Vielen Dank für die Klarstellung. Herr Scharf, vielen Dank für Ihren Beitrag. - Der Herr Ministerpräsident hat um das Wort gebeten. Herr Ministerpräsident, bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle vier Fraktionen dieses Hohen Hauses beantragen letztlich bei sich selbst, zum Ende der Legislaturperiode zu beschließen, dass das Land Sachsen-Anhalt ein weltoffenes und tolerantes Land sein möge. Ich darf für die Landesregierung erklären, dass dieses Ziel seit Anbeginn unserer Tätigkeit in dieser Legislaturperiode für uns bestanden hat und dass wir gemeinsam in der Landesregierung für dieses Ziel gearbeitet haben. Denn wir wissen, dass wir die Weltoffenheit wahrscheinlich mehr brauchen als die Welt uns.
Wir sind das Bundesland mit der größten Zahl von ausländischen Investoren. Etwa jeder siebente neu geschaffene Arbeitsplatz wurde von einem ausländischen Investor geschaffen. Wir werben weltweit um Vertrauen für
unser Land und darum, dass noch mehr Investoren unser Land finden und in uns Vertrauen setzen mögen.
Aber das ist nur die eine Seite des Problems. Wir haben uns bemüht und bemühen uns weiterhin, so weltoffen wie möglich zu sein und mit möglichst vielen Regionen dieser Welt freundschaftliche Kontakte aufzubauen. Das machen auch viele Einrichtungen in unserem Land.
Unsere Schulen haben etwa 250 internationale Schulpartnerschaften. Unsere Gemeinden haben über 130 internationale Kommunalpartnerschaften. Wir als Land haben Partnerschaftsverträge mit der Region Centre in Frankreich und der Wojewodschaft Mazowieckie in Polen. Wir haben gute Beziehungen zu Litauen. Wir sind zurzeit dabei, gute Beziehungen mit der Region Krasnodar in Russland aufzubauen, die sich, so hoffe ich wenigstens, bis zu einem Partnerschaftsvertrag entwickeln werden.
Es gibt umfangreiche Schüleraustauschpogramme. Im letzten Jahr waren es über 1 500 Schüler, die an solchen Schüleraustauschprogrammen teilgenommen haben. Und wir haben in Güntersberge das größte internationale Jugendcamp Europas.
Das heißt, wir haben bewusst viel dafür getan, nicht nur Geld ausgegeben, sondern auch viel Engagement organisiert, um uns international einzubinden. Dafür, dass die französische Botschaft einen Kulturbeauftragten bei uns in der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt hat und bezahlt, der uns hilft, diese Kontakte auszubauen, bin ich auch an dieser Stelle dankbar. Wir geben uns Mühe, die Beziehungen so weit wie möglich zu vielen Ländern weiter auszubauen, weil wir das als Land brauchen. An Weltoffenheit wollen wir es nicht mangeln lassen.
Wir werden diese Entwicklung fortsetzen. Ich sage das ganz bewusst, allerdings aus einem anderen Grund. Zurzeit lebe ich mit dem Vorwurf, der reisefaulste Ministerpräsident Deutschlands zu sein. Damit muss ich auch leben können. Aber es werden wahrscheinlich in der nächsten Zeit noch einige Entscheidungen zu treffen sein, weil Wirtschaftsbeziehungen vor allen Dingen zu den Ländern, in denen nicht nur Privatwirtschaft existiert, auch gelegentlich politisch begleitet werden müssen. Diese Entscheidungen werden in den nächsten Tagen getroffen.
Das heißt, wir bekennen uns zu dem Gestaltungsziel, ein weltoffenes Land zu sein, und wir haben auch eine ganze Menge dafür getan.
Im zweiten Punkt begrüßen Sie das bürgerschaftliche Engagement zur Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft. Seit Langem halten wir dies für unverzichtbar. Sie wissen, dass der Präsident und ich die Schirmherrschaft über das von uns initiierte „Netzwerk für Demokratie und Toleranz“ schon Ende des Jahres 2005, Anfang 2006 übernommen haben. Darüber haben wir auch an dieser Stelle diskutiert.
Es war nicht unser Ziel, eine neue Organisation, einen neuen Verein zu schaffen mit Statuten und Mehrheitsdiskussionen und Leitungsstrukturen. Es war unser Ziel, die vielen bürgerschaftlichen Initiativen des Landes zu koordinieren, zusammenzuführen und ihnen zur selbständigen Tätigkeit Hilfestellung zu geben. In der Zwischenzeit sind es 289 Partner, die sich in diesem Netzwerk zusammengeschlossen haben und die davon profitieren, dass wir uns ab und zu im Jahr treffen, Erfahrungen austauschen und uns gegenseitig Ideen vermitteln.
Das alles sind Aktivitäten genau in der Intention Ihres Antrages, die wir seit Jahren aktiv verfolgt haben, auch mit unserer Landesinitiative „Hingucken, einmischen“ oder mit der Aktivität in den Schulen. Immerhin 57 Schulen haben den Titel „Schule ohne Rassismus“ erworben und machen das ganz aktiv und untersetzen das auch mit praktischer Arbeit in den Schulen. Ich denke, da haben wir keinen großen Nachhilfebedarf. In diesem Bereich kann man nie genug tun, aber das sind Dinge, zu denen wir uns während der ganzen Legislaturperiode bekannt haben.
Sie schreiben, politischer Extremismus jeder Art stellt eine Gefahr für unsere Gesellschaft dar. Das ist ganz sicher so; daran gibt es gar nichts zu zweifeln.
Die Definition des Problems ist gelegentlich problematisch. Deswegen will ich es für mich so beantworten: Extremismus jeglicher Art ist dadurch erkennbar, dass seine ideologische Zielsetzung zur überwertigen Idee gemacht wird, der alle anderen Wertvorstellungen nachgeordnet werden.
Dies ist das Charakteristikum, an dem man feststellen kann, ob es sich um Extremismus handelt oder um eine Gedankenvariante, die zugelassen werden muss. Denn, meine Damen und Herren, so einig wir uns an dieser Stelle sind, so schwierig wird es, wenn wir uns zu einem toleranten Land bekennen.
Ich bin dankbar dafür, dass Sie das mit aufgeschrieben haben. Ich halte das für dringend notwendig. Aber ich will ganz deutlich sagen, da fängt es an, erst so richtig schwierig zu werden. Denn Toleranz heißt doch nichts anderes, als andere Meinungen aushalten zu können. Dass das in der Politik nicht immer einfach ist, das hat uns alle ein bisschen in Verruf gebracht.
Ich will es wenigstens für diejenigen sagen, die schon seit längerer Zeit im Parlament sind, vielleicht schon seit 20 Jahren. Ich glaube, keiner von uns ist mit dem Vorsatz gestartet, sich unbedingt unbeliebt zu machen. Wir hatten alle nicht die Absicht, einmal zu jener Bevölkerungsgruppe zu gehören, der man in der Öffentlichkeit kaum noch mit Respekt und Achtung begegnet.
Ich sage Ihnen: Das können wir nicht den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes vorwerfen. Wir müssen auch gelegentlich darüber nachdenken, wie wir Politik gemacht haben, wie wir es an Toleranz haben fehlen lassen.
Vor wenigen Wochen habe ich in einer überregionalen Wochenzeitschrift gelesen, dass es Vertreter politischer Parteien gibt, die in Vorbereitung von - in diesem Fall - Bundestagsdebatten nicht überlegen, mit welchen Sachargumenten man die Argumentationslinien anderer Parteien widerlegen könnte, sondern - das ist nachlesbar - darüber nachdenken, wie sie deren Meinung skandalisieren können. Das ist das Gegenteil von Tolerieren. Das ist ein Klima, das wir uns gegenseitig ersparen sollten.
Aber es wird ja noch schwieriger. Es wird schwierig, wenn Parteien antreten, von denen wir meinen, dass sie eigentlich nicht toleriert werden sollten. Dazu sieht das Grundgesetz in Artikel 18 sehr präzise Regelungen vor. Dort können Sie nachlesen, dass nur derjenige die Grundrechte, die Freiheitsrechte des Grundgesetzes ver
Aber das kann nicht jeder für sich selbst feststellen. Vielmehr ist ganz eindeutig festgeschrieben, dass die Verwirkung und ihr Ausmaß vom Bundesverfassungsgericht festgelegt werden. Das heißt, nur das Bundesverfassungsgericht kann feststellen, für wen der Schutz des Grundgesetzes nicht mehr gilt. Solange diese Feststellung nicht getroffen wurde, müssen wir in einem toleranten Land andere Meinungen aushalten. Das ist die eigentliche Schwierigkeit.
Ich habe ja schon mitbekommen - das ist in Vorbereitung der nächsten Landtagswahl sicherlich auch der Hintergrund dieses Antrages -, dass wir uns von den extremistischen Parteien abgrenzen wollen. Das gilt natürlich für links- und rechtsextremistische Parteien.
Eine Extremismusdebatte, die einäugig ist, ist eine missbrauchte Debatte. Das muss man ganz deutlich sagen.
Trotzdem halte ich es für sachlich geboten, dass in Punkt 4 die große Sorge vor dem Auftreten rechtsextremistischer Parteien ausgesprochen wird, weil linksextremistische Parteien zurzeit politisch bei uns keine Rolle spielen.
Die wie jedes Mal auch in diesem Jahr wieder antretende Marxistisch-Leninistische Partei, die für sich wirbt und Plakate klebt, ist nach der Meinung des Verfassungsschutzes sowohl auf der Bundesebene als auch auf der Landesebene eine linksextremistische Partei.
Sie hat uns bisher nicht gestört und ich gehe davon aus, dass sie uns auch in diesem Jahr nicht stören wird, weil wir zurzeit eine Bevölkerung haben, die gegen diese Argumente noch relativ immun ist. Aber das muss nicht immer so bleiben. Auch das ist richtig.
Aber die andere Seite, das rechtsextremistische Gedankengut, spielt bei uns eine praktische Rolle. Eine rechtsextremistische Partei ist jeweils in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen im Landtag vertreten. Sie haben darauf hingewiesen, dass auch wir so etwas schon erlebt haben. Es ist doch erkennbar, dass sie in der Bevölkerung einen bestimmten Zuspruch haben muss, sonst könnte sie sich ja gar nicht halten. Das ist aus meiner Sicht unser eigentliches Problem.
Wenn wir uns zu einem toleranten Sachsen-Anhalt bekennen, bekennen wir uns dazu, dass wir eine extremistische Partei aushalten, solange sie nicht verboten ist. Das heißt aber nicht, dass wir ihr Gedankengut nicht widerlegen. Das gehört auch zur Demokratie.
Dies zu unterscheiden und dies auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Freiheitsgarantien, die auch für politische Parteien gelten, zu tun, ist aus meiner Sicht das eigentliche Ziel eines solchen Antrags und das eigentliche Bekenntnis, dies auf demokratische Weise tun zu wollen. Da haben wir - ich habe die letzten Sätze der Rede von Herrn Scharf noch gehört - noch einiges zu tun.
Ich weiß, dass besonders junge Leute für dieses Gedankengut empfänglich sind. Ich weiß nicht, ob das bis
zum Letzten durchdacht und richtig ist. Aber mich überzeugt eine Meinung, die die ehemalige Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland Frau Knobloch mir gegenüber geäußert hat.
Sie hat gesagt: Alle jungen Menschen in der Welt, ob sie in Frankreich, in England, in Deutschland, in Russland oder wo auch immer leben, haben das Bedürfnis, auf ihr Heimatland in gewisser Weise stolz zu sein. Ihr Deutschen habt ein verkrampftes, ein verbogenes Nationalgefühl. Bestenfalls bei der Fußballweltmeisterschaft leistet ihr euch einmal so etwas. Wenn ihr nicht in der Lage seid, ein gesundes Nationalgefühl zu entwickeln, werden immer wieder diejenigen Zulauf haben, die versuchen, das auf nationalistische Weise auszunutzen.
Hierbei müssen wir eine vernünftige Balance finden, damit wir unsere Jugend gegen dieses Gedankengut immunisieren. Wir müssen sie so weit bringen, dass sie sich davon nicht anstecken lässt, wenn wir eine solche Partei aushalten wollen.
Das ist aus meiner Sicht eine Aufgabe, die wir alle in Deutschland - nicht nur wir in Sachsen-Anhalt - noch nicht ausreichend gelöst haben. Aber wir müssen sie lösen, wenn wir das erreichen wollen und uns von diesem Gedankengut abgrenzen wollen, so wie Sie das in Punkt 4 Ihres Antrages beschrieben haben.
Deswegen möchte ich gerne Folgendes sagen: Für die Landesregierung ist völlig klar, dass wir zu all diesen Zielen stehen. Ich glaube bewiesen zu haben, dass wir dies die ganze nun zu Ende gehende Legislaturperiode über auch schon gemacht haben.
Aber ich gebe all denen Recht, die sagen, es ist noch lange nicht alles gelungen; es ist eine weiter bestehende Aufgabe. Wenn Sie das heute alle gemeinsam beschließen, dann, so denke ich, ist das auch ein Auftrag an diejenigen, die nach uns oder nach Ihnen in der nächsten Legislaturperiode Verantwortung übernehmen werden. Ich hoffe, dass auch sie sich diesem Gedanken verbunden fühlen werden. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident, für den Redebeitrag der Landesregierung. - Wir setzen die Debatte fort. Ich darf für die Fraktion DIE LINKE dem Abgeordneten Herrn Höhn das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Höhn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte zu Beginn betonen, dass es ein nicht zu unterschätzendes Zeichen ist, dass sich alle Fraktionen dieses Hauses heute darin einig sind, dass zum einen Demokratie, Freiheit und Toleranz die unverzichtbaren Voraussetzungen für eine erfolgreiche gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes sind und dass zum anderen vor allem der Rechtsextremismus diese Entwicklung bedroht und ihm deshalb mit besonderer Aufmerksamkeit und Entschiedenheit entgegenzutreten ist.
Wir setzen als Landtag dieses Zeichen sehr bewusst unmittelbar bevor die Bürgerinnen und Bürger SachsenAnhalts zu den Wahlurnen gerufen werden. Wir sind uns darin einig: Kein Platz für Nazis - nirgendwo, auch nicht in den Parlamenten, meine Damen und Herren!
Egal wie sich die Rechtsextremen gerieren - wer die prinzipielle Gleichheit aller Menschen in Abrede stellt, wer den Vorrang der Gemeinschaft vor dem Individuum betont und wer nationale Abschottung als Wirtschaftsmodell propagiert, der will und wird keine Probleme der Menschen lösen.
Unsere Positionierung über die Fraktionsgrenzen hinweg ist ein wichtiges Signal auch an die, die sich vielleicht über neue Fürsprecher der NPD und über deren Biedermannstrategien wundern. Es ist ein Signal der Solidarität an diejenigen, die sich schon einmal von rechter Gewalt betroffen sahen, und an alle, die sich auch außerhalb von Wahlkämpfen gegen die extreme Rechte engagieren.