Herr Gallert, Sie haben jetzt versucht, das schön zu drehen. Es geht doch nicht darum, wer sich mit dieser Gesellschaft oder in dieser Gesellschaft arrangiert hat. Natürlich haben wir auch CDU-Mitglieder, die damals schon in der CDU waren, die sich auch in dieser Gesellschaft in irgendeiner Form arrangiert haben. Ich habe Sie aber bewusst nach denen gefragt, die die Opfer zu beklagen haben. Sie haben gesagt, Sie hätten noch einen Teil dieser Personen in Ihrer Partei sitzen.
Warum distanzieren Sie sich nicht von diesen Menschen? - Es gibt nachweislich Personen, die offizielle oder inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit waren. Die arbeiten in Ihrer Partei. Die sitzen zum Teil hier im Landtag oder im Bundestag und überall. Von denen, die nachweislich die Opfer zu beklagen haben, haben Sie sich bis heute nicht distanziert.
Ich sage noch einmal ausdrücklich, Frau Feußner: Wollen wir doch einmal unterscheiden, wer diesem politischen System mehr genützt hat. Wer hat die politische Unterdrückung, die es in der DDR gegeben hat, stärker legitimiert? War das jemand, der als 18- oder 19-Jähriger IM-Berichte geschrieben hat, mit allen Zusammenhängen, die damit zu tun haben, oder war es möglicherweise ein stellvertretender Energieminister aus DDRZeiten, der in diesem System einen viel höheren Stellenwert hatte?
Nein. Jeder Mensch hat in dieser Gesellschaft die Chance, sich kritisch zu seiner eigenen Vergangenheit zu verhalten. Dann darf er nicht ausgesperrt werden, auch nicht von der politischen Willensbildung. - Das ist meine Antwort, Frau Feußner!
Herr Stahlknecht ist der nächste Fragesteller. Wollen Sie Herrn Stahlknechts Frage beantworten, Herr Gallert?
Ich glaube, nach den Interventionen von Frau Feußner hat die Debatte eine Wendung genommen, mit der ich nicht mehr einverstanden bin.
Insofern kann Herr Stahlknecht seine Position gern artikulieren. Fragen aus der CDU-Fraktion werde ich hierzu nicht mehr beantworten.
Dann würde ich eine Kurzintervention machen. Diese würde ich gern vom Platz aus machen, Herr Präsident.
Nach Auffassung der CDU-Fraktion ist Kommunismus eine Ideologie, und Ideologien haben zu eigen, dass sie anders als Demokraten immer Menschen formen müssen für ihre Politik, während Demokraten die Politik formen für die Menschen.
Herr Gallert, Sie haben Ziele Ihrer Partei zitiert, und Herr Scharf hat Ziele aus dem Parteiprogramm vorgetragen, die ähnlich dem Kommunismus sind, ohne dass Sie diesen Begriff verwenden.
Auf der anderen Seite distanzieren Sie sich aber nicht vom Kommunismus und von den anderen in Ihrer Partei, die den Kommunismus befürworten. Insofern haben wir die Sorge, dass Sie die Demokratie nur als Deckmantel nutzen, um das Ziel Ihrer ideologischen Ausrichtung zu erreichen. Und wir haben die Sorge, dass Sie die Demokratie dann, wenn Sie dieses Ziel unter Ausnutzung demokratischer Mittel erreicht haben, nicht mehr gebrauchen können, weil Sie dann, am Ziel Ihrer Ideologie angelangt, wieder Menschen für Ihre Politik formen müssen. Das ist mit Demokratie nicht vereinbar. - Ich danke Ihnen.
Das war die Intervention des Abgeordneten Herrn Stahlknecht. Ich rufe jetzt auf den Debattenbeitrag der SPD. Die Abgeordnete Frau Budde erhält jetzt das Wort.
Bevor Frau Budde spricht, darf ich auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Egeln begrüßen. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Stimmt, Herr Gallert, die Teilung Deutschlands war eine Folge des
Nationalsozialismus. Aber die kommunistische Diktatur war es nicht; denn die gab es schon lange vorher.
Es geht auch nicht um die, die sich persönlich als Kommunisten gegen den Nationalsozialismus und zum Teil auch gegen den Kommunismus zur Wehr gesetzt haben. Ich empfehle mal das Buch „Die Architekten“ von Stefan Heym. Darin ist das sehr gut aufgeschrieben. Es geht vielmehr um das System.
Der größte Strickfehler des Systems ist, dass er die Natur des Menschen völlig ignoriert, dass sich der Mensch entfalten will und dass er individuell sein will. Das ist der größte Strickfehler dieses Systems. Vielleicht hätte man bei Adam und Eva lernen können; das ist zwar nur ein Gleichnis, aber das Paradies auf Erden wird es nicht geben. Ganz offensichtlich wollen die Menschen auch nicht das Paradies auf Erden, sondern eine demokratische, gerechte Welt, in der sie Chancen haben.
Ihre Zitate aus dem niedersächsischen Antrag der SPD sind doch völlig korrekt. Natürlich muss es Kapitalismuskritik geben, ja, und natürlich gibt es auch schon eine Antwort darauf. Diese Antwort ist nicht statisch. Die Antwort ist die soziale Marktwirtschaft, die die demokratischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahrzehnten weiterentwickeln.
Dieses Wirtschaftssystem muss weiterentwickelt werden. Es hat auch Ungerechtigkeiten, ja, und wir sind als Politikerinnen und Politiker aufgerufen, ständig daran weiter zu arbeiten.
Aber es geht eben nicht um Alternativen zu dem System, sondern es geht um die Weiterentwicklung unter einem demokratischen Dach, unter dem Dach der Demokratie. Wir alle wissen, dass Demokratie schwer ist, weil sie gezwungen ist - das ist richtig so -, das große Ganze zu sehen und Kompromisse zu finden. Damit macht sich Demokratie natürlich nicht beliebt bei Lobbyisten; denn sie wird weder dem einen noch dem anderen Recht geben, sondern versuchen, eine möglichst große Schnittmenge zu finden.
Wenn man sich aber die so genannte Kommunismusdebatte anschaut, hat man ja heute bei deren bejahenden Protagonisten ganz oft den Eindruck, als hielten sie das für eine rein akademische, eine rein philosophische oder eine rein historische Debatte. Man hat manchmal auch den Eindruck von verrauchten Hinterzimmern, Revoluzzern, die sich nachts den Kopf zerbrechen, die sich die Köpfe mit Plänen zur Weltrevolution heiß reden und dann morgens mit dem Kater in den nächsten Supermarkt schleichen und recht froh über die Errungenschaften des bösen Konsumapparats sind.
Man hat auch den Eindruck von philosophischen Debatten in geschützten Seminarräumen, bei denen jeder Halbsatz des „Kapitals“ auf das genaueste seziert wird, um schließlich den historischen Materialismus als allein seligmachende, scheinbar wissenschaftlich abgesicherte
und ewige Wahrheit zur Erklärung gesellschaftlicher Zusammenhänge zu erheben. Und man hat den Eindruck eines historischen Seminars, in dem analysiert, von den Betroffenen vorzugsweise relativiert wird, was durch den endlos zurückliegenden Schleier der Geschichte vom Kommunismus noch übrig ist und nun völlig losgelöst vom wirklichen Leben zwischen den Deckeln der Geschichtsbücher ruht.
Dieser Eindruck ist falsch. Kein Eindruck wäre falscher. Der Kommunismus ist zwar auch eine Philosophie, aber er ist eine fleischgewordene. Es hat nicht allen gefallen, was Rüdiger Fikentscher gesagt hat, die Kreistheorie, dass sich Extremismus am Ende wieder trifft und in den Rücken der Demokratie fällt. Es ist keine Theorie der Sozialdemokraten aus den 20er-Jahren, dass das so ist, sondern das ist leider, so wie ich es eben gesagt habe, schon in der Geschichte fleischgewordene Realität gewesen.
Das gehörte zur Lebenswirklichkeit von Milliarden von Menschen. Das Wirken des Kommunismus ist mitnichten vergangen oder vergessen, und es ist auch nicht unwirklich, sondern es war und ist bittere Realität. Es ist geprägt von millionenfachem Leid, von Mord, von Deportation und systematischer Unterdrückung. Das ist die Bilanz.
Deshalb sind wir als Sozialdemokraten der unumstößlichen Ansicht: Der Kommunismus ist keine akzeptable Gesellschaftsform, er hat keinen Platz in der Zukunft des Landes Sachsen-Anhalt.
Das hat er auch nicht, wenn man es sich mal gestatten würde, das Ganze nur philosophisch zu betrachten. Denn es steht eindeutig fest: Der Kommunismus ist keine Gesellschaftsform, die auch nur annähernd auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht. Er kann dort auch gar nicht stehen.
Ja, es gibt immer wieder Leute, die behaupten, dass die Idee eigentlich gut sei und nur noch der richtige Weg gefunden werden müsse, oder dass die Idee gut sei; Stalinismus, Terror und Unterdrückung seien Fehlentwicklungen gewesen, die mit der Idee gar nichts zu tun hätten. Das haben sie doch, und zwar ganz originär. Denn wenn man sich anschaut, was Kommunismus heißt: Ja, Kommunisten wollen eine klassenlose Gesellschaft ohne Unterschiede, eine Gesellschaft, in der jeder und jede ohne Rücksicht auf sein eigenes Wohl für die Gemeinschaft arbeitet, in der allen alles gehört und in der alle gleich sind. Das, meine Damen und Herren, ist keine Utopie, sondern das ist ein Irrbild;
denn wer eine Gesellschaft will, in der alle gleich sein sollen, der muss die unterdrücken, die nicht gleich sein wollen,
der muss zwangsläufig die unterdrücken, die einen eigenen Lebensentwurf haben, die nicht angepasst sein wollen. Denn für die ist im Kommunismus kein Platz.