Protocol of the Session on February 3, 2011

Aber es geht uns eben immer darum zu sagen, die Demokratie ist das, worüber wir streiten wollen. Es geht uns nicht darum, über die Differenzierung unterschiedlicher Extremisten zu streiten. Die Demokratie und nicht die Differenzierung der Extremisten steht für uns im Mittelpunkt.

Meine Damen und Herren! Der Kommunismus ist eine extremistische Haltung. Ich habe in einem Blog gelesen, Gesine Lötzsch habe mit ihrer Wege-zum-Kommunismus-Aussage aus Kalkül oder aus Unbedarftheit zumindest erreicht, dass in der öffentlichen Berichterstattung wieder über den Kommunismus diskutiert wird. Erfreulicherweise wurde das überwiegend ablehnend kommentiert.

Aber eigentlich - so stand es in dem Blog - sei diese Debatte gar nicht geboten. Schließlich - so wird argumentiert - verbiete sich ja auch eine Diskussion über das Für und Wider des Nationalsozialismus oder des islamistischen Extremismus. - Das ist nicht völlig von der Hand zu weisen.

Herr Gallert wird vermutlich zumindest ein Stück weit zustimmen und sagen: Ja, diese Debatte brauchen wir tatsächlich nicht. Er sieht wahrscheinlich noch nicht einmal einen Grund - zumindest habe ich das seiner Rede entnommen -, sich zu rechtfertigen.

In der Begründung zum Alternativantrag schreiben Sie, meine Damen und Herren von der LINKEN, wörtlich:

„Angesichts der geschichtlichen Erfahrungen ist eine Kommunismusdebatte für die Perspektive SachsenAnhalts in jeder Hinsicht gegenstandslos.“

Ja, Herr Kollege Gallert, das wäre schön, das stimmt aber leider nicht. Wir führen die Debatte heute, weil sie uns von Ihnen aufgezwungen wurde.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wenn die stellvertretende Bundesvorsitzende dieser Partei Mitglied einer Vereinigung namens Kommunistische Plattform ist, wenn der ehemalige Bundesvorsitzende dieser Partei drei Jahre lang gleichfalls Vorsitzender einer Partei - wohlgemerkt: einer Partei, keiner Dachvereinigung - namens Europäische Linke ist, in der sich fast alle kommunistischen Parteien alter Prägung Europas tummeln, und wenn die aktuelle Bundesvorsitzende sich auf einer jährlichen Veranstaltung mit RAFTerroristen zusammensetzt und dort über Wege zum Kommunismus schwadroniert, dann sind das nicht irgendwelche verdrehten Einzelmeinungen, dann hat das Methode.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Und wenn - das wird Ihnen, Herr Gallert, wieder nicht gefallen, aber in diesem Zusammenhang gehört das nun einmal hierher - diese Partei rechtsidentisch und teilweise mitgliederidentisch ist mit der Partei, die die Diktatur des Proletariats auf dem Weg zum Kommunismus auf deutschem Boden durchzusetzen suchte, und wenn ihre Bundesvorsitzende sagt, dieser Weg sei auch heute noch ein steiniger, dann, meine Damen und Herren, ist diese Debatte eben leider nicht gegenstandslos, dann geht es um genau diese Gretchenfrage, dann geht es um den Wertekanon, in dem sich DIE LINKE bewegt.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Dann muss sich eine Fraktion tatsächlich rechtfertigen, wenn solche Äußerungen nicht vorbehaltlos abgelehnt werden und wenn sie mit dem demokratischen Lager in diesem Landtag stimmt. Meine Damen und Herren! „Vorbehaltlos“ bedeutet eine aktive Ablehnung, also nicht, dass Sie unseren Antrag zusammenstreichen, bis eine eigenwillige passive Haltung zum Ausdruck kommt.

