich nicht von allein und kann nicht in jedem Jahr wieder veräußert werden. Das ist einfach nicht schlüssig, was die Berechnung des Bedarfs angeht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist auch nicht schlüssig, wenn bei dem Bedarf der Kommunen vorher berücksichtigt worden ist, dass sie in einer bestimmten Höhe Sonderbedarfsergänzungszuweisungen für Grundsicherungsleistungen erhalten, und wir dann, weil diese gekürzt werden, sagen, dass es deswegen diesen Bedarf jetzt auch nicht mehr gibt. Das ist einfach nicht schlüssig, und wir können nicht sagen, es gebe ein gerechtes Berechnungsverfahren, das den Bedarf einwandfrei feststellt. Deswegen müssen wir ganz genau darüber reden, wie wir das in die Bedarfsberechnung einbeziehen können.

Unabhängig davon, ob es richtig ist oder nicht, zu sagen, wenn der Bund kürzt, kann das Land nicht einspringen, ist klar: Die Kommunen haben das Geld im nächsten Jahr für den entsprechenden Bedarf nicht. Dass das den Kommunen sauer aufstößt, kann ich gut verstehen.

(Minister Herr Bullerjahn: Das Land hat das Geld auch nicht!)

Dass es auch nicht gerade Vertrauen erweckt, das Ganze über Kredite zu finanzieren, kann ich verstehen. Aber auch die Herangehensweise zu sagen, wir erhöhen einfach die Gesamtmasse und korrigieren eben nicht um bestimmte Beträge,

(Zuruf von der LINKEN: Um welche denn?)

überzeugt mich bei dem Gesetzentwurf der LINKEN nicht. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir meiner Meinung nach beim Finanzausgleichsgesetz noch eine Menge Hausaufgaben vor uns.

Auch bei dieser kleinen Novelle wird man nicht sagen können, wir können kein Schräubchen verändern. Sie haben sowieso schon einige Schräubchen verändert. Der Flächenfaktor ist jetzt drin. Grundzentren finden keine Berücksichtigung mehr. Es ist schon einiges verändert worden. Deswegen werden wir uns auch diese Novelle Schräubchen für Schräubchen angucken müssen. Wir werden uns angucken müssen, wie wir das gegenfinanzieren können. Hoffentlich haben wir am Ende dieses Prozesses ein Finanzausgleichsgesetz, das etwas mehr Vertrauen bei den Kommunen schafft, als es der vorliegende Entwurf tut. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der SPD spricht jetzt der Kollege Herr Erben. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! In der bisherigen Debatte gab es die eine oder andere Anregung, die vor allem mit Mehr-Geld-Ausgeben verbunden war; dies war vor allem in dem Wortbeitrag von Herrn Grünert der Fall. Bei Herrn Erdmenger kam zu dem Mehr-Geld-Ausgeben die Forderung hinzu, das System für das Jahr 2012 komplett umzubauen. Ich sage gleich: Das wird nicht zu leisten sein.

Ich habe bei Ihnen, Herr Erdmenger, auch etwas zwischen den Zeilen gehört. Wenn ich es richtig verstanden habe, sagen Sie durchaus: Wir sollten zusätzlich Schulden machen, um hier draufzusatteln. - Da bin ich - das sage ich vorweg - etwas enttäuscht, gerade von einer Partei, die immer sehr viel über Nachhaltigkeit spricht. An der Stelle gehört nämlich auch finanzielle Nachhaltigkeit dazu.

In den morgigen Debatten zum Haushalt werden wir wahrscheinlich hören, wie wichtig es ist, die Schuldenbremse einzuhalten. Das werden - vielleicht bis auf die LINKEN - alle Redner hier morgen so sagen. Da müssen wir verdammt aufpassen, dass wir nicht unglaubwürdig werden. Auch die Kommunalpolitiker im Land wissen, dass das Land keine Gelddruckmaschine im Keller hat und dass wir aufgrund der Schulden der Vergangenheit bereits heute erheblich belastet sind.

An uns wird es liegen, als Gesetzgeber einen vernünftigen Ausgleich für 2012 hinzubekommen. Ich bin optimistisch, dass uns das auch gelingt.

Machen wir uns nichts vor: Bei der Finanzausgleichsgesetzgebung gibt es jedes Mal einen riesigen Verteilungskampf zwischen Land und Kommunen, zwischen den kommunalen Gruppen, zwischen armen und reichen Kommunen.

Es kam ja vorhin von Herrn Grünert die Äußerung, das Paradies des Finanzausgleichs sei in Thüringen.

(Herr Grünert, DIE LINKE: Das habe ich nicht gesagt!)

Ich weiß nicht, welche Informationen dem zugrunde liegen. Aber ich glaube, es gibt zurzeit nirgendwo so viele Prozesse um den Finanzausgleich wie im Freistaat Thüringen. So ganz zufrieden sind da insbesondere die Oberbürgermeister der großen Städte auch nicht.

Machen wir uns weiter nichts vor: Es wird vor allem an der Stelle mit harten Bandagen gekämpft. Das wird dieses Mal sicherlich auch wieder so sein, über dem Tisch und auch unter dem Tisch.

Die Kommunen haben die Verfassung auf ihrer Seite; denn die Verfassung garantiert ihnen eine angemessene Finanzausstattung. Ich sage aber auch: Nicht nur kommunale Aufgaben sind wichtig

für Sachsen-Anhalt und für die Menschen im Land. Auch das Land selbst muss ordentlich verwaltet werden. Dass wir eine vernünftig ausgestattete Polizei und genügend Lehrer haben, ist für mich mindestens genauso wichtig wie die freiwilligen Aufgaben, die die Kommunen zu erledigen haben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir sollten uns auch von der Illusion verabschieden, die Kommunen könnten dauerhaft losgelöst von den zurückgehenden Einnahmen aus dem Solidarpakt II finanziert werden.

Wenn der Finanzminister auf all das hinweist, dann ist das völlig berechtigt. Das gehört zu seinen Aufgaben. Deswegen findet das auch seinen Niederschlag. Wir können nicht ständig mehr ausgeben als einnehmen. Da sitzen die Kommunen und das Land im gleichen Boot.

Niemand hier im Hause will aus Sachsen-Anhalt ein kleines Griechenland machen. Dementsprechend müssen wir alles unterlassen, was uns in eine weitere Verschuldung führt. Ohne Sparen wird das nicht gehen, wobei ich durchaus Verständnis dafür habe, dass die Kommunen kreativ beim Finden neuer Einnahmequellen, beispielsweise der sogenannten Bettensteuer, sind. Verkehrsminister machen das - siehe ihre MautIdeen - schließlich auch nicht anders.

Beim Geld, liebe Kolleginnen und Kollegen, hört bekanntlich die Freundschaft auf. Das gilt auch für Parteifreunde. Vielleicht war ja die Tonlage zwischen Finanzminister und Oberbürgermeister - das ist ja erwähnt worden - dieses Mal etwas heftiger.

Aber der Kampf um das Geld ist wahrscheinlich für die Medien interessanter als für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Solchen Streit um das Geld gab es zu allen Zeiten in diesem Land. Mir selbst hält der ehemalige Innenminister Manfred Püchel regelmäßig vor, dass ich im Jahr 1996 an den sogenannten Freitags-Demos auf dem Marktplatz hier in Magdeburg teilgenommen und gegen das FAG 1997 demonstriert habe, wie übrigens auch andere sozialdemokratische Kommunalpolitiker.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten uns auch in einem weiteren Punkt nichts vormachen, nämlich in Bezug auf die kleinen Schräubchen, die zu betätigen sind und die bei der Verteilung zwischen den kommunalen Gruppen sehr wichtig sind. Beim letzten Mal im Jahr 2009 waren die Landkreise beim Drehen an diesen kleinen Schräubchen im parlamentarischen Verfahren die großen Profiteure. Beim Finanzausgleichsgesetz wird es auch diesmal sicherlich um die kleinen Schräubchen und nicht nur um das große Geld gehen.

Nunmehr möchte ich die politische Diskussion um eine bessere Ausstattung der Oberzentren anspre

chen. Diese ist schon etwas erstaunlich; denn dort haben wir die Situation, dass die großen Armen sich mit den kleinen Armen um das Geld streiten. Deswegen ist es umso bedauerlicher, dass die wenigen ganz Reichen am Wegesrand stehen und interessiert zusehen, es aber auf sie selbst keine Auswirkungen hat. Nach zweimaligem Scheitern der Finanzausgleichsumlage ist das leider so.

Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass nach dem Beispiel von MecklenburgVorpommern - dort gibt es für Rostock und Schwerin eine Stadt-Umland-Umlage - entschieden wird, durch welche Maßnahmen betroffene Oberzentren in Sachsen-Anhalt zukünftig finanziell entlastet werden.

Wir bauen darauf, dass wir nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts, die Ende dieses Jahres ansteht, auch in diesem Bereich bereits für das Jahr 2013 eine Neuregelung hinbekommen.

(Zustimmung von Herrn Rothe, SPD)

Ich möchte an einen letzten Punkt anknüpfen, nämlich die Anreizfeindlichkeit - so ist es heute mehrmals bezeichnet worden - bei der Berechnung der Finanzausgleichsmasse. Das ist richtig. Es ist richtig, dass es nicht dauerhaft so bleiben kann, dass die Konsolidierungsbeträge, die erwirtschaftet werden, im Nachhinein vollständig wieder zulasten der Kommunen angerechnet werden. Das ist anreizfeindlich. Aber das ist nur die eine Leitplanke des Systems.

Für mich gehört unabdingbar auch die zweite Leitplanke dazu: Angemessenheit des Ausgabeverhaltens der Kommunen. Auch darüber müssen wir in diesem Zusammenhang reden. Dies steht übrigens heute schon im FAG, und es wird aus meiner Sicht auch ein wichtiger Punkt bei den Debatten über das neue FAG sein müssen, das im Jahr 2013 in Kraft tritt.

Wir haben, so glaube ich, eine ordentliche Grundlage für unsere weiteren Beratungen in den nächsten Wochen. Ich lasse dabei auch nicht unerwähnt, dass es in den letzten Wochen eine Reihe kommunalfreundlicher Begleitentscheidungen zu den ganz alten Zinsen und zu den neuen Belastungen aus Hartz IV vonseiten der Landesregierung gegeben hat.

Die Debatten, die in den nächsten Monaten hier im Haus und mit den Kommunen geführt werden, werden sicherlich spannend. Sie werden wahrscheinlich auch anstrengend werden. Wir als SPDFraktion sehen noch einige Ecken an dem Regierungsentwurf, die rundzuschleifen sind. Wir sind zu 80 % oder zu 90 % mit dem Entwurf zufrieden und werden deshalb in die Beratungen in den nächsten Wochen mit eigenen Vorschlägen gehen, die sich nicht auf den Ruf nach mehr Geld beschränken werden. - Herzlichen Dank.

Herr Kollege, verlangsamen Sie Ihren Schritt etwas, der Kollege Erdmenger möchte darauf reagieren.

Herr Erben, ich habe mich durch Ihre Einleitung aufgefordert gefühlt, etwas richtigzustellen.

Das habe ich mir gedacht.

Durch angestrengtes Falschinterpretieren wird Ihr Beitrag nicht besser. Ich habe mich ausdrücklich dafür ausgesprochen, dass wir, wenn wir Erhöhungsvorschläge für die Finanzausgleichsmasse unterbreiten, auch Gegenfinanzierungsvorschläge benötigen, und diese schließen eine Neuverschuldung nicht ein. - Vielen Dank.