Die Menschen wenden sich ab - das klingt so aufgezwungen. Wenn sich die Menschen abwenden, dann wollen wir auch nicht über … - Aber es kommt eben kein „wir wollen“. Sie sagen einfach nur: Es ist kein Thema mehr, weil sich die Menschen abwenden. Darauf folgt nicht „Ich habe eine Haltung“ oder „Die LINKE steht für oder gegen“ - das fehlt. Es ist kein aktives Stellungnehmen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Dabei sind Sie keine Überzeugungstäter; dabei sind Sie Getriebene. „Vorbehaltlos“ bedeutet auch nicht, wie Sie es unter Punkt 2 Ihres Antrags wollen, sich ganz nebenbei noch einen Freifahrtschein für alle möglichen anderen Vorstellungen von so genannten gesellschaftlichen Alternativen abzuholen.

Sie werden wahrscheinlich gar keinen Hehl daraus machen, dass Ihnen dabei beispielsweise eine Vergesellschaftlichung der Produktionsmittel nach Artikel 15 des Grundgesetzes vorschwebt. Dazu ist zu sagen, dass ein freiheitlicher Staat vom Charakter her selbst restriktiv ist. Er soll und darf sich nicht aller Instrumente bedienen, die ihm zur Verfügung stehen, und Artikel 15 gehört für uns ganz sicher zu diesen Instrumenten. Deshalb werden Sie diesen Freifahrtschein von uns auch nicht bekommen;

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

erst recht nicht dann, wenn dies quasi im Tausch gegen eine Ablehnung des Kommunismus geschehen soll. Eine Art Tausch wäre es in der Tat, wenn man Ihrem Antrag folgen würde. Denn Sie bieten dem Landtag eine weichgespülte Variante des Antrags der Fraktionen der

CDU, der SPD und der FDP. Diesem würden Sie zustimmen, wenn dem von Ihnen angefügten Punkt 2 auch zugestimmt würde. Wenn die Ablehnung des Kommunismus für Sie aber eine Selbstverständlichkeit ist, dann haben Sie überhaupt nichts anzubieten. Lassen Sie diese Winkelzüge und stimmen Sie einfach unserem Antrag zu.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Zu- ruf von der LINKEN: Das ist Demokratie!)

Nun könnte man behaupten, das mit dem ganzen Kommunismusgeschwätz sollte man, bitte schön, nicht zu ernst nehmen, das sei nur eine Monstranz, die manche Leute vor sich hertragen, um den Salonkommunisten bei der Stange zu halten, während dieser seinen Latte Macchiato schlürft.

(Heiterkeit bei der CDU)

Aber so sehen sich Teile - weite Teile - der LINKEN in Sachsen-Anhalt eben nicht. Für Leute wie Herrn Koch sind das wahrscheinlich tradierte Werte; die Abkehr von diesen Werten wäre Verrat. Deswegen ist Misstrauen immer angebracht. Sie werden es mir hoffentlich nachsehen, aber Ihre Bundesvorsitzende hat mein Misstrauen nochmals entfacht.

Meine Damen und Herren! Es ist im Übrigen völlig müßig, darüber zu streiten, ob der Kommunismus in irgendeinem Land dieser Welt tatsächlich schon einmal verwirklicht wurde. Egal ob es nun tausend Wege zum Kommunismus gibt, wie Gesine Lötzsch erklärt, oder nur Irrwege, wie ich meine - diese Wege wurden mehrmals beschritten, und je weiter ihnen gefolgt wurde, desto eher führten sie immer zur Einschränkung der Freiheit, immer zum Verlust von Privateigentum, fast immer zu Tod und Folter und nicht selten zu massenhaftem Elend in der Bevölkerung.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Kommunismus steht deshalb zu Recht nicht für Freiheit und Gerechtigkeit, sondern, wie andere totalitäre Ideologien auch, für das glatte Gegenteil: für Unfreiheit.

Lord Dahrendorf hat in seinen letzten Interviews festgestellt, dass die pseudoreligiöse Versuchung des Kommunismus größer gewesen sei als die des Nationalsozialismus. Sie habe mehr Leute erfasst, eine ganze intellektuelle Generation, die da nur mühsam - von den Schauprozessen über den spanischen Bürgerkrieg und den Ungarn-Aufstand bis zum Jahr 1989 - wieder herausgekommen sei.

Von einem friedlichen Weg zum Kommunismus kann man fabulieren - vor der Wirklichkeit konnte er nie bestehen. Ich denke, das liegt daran, dass es einen solchen Weg überhaupt nicht gibt. Im Interesse der Menschlichkeit hoffe ich, dass die anderen, angeblich noch unbeschrittenen Wege nicht auch noch versucht werden.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Denn der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Darüber sind wir uns in diesem Hause, so hoffe ich, einig.

Gesine Lötzsch empfiehlt ebenfalls Rosa Luxemburg. Unter der Überschrift „Wege zum Kommunismus“ zitiert sie aus der Rede auf dem Gründungsparteitag der KPD:

„So soll die Machteroberung nicht eine einmalige, sondern eine fortschreitende sein, indem wir uns

hineinpressen in den bürgerlichen Staat, bis wir alle Positionen besitzen und sie mit Zähnen und Nägeln verteidigen.“

Wenig später erklärt Frau Lötzsch dann:

„Für mich steht linke Politik insgesamt und die Politik der Partei DIE LINKE in dieser herausfordernden Tradition gesellschaftsverändernder radikaler Realpolitik.“

(Oh! bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Aus dieser Sicht sind Parlamentarier und zuvorderst Sie, die Parlamentarier von der LINKEN, lediglich Mittel zum Zweck.

(Zuruf von der CDU: Genau das ist es!)

Jeder Parlamentarier ist deshalb aufgefordert, deutlich zu machen, dass wir alle gemeinsam hier Repräsentanten des Volkes sind und nicht die Werkzeuge einer Revolution.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Das Zitat von Rosa Luxemburg klingt mir auch nicht so, als ob die Kommunisten, wenn sie nicht mehr gewählt würden, bereit wären, die Plätze, die sie erobert haben, wieder zu verlassen. Mit Demokratie hat das freilich nichts zu tun.

(Zuruf von der CDU: Das haben schon andere in Deutschland ausprobiert!)

Das von Frau Lötzsch ausgesuchte Zitat von Rosa Luxemburg ist für die heutige Debatte auch aus einem anderen Grund von besonderer Bedeutung: Es lässt die von Ihnen in dem Alternativantrag postulierte Ablehnung des Kommunismus eigentümlich schal erscheinen - eben weil sich Ihre Streichung aus dem Antragstext der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP wie eine Einschränkung lesen müsste.

Wenn Sie den kommunistischen Gesellschaftsmodellen in Sachsen-Anhalt keine Zukunft bescheinigen, aber dem Satz „Diese Ideologie hat ausgedient“ nicht zustimmen können, und wenn Sie den Versuch, den Kommunismus als gesellschaftliche Alternative zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung darzustellen, nicht verurteilen wollen, dann fragt man sich natürlich, ob Sie hier ehrlich sind.

Nicht besser wird das durch die eigenartige Verquickung mit Ihren Postulaten unter Punkt 2. Dort bringen Sie es doch tatsächlich fertig, die Ausbreitung der Prinzipien der Marktwirtschaft nach dem Untergang des real existierenden Sozialismus mit Krieg, einer Zunahme der sozialen Polarisation zwischen armen und reichen Regionen und der Verschärfung von ökologischen Problemen in Verbindung zu bringen. Meine Damen und Herren! Ich möchte den Zustand des Kalten Krieges mit seiner Bedrohung für das Überleben der ganzen Menschheit nicht gegen die heutige Situation eintauschen.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)

Der Niedergang der kommunistischen Regime hat die ökologische Situation nicht verschärft; er hat sie - im Gegenteil - entschärft. Die Ausbreitung marktwirtschaftlicher Prinzipien hat Millionen, wenn nicht gar Milliarden Menschen aus elenden Lebensbedingungen geholt.

(Zustimmung bei der FDP)

Die Welt ist ohne kommunistische Regime und mit der Ausbreitung der Marktwirtschaft eine bessere geworden, als sie vorher war.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